Skinny Rogue
Das Opfer eines unscheinbaren Hausmeisters
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Meine Anwesenheit wird immer übersehen. Ignoriert. Vergessen. Ich werde beiseite geschoben, als wäre ich nichts weiter als ein einfacher Hausmeister. Aber ich bin nicht nur da, um Müll aufzusammeln. Ich bin zwar ein Hausmeister, aber ich bin auch ein gebildeter Mensch. Das muss ich auch sein, denn ich bin für den Umgang mit medizinischen Abfällen in einem privaten Forschungslabor ausgebildet. Ich habe täglich mit biologisch gefährlichen Materialien aller Art zu tun. Die Forscher vergessen, dass es mich gibt und gehen wortlos an mir vorbei, aber nur weil sie mich nicht sehen, heißt das nicht, dass ich im Dunkeln tappe.
Ich weiß mehr, als ich zugeben möchte: Ich habe unbeschränkten Einlass und sehe den ganzen Scheiß, den sie hier machen. Ich verstehe vielleicht nicht die Wissenschaft, die dahinter steckt, ich kann vielleicht nicht erklären, wozu die ganzen Tests dienen oder was die vielen Maschinen bewirken, aber ich sehe alles. Ich habe Schmetterlinge mit vier Fl�
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Jetzt anmelden oder registrierenMeine Anwesenheit wird immer übersehen. Ignoriert. Vergessen. Ich werde beiseite geschoben, als wäre ich nichts weiter als ein einfacher Hausmeister. Aber ich bin nicht nur da, um Müll aufzusammeln. Ich bin zwar ein Hausmeister, aber ich bin auch ein gebildeter Mensch. Das muss ich auch sein, denn ich bin für den Umgang mit medizinischen Abfällen in einem privaten Forschungslabor ausgebildet. Ich habe täglich mit biologisch gefährlichen Materialien aller Art zu tun. Die Forscher vergessen, dass es mich gibt und gehen wortlos an mir vorbei, aber nur weil sie mich nicht sehen, heißt das nicht, dass ich im Dunkeln tappe.
Ich weiß mehr, als ich zugeben möchte: Ich habe unbeschränkten Einlass und sehe den ganzen Scheiß, den sie hier machen. Ich verstehe vielleicht nicht die Wissenschaft, die dahinter steckt, ich kann vielleicht nicht erklären, wozu die ganzen Tests dienen oder was die vielen Maschinen bewirken, aber ich sehe alles. Ich habe Schmetterlinge mit vier Flügeln gesehen, ich habe seltsam deformierte Tauben entdeckt, ich habe Klumpen geschmolzener Tierhäute gesäubert, ich habe einem Affen dabei zugesehen, wie er lernte, einen biomechanischen Arm zu steuern, und gestern habe ich das Ende dieser ganzen Forschungseinrichtung und ihres Forscherteams gesehen, als eines ihrer Experimente fehlschlug.
Skinny Rogue, übersetzt: dünner Schurke. So haben sie ihn genannt. Sein offizieller Name war „Exemplar E5-2187“, aber niemand nannte ihn so. Die Wissenschaftler haben einen schlechten Ruf: Sie sind nicht annähernd so kalt und distanziert, wie du es im Fernsehen oder im Kino siehst. Sie hängen viel mehr an ihren Schöpfungen, als du vielleicht denkst. Ein Beispiel: An der Ecke von Skinny’s Terrarium hing ein Stück Klebeband mit seinem Kosenamen und einem Smiley an der Seite.
Soweit ich das beurteilen konnte, war Skinny Rogue eine Art Schlange. Er war etwa einen Meter lang, dünn und flach wie ein Bandwurm. Er hatte ein rundes Gesicht mit zwei winzigen glasigen blauen Augen, die sich nie bewegten. Der Rest von Skinny war ganz weiß, bis auf seine kleine gegabelte rote Zunge, die manchmal aus seinem kleinen Mund herausschlüpfte und wie eine Fahne im Wind flatterte. Er wurde in einem öden Terrarium im sechsten Untergeschoss gehalten. Nur eine Schicht Kies und eine weite Freifläche, nichts weiter, um ihm Gesellschaft zu leisten.
