
Nebelberg
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Magst du den Nebel? Ich liebte ihn. Ich liebte wie er in absoluter Stille über grüne Wiesen schwebte. Den düsteren Beigeschmack, die er der Atmosphäre zu verleihen vermochte. Seine sanfte, kühle Berührung.. Doch das war einmal. Falls.. Du mich hören kannst, erzähle ich dir wieso.
Ich habe schon seit einer langen, langen Zeit zu niemandem mehr gesprochen. Und seit einer langen Zeit, ist niemand so aufmerksam gewesen, wie du gerade. Aus dieser abscheulichen Geschichte, die ich mein Eigen nennen muss, kannst du hoffentlich etwas lernen.
Sie beginnt in den Rocky Mountains, einer Gebirgskette, die sich vom Westen Amerikas, bis hinauf nach Kanada zieht. Genauer gesagt, beginnt sie in einem kleinen Gasthof. Er lag am Fuss eines Berges, im nördlichen Teil der eben genannten Bergkette. Jedenfalls war ich dort zu Gast. Es lag jedoch nicht in meinem Sinn, dort im Haus zu verweilen. Ich war dort aufgrund meines jährlichen Ausflugs in die Rocky’s. Manchmal braucht man Abstand von der Welt. Aber das muss ich dir wohl kaum erzählen. Wer kennt das nicht? Ich war also im Gasthaus, um mich für meine zwei tägige Biketour zu stärken und Überschüssiges Reisegepäck deponieren zu können. Doch meine Vorfreude auf die Tour, erlitt einen erheblichen Dämpfer, als ich von Bill über die dortige Lage informiert wurde. Bill war der Wirt des Gasthauses und ein langjähriger Freund von mir. Er lebte dort mit seiner Frau Tina zusammen. Die beiden empfingen mich am Tag meiner Anreise anders als in den Jahren zuvor. Ihre Stimmung schien sehr getrübt.. beinahe ängstlich. Nach einem eher schlichten Wortwechsel, begab ich mich sogleich auf mein Zimmer und kehrte am Abend in den Essraum zurück, um der Sache genauer auf den Grund zu gehen.
Bill sagte mir, dass ein Päärchen in den Bergen verschollen sei. Es handelte sich um Liz und David. Auch sie waren mir bekannt. Wir planten unsere Ausflüge immer ungefähr zur selben Zeit im Jahr. Diesmal waren sie aber etwas früher angereist und nach den zwei Tagen ihrer Tour noch nicht wieder zurückgekehrt. Dies war nun schon anderthalb Tage her. Auch die beiden Polizeibeamten, die Bill den Vermissten hinterhergeschickt hatte, liessen noch nicht von sich hören. Er machte eine besorgte Miene und riet mir davon ab, morgen meine eigene Tour zu starten. Er meinte ich solle lieber bei ihm und Tina bleiben – Ein paar Tage mit ihnen verbringen, bis sich die Sache gelegt hatte. Ich lehnte ab.
Ich lehnte sogar Bill’s Angebot ab, mir die Kosten zu erlassen, wenn ich dafür noch warten würde. Aber ich hatte mir die Tour fest vorgenommen und wollte nicht warten. Es machte mir auch keine Angst, vom Verschwinden der anderen zu hören. Vielleicht hatten sie einfach nicht darauf geachtet, wie viel Zeit sie für den Rückweg benötigen würden. Wenn ich ehrlich bin, war es mir auch ein wenig egal. Ich wollte mich davon nicht von meiner Auszeit abhalten lassen. Ich dämlicher.. dämlicher..
Vollidiot.
