
Hast du Angst vor dem großen bösen Wolf?
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Es war ruhig geworden in dem alten und schlichten Gebäude, dessen Ausmaße beinahe, das eines Herrenhauses besaß, welches inmitten des Waldes stand, umgeben von nichts anderem als dem schier endlosen Wald, fernab der nächsten Siedlung oder Dorfes und darin nicht etwa hervorstach, sondern sich vielmehr darin einordnete, als wäre es ein Teil des Waldes selbst.
Von außen wirkte alles ruhig und friedlich, aber war es lediglich die Stille, die sich über die Szenerie gelegt hatte, nach dem, was dort geschehen war und vor dem, was noch geschehen würde.
Die schwere Tür aus massivem Zedernholz knarrte in dem leichten Wind, der von draußen hinein wehte, wobei er einige Blätter der roten Ahornbäume hinein wehte und damit die Holzdielen des Bodens wie einen Teppich bedeckten oder es schafften bis in das angrenzende Arbeitszimmer direkt neben der Tür zu gelangen, wo sie wie Schneeflocken herabrieselten.
An den Wänden neben der großen Fensterfassade, an der sich der große Schreibtisch befand, fanden sich Regale, gefüllt mit unzähligen Büchern, anderen Schriftstücken und vereinzelten Trophäen in Form von präparierten Schädeln verschiedener Tiere des Waldes. Zwischen den Regalen, genau parallel zu der Glasfassade fand sich ein Sammelsurium von Artikeln, kleinen Notizzetteln, verschiedenen Zeichnungen und Skizzen, welche von einer Phantomzeichnung, über Illustrationen bis zu anatomischen Darstellungen reichten, die über einer Karte der näheren Umgebung angebracht waren und ausgehend eines Zentrums, welches der Steckbrief eines Wolfes darstellte, mit roten Fäden miteinander verbunden worden sind.
In der Mitte des Raumes befanden sich zwei zusammengeschobene Tische, auf denen sich verschiedenste Waffen fanden – von der einfachen Klinge über die mechanische Armbrust bis zur Muskete, fein säuberlich ausgelegt und angeordnet. Zwischen ihnen lag ein altes, abgewetztes Buch, dessen aufgeschlagene Seiten sich im Wind kräuselten und sich durch ihn umblättern wollten, wäre da nicht die mattschwarze, polierte Klinge eines Messers, das darin steckte, als ob es alles daran setzen wollte, dass derjenige, der das Buch fand, wissen sollte, auf welcher Seite es aufgeschlagen war.
Der Geruch von frischem Blut lag in der Luft, welches noch kurz zuvor vergossen worden ist.
Überall fanden sich kleine Tropfen, Spritzer und Pfützen, welche die kleinen Rillen der Holzpaneele füllten, an den Wänden oder anderen Gegenständen herunterlief und die vereinzelten Papiere tränkte, die dort an der Wand hingen oder auf dem Boden verstreut waren.
Fürchtest du dich vor dem großen, bösen Wolf? – Hast du diese Worte schon einmal gehört?
Sicherlich hast du das, denn wer kennt nicht das allgemeine Märchen des kleinen Mädchens mit dem roten Cape, welches sich mit einem Korb voller Kleinigkeiten auf den Weg zu seiner Großmutter in den tiefen Wald aufmacht und dabei dem Wolf begegnet? Du weißt, von welcher Geschichte ich spreche, oder?
Wie oft habe ich diese Zeilen gelesen, die Kinder das Fürchten lehrte und es wiederum ihren Kindern erzählten? Das Märchen von Rotkäppchen und dem großen, bösen Wolf.
Dabei wissen sie nichts von der wahren Geschichte.
Von ihnen.
Von mir.
Die Gestalt, die wie eine Statue in dem Zimmer stand und dabei den leblosen Körper eines Tieres betrachtete, welcher zwischen den Tischen in einer Lache aus seinem eigenen Blut lag, gespickt mit mehreren Kugeln und Stichen, kniete sich zu dem Körper nieder und legte die Hand auf dessen weiches Fell, durch die sie sanft und beinahe zärtlich fuhr.
Sie jagen und töten sie, nicht nur um ihrer Pelze oder ihres Fleisches wegen, sondern weil sie sie fürchten. Dabei schufen sie sich ihre Angst selbst und jetzt …
Ein Knacken durchbrach die vom leichten Wind geprägte Stille.