Manchmal sah ich ihn nachts, wenn ich aufräumte, an den Glaswänden entlangschlittern. Er erinnerte mich an das alte Spiel mit der Schlange, die Pixel frisst und versucht, nicht gegen sich selbst zu prallen, während sie größer wird. Du weißt schon, das Spiel, das alle auf den großen Taschenrechnern im Matheunterricht hatten. Ich bin mir nicht sicher, ob Skinny mich sehen konnte, aber manchmal sah es so aus, als ob er mir folgen würde. Skinny Rogue war definitiv eines der einzigartigsten Exemplare, die ich je gesehen hatte.
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Phase Eins
Als ich letzte Woche den Boden wischte, sah ich das Forschungsteam um Skinnys Gefäß stehen. Catherine, John und David. Ja, ich kannte ihre Namen, aber ich bin verdammt, wenn auch nur einer von ihnen meinen kennen würde. Das Trio hatte eine auf den Behälter gerichtete Kamera aufgestellt. Catherine hielt einen zappelnden Tausendfüßler mit einer Pinzette fest. David löste die einzelne Flachkopfschraube, die den Deckel oben auf Skinnys Behälter verschloss. John öffnete ihn. Catherine ließ den Tausendfüßler hineinfallen, und die anderen beiden kümmerten sich schnell darum, den Deckel zu schließen und die Schraube wieder einzudrehen.
Skinny Rogue brauchte keine zwei Sekunden, um den Eindringling zu bemerken. Bevor der Tausendfüßler überhaupt Zeit hatte, sich zu orientieren, hatte Skinny ihn schon erwischt.
Mit einem einzigen Bissen war der Tausendfüßler verschwunden.
Es war unmöglich, dass sie eine Kamera aufgestellt hatten, nur um eine Fütterung aufzuzeichnen. Da musste mehr dahinterstecken. Die drei fingen an, Notizen zu machen und stießen ein paar aufgeregte Atemzüge aus. Sie waren so abgelenkt, dass ich es schaffte, etwas näherzukommen, ohne irgendwelche Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
Du kennst das doch: Wenn eine Schlange etwas Großes frisst, kann man sehen, wie ihre Form aus dem Körper herausragt? Nun, ich konnte den Tausendfüßler im Inneren von Skinny sehen. Nicht nur eine runde Form, wo er sich in Skinnys Magen eingenistet hatte, sondern jedes einzelne Beinchen, das sich unter dem blassweißen Fleisch verzweigte. Das war es aber nicht, was mich beunruhigte. Vielmehr störten mich die Beine, die sich über die gesamte Länge von Skinny ausbreiteten und sich gleichmäßig verteilten, um dem Wesen, das gut zehnmal so lang war wie der Tausendfüßler, Platz zu bieten. Dann, als die Beine endlich an ihrem Platz waren, bewegten sie sich.
Skinny Rogue hörte auf zu kriechen und fing stattdessen an zu krabbeln.
Die drei Wissenschaftler tauschten ein paar High-Fives, Glückwünsche, Juchzer und Jubelrufe aus. Ich überließ es ihnen und machte mit meiner Arbeit weiter, um nicht verdächtig zu wirken.
Als ich später in der Nacht meine Runde machte, lief Skinny immer noch auf seinen neuen Gliedmaßen herum.
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Phase Zwei
In den Tagen nach Skinnys Verwandlung bemerkte ich, dass der kleine Kerl ein bisschen zugenommen hatte. Es war, als wäre er ein Ballon gewesen und jemand hätte ihn endlich aufgeblasen. Ich war bei den anderen Fütterungen nicht dabei, aber ich nahm an, dass sie ihre Versorgung mit Tausendfüßlern aufrechterhielten, denn der Vorratstank für Tausendfüßler – ja, wir hatten tatsächlich so einen – leerte sich zusehends.
Catherine und David traten ein, als ich gerade den Mülleimer leerte.
„Er ist bereit“, sagte Catherine, „Lass ihn heute Abend einen Skorpion bekommen.“
David sah zögernd aus. „Bist du sicher, dass du nicht noch ein paar Tage warten willst?“
Catherine schüttelte den Kopf. „Er hat heute Morgen um 07:00 Uhr sein Hochplateau erreicht. Es ist an der Zeit.“
„Na gut, na gut. Du weißt, was du tust“, antwortete David.
