
Operation Deicide
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Was für ein Hohn.
Vielleicht konnte man ihn als Vater bezeichnen. Dann aber als einen, der
trank, den lieben langen Tag faul auf dem Sofa herumsaß und nur aktiv
wurde, um seine Kinder zu misshandeln.
Ok, zugegeben: Er hat nicht immer versucht uns absichtlich zu schaden
und ich persönlich weigere mich auch zu glauben, dass wir ihm jeden
Autounfall und jede Krankheit zuschreiben können, die sich je auf dieser
blauen Kugel ereignet hat. Vielleicht hatte er sich ab und an einen
kleinen Spaß gegönnt, um sich von seiner deprimierenden, endlosen,
kosmischen Langeweile abzulenken. So wie ein Kind, dass mit seinen
Actionfiguren Krieg spielt und sich dabei wenig Gedanken darüber macht,
ob die Plastikritter nicht des Kämpfens müde sind oder ob der
Tyrannosaurus Rex lieber ein Schläfchen halten, als zum tausendsten Mal
eine tödliche Kopfwunde erleiden würde.
Kleine Spiele, Späße, Grausamkeiten – sicher. Aber ich kann nicht
glauben, dass er unser Schicksal je völlig in seinen Händen gehalten
hat. Andernfalls wären wir nicht in der Lage gewesen uns zu wehren, nun
wo er völlig den Verstand verloren hat.
Ja, ihr habt richtig gehört: Gott – ein Gott, der alle Aspekte
unserer verschiedenen Religionen in sich vereint und sie gleichzeitig
negiert – hat den Verstand verloren. Eines morgens erschien er uns am
Himmel. Nicht etwa als bärtiger Mann oder gleißendes Licht. Nicht als
Jahwe oder Allah, sondern als ein Gewirr aus schwarzen Wolken, zwischen
denen rote Blitze umherzuckten.
Wir hätten es für ein Wetterphänomen gehalten, wenn nicht seine
Stimme sich in jeden unserer Köpfe gebohrt hätte. Eine Stimme, die
zugleich alt und jung, männlich und weiblich, zornig und säuselnd klang
und die unablässig jene Worte wiederholte, die uns seitdem schier in den
Wahnsinn zu treiben drohen. „Ich werde die Welt von euch und euren
Sünden reinigen.“
An diesem Tag hatte sein Krieg gegen uns begonnen und auch wenn wir
überrascht darüber waren, so hätten wir eigentlich damit rechnen können.
Immerhin geschah es ja nicht zum ersten Mal. Die Geschichten über
seinen ersten Amoklauf konnte jeder von uns in den alten Schriften
nachlesen. Geschichten über die Sintflut, über Noah, über Sodom und
Gomorrha über Plagen, brennende Dornbüsche und geopferte Söhne. Doch wir
hatten sie als Metaphern verstanden. Als religiöse Hirngespinste oder –
im Falle der Gläubigen – als moralisch gemeinte Warnung vor sündhaftem
Verhalten. Vor einem Pfad, der direkt in die Hölle führt.
Aber was, wenn schon in diesen Zeiten unsere einzige Sünde darin bestanden hatte, unseren Schöpfer zu langweilen?
Die damaligen Menschen konnten wenig gegen den Zorn dieses höheren
Wesens ausrichten. Was waren schon Schwerter und Pfeile gegen die Macht
eines Gottes?
Diesmal aber hatte er zu lange geschlafen, sich zu lange mit sich
selbst beschäftigt und sich in wirren Träumen verloren, während seine
Kinder gewachsen waren. Während der langen Phase der Vernachlässigung
waren wir selbst zu halben Göttern geworden, die Leben erschaffen,
verändern und zerstören konnten, die ihre eigenen Bausteine veränderten
und neu kombinierten und über ein Heer von elektronischen Geistern
geboten, die jede ihrer Befehle ausführten. Diesmal also war der Kampf
ausgeglichener.