Nachdem mich mein Wecker am nächsten morgen, um 10 Uhr aus dem schlaf riss, richtete ich mich träge auf und gähnte wie ein Löwe. Ich fühlte mich ganz gut.. Ausgeruht und motiviert, einen ruhigen Tag auf meinem Fahrrad geniessen zu können. Als ich mich nach einer heissen Dusche anzog, mein Gepäck über die Schultern warf und vor die Tür meines Zimmers trat, wäre ich beinahe mit Bill zusammengestossen. „Hey Danny.. Mhh.. Hast du es dir nochmal überlegt, wegen der Tour mein ich..?“, fragte er und wrang verlegen seine Hände. Ich rollte flüchtig mit den Augen, war aber eigentlich ziemlich gerührt von seiner Fürsorge. „Ich geh da hoch, Bill.“, erwiderte ich ernst. Bill schnaubte. „Ich.. habe vorhin mit der Polizei telefoniert. Die beiden Polizisten sind noch nicht zurückgekehrt. Niemand weiss wo sie sind. Es.. wird bald eine Suchaktion geben. Kann ich dich wirklich nicht überreden Danny? Ich bitte dich.. Bleib hier bei uns. Ich möchte nicht dass dir etwas passiert. Da oben geht irgendwas vor sich, das spüre ich.“, erklärte er ziemlich aufgebracht. Aber es half nichts. Ich blieb stur wie der Esel, der ich war. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ach.. Ich verstehe deine Sorge.. Wirklich. Und ich schätze es auch, dass du mir zu helfen versuchst. Aber ich bleibe dabei.“ Enttäuscht schüttelte er den Kopf. „Mhh.. Na gut. Aber ich gebe dir etwas mit, warte einen Moment.“ Er lief hastig in sein Schlafzimmer, trat eine Minute später wieder in den Gang hinaus und kam auf mich zu. Die Hände hielt er vor sich wie ein betender Priester, in denen
er einige Gegenstände mit sich trug. „Hier.. Das ist für den Notfall.“, sagte er und streckte sie mir entgegen. Ich lächelte und musterte die Dinge. Es waren drei. Ein schwarzes Klappmesser, Bärenspray und ein ca. 15 cm langes Rohr. Ungefähr zwei Finger breit. „Was ist das?“, fragte ich neugierig. „Ein Kaninchentöter.. Es enthält nur eine Kugel und würde einem grösseren Tier auf mittlerer Entfernung wohl nicht den Garaus machen. Aber es ist nützlich zur Abschreckung. Der Knall ist sehr laut.. Pass auf dich auf, da oben. Und komm gleich wieder zurück, sobald dir etwas seltsam erscheint, ja?“ Ich nickte und bedankte mich.
Wenig später, trat ich samt Rucksack und Wurfzelt nach draussen. Tina hatte mir auch noch einige belegte Brote mitgegeben und alles gute gewünscht. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag. Ich atmete tief ein und die frische Luft erfüllte meine Lunge. Ein perfekter Atemzug.. Der letzte an den ich mich zu erinnern vermag. Berauscht von der Bergluft und dem idyllischen Anblick der farbenfrohen Flora, die den Gasthof umgab, stieg ich auf mein Fahrrad. Ich folgte der geteerten Strasse ungefähr eine Stunde und bog schliesslich auf einen Kiesweg ab, der den Berghang hinaufführte. Keine Menschenseele weit und breit. Kein Gedanke bildete sich in meinem Verstand. Fast so, als würde keiner es wagen, diese wohltuende Ruhe zu stören. Ich erinnere mich an mein Grinsen, als ich darüber nachzudenken begann, warum mich keine Gedanken plagten. Ab und zu stieg ich von meinem Bike um ins Tal hinunter zu sehen, meine angestrengten Beine auszuruhen oder eines der Brote zu essen. Das Sandwich war erste Klasse. Frischer Kopfsalat, Tomaten, Zwiebeln, Schinken, süsse Gürkchen aus Schweden und Mayonnaise. Ich würde wahrscheinlich töten um wieder einmal so ein Sandwich essen zu dürfen.
Aber ich schweife ab.
Das Gezwitscher der lebhaften Vögelchen begleitete meinen restlichen Aufstieg, bis ich nach einer weiteren Stunde so weit oben war, dass die Strasse sich abzuebben begann. Vor mir tat sich weitläufiges, freies Gelände auf. Nur hier und da befanden sich ein paar Bäume und Büschlein, die auf mich wirkten, als wären sie absichtlich, perfekt in die Szenerie eingefügt worden. Die Sonne schien heiss, aber ein sanfter Luftzug kühlte mich gleich wieder ab.
Als ich gemütlich einen schmalen Schotterweg entlang fuhr, spürte ich, wie sich meine Beine aufgrund des flachen Terrains entspannten. Dann kam ich an einem kreisrunden Bergsee vorbei und vernahm ziemlich aufgebrachte Stimmen. Sie gehörten drei Jungen, die aufgeregt über etwas debattierten. Ich fragte sie ob alles in Ordnung sei, denn einer von ihnen schien am Fuss verletzt zu sein. Waren sie vor etwas geflohen? Nach einem kurzen Wortwechsel begriff ich, dass die nicht mit mir darüber reden wollten und ich hielt mich nicht weiter mit ihnen auf. Ich verabschiedete mich freundlich und fuhr dann für ungefähr eine weitere Stunde weiter, bis der Weg bergab in ein Tannenwäldchen führte.