Catherine lächelte strahlend und gab ihm einen spielerischen Klaps auf den Arm. Wie sehr wünschte ich mir, dass sie so mit mir umgehen würde. Von allen in der Einrichtung war Catherine die Einzige, die mich beachtete, aber selbst dann war es kaum mehr als ein höfliches Lächeln, wenn wir allein im Labor waren. Eigentlich war es eher ein mitleidiger Blick. Ein Blick, der besagte: „Tut mir leid, dass Sie schon wieder Affen-Eingeweide aufsammeln müssen“.
Am Abend wollte ich unbedingt in der Nähe des Labors bleiben, in der Hoffnung, mir die Show anzusehen. Ich wollte sehen, was mit Skinny passieren würde. Eigentlich eine morbide Faszination.
Gegen 18:00 Uhr verschwand David in den Insektenlagerraum. John und Catherine betraten das Labor und bauten die Kamera auf. In diesem Moment kam ich „zufällig“ vorbei, um den medizinischen Abfall zu entsorgen. Es dauerte nicht lange, bis David mit einem Skorpion in einer kleinen Plastikbox zurückkehrte. John schraubte den Deckel von Skinnys Behältnis ab und blickte zu David, als würde er auf dessen Zustimmung warten. David nickte, und John öffnete den Behälter.
Der Skorpion war nicht besonders glücklich über seinen Sturz in den Tank. Kaum war er gelandet, bäumte sich sein Schwanz auf und machte sich zum Angriff bereit. Er sprang von einer Seite zur anderen und schnappte aggressiv mit seinen Zangen zu. John schraubte den Deckel schnell zu, als Skinny sich näherte. Skinny schnappte mit seinem Maul nach dem Skorpion, aber das Spinnentier war bereit für einen Kampf. Es schnappte nach Skinny.
Eine Schweißperle kullerte an Davids Gesicht hinunter. „Er ist noch nicht bereit dafür“, flüsterte er und fasste mit den Händen nach dem Deckel.
Catherine hielt ihn auf. „Warte einfach.“
Skinny Rogue huschte um den Skorpion herum und schnalzte mit seiner kleinen Zunge hin und her, als wollte er seine Beute verhöhnen. John wirkte angespannt, und David war ein nervöses Wrack. Von den dreien war Catherine die einzige, die ruhig blieb, als Skinny den Skorpion umkreiste. Als er einen fast perfekten Kreis gebildet hatte, schnappte er gewaltsam zu und wickelte sich von allen Seiten um den Skorpion. Es gab ein knirschendes Geräusch, gefolgt von einem Schwall. Es ging so schnell, dass der Skorpion nicht einmal Zeit hatte, zu reagieren. Skinny schöpfte die zertrümmerten Überreste mit einem Schluck auf.
Die Beule in seinem Bauch wurde schnell flacher, aber es passierte nichts.
„Es muss lebendig sein. Nimm noch eins. Diesmal ein kleineres“, sagte Catherine.
Ich wandte schnell den Blick ab, als David an mir vorbeirauschte. Ich tat so, als hätte ich nicht hingesehen, aber selbst wenn sie mich direkt angesehen haben, glaube ich nicht, dass sie mich gesehen hätten. Ich war unsichtbar. Ich nahm meine Arbeit wieder auf, während David einen weiteren Skorpion besorgte. Als er zurückkam und sie sich umdrehten, blieb ich stehen und beobachtete die zweite Runde.
Der Skorpion ging hinein. Der Deckel wurde geschlossen und zugeschraubt.
Skinny Rogue klappte seinen Kiefer aus und verschlang den kleineren Skorpion mit einem Schlag.
Beeindruckend.
Ich konnte die Umrisse der Kreatur in Skinny’s Körper erkennen. Sein Schwanz schien sich vom Rest des Tieres zu trennen und zog sich an Skinnys röhrenförmiger Gestalt hinunter, als würde man Wurstfleisch in die Eingeweide einer Ziege stopfen. Der Schwanz des Skorpions war jetzt der Schwanz von Skinny. Seine kleinen, schwachen Schuppen verdickten sich und verhärteten sich wie ein Exoskelett. Immer noch weiß, aber stärker. Skinny flitzte durch das Terrarium und klopfte mit der scharfen Schwanzspitze gegen das Glas, als ob er es auf seine Schwäche testen wollte.
