ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Memoiren eines Opfers [2/5]
Der Aufruhr der Dorfbewohner mündete in ein selbstmörderisches Unterfangen. Scheinbar hatten sich mehrere von ihnen in den Wald gewagt, um, wie sie annahmen, das Mädchen aus den Händen der vermeintlichen Entführer zu befreien. Der Wald war groß und es gab keine Hinweise darauf, wohin sie das Mädchen gebracht hatten. Wir setzten ein, was wir in der jahrelangen Ausbildung bei den Krähen gelernt hatten. Spuren zu erkennen und ihnen verstohlen zu folgen. Dabei mussten wir zwischen denen der Dorfbewohner und denen des Mädchens und ihrer Begleiter unterscheiden, doch das war nicht schwer. Sie waren deutlich erkennbar und leicht zu verfolgen. Die Spuren endeten an einer verfallenen, alten Hütte. Wir positionierten uns in den Bäumen und warteten. Niemand ging hinein und niemand kam heraus. Es dämmerte bereits, als wir die Stimmen von mehreren männlichen Personen vernahmen. Scheinbar steuerten die Dorfbewohner dieselbe Hütte an. Pech für sie. Wenn wir keine konkreten Bedingungen erhalten, liegt das Schicksal jedes einzelnen in unseren Händen. Du kennst die Regeln, unsere Prinzipien und alles weitere. Wenn jemand unseren Auftrag gefährdet, wird er aus dem Weg geräumt. So läuft das bei uns.
Ich gab Samael ein Zeichen zur Vorbereitung. Wir benetzten unsere Wurfmesser mit Ahrl‘ tishok, dem tödlichsten und am schnellsten wirkenden Gift, was man auf dem Schwarzmarkt zu kaufen bekommt. Ja, das habe ich von dir gelernt. Ehe die Dorfbewohner wussten, wie ihnen geschah, war es bereits zu spät. Das machte weitere acht Männer auf Samaels Liste. Du kanntest ihn, er zählte mit. Wir warteten noch eine Weile, doch es kam niemand aus der Hütte. Die Spuren wiesen aber eindeutig darauf hin, dass sich die Zielperson und ihre Begleiter in ihr befanden. Samael und ich sprangen von den Bäumen und schlichen um das verfallene Gebäude. Die Fenster waren vernagelt und es gab nur eine Tür. Wir mussten also durch die Eingangstür. Samael ging voraus. Ich hielt auf dem Baum direkt vor dem Eingang die Stellung. Wären sie geflohen, hätte ich sie schnell und sauber niedergestreckt, wäre etwas nicht nach Plan gelaufen, hätte Samael das Zeichen gegeben. Den Rest kennst du. Es war unmöglich, dass die Zielpersonen diese Begegnung überlebt hätten. Unmöglich. Selbst wenn sie mehr als fünf gewesen wären. Wir haben schließlich von den Besten gelernt.
Samael verschwand durch die Tür aus meiner Sicht. Es war still. Es war verdammt still. Keine Tiere, kein Wind, keine Schreie, kein Flehen und auch kein Schluchzen. Ich zählte die Minuten, die ich auf diesem Baum verblieb, und als ich nach drei Minuten noch immer nichts hörte, schlich ich mich ebenfalls in die Hütte. Drei Minuten, Haider. Hätte mir jemand gesagt, dass es drei Minuten braucht, um einen erfahrenen Meuchelmörder der roten Krähen zu töten, ich hätte ihn ausgelacht. Doch mein Lachen sollte mir bei jenem noch folgendem Anblick im Halse stecken bleiben. Als ich die Hütte betrat, war es im Inneren finster. Ich sah niemanden und hörte niemanden. Keine Leichen. Drei Zimmer prüfte ich, bis ich mich in das Obergeschoss begab. Alle Türen bis auf eine waren ebenfalls mit Brettern vernagelt. Der einzige noch zu prüfende Ort in dieser verdammten Hütte. Dort schien es noch dunkler zu sein. Nein, ich schwöre, es war pechschwarz. Mein Gehör verriet mir aber, dass sich hier mindestens zwei lebende, atmende Personen aufhielten. Ich stand still, schärfte meine Sinne und lauschte. Dann war da dieser Atem, den ich in meinem Nacken spürte. Eiskalt. Als hätte mich der Tod persönlich begrüßt. Ich schwang meine Klinge schnell, doch sie schnitt nur durch Leere. Durch eines der zugenagelten Fenster drang ein Quäntchen Licht. Zügig und doch so leise wie möglich bewegte ich mich darauf zu und entfernte die bereits morschen und zerfressenen Bretter mit meinem Dolch. Der Raum füllte sich ein wenig mit Licht und in diesem Lichtschein lag Samael in seinem eigenen Blut. Haider, er hatte sich seine eigene Klinge in den Hals gerammt. Er hielt sie sogar noch fest umschlossen. Und dann sprach sie.
Ich nahm an, wir hätten ein Kind zum Ziel, doch das war eine erwachsene Frau. Sie kroch ein wenig in den Lichtschein und ich sah, dass ihre Beine angekettet waren. Sie hockte neben Samael und sprach in einer so mystischen, lustvollen und doch dämonischen Stimme, wie sie in keinen Geschichten geschrieben steht. Mein Blick haftete noch immer auf Samael. Ich weiß, was uns beigebracht wurde, und es war nicht so, dass ich trauerte. Nein, ich war… verwirrt. Für einen Moment war ich wirklich verwirrt. Der Schrei eines Mannes riss mich aus meiner Starre. „Sieh ihr nicht in die Augen!“, schrie er. Seine Stimme bebte. Schnelle Schritte bewegten sich auf mich zu, ich wurde von links gepackt und zur Tür geschleift. Diese Überraschung kostete dem Mann zwei seiner Finger. Doch dann ließ ich es einfach geschehen. Irgendetwas, Haider, irgendetwas sagte mir, dass ich fliehen müsse. Aber eine Krähe flieht nicht, das weiß ich. Ich tat es auch nicht. Nicht wirklich. Nun standen wir außerhalb der Hütte, der Mann und ich. Er war einer der Begleiter. Mit schmerzverzehrtem Gesicht hielt er sich die blutende Hand. Umgehend zückte ich meine Klinge und hielt sie ihm an die Kehle. Ich forderte Antworten. Ich wollte zumindest wissen, wie Samael wirklich starb. Es war einfach nicht richtig, Haider. Er? Ein Mann, der bereits 20 erfolgreiche Jahre bei den Krähen war? Das konnte nur Hexenwerk sein. Noch dazu hörte ich nichts. Absolut nichts. Kampflos wäre er niemals untergegangen. Das wissen wir beide. Der Kerl öffnete seinen Mund, um zu sprechen und wurde prompt von einem unheilvollen und so verstörenden Schrei aus dem Inneren der Hütte unterbrochen, dass selbst ich kurz zuckte. Bei den Ahnen, das klang wahrlich nicht menschlich…
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