Es war eine tolle Strecke. Der felsige Abhang war recht steil. Ich hatte so viel Spass als ich durchgeschüttelt wurde, dass ich den Weg verliess und grinsend über den Schotter polterte. Als ich kurz anhielt und zum Waldrand hinunter sah, fiel mir etwaserkwürdiges auf. Ich runzelte verwundert die Stirn, denn zwischen den Stämmen kroch dichter Nebel. Nirgendwo sonst. Dies allein war jedoch nicht der Grund meiner Verwunderung. Der Grund war, dass der Nebel nur bis kurz vor die letzten Tannen des Waldes vordrang. Es wirkte als hätte diese Baumgesellschaft ihren ganz persönlichen Nebel, den sie auf keinen Fall mit der Aussenwelt teilen wollte. Ich konnte sogar einzelne Nebelschwaden beobachten, wie sie ihre trüben, kühlen Hände ausstreckten und sie dann gleich wieder zurückzogen. So als verbiete ihnen etwas, sich auf dem umliegenden Gelände zu verbreiten. Wenn ich mich so zurück erinnere, hätte ich bereits an dieser Stelle erahnen müssen, dass zwischen diesen Tannen irgendein seltsamer Scheiss vor sich ging. Aber ich war eher neugierig, als verunsichert. Und so stieg ich wieder auf mein Bike und fuhr dem Nebel entgegen.
Ich war kurz davor in ihn einzutauchen, als ich im linken Augenwinkel etwas bemerkte. Etwas, dass dort nicht hingehörte. Ich schnellte mit meinem Kopf erschrocken nach links, um nachzusehen was dort war. Doch dabei fuhr ich auf einen losen Stein auf. Mein Vorderrad machte einen heftigen Schwenker und ich verlor die Kontrolle, so dass mein Fahrrad unter meinem Arsch wegrutschte. Ich stürzte und schlug hart auf dem Geröll auf. Ich ächzte unter dem Schmerz meiner aufgeschürften Beine. Auch meine rechte Schulter hatte durch den Aufprall einiges abbekommen. Doch für die Verletzungen schien mein Verstand nur wenig Zeit aufbringen zu wollen, denn er erinnerte mich schnell wieder an den Grund meines Sturzes. Ich hielt gespannt den Atem an und sah wieder zu dem Ort, an dem ich es zu sehen geglaubt hatte. Ich hätte schwören können, dass da, hinter einem Felsbrocken und nahe einer dicken Tanne, etwas graues, tierisches stand. Nun war es weg.. Hatte ich mich getäuscht?
Ich verharrte noch einen Moment am Boden, atmete tief durch und rappelte mich dann mühsam wieder auf. Etwas benommen hob ich mein Bike hoch. Es quietschte nervtötend, als ich es neben mir her stiess. Das vordere Rad hatte eine üble Delle. Mit diesem Schrott würde ich so schnell nicht weiterfahren können. Ich zeterte und fluchte über mein Pech. Von einer Sekunde auf die andere, war meine Laune im Keller. Mein Körper schmerzte, mein Rad war hinüber und meine Gefühlswelt war aufgrund der schleierhaften Ereignisse völlig durcheinander. Nach einigen, weiteren Flüchen beschloss ich dennoch weiterzugehen und schob mein kaputtes Bike hinein in den Nebel. Schon nach wenigen Metern, hielt ich erneut Inne. Ich hatte soeben mein eigenes Schicksal besiegelt. Dieser Nebel war nicht normal. Er war saukalt, brannte aber zugleich auf der Haut, wie die Sonne an einem beschissen heissen Sommertag. Als ich meine Arme untersuchte, bemerkte ich viele kleine rote Pünktchen auf der Haut von den Handschuhen bis nach oben unter die Ärmel meines Shirts. „Bleib jetzt ganz ruhig, Danny. Verlier jetzt nicht die Nerven. Dreh einfach um und geh nach Hause.“, versuchte ich mich zu beruhigen. Doch als ich mich umdrehte, war da kein Abhang mehr. Nur eine dichte Wand aus Nebel.