John, David und Catherine waren begeistert.
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Phase Drei
Vor zwei Tagen konnte ich nicht dabei sein, als sie das nächste Experiment mit Skinny durchführten – ich musste außerhalb der Arbeit an einem wichtigen Meeting teilnehmen -, aber das Ergebnis konnte ich am nächsten Morgen begutachten. Ihm waren zwei kurze Arme und ein Paar starke Hinterbeine gewachsen, mit denen er herumlief, er konnte sogar graben und auch Kieselsteine in ein Nest schieben konnte. Eine Ratte, dachte ich, als ich seinen nun prallen Mittelteil untersuchte. Skinny Rogue war nicht mehr so dünn.
Seine milchigen Augen, die jetzt größer waren und schlitzförmige Pupillen aufwiesen, verfolgten mich, als ich um sein Terrarium herumging. Er huschte von einer Seite zur anderen und kratzte mit seinen neu erworbenen Pfoten an der Scheibe. Ich nahm an, dass er zu groß geworden war, um die Glasscheibe zu erklimmen, doch als ich neugierig dagegen klopfte, verzog er seine Gesichtszüge und ließ die Beine des Tausendfüßlers mit dem Glas in Verbindung treten. Er kletterte mühelos hinauf und umkreiste meinen Finger, als wollte er ihn zerquetschen, wie er es mit dem größeren Skorpion getan hatte. Zum Glück war ich hinter dem Glas in Sicherheit. Skinny versuchte dann, die Scheibe mit seiner Schwanzspitze zu zerbrechen, aber sie war nicht stark genug, um das Glas zu durchdringen.
Schon bald kehrte ich zu meiner Putzrunde zurück und wollte endlich nach Hause gehen. Leider sagte mir mein Vorgesetzter gerade, dass ein Affe umgekommen sei und ich nun alles säubern müsse. Schon am Aussehen des Käfigs konnte ich erkennen, dass es eine Weile dauern würde, ihn zu sterilisieren. An jeder Wand klebten diese seltsamen, haarähnlichen Filamente. Ich war gewarnt worden, den Kontakt zu vermeiden und sie sicherheitshalber zu verbrennen. Ich wollte gerade in einen Schutzanzug schlüpfen, als die Hauptbeleuchtung gedimmt und durch ein wechselndes rotes und oranges Leuchten ersetzt wurde. Das durchdringende Kreischen der Alarme folgte kurz darauf. Es war das erste Mal, dass ich während eines Notfalls in der Anlage war, und obwohl ich das Evakuierungsprotokoll kannte, ließ mich die umfassende Reizüberflutung verunsichert und erstarrt zurück.
Ich musste zu den Zugangstunneln gelangen, so viel wusste ich. Diese Tunnel waren speziell für uns einfache Aufseher gebaut worden, damit wir beim Transport von Abfällen durch die Anlage nicht im Weg waren. Das Labyrinth aus Gängen führte zu fast jedem Teil des Gebäudes; sie waren eine Art Untergrundwelt für die kleinen Angestellten, vergleichbar mit einem Dienstaufzug auf der Rückseite eines schicken Hotels. Etwas, um uns außer Sichtweite zu halten, auch wenn wir im Grunde genommen sowieso schon unsichtbar waren.
Ich rüttelte mich auf, steckte meine Schlüsselkarte in das Lesegerät neben mir und schlich mich in die Tunnel. Ich wusste nicht genau, was mich erwartete, als ich durch die ungestrichenen Zementflure und die steile Treppe zum ersten Stock hinauflief, aber ich hatte nicht erwartet, dass ich die Schreie hören würde. Ja, ich war schockiert, wie es den Schreien gelang, die dicken Betonwände zu durchdringen. Ich war von dem, was auf der anderen Seite geschah, abgeschnitten, aber ich konnte feststellen, dass es katastrophal und grausam war. Eineinhalb Meter Beton, wenn ich mich richtig erinnere. Die Schreie hallten durch eineinhalb Meter Beton wider. Ich konnte mir nur vorstellen, welche Schrecken Männer und Frauen dazu bringen können, so laut zu schreien, dass das überhaupt möglich ist.