Mit einem animalischen Instinkt drehte die Gestalt den Kopf in die Richtung des Geräusches und hielt dabei kurz inne.
… ist ihre Angst Wirklichkeit geworden.
Ein weiteres Knacken drang von draußen herein und die Gestalt war sich sicher, aus welcher Richtung die Geräusche kamen. Sie verlor keine Zeit, ließ von dem langsam erkaltenden Körper des Tieres ab und verließ das Gebäude, sodass es wirkte, als wäre sie nie dort gewesen.
Eine sanfte Kälte hatte sich in der Dämmerung über den Wald gelegt, sodass sich leichte Nebelschwaden wie ein Schleier durch den Wald zogen und diesen darin verbargen, als wolle er Außenstehende davon abhalten, dessen Geheimnisse preiszugeben.
In naturfarbenen Kleidern gehüllt, die durch ihre Abnutzung besser mit der Natur um sie herum verschmelzen sollten, tat der Mann einen festen und wohlüberlegten Schritt nach dem anderen, wobei er sich dabei achtsam umschaute, als befürchte er von jemandem oder … etwas angegriffen zu werden.
Fürchtest du dich?, erklang es plötzlich in einer felsentiefen, ruhigen Stimme, die in seinem Kopf zu erklingen schien. Nervös drehte sich der Mann um seine eigene Achse, seine Augen suchten auf jede Bewegung achtend das Unterholz und den Waldboden ab, aber lag der Wald friedlich und unberührt da, als wäre er das einzige Geschöpf darin.
„Wer ist da?“, fragte dieser in den Wald hinein, bereit, das Gewehr anzulegen und abzudrücken.
Sag mir … Mensch … Warum musste er sterben?
Angst packte den Jägersmann, Angst, die er nicht nach draußen dringen lassen wollte, sodass man sie ihm förmlich ansehen konnte.
„Von wem redest du?“, erwiderte er gefasst, wenn auch ein wenig nervös, wobei er die Nervosität noch zurückhalten vermochte.
Ein Zischen erklang, als das Wesen durch die gefletschten Zähne die Luft scharf einzog.
Du weißt genau, von wem ich spreche, Mensch!
Die Stimme in seinem Kopf war nun aggressiv, verärgert über die Worte des Mannes, als ob er ihn mit der Frage beleidigen wollte.
Ein wenig selbstsicherer antwortete der Mann der Stimme in seinem Kopf.
„Hast du ihn nicht zu mir geschickt, um mich zu töten?“
Ihr seid so blind vor Angst, dass ihr selbst die unerfahrenen Jungen lockt und tötet, ertönte es giftig in seinem Kopf, noch immer nach dem Ursprung der Stimme suchend. Dennoch blieb der Mann ruhig.
„Sollen wir etwa warten, bis sie ausgewachsen sind, bis sie uns und unsere Kinder töten?“
Stille.
Die Stimme in seinem Kopf war verstummt.
Wartend sah sich der Jäger um, vergewisserte sich, dass sich niemand an ihn heranschlich, während er die Hand zum Abzug der Waffe wandern ließ.
Dann ein Knacken.
Mit einem animalisch kontrollierten Reflex drehte er sich, um und hob die Waffe, um sie anzulegen, als im selben Moment eine Hand die Waffe packte, sie ihm aus den Händen riss und von sich warf, bevor sie zwischen einigen Bäumen im Unterholz verschwand. Augenblicklich zog der Mann sein Messer und schwang es in einem weiten Bogen, aber verfehlte er seinen Angreifer, der sich auf ihn stürzte, das Handgelenk des Mannes packte und seinerseits zustach.
Die Klinge schnitt durch Stoff und Fleisch, bevor es seinen Durst nach frischem Blut stillte und vollständig davon getränkt wurde. Einen kurzen Moment verharrte das Messer noch in seinem Körper, ehe es mit einem schneidenden Geräusch wieder daraus entfernt wurde, als die Gestalt ihn mit dem aufgesetzten Fuß von sich weg stieß.