Es dauerte nicht lange bis ich verstand, dass ich gefangen war. Nur ungefähr 10 Minuten sinnloses Gebrüll, fünf Versuche die Nebelwand zu durchdringen, die noch stärker brannte als die übrige Suppe und zuletzt eine unendlich lange Minute purer Verzweiflung. Schliesslich machte ich mich aufgelöst auf den Weg, weiter in den Wald hinein. Ich irrte einige Stunden lang in einer hässlich grauen, geisterhaften Umgebung, bestehend aus hohen Tannen, totem Geäst und einer unheilvollen Stille umher. Lediglich meine unsicheren Schritte knisterten durch das Gestrüpp. Schon ziemlich früh begriff ich, dass auch meine Hilferufe wohl eher noch mehr Leid, anstatt Rettung bringen würden. Ich habe schon genug Horrorfilme gesehen, um zu wissen, dass stetes Gejammer dem Protagonisten in so einer Situation nicht viel mehr einbringt, als eine rostige Klinge in der Gurgel. Oder einem Pfeil in der Lunge.. Oder unmenschlichen, dreckigen Klauen im Gesicht.. Ach.. Halt’s Maul Verstand.. Sowie ich begriff, dass die Dämmerung einsetzte, schwang ich beim nächst besten Areal mein Gepäck von meinem Rücken. Ich konnte nicht mehr.. Ich wollte nicht mehr weiter. Entnervt sass ich Minuten später im Eingang meines Zelts und ass widerwillig eines von Tinas Broten. Mir war überhaupt nicht nach essen zu Mute. Es schmeckte nach nichts.. Dann legte ich mich erschöpft in meinen Schlafsack und fiel in einen unruhigen, von Sorgen geplagten Schlaf.
Geraschel und das Brechen von dünnen Ästchen weckte mich mitten in der Nacht. Ich fuhr hoch und lauschte angestrengt. Da.. lief etwas draussen herum. Vorsichtig öffnete ich den Reissverschluss und spähte durch den Schlitz. Alles schien still, nichts bewegte sich. Doch ich irrte, denn plötzlich war das Geraschel näher als zuvor. Zu nahe. Vielleicht gerade mal einen Meter neben meinem Zelt. Ich wagte nicht mehr zu atmen, kroch zurück in meinen Schlafsack und zog die Decke wie ein kleines Kind über den Kopf. Die hastigen Schritte befanden sich jetzt direkt vor dem Eingang. Dann hörte ich wie die beiden Zeltwände auseinander glitten, so als würde etwas seinen Kopf zu mir hinein strecken. Ich kniff die Augen so fest zusammen, dass mir die Lider weh taten – Unterdrückte den Drang nachzusehen, zu atmen oder sonst was zu tun. Kein Geräusch. Pures Verharren. Nach etwa 15 Minuten wagte ich es, die Decke ein wenig anzuheben. Das Zelt war offen, aber von einem Eindringling keine Spur. Den Rest der Nacht habe ich, wie du dir denken kannst, kaum ein Auge zugetan.
Als ich dann am nächsten morgen erwachte, fühlte ich mich einfach elend. Der Schlafmangel und meine Wunden packten meine Psyche und zerquetschten sie wie einen Käfer. Vor meinem Schlafgemach war es wieder heller geworden und ich kratzte nach einem weiteren geschmacklosen Sandwich die letzten Reste Mut zusammen, die noch in meinem Körper zu finden waren. Mein Gepäck wieder auf dem Rücken, startete ich die nächste Runde von sinnlosem, verängstigtem „Im Nebel umherstolpern“. Doch diesmal würde es nicht vergebens sein. Nach langer Suche fand ich einen Ort, an dem ich noch nicht vorbeigekommen war. Ich hatte nämlich bei meinem gestrigen Marsch immer das Gefühl im Kreis zu gehen. Es war eine Felswand, die da aus dem Nebel auftauchte. In der Wand befand sich ein Spalt – Gross genug um hineingehen zu können. Du denkst jetzt wahrscheinlich, dass ich tatsächlich ganz schön bekloppt sein musste, wenn ich da jetzt hineingehen würde. Du hast natürlich recht.. Aber was blieb mir sonst übrig? Ich wollte aus diesem Nebel raus und im Wald herum zu spazieren hatte bisher nichts ergeben. Ich lief also auf diesen Eingang zu.. Etwas Rotes leuchtete plötzlich aus der Nebelsuppe auf. Es stach heraus wie ein bunter Hund auf einer grauen Leinwand. Als ich mich dem Ding näherte, erkannte ich, was es war. Eine Brieftasche. Sie lag leicht in meinen Händen, als ich das verdreckte, gestickte Herzchenmuster an der Aussenseite untersuchte. Definitiv das Portemonnaie einer Frau. Dies bestätigte sich, sobald ich es öffnete und den Ausweis herauszog. Elizabeth Hayes.. Verdammt. Dann waren Liz und David also auch hier.. In diesen beschissenen Wäldern passiert auch nie was Gutes.. Aber.. vielleicht lebten sie ja noch? Auch wenn ich nicht sehr zuversichtlich war, freute es mich dennoch, auf ein Zeichen anderer Menschen gestossen zu sein.
