
Meine beste Freundin
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich liege in meinem Bett und klammere mich an die Decke, die ich mir bis über die Nase ziehe. Um mich herum ist es dunkel. Nein… nicht dunkel… es ist schwarz. Pechschwarz. Es ist, als wäre um mein Bett herum ein großes Nichts. Als würde ich auf meinem Bett durch absolute Leere schweben.
Doch etwas ist dort. Ich weiß nicht, was es ist. Aber es ist dort. Es ist immer dort. Ich kann es spüren. Ich sehe nichts, ich höre nichts, ich rieche nichts, doch ich spüre es. Ein Wesen. Etwas Furchtbares. Etwas Grauenhaftes. Und es nähert sich. Es kommt immer näher und näher. Es will zu mir. Will… mich.
Und wenn es mich erreicht, wird es mich töten.
So ergeht es mir jede Nacht. Seit ich mich erinnern kann, habe ich diese Träume. Seit ich denken kann, fürchte ich den Schlaf. Und seitdem versuche ich ihn zu meiden, was jedoch von wenig Erfolg gekrönt ist. Ich habe keine Wahl, meine Eltern zwingen mich dazu, ins Bett zu gehen. Und einmal im Bett ist es nur eine Frage der Zeit, bis meine Erschöpfung und Müdigkeit die Macht über mich erlangen und erneut in diese gottverlassene Welt des Grauens und der Furcht zerren.
Was sich nähert, kommt auch irgendwann an.
Als ich 8 wurde, passierte es zum ersten Mal. Meine Eltern wollten mir nicht glauben. Sie sagten, es käme vom Spielen. Irgendwann wollte ich es selbst nicht mehr glauben. Irgendwann redete ich mir ein, dass ich schon am Vortag vom Spielplatz mit diesem tiefen Schnitt in meinem Fuß zurückgekommen war. Er zog sich über meine Fußsohle, von der Ferse bis zu den Zehenballen. Und er hatte noch immer geblutet, als ich an jenem Morgen aufgewacht war.
Ich lag erneut in diesem verdammten Bett und schwebte durch das verdammte Nichts. Ich konnte das Ding spüren, dass sich mir immer weiter näherte, doch etwas war anders. Mein Herz schlug schneller als sonst, bis an meinen Hals. Es fühlte sich an, als läge eine Tonne auf meiner Brust, so schwer atmete ich. Und plötzlich veränderte sich mein Traum zum ersten Mal. Und zwar nicht zum Besseren.
Etwas kam aus der Finsternis. Am Fußende meines Bettes erschien etwas, dass sich im Zeitraffer näherte. Erst dachte ich, es wären seltsame Äste, doch schließlich wurde daraus eine Hand. Nein… keine Hand… eine Klaue. Eine Klaue mit gräulich grüner, ledriger Haut und Krallen am Ende der langen, knochigen Finger, die Skalpellen ähnelten. Und eine dieser Krallen hatte schließlich meinen Fuß erreicht. Durch die Decke hindurch zog der Finger sein messerscharfes Werkzeug und hinterließ einen tiefen Schnitt in meiner Fußsohle. Eben jenen, den ich am nächsten Morgen tatsächlich vorfand.
Von diesem schrecklichen Tag an wurden meine Träume immer und immer schlimmer und ich versuchte immer verzweifelter, mich ihrer zu entziehen. Jeden Morgen hatte ich einen neuen Schnitt. Erst an meinen Füßen, dann an meinen Knöcheln, dann die Unterschenkel hinauf. Immer höher kamen die Schnitte und immer weiter griff die schreckliche Hand des Wesens nach mir. Es wurde unerträglich für mich und meine Eltern waren ähnlich verzweifelt wie ich. Sie liebten mich und wollten mein Bestes, doch glauben konnten sie mir einfach nicht.
Ich werde niemals den wundervollen Tag vergessen, an dem mein Psychologe meinen Eltern den Vorschlag machte:
An meinem 9. Geburtstag schenkte mir meine Mutter Lydia.
Lydia war die schönste, perfekteste und wunderbarste Puppe auf der ganzen Welt. Sie hatte langes, schwarzes Haar und ozeanblaue Augen. Sie trug ein hübsches, weißes Kleid, das ihr bis zu den Knien reichte und in ihrem Gesicht stand ein ansteckendes, unauslöschliches Lächeln. Ich liebte diese Puppe als wäre sie meine Schwester. Sie bedeutete mir alles.
Es war das erste Mal, dass ich etwas in dieser Richtung von meinen Eltern bekommen hatte. Ich besaß nie Kuscheltiere oder Puppen, denn mein Vater hasste diese Dinge. Ich hatte nie verstanden weswegen, doch wollte er auch nicht darüber reden. Stofftiere mochte er nicht und Puppen widerten ihn an. Es war eigentlich undenkbar für mich gewesen, jemals eine eigene zu besitzen. Doch endlich hatte ich eine bekommen.
Ich nahm Lydia überall hin mit und tat nichts mehr ohne meine neue beste Freundin. Egal ob in die Schule, auf den Spielplatz, zum Arzt oder in den Zoo. Sie war immer an meiner Seite. Vor allem aber war sie immer in meinem Arm, wenn ich fortan ins Bett ging. Und das war das schönste an ihr. Sie beschützte mich.