Blut spritzte auf die Gestalt, ebenso auf den Boden, während der Körper des Mannes zu Boden ging und sich herumrollte. Mit einem Keuchen und gegen den Schmerz andrückend, drehte er sich um und sah die Gestalt in den roten Kleidern auf sich zukommen, den rechten Arm mit der blutgetränkten Klinge in der Hand ausgestreckt als ob sie ihm zeigen wollte, was ihn erwarten würde. Mit ganzen Kräften, die er noch aufzubringen vermochte, schleifte er sich zu einer Ansammlung moosbedeckter Steine, deren raue, mattschwarze Oberfläche von Ranken eines alten Baumes umschlungen waren.
Er wusste, dass er nicht entkommen konnte, aber war dies nicht der Grund seiner Angst und seiner Furcht, die von ihm Besitz ergriffen hatten, der Krieg der Vergangenheit hatte ihm diese Angst, diese Furcht längst genommen.
Vielmehr war es der Anblick jener Gestalt, die auf ihn zukam.
„Du“, hauchte er voller Entsetzen. „Du … du kannst nicht am Leben sein“, keuchte er und starrte die junge Frau in den rot-schwarzen Kleidern mit weit aufgerissenen Augen an, welche ihr Gesicht durch eine Maske in Form eines Wolfes verbarg, wobei sie lediglich den oberen Teil des Kopfes zeigte, sodass ihre Lippen und ihre Kinnpartie zu erkennen waren.
„Warum?“, fragte sie mit einer jungen, ruhigen Stimme, die wusste, wie sie sich auszudrücken hatte. „Glaubst du, der Wolf hätte mich getötet?“ Ein Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen, während sie sich zu ihm niederkniete. „Nein. Er hat mich nicht getötet.“ Mit unaufhörlichem Keuchen und einer stetig wachsenden Angst, die sein Herz zum Rasen brachte, beobachtete er die junge Frau, die mit einer eleganten Bewegung ihrer Hand die Kapuze von ihrem Kopf zog, unter der zwei mit dunklem Fell bedeckte Ohren eines Wolfes zum Vorschein kamen.
Sein Blick wechselte einige Sekunden zwischen der Maske und den Ohren hin und her, als sie nach der Maske griff, sie langsam abstreifte und das bekannte Gesicht des einstigen Mädchens, welches nun das Gesicht einer jungen Frau war, deren mit Ruß dezent umrahmte Augen so strahlend grau waren, dass sie beinahe wie Bergkristalle funkelten und ihn mit einer gewissen Ruhe, aber auch Entschlossenheit anschauten. „Ich bin eine von ihnen geworden.“
Mit blankem Entsetzen und einem lautstark pulsierendem Herz beobachtete er, wie sich das funkelnde Grau ihrer Augen in ein dunkles, leuchtendes Rot färbte und nach frischem Blut verlangten.
Sowohl die Angst, als auch der hohe Blutverlust hatten den kritischen Punkt erreicht.
Die Kraft verließ ihn, er fühlte sich schwach, während zugleich sein Herz mit einem letzten kräftigen Schlag den Dienst versagte. Reglos entwich dem Mann ein letzter Atemzug, bevor er regungslos zu Boden sank.
Noch immer den Blick auf ihn gerichtet, navigierte sie ihre mit Blut bespritzte Hand zu ihren Lippen, entblößte ihre Zähne, wodurch sie einen kleinen Blick auf die animalischen Eckzähne gab und kostete von dem langsam erkalteten, aber dennoch warmen Blut des Mannes, der bereits wie viele andere dachten sie, hätten mehr Erfolg als ihre Vorgänger.
Es war metallisch süßlich und kräftig, aber auch gezeichnet von Hass und Schießpulver, einen Geschmack, den sie schon seit einiger Zeit nicht mehr auf der Zunge verspürt hatte.
Aber war die Schuld dieses Mannes getilgt, genau wie die seiner Vorgänger.
Sie nahm noch einige Tropfen, ehe sie den Blick neigte, wobei sie die Augen schloss, sich auf den Geschmack dieses Mannes konzentrierte und dabei die Maske wieder aufsetzte.
Die Wahrheit, sie richtete sich wieder auf, wobei sie die noch immer rot gefärbten Augen langsam erneut öffnete, würdet ihr sie genauso fürchten wie eure eigene Furcht? Ein erneutes Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen, welche noch von einem letzten Rest der wenigen Tropfen Blut des Mannes befeuchtet wurden. Nicht sie sind unsere Angst. Wir haben sie zu unserer Angst gemacht.
Was denkt ihr?
Soll es noch weitere Märchen geben?
Oder wollt ihr mehr von Rotkäppchen?