Ich betrat die Höhle. Mein Herz pumpte stärker denn je. Wenigstens hatte sich mein Körper nun etwas an das Brennen auf meiner Haut gewöhnt. Dann wurde ich plötzlich von etwas abgelenkt. Wieder ein Geräusch. Es klang wie ein dumpfes Klopfen. Zudem verschlechterte sich die Sicht im Tunnel erheblich, so dass ich gerade noch genug sehen konnte, um mich nicht an der Wand nach vorne tasten zu müssen. Meine zittrigen Finger umklammerten einen Steinbrocken an der massiven Felswand und ich sah um die Ecke, als der Gang sich auf einmal abzweigte. In einer Ecke des Hohlraums, der sich vor mir auftat, vernahm ich eine Bewegung. Es hob sich nur wenig gräulich von der Finsternis ab. Nervös trat ich einen Schritt näher. Dann noch einen. Ich.. trat auf etwas Weiches, blieb stehen und schaute nach unten. Beinahe wäre ich auf der Stelle zusammengesackt, als ich es erkannte. Grauen schoss wie ein Blitz durch meine Adern. Ich spürte den Impuls meines Körpers zu fliehen. „Verpiss dich von hier! Lauf! Jetzt!“, schrie mein Hirn mich an. Ich wich zurück – Machte einen Schritt runter von dem weissen, abgetrennten Arm mit den verdrehten Fingern und.. atmete scharf aus. Mein letzter Fehler.. Ich atmete zu laut aus. Die graue Wand vor mir – Der Ursprung des dumpfen Klopfens, war keine Wand. Es war ein Rücken..
Die Gestalt drehte sich langsam zu mir um. Dann liess sie Liz‘ Kopf fallen, den die Kreatur zuvor auf Liz‘ restlichen geschundenen Torso hämmerte. Am Halsansatz fransten die Hautlappen aus, wie bei einem zerrissenen T-Shirt. Ihr loser Kiefer klapperte, als der Kopf auf dem Boden hin und her wiegte. Die zottelige Gestalt musterte mich mit hellen, weissen Augen. Ich schüttelte ungläubig den Kopf, während ich zurücktaumelte. Dann stolperte ich und fiel rückwärts. Meine Hand drang in etwas feuchtes ein. Aus reflex sah ich hin – löste für einen kurzen Moment meine Augen von der Kreatur. Ich hatte meine Hand im Bauch von Davids entstelltem Körper und seine Eingeweide flutschten durch meine Finger. Nun konnte ich einen angewiederten Aufschrei nicht mehr verhindern. Mein Feind antwortete sogleich mit einem aufgeschreckten Geheul, dass das Stöhnen jedes Zombies in den Schatten stellte. Dann griff es mich an. Seine langen Arme schlugen auf meine Brust ein, wie die, eines tollwütigen Affen. Sie griffen nach meinen Gliedmassen, zerrten an ihnen – quetschten sie. Verzweifelt tastete ich nach meinem Gürtel, in dem noch immer Bills Gegenstände steckten. Doch meine Hände taten sich schwer. Immer wieder rutschte ich von der Gürteltasche ab, oder musste mich für einen neuen Hieb der Kreatur wappnen. Schliesslich schaffte ich es, das Klappmesser zu fassen zu kriegen. Ich drückte den kleinen Knopf an der Seite und die Klinge schnellte hoch. Die Bestie hatte meinen Körper schon schlimm zugerichtet.
Ich fühlte mich benommen. In meinem Brustkasten liefen stechende Schmerzen um die Wette. Dann stach ich einfach blind drauf los. Das Messer drang in purer Mordlust wieder und wieder in den Bauch, die Brust und die Schulter meines Feindes ein. Doch ich machte ihn nur wütender. Er packte meinen linken Arm. Dann ein Stechen, dass beinahe eine Ohnmacht herbeiführte. Ein Knacken.. Ein.. Reissen? Mein Hirn überschüttete mich mit Befehlen. Flucht – Kampf – Ergeben – Kampf – Flucht. Ich würde definitiv in dieser Höhle draufgehen, wenn ich nichts unternahm. Ich wusste nicht ob mein linker Arm abgerissen war oder nicht. Ich griff noch einmal nach meiner Gürteltasche, da ich das Messer zuvor fallen gelassen hatte. Nun war das Bärenspray an der Reihe. Ich sprühte der Kreatur direkt in die Augen. Endlich liess sie von mir ab und fasste sich geblendet ins Gesicht. Sie fiel mit einem Donnern auf den Rücken, zappelte und wand sich unter jämmerlichem Geheule. Ich nutzte diese Chance. Mein Arm hing lose und schlaff von meiner Schulter, als ich mich aufrichtete. Aber er war noch dran. Gebrochen ohne Zweifel – Aber noch dran. Ich spielte mit dem Gedanken sofort zu fliehen, doch wie gesagt, hatte ich zu viele Horrorfilme gesehen und mich immer darüber aufgeregt, dass der Protagonist den Feind zwar schwächte, aber es praktisch nie beendete. Was schliesslich auch zu seinem Untergang führen würde. Also rannte ich nicht weg.
Ich sah die Umrisse des Messers neben mir auf dem Boden, hob es auf, warf mich auf das Untier und stach zu. Erinnerst du dich, als ich behauptete mit dem Atmen meinen letzten Fehler begangen zu haben? Das Messer war mein letzter. Es tötete einfach nicht schnell genug. Die Kreatur griff nach meinem Hals, zog mich zu sich hinunter und verbiss sich in meine linke Gesichtshälfte. Sein warmer, stinkender Atem legte sich über mein Auge, stieg in meine Nase und bahnte sich einen Weg durch meinen Gehörgang. Mit grosser Mühe versuchte ich mich los zu reissen. Ich stach ein letztes mal zu und traf die Kehle meines Feindes. Blut rann über meine rechte Hand, die das Messer hielt. Das Biest liess von meinem Kopf ab und gurgelte. Noch nie war ich so voller Zorn, Angst und Adrenalin zugleich. Ich wollte dieses Arschloch töten und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Meine Hand glitt über den letzten von Bills Gegenständen. Plötzlich begann ich heftig zu zittern und mir wurde übel, doch ich schaffte es den Kaninchentöter hervorzuziehen. Eine seltsam schmeckende Galle quoll meinen Hals hoch, während ich die Waffe ins Auge des Monsters bohrte und den Abzug betätigte. Der darauf folgende Knall wurde von seiner Schädeldecke gedämpft. Die Kugel drang tief in sein Hirn, wenn es denn eines gehabt hatte. Dann.. erbrach ich mich, kippte nach vorne und wurde Ohnmächtig. Unter mir ein warmes, zotteliges, totes Bett.
„Hallo?!“ Eine Stimme weckte mich aus meinem Schlummer. „Ist da jemand?!“, rief eine zweite. Die Stimmen klangen weit entfernt. Surreal. Ich erhob mich. Ich.. versuchte zu atmen, doch es ging nicht. Ich drohte zu ersticken – grub meine Hände in die Erde und rang nach Luft. Als es einfach nicht ging, ergab ich mich. Ich wartete.. Aber nichts passierte. Ich war noch immer in der Höhle. War ich tot? Wo war mein Atem geblieben? Warum erscheint alles so seltsam verschwommen. Ich musterte meinen Körper. Meine Verletzungen waren, bis auf die Bisswunde, alle weg. In mir herrschte eine tiefe Leere, so als wären meine Gefühle abgesaugt worden. Das Monster lag noch immer tot unter mir. Dann rissen mich erneut die Stimmen aus meinen Gedanken. Der Schein einer Taschenlampe erleuchtete die Höhle und tastete sich an mich heran. Im Licht sah ich es noch genauer. Der Ort an dem ich mich befand, war auf keinen Fall, die mir bekannte Realität. Alles war so geisterhaft verzerrt – verwaschen.. Scheisse.. Ich fühlte mich wie Frodo unter dem Einfluss des Einen Rings. Zwei Männer in Uniform kamen auf mich zu. Sie.. sahen mich nicht. Ich versuchte sie zu berühren. Meine Hand glitt einfach durch ihre Körper hindurch.