Als ich es in den ersten Stock und aus den Zugangstunneln geschafft hatte, war ich außer Atem und schweißgebadet. Ich konnte gerade noch einen Lichtschimmer durch die Milchglasfenster des Hinterausgangs erkennen. Als ich den Türgriff drückte, blieb sie verschlossen. In meiner Panik versuchte ich, die Türen einzuschlagen, aber sie ließen sich nicht bewegen. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis ich merkte, dass die Notbeleuchtung nicht mehr rot und orange, sondern nur noch rot leuchtete: Wir waren jetzt komplett eingeschlossen. Niemand kam mehr rein oder raus, nicht ohne eine Sicherheitskarte. Ich fluchte leise vor mich hin. Jetzt begann ich wirklich zu schwitzen.
Ich zog mich in die Zugangstunnel zurück und wanderte panikartig hin und her. Was sollte ich tun? Abwarten und hoffen, dass ich in den Tunneln in Sicherheit bin?
Nein, ich konnte nichts dem Zufall überlassen. Die Schreie wurden lauter. Sie kamen näher. Ich musste aus dem Gebäude raus, in mein Auto springen und aus der Stadt verschwinden. Wenn ich eine Chance haben wollte, hier rauszukommen, musste ich in das Sicherheitsbüro in der Nähe des Haupteingangs eindringen und eine der Sicherheitskarten stehlen. Ich dachte gar nicht darüber nach, wie ich in das Sicherheitsbüro kommen würde: Wenn ich die Sicherheitskarte hätte, könnte ich das Gebäude genauso gut durch die Hintertür verlassen. Meine fehlerhafte, von Panik geprägte Denkweise hätte mich umbringen können. Als ich das Sicherheitsbüro erreichte, stand die Tür zum Glück weit offen und der Mitarbeiter war verschwunden. Also stürzte ich hinein und schloss die Tür hinter mir, damit sich niemand – oder nichts – an mich heranschleichen konnte, während ich den Rücken gekehrt hatte.
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Phase Vier
Ich hatte kaum Zeit, die Schubladen zu durchstöbern, bevor meine Augen unwillkürlich auf die Überwachungsmonitore gerichtet wurden. Skinny Rogue war, nun ja, abtrünnig geworden.
Es lagen überall Leichen. Dutzende von ihnen auf allen Etagen. Zweifellos das Werk von Skinny. Aus den kurzen Blicken, die ich von ihm erhaschen konnte, erkannte ich, dass Skinny sich wieder verändert hatte. Er war größer, fülliger und seine Vorderpfoten hatten eine deutlich armähnliche Form angenommen. Es sah sogar so aus, als hätte er die Hände eines Schimpansen. Er flitzte auf seinen Tausendfüßler-Gliedern umher und bewegte sich in Windeseile von einer Sicherheitsschleuse zur nächsten. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, setzte sich unbeholfen auf seine Hinterbeine, sah sich um und begann zu laufen. Es war schwer, ihn zu verfolgen, aber eines war mir klar: Er kam in meine Richtung.
Ich überprüfte die Tür.
Verschlossen.
Gut.
Zu meiner Erleichterung ging er direkt am Sicherheitsbüro vorbei, ohne anzuhalten. Er bog um die Ecke und steuerte auf den Haupteingang zu. Er war nicht meinetwegen gekommen, sondern um zu fliehen. Plötzlich sprang ein Wachmann aus dem Zugangstunnel am Eingang und feuerte sofort einen Schuss auf Skinny ab. Es knallte und ich nahm den Lichtblitz auf dem Bildschirm wahr, der ein paar Sekunden später aufleuchtete.
Die Kugel steckte in der Glasscheibe des Eingangs; der Wachmann hatte ihn verfehlt.
Einen zweiten Schuss würde er nicht mehr abgeben. Skinny drehte sich um, stellte sich auf die Hinterbeine und stach ihm seinen giftigen Stachