
Selig sind, die einen Geist haben (Phasmophobie 4)
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
In der Uni bemitleideten mich alle, drückten mir ihr Beileid aus und hätten vermutlich auch mich gedrückt, wenn, nun ja, wenn eben nicht Corona wäre, doch das ist eine andere Geschichte. Auf jeden Fall waren alle, die ich offline oder online traf völlig entsetzt von Leas plötzlichem Tod und hatten natürlich auch längst mitbekommen, dass man mich freigelassen hatte, während Yannik weiterhin in Untersuchungshaft saß.
Selbst Schuld, sagte ich mir und wirklich nur mir, vor anderen gab ich mich deutlich mitfühlender und zweifelte natürlich an seiner Schuld. Wenn ich allein war, zweifelte ich nicht, doch das musste ja niemand wissen, genaugenommen durfte es eben auch niemand wissen. Also gab ich den niedergeschlagenen, trauernden und ganz und gar fassungslosen besten Freund, denn immerhin hielten uns alle anderen ja noch immer für das unzertrennliche Dreigestirn oder was auch immer.
Doch das Dreigestirn strahlte längst nicht mehr, Leas Licht war bereits erloschen, bei Yannik war es nur eine Frage der Zeit und ich hielt es für klüger, mein Licht erst einmal so weit wie möglich zu dimmen. Zumindest bis sich alle ein wenig beruhigt hatten, bis für die Polizei, die Medien und die Öffentlichkeit der Fall geklärt war und bis ich nicht mehr Gefahr lief, als herzlos zu gelten oder gar erneut unter Verdacht zu geraten.
Dabei war Yannik ja selbst Schuld. Immerhin hatte er in einem Verhör behauptet, die ganze Sache mit der Geisterjagd sei meine Idee gewesen. Er hatte der Polizei von jenem Spieleabend erzählt als wir uns nach einem Videospiel über paranormale Phänomene unterhalten haben und den Beamten dann weisgemacht, ich sei es gewesen, der aus der Schnapsidee ein Geschäft machen und leichtgläubige Leute abzocken wollte.
Ebenso hatte er ausgesagt, ich hätte die Besitzer des Geisterhauses kontaktiert, alles vorbereitet und genau geplant, wie wir in jener Nacht vorgehen wollten. Das jedenfalls haben die Polizisten mir dann später in einem Verhör erzählt, er habe also vermutet, ich könne etwas mit Leas Tod zu tun haben. Doch sie gaben auch zu, dass er die Geistererscheinung, die Lea gepackt hatte, absolut nicht erklären konnte.
So glaubten sie schließlich mir, worauf er für sie der Hauptverdächtige war, der seinen Kopf mit allen Mitteln aus der Schlinge ziehen wollte, während sie mich vorerst aus der Untersuchungshaft entließen. Sollte ich nun also Mitleid mit ihm haben, wo er versucht hatte, mich hinzuhängen, um sich selbst zu retten? Sorry, aber da hört die Freundschaft für mich nun wirklich auf.
Nun ja, was heißt überhaupt Freundschaft? Letztlich war es von Anfang an Lea, die uns als Dreigestirn sah, sie war von Anfang an das Bindeglied. Damals lebten wir noch in zwei benachbarten Zimmern im Studentenwohnheim, wollten schon gerne zusammenziehen, obwohl wir ja nicht einmal wirklich zusammen waren. Es war eher eine Freundschaft plus oder wie immer man es nennen soll.
Dann eines Tages aber zeigte sie mir auf einem Immobilienportal die WG, die für uns zwei zu teuer war, und erklärte im gleichen Atemzug, dass Yannik eben auch unbedingt aus dem Wohnheim ausziehen wollte. Zu dritt konnten wir uns die Miete leisten und da sie schon immer ein einnehmendes Wesen hatte, konnte ich nicht anders als zuzustimmen und es zumindest zu versuchen.
Mit unserem Umzug ging für mich einher, dass wir gefühlt jetzt auch ein Paar waren, obwohl wir das niemals wirklich ausgesprochen hatten. Trotzdem ging ich irgendwie davon aus und es fühlte sich ja auch so an, da wir, wie man so sagt, Tisch und Bett miteinander teilten. Dass sie das Bett auch mit Yannik teilte, erfuhr ich allerdings erst später.
Anfangs hatte ich mit dem Studium, der neuen Wohnsituation und eben auch meinen Gefühlen für Lea genug zu tun, so dass ich es gar nicht bemerkte. Es lief ja auch alles super. Wir gingen gemeinsam zur Uni, kochten gemeinsam, zockten gemeinsam, also dachte ich mir nichts dabei uns genoss die gemeinsamen Nächte mit Lea, auch wenn wir nie genau definierten, was das zwischen uns nun eigentlich war.
Dann eines Tages musste ich für ein Seminar noch lange programmieren, vergaß beim monotonen surren im Computerraum der Uni natürlich vollkommen die Zeit und wunderte mich dann, dass es längst dunkel war als ich den fensterlosen Raum verließ. Zwar wunderte ich mich noch, dass ich keine WhatsApp von Lea oder Yannik hatte, dachte mir aber auch nicht wirklich etwas dabei.
Als ich zuhause ankam und die Wohnungstür aufschloss, war alles dunkel, dann aber hörte ich die Geräusche aus Leas Schlafzimmer. Ich brauchte nicht nachzusehen, um zu verstehen, was da drin vor sich ging. Daher verzog ich mich in mein Zimmer, vertiefte mich in ein sinnloses Ballerspiel. „Ach, du bist ja doch schon da“, hörte ich irgendwann später Leas Stimme und die Belanglosigkeit, mit der sie das sagte, dieses vollkommene Fehlen von Schuldbewusstsein, das war es, was mich richtig sauer machte. „Ja, schon länger“, sagte ich nur, doch selbst den bissigen Unterton schien sie nicht mitzubekommen.
Später beim Abendessen war es dann Yannik, der mich fragte, was mit mir los sei. Entweder war er völlig ahnungslos oder tat so, jedenfalls schien auch für ihn alles gänzlich normal zu sein. „Nix, viel zu tun für’s Seminar“, wich ich daher aus und schluckte herunter, was ich den beiden zu gerne um die Ohren gehauen hätte.
Ja, Yannik, der selbstsichere, super sportliche, gutaussehende Yannik. Wahrscheinlich hätte ich schon etwas ahnen müssen als Lea mit der Idee ankam, mit ihm in eine WG zu ziehen. Hatte ich aber nicht. Er war ein Kommilitone, wir kannten uns flüchtig, waren auch schon gemeinsam auf Mensapartys gewesen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr fragte ich mich, ob sie vielleicht auch vorher schon mit ihm geschlafen hatte. Wie lange ging das eigentlich schon so mit den beiden?
„Kannst du mir mal verraten, was dein Problem ist?“, fragte Lea mich nach zwei Tagen, in denen wir kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten. „Du, du bist mein Problem!“, platzte es da aus mir heraus, „Du und Yannik! Wie lange lässt du dich denn schon von ihm ficken?“ Sie starrte mich entgeistert an, ganz so als ob sie wirklich nicht geahnt hatte, was mit mir los war. Dann aber lachte sie, erklärte, ich solle mich nicht so anstellen, schließlich habe ich keinerlei Besitzansprüche auf sie und sie könne tun und lassen, was sie will.
Ja, konnte sie. Dann konnte ich es aber auch. Zumindest redete ich mir das ein, machte mich auf den Weg in einen Club, trank zu viel und wachte am nächsten Morgen in einem fremden Bett auf. Half leider nichts. Irgendwann in den folgenden Tagen suchte Lea noch einmal das Gespräch mit mir, erklärte mir, dass sie das, was zwischen uns war, nie als etwas Ausschließliches gesehen hätte, immerhin hätten wir, als wir noch im Wohnheim wohnten, ja auch noch etwas mit anderen gehabt.
Blöderweise konnte ich ihr nicht einmal widersprechen, doch jetzt wohnten wir eben zusammen und daher hatte ich nun einmal gedacht, es habe sich etwas geändert. Das allerdings sagte ich ihr nicht, sondern versprach ihr, in Zukunft alles ein wenig lockerer zu sehen. Dieses „locker“ bedeutete für sie, dass sie sowohl mit mir als auch mit Yannik genauso weitermachte wie bisher. Und nicht nur das, sie überredete uns sogar, es ab und zu zu dritt zu versuchen. Da weder ich noch Yannik besonders viel Gefallen daran fanden, blieb ich von nun an häufig länger in der Uni, unternahm etwas mit anderen Freunden oder machte nicht selten ausgedehnte Spaziergänge, um meinen Kopf frei zu bekommen.