Auch meine Hilfeschreie fanden kein Gehör. Als die beiden die Szenerie absuchten krümmten sie sich vor Ekel. Einer sprach davon sofort Meldung zu erstatten, doch der andere wand ein, dass sie noch immer zuerst einen Weg aus dem Nebel finden müssten. Die Polizisten, die nach Liz und David gesucht hatten, waren also auch hier gefangen. Aber.. Wo war ich? Verwirrt folgte ich ihnen nach draussen, als die beiden sich auf den Rückweg durch die Höhle machten. Die Bisswunde an meiner Wange tat höllisch weh, sowie ich ins Tageslicht trat. Der Nebel.. hatte den Wald noch immer in seinem griff. Ich sah kaum 20 Meter weit. Dann erstarrte ich. Neben den Stämmen der Tannen standen unzählige, träge Kreaturen, wie die, die ich gerade getötet hatte. Einige waren kleiner als die anderen. Einige dicker – einige dünner. Aber alle fixierten mich mit den selben weissen, gefühllosen Augen. Langsam näherten sie sich. Doch sie griffen mich nicht an. Sie gingen an mir vorbei und stürzten sich dann auf die Polizisten, die einige Meter hinter mir standen. Diese schnellten überfordert ihre Pistolen hervor. Ich sah nur noch, wie ein Haufen grauer Wesen, die Körper der Beamten durch die Luft warfen. Schliesslich wurden sie in einem letzten Geräuschgewirr von Kugeln und Schreien auseinandergerissen, wie alte Stoffpuppen. Ich lief.. Ich weiss nicht wie lange oder wohin. Ich lief einfach. Irgendwann kam ich sogar wieder an den Waldrand. Ich lächelte.. Würde ich nun endlich wieder nach Hause dürfen? Hatten mich die Kreaturen vor der Höhle in Ruhe gelassen, weil ich, ein kleiner Mensch es vermochte, einen der Ihren zu töten? War ich nun einer von ihnen?
Ich schritt den letzten Tannen entgegen, die mich vor meiner vermeintlichen Erlösung abschirmten. Erleichtert trat ich hinaus und.. weinte. Der Nebel lichtete sich nicht. Ich brach zusammen und wartete. Eine Stunde verging. Zwei Stunden. Drei. Vier.. Und dann machte ich mich mit resignierter Miene auf den Rückweg. Ich wanderte durch diese graue, verzerrte Nebelwelt, bis ich wieder beim Gasthof ankam, wo ich meine Tour startete. Bill und Tina redeten mit einem grossen Aufgebot von Polizisten. Aber auch hier blieben meine Rufe und mein Flehen ohne Reaktion.
Und so verliess ich die Rocky’s. Gefangen.. Schlimmer als zuvor. Tot? Ich weiss es nicht. Es fühlt sich jedenfalls nicht mehr nach „leben“ an. Wie lange ich nun schon durch diese Welt streife, weiss ich nicht genau. Es könnten bereits Jahre sein.. Die Kreaturen vom Berg sind überall. Ich höre sie, wie sie nachts umher schleichen – Vorbei an Menschen, die sie nicht wahrnehmen. Wenn sie mich erblicken, beobachten sie mich neugierig und folgen mir sogar eine Weile. Und dann dieser verdammte Nebel.. Überall nur Nebel, Nebel, Nebel! Ich kann ihn nicht mehr sehen.. Ich kann nichts essen, nichts trinken.. Nicht atmen. Kannst du dir vorstellen wie es sich anfühlen muss, nicht atmen zu können und dennoch nicht drauf zu gehen? Wohl kaum..
Jetzt kennst du meine Geschichte. Und ich werde weiterhin nach einem Ausweg aus meinem trostlosen Gefängnis suchen. Ich.. werde es dich wissen lassen, sollte es mir gelingen. Verlass dich drauf.