Mysticeti – Konfrontation
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Das Vakuum um mich herum war vollkommen lautlos. Kein Geräusch wurde durch das Nichts übertragen und so waren da nur meine eigenen Atemzüge, die an meine Ohren drangen. Mein keuchendes Atmen und das Rauschen meines Blutes, welches von meinem tapfer schlagenden Herzen durch meine Venen und Arterien gepumpt wurde, nur wenige Zentimeter von dem Vakuum entfernt, welches mich sofort zum Platzen gebracht hätte, wenn der Schutzanzug nicht gewesen wäre.
„Ich bin bereit, Jona“, teilte ich meinem Kollegen über das in den Helm integrierte Funkgerät mit. Er öffnete die Tür vor mir und wünschte mir viel Erfolg bei meiner Außenmission. Ich stieß mich von der sicheren Wand ab und schwebte langsam in Richtung des Ausganges, hinaus aus der hell beleuchteten Luftschleuse unserer Kapsel.
Nun empfing mich absolute Schwärze, in die einige helle, weit entfernte Sterne gestreut waren. Von der Erde war ich abgewandt, so dass mir der Anblick der leuchtenden blau-grünen Kugel verwehrt blieb.
Ich zündete meinen Raketenrucksack und ließ mich zu dem kleinen Satelliten treiben. Das metallene Gebilde glänzte mir entgegen, angestrahlt von unserem kleinen Schiff, welches nun bereits einige Meter hinter mir lag. Ich dockte an, verband meinen Anzug mit der Sicherheitsleine des Satelliten und begann mit der Routinewartungsarbeit. Gerade, als ich das erste Werkzeug in die behandschuhte Hand nahm, meldete sich wieder Jona. „Wie mir gerade auffällt, solltest du dich beeilen. Du hast den falschen Sauerstoff-Tank genommen. Wieso ist dir das nicht früher aufgefallen?“, wauf er mir zusätzlich zu der Information noch vor. Ich sparte mir eine Erwiderung sowie den Atem dafür und beeilte mich stattdessen, mit meiner Arbeit anzufangen.
Ich überprüfte so schnell es ging, ohne an Sorgfalt einzubüßen, die Verschraubungen, ließ mir auf dem Kontrollmonitor einen Bericht der relevanten Daten anzeigen und teilte meinem Kollegen schließlich mit: „Alles in Ordnung, ich komme zurück.“
Mit meinen durch die dicken Handschuhe klobigen Fingern löste ich die Leine wieder, stieß mich ab und wandte mich währenddessen in einer leichten Drehung um.
Vor mir schwebte ein Wal.
Mitten in dem schwarzen, endlosen und eiskalten Nichts war da ein zwanzig Meter langer, grauer Wal, dessen lange Seitenflossen gemächlich auf und ab schlugen, ohne ihn jedoch einen Meter von der Stelle zu bewegen. Sein von Barten gefülltes Maul stand ein Stück offen und sein riesiger Kopf war nach vorne gewandt, so dass ich nur sein linkes Auge sehen konnte.
Sein massiger Körper verdeckte die im Vergleich zu ihm beinahe schon zierliche Raumkapsel, welche mir bis eben noch Sicherheit versprochen hatte. Hinter ihm war nur ein kleines Stück der Erde zu sehen, denn auch diese verdeckte er beinahe vollkommen.
„Kommst du zurück?“ fragte Jona über das Funkgerät.
Ich räusperte mich. Mein Mund war mit einem Schlag staubtrocken.
„Ich würde gerne, aber da ist ein Wal im Weg“, antwortete ich leise, obwohl das Tier mich unmöglich hören konnte.
„Flieg doch einfach drum herum!“ schlug mein Kollege genervt vor. Er verstand anscheinend nicht, in was für einer Lage ich mich befand.
„Dein Sauerstoff reicht nicht mehr lange, also was auch immer du machst, mach es bald!“
„J-ja, in Ordnung. Ich komme zurück“, beeilte ich mich zu sagen und ärgerte mich selbst über das Zittern in meiner Stimme.
Jona unterbrach die Funkverbindung, und wieder war da nur noch der Chor meiner Vitalzeichen in meinen Ohren.
Ich sah mir den grauen Tierkörper noch genauer an. Er füllte in der Länge mein gesamtes Sichtfeld, die Schwanzflosse entzog sich meinem Blick. Sein Maul öffnete und schloss sich kontinuierlich um einige Zentimeter, höchstens einen halben Meter. Ebenso war seine Flosse in einer stetigen Bewegung, welche sich in seinem Körper fortsetzte. Dadurch wirkte es beinahe, als würde er schwimmen. Nur dass er sich leider nicht von der Stelle bewegte und mir so den Weg zurück zu meinem Raumschiff versperrte.