An dem Tag, als ich die Puppe bekam, wollte ich erneut nicht schlafen. Ich weigerte mich und wollte lieber weiter mit Lydia spielen, doch erneut hatten mich meine Eltern überzeugt. Ich hasste sie ein wenig dafür. Wieder musste ich mich in das verdammte Bett legen und wieder musste ich einschlafen. Doch dieses Mal klammerte ich Lydia fest an mich, wie ein Schraubstock. Sie gab mir Halt und das Gefühl der Geborgenheit. Sie tröstete mich und nahm mir meine Angst.
Kaum war ich endlich eingeschlafen, begann ich auch schon wieder zu träumen… von einem Pony, auf dem ich erst durch unseren Garten, und dann durch die ganze Stadt ritt. Danach von einem Zirkus mit Zuckerwatte und Clowns. Mehrere Träume ereilten mich in dieser Nacht, und keiner von ihnen war wie mein alltäglicher Albtraum. Keiner glich ihm auch nur. Keiner beinhaltete auch nur den kleinsten Schrecken. Sie alle waren wunderschön.
Da begann die schönste Zeit meines Lebens. Ich freute mich darauf, zu schlafen und wieder zu träumen. Ich genoss jede Nacht, ich genoss jeden Tag, ich kannte keine Angst mehr. Keine Schnitte und Kratzer zeichneten mich mehr. Ich blühte auf, sowohl in der Schule, als auch zuhause. Ich wurde offener und fröhlicher, ich fand neue Freunde und meine Noten wurden besser. Mein Martyrium war endlich vorbei gewesen!
Doch Lydias hatte begonnen.
Es war mir anfangs nie aufgefallen, doch auch wenn ich Lydia immer bei mir getragen hatte, so zeigte sie nach nur wenigen Wochen bereits die ersten starken Verschleißerscheinungen. Das Kleid wurde schmutzig und riss an manchen Stellen, die Haare waren zerzaust. Sie sah generell sehr mitgenommen aus. Meine Mutter, die selbst Gefallen an Lydia gefunden hatte, kümmerte sich immer darum. Sie richtete ihre Haare, flickte ihr Kleid und kaufte ihr sogar dann und wann ein neues, wenn die Schäden zu groß wurden.
Doch irgendwann nahmen sie überhand.
Es begann mit einem großen Kratzer, der sich Lydias linken Arm entlang zog. Von da an begann ich zu überlegen und zu zweifeln. Ich beobachtete genau, wann sie eine neue Schramme bekam. Am nächsten Morgen hatte sie einen Kratzer auf der Stirn, den Tag darauf am Fuß. An einer immer anderen Stelle tauchten Verletzungen auf und Lydias Kleid und Haare wurden immer schneller immer stärker in Mitleidenschaft gezogen.
Schließlich war es so weit gekommen, dass meine Mutter sie zu einem Fachmann zur Reparatur geben wollte. Doch dagegen weigerte sich mein Vater. Es kam zu einem schlimmen Streit zwischen meinen Eltern, denn mein Vater konnte Lydia nicht leiden und deshalb erst recht nicht so viel Geld für sie „aus dem Fenster werfen“, wie er sagte. Der Streit endete damit, dass ich schluchzend und mit Tränen im Gesicht in mein Bett fiel, meine Mutter kein Wort mehr mit meinem Vater sprach und mich tröstete und Lydia draußen in der Mülltonne lag.
Meine beste Freundin… wurde völlig gleichgültig in den Müll geworfen.
Das war der schlimmste Tag meines noch so jungen Lebens.
Das war der heutige Tag.
Da mir Lydia meine Ängste genommen hatte, habe ich mich heute in den Schlaf geweint. Ich wollte einfach nur, dass der Tag vorbei geht. Redete mir ein, dass Lydia vielleicht morgen schon wie neu an meinem Bett sitzen würde, weil meine Mutter meinen Vater doch noch überzeugen würde.
Doch stattdessen finde ich mich in einem nur allzu bekannten Szenario wieder. Als ich im Land der Träume erwache, öffne ich meine Augen. Ich liege auf der Seite und blicke in Richtung meines Fensters, durch das der Vollmond scheint. Meine Decke ist fort und außer dem Fenster, dem Mond und meinem Bett existiert nichts. Abseits davon herrscht nur absolute Finsternis.
Draußen vor meinem Fenster, auf dem Fensterbrett, steht Lydia. Sie ist noch so zerfetzt wie am Abend, als sie mein Vater achtlos weggeworfen hatte. In ihrem von tiefen Schnitten gezeichneten Gesicht ist kein Lächeln mehr. Ihr Blick ist traurig. Reue steht darin geschrieben. Mitleid.
Ich kann nicht atmen. Ich spüre die Präsenz von damals stärker als je zuvor. Mein Herz rast und setzt aus, als ich den Grund für Lydias Erscheinung erfahre.
Die grauenhafte Klaue erscheint von hinter meinem Rücken und legt sich auf mein Gesicht.
„Jetzt kann sie dich nicht mehr beschützen.“