Dennoch bot Gott alles auf, was er hatte. Er schickte uns Seuchen,
die viele von uns niederstreckten. Männer, Frauen und Kinder wanden sich
in Krämpfen, erbrachen Blut und wurden von stinkenden Geschwüren
übersät, bis wir endlich einen Impfstoff entwickelten, der sich
schneller anpasste, als die ständig mutierenden Viren, die das
verbitterte alte Wesen auf uns losließ. Er sandte uns Dürren, aber wir
gewannen Süßwasser aus der Luft, dem Meer und den Eingeweiden der Erde,
um unsere Ernte zu retten. Er sandte gefräßige Heuschrecken aus, aber
wir bauten ein Gen in unsere Pflanzen ein, dass sie für sie ungenießbar
machte. Er schickte eine gewaltige Flut und wir schützten unsre
Städte mit Kraftfeldern. Er ließ den Meeresspiegel ansteigen und wir
ließen unsere Städte schwimmen. Er verdunkelte den Himmel und wir
schufen eine neue, künstliche Sonne, die uns mit Licht und Wärme
versorgte.
All diese Plagen waren für die Menschheit als Ganzes nicht mehr als
ein Ärgernis, auch wenn viele dadurch ihr Leben verloren, und wir hätten
dem alten, sadistischen Tyrannen ins Gesicht lachen und ihn einfach
ignorieren können, wenn er nicht seine gefährlichste Waffe ins Feld
geführt hätte: Den Glauben.
Denn mit der Zeit wuchs die Zahl jener, die meinten, dass wir uns
Gottes Willen ergeben sollten. Sie waren so euphorisch, dass sich ihr
seit Jahrtausenden schweigender Gott nun endlich gezeigt hatte, dass
sie jedes seiner Verbrechen mit seiner angeblichen Größe und Weisheit
rechtfertigten und allein uns Menschen die Schuld an allem gaben, was
geschah. Sogar an unserem eigenen Leid.
Aber konnte man einem Kind wirklich die Schuld geben, wenn es
erwachsen wurde? Wenn es seine eigenen Ziele wählte und verwirklichte?
Ist ein Kind nicht mehr als der willenlose Besitz seiner Eltern? Ich für
meinen Teil denke das schon. Und zum Glück bin ich nicht der Einzige.
Und dennoch: Die Samen der Selbstkasteiung und des Selbsthasses
gingen auf, wo jahrtausendelange Verehrung ihnen den Boden bereitet
hatte. Und schon bald war der Anteil jener, die forderten, dass wir
demütig unser Haupt senken und unsere „gerechte“ Strafe empfangen
sollten, größer als der der Vernünftigen.
Diese Fanatiker begannen nun damit wissenschaftliche Einrichtungen,
Fabriken und jede Art von Technologie zu sabotieren, an die sie ihre
betenden Hände legen konnten, um so ihren „heiligen“ Willen
durchzusetzen.
Dies erst hat uns in die verzweifelte Lage gebracht, die Menschheit
vor sich selbst schützen zu müssen. Welle um Welle der gläubigen Narren
müssen wir über den Haufen schiessen, während wir jene Ultima Ratio
vorbereiten, die auch unter dem Namen „Operation Deicide“ bekannt ist.
Eine hochentwickelte Atombombe gegen seinen eigenen Schöpfer
einzusetzen, mag eine radikale Lösung sein, aber uns gehen die
Alternativen aus und jeder Unterhändler, den wir zu ihm oder seinen
Anhängern geschickt hatten, musste das teuer bezahlen.
Es gibt keinen anderen Ausweg. Keinen Plan B. Und trotzdem gibt es
eine Frage, die mich – neben den vielen sinnlosen Toten, die unsere
automatischen Geschütztürme, Kampfdrohnen und Mikrowellenwaffen im
Sekundentakt produzieren – gerade ernsthaft beschäftigt:
Kann eine Welt den Tod ihres Gottes überleben?