Ich zündete kurz den Raketenrucksack und ließ mich ein Stück nach oben und ein wenig auf den Wal zu treiben, als dieser sein Auge auf mich richtete.
Erst durchdrang mich sein tiefer, klagender Gesang. Durch das Nichts des Weltraumes, welches keinen Laut übertrug, bahnte sich sein Lied auf einer Frequenz, welche ich in meinem Magen spüren konnte, den Weg zu mir.
„Ich verstehe nicht“, sagte ich perplex.
Der Wal nickte bedächtig.
„Du kommst hier nicht durch“, sagte der dann noch einmal und dieses Mal verstand ich ihn.
„Das ist aber ungünstig, ich muss nämlich in mein Schiff zurück. Mein Kollege wartet auf mich“, versuchte ich ihn zu überzeugen. „Außerdem geht mein Sauerstoff aus, ich brauche bald wieder frische Luft.“
Der Wal schien einen Moment zu überlegen, dann schloss er sein Auge ein wenig.
„Nein, du kommst hier nicht durch.“
In diesem Moment knackte mein Funkgerät. „Komm schon zurück, du hast nicht mehr viel Zeit!“, drängte mich Jona immer genervter.
„Ich versuche ja, aber der Wal lässt mich nicht!“ rechtfertigte ich mich. Als Antwort erhielt ich nur ein genervtes Stöhnen.
„Hast du meinen Kollegen gehört? Bitte lass mich einfach vorbei, ich fliege auch über dich rüber, wenn du möchtest. Du musst dich nicht einmal bewegen“, versuchte ich es erneut.
Ein Piepen informierte mich, dass eine bedenkliche Menge meines Sauerstoffes verbraucht war. Ich spürte bereits, dass die Luft dünner wurde. Nicht mehr lange, und ich würde den Kohlendioxidgehalt in Form einer sich steigernden Müdigkeit, Orientierungslosigkeit und Atemnot merken. Keine schöne Aussicht.
Wieder ließ der Wal einen kurzen Ausschnitt seines Gesanges ertönen. „Nein“, übersetzte er danach für mich.
Ich wurde langsam verzweifelt. „Und wenn ich einfach über dich rüber fliege?“
Dieses Mal klang der Gesang beinahe wie ein Lachen. „Dann kannst du ja mal ausprobieren, wie weit ich dich mit meinem Blasloch forttreiben kann“, drohte er.
„Was dauert denn da so lange?“, drängte Jona wieder.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Konnten die beiden nicht direkt miteinander diskutieren?
Der Wal schaute wieder von mir weg. Für ihn schien alles gesagt zu sein und ich nicht weiter von Bedeutung. Sollte ich versuchen, ihn zu umrunden, würde sich dies allerdings schlagartig wieder ändern, so viel war klar.
Wieder ein Piepen in meinem Ohr. Mein Herzschlag hatte sich beschleunigt, das Rauschen in meinen Ohren war lauter geworden. Wie viel Sauerstoff hatte ich noch? Träge hob ich einen Arm, wollte den Wert auf meinen Helmdisplay anzeigen lassen, doch mitten in der Handlung hielt ich inne. Wo war noch gleich der Knopf?
Ich spürte, wie meine Lunge kämpfte. Einen letzte Versuch wollte ich noch starten!
„Bitte lass mich durch!“ flehte ich den Wal mit dünner werdender Stimme an.
Dieser blickte wieder zu mir hinüber. „Nein!“ war seine entschlossene Antwort.
Ich spürte, wie meine Augen zufallen wollten und meine Muskeln trotz der Schwerelosigkeit um mich schwer wurden.
„Bitte?“ stieß ich keuchend aus. Meine Lungen wollten nach Luft schnappen, aber da war nicht genug Sauerstoff, um den Reflex zu befriedigen. Meine Sicht verschwamm, die Sterne in der Unendlichkeit wurde zu verschwommenen Schlieren und der Rest meines Sichtfeldes war das nicht enden wollende, gnadenlose Grau des Wales vor mir, dessen Aufmerksamkeit ich wieder errungen hatte, jetzt, da er mir beim Sterben zusehen konnte.
Meine Lungen wollten platzen, mein Herz raste, das Blut rauschte. Beinahe übertönte es Jonas Stimme, die mir noch ein letztes Mal vorwarf: „Immer musst du trödeln!“
Dann tauchte sich alles in schwarze Schatten und das Letzte, was ich sah, war der an mir vorbeiziehende Körper des Wales.