Lea schien kaum aufzufallen, dass sich alles mit einem Mal veränderte und Yannik, nun ja, Yannik war es natürlich nur recht so. Solange ich zurückdenken kann, war ich nie ein besonders emotionaler Mensch. Schon immer habe ich durch und durch rational gedacht, habe alles um mich herum lieber kühl analysiert als mich von Gefühlen in die Irre treiben zu lassen. Daher wunderte ich mich über mich selbst und dass mich die Geschichte mit Lea derart mitnahm.
Nein, es war gar nicht so, dass ich sie über alles liebte, musste ich mir eingestehen, war mich schmerzte war das Gefühl, dass ich hintergangen wurde und auch, dass mir etwas weggenommen wurde. Ja, ich kam mir wie ein Trottel vor, dass ich nicht bemerkt hatte, was da zwischen meinen Mitbewohnern lief und ja, ich war eifersüchtig auf Yannik, weil er am Ende wie der strahlende Sieger aussah.
Das alles war auch der Grund, warum ich keinerlei Mitleid zeigen konnte als die Vollzugsbeamten mich vor zwei Tagen aus meiner Zelle holten und mir erzählten, man habe Yanniks Armband vom vorletzten Rockharz-Festival unweit des Fundorts von Leas Leichte gefunden. Als sie es mir sagten, nahm ich es zur Kenntnis, verkniff mir ein Lächeln, doch Bedauern konnte ich nicht zeigen.
Später las ich im Internet, der Fund sei noch kein Beweis für seine Schuld, wohl aber ein wichtiges Indiz. Das ging natürlich auch an der Uni rum und zumindest dort schienen sich alle sicher, dass Yannik der Täter war. Statt Mitgefühl oder Entsetzen, verschaffte es mir nur Genugtuung und ich bemühte mich, das einigermaßen zu verbergen, da es ohnehin niemand verstehen würde, da ja jeder uns für ein glückliches Dreierteam hielt.
Die Polizei rätselte wohl noch, was genau sich nach dem Vorfall im Geisterhaus abgespielt hatte. Ob Yannik Lea zunächst betäubt, mich getäuscht, sie dann später umgebracht und in den Wald geschafft oder sie womöglich erst in den Wald geschafft und dort ermordet hatte. Auch wie er es getan hatte, konnte bisher noch niemand erklären. Und außerdem rätselten die Beamten, wie sie das Armband anfangs hatten übersehen können. Zumindest aber gingen sie davon aus, dass ich kein Mittäter, sondern unschuldig war und das allein war mir jetzt noch wichtig.
Meine Spaziergänge durch die Nacht machte ich allerdings immer noch, weil ich viel nachdachte und diese Zeit für mich einfach brauchte, um all das, was passiert war und eben irgendwie auch noch passierte, auf die Reihe zu bekommen. Immerhin hatten die Spaziergänge mir auch geholfen, mit all dem Gefühlschaos klarzukommen, dass Lea und Yannik in mir verursacht hatten. Es war auf einem dieser Spaziergänge gewesen als mir klar wurde, dass ich diese Dreiecksbeziehung auf keinen Fall aushielt, dass ich mir Lea auch nicht von Yannik ausspannend lassen konnte, eben, dass ich nicht als Verlierer aus dieser Sache herausgehen wollte.
Es war einer dieser Spaziergänge, der mich an den alten stillgelegten Bahngleisen entlangführte. Der Vollmond stand hoch über mir und vereinzelte Nebelschwaden erhoben sich aus dem Gleisbett. Für einige mag es schaurig klingen, mir gefiel diese Stimmung in dem Moment, spiegelte sie doch gut wieder, wie ich mich fühlte. Was dann allerdings passierte, konnte ich mir nicht erklären.
Direkt am Bahndamm sah ich die Gestalt einer Frau, dachte mir im ersten Moment nichts dabei bis ich bemerkte, wie sonderbar sie aussah. Sicher, es war mitten in der Nacht, doch der Mond schien hell genug, um zu erkennen, dass ihre Silhouette seltsam blass schien, irgendwie durchscheinend. Eigentlich hätte mir das Wohl Angst bereiten müssen oder wenigstens Unbehagen, doch ich war so sehr mit meinen Problemen beschäftigt, dass ich einfach weiter auf sie zuging und mir kaum Gedanken machte.
Nach ein paar Schritten drehte sie sich plötzlich um und ich konnte in ihr bleiches und definitiv nicht lebendiges Gesicht blicken. Doch noch immer erschrak ich nicht, es war mir im Grunde egal. Die Frau selbst blickte mich verwundert an, war es gewohnt, dass Menschen, die sie sahen in Panik wegliefen, wie ich später erfuhr. Doch ich blieb ruhig, verlangsamte meine Schritte und ging, ich weiß noch immer nicht warum eigentlich, auf sie zu.
In diesem Moment hätte sie sich auf meinen Körper stürzen und meine Seele ins Jenseits befördern können. Schließlich war sie als Geist dazu in der Lage und die Lebenden hatten ihr nichts entgegenzusetzen. Allerdings tat sie nichts dergleichen, sah mich ebenso an, wie ich sie ansah. „Sie sehen traurig aus“, sagte ich schließlich, einfach so als Feststellung. „Du aber auch“, kam es zurück und erst als ich den Klang ihrer Stimme hörte, wurde mir bewusst, wie seltsam, wie unerklärlich, wie verrückt diese Situation hier gerade war.
Um Angst zu bekommen, war es jetzt jedoch zu spät und so begann ich, ihr meine Geschichte zu erzählen, von Lea und Yannik und ihrem Verrat, wie ich es nun beschrieb. Vielleicht übertrieb ich mit meinen Gefühlen für Lea ein wenig, nannte es Liebe, obwohl ich mir eigentlich nie sicher gewesen bin, ob es das jemals war. Aber es tat gut, endlich darüber zu sprechen, es mir endlich von der Seele zu reden. Selbst, wenn ich einem Geist mein Herz ausschüttete.
Später erfuhr ich dann auch ihre Geschichte, dass ihre kleine Tochter Elisabeth vor vielen Jahren beim Spielen auf den Gleisen von einem Zug erfasst worden war, sie mit der Trauer und der Schuld nicht leben konnte und sich einige Monate später ebenfalls vor einen Zug warf. Seitdem suchte sie ihre Tochter im Jenseits und in der Zwischenwelt, hatte sie aber noch nicht finden können, so dass sie seit Jahrzehnten hier herumspukte.
Im Grunde war sie den Menschen gegenüber nicht feindselig eingestellt, doch sie verabscheute Rücksichtslosigkeit und Selbstsucht und Gedankenlosigkeit. Es waren wohl ihre Schuldgefühle, die sie zu dem machten, was sie war, und je mehr ich erfuhr, desto mehr rückte ich Yannik und Lea in meinen Erzählungen in ein Licht, das sie zunehmend wütender machte.
Am Ende schlossen wir einen Pakt. Ich würde ihr künftig im Diesseits helfen, nach ihrer Tochter zu suchen, dafür würde sie mir Lea und Yannik vom Hals schaffen. Tatsächlich dauerte es gar nicht lange bis ich im Internet den Artikel eines Journalisten fand, der über Geistererscheinungen schrieb, über ein kleines Mädchen, das angeblich aus dem Nebel in der Nähe von Bahngleisen auftauchte. Sie war so glücklich über diese Spur, dass sie nicht zögerte, mir bei meinem Plan mit dem angeblichen Geisterhaus behilflich zu sein und ja letztlich auch alles tat, was ich von ihr verlangte.
Damit hatte ich am Ende also doch noch gewonnen und vor allem so, dass die Polizei und auch sonst niemand jemals dahinterkommen würde, was wirklich in jener Nacht geschehen war. Auch wie Yanniks Armband an den Leichenfundort kam, würde wohl nie geklärt werden. Dafür aber würden man in ein paar Tagen einen Abschiedsbrief in Yanniks Zelle finden, in dem er alles gesteht. Es wird nicht seine Handschrift sein, doch dieses Detail wird wohl keine Rolle mehr spielen, wenn er mit einem Bettlaken erhängt von der Decke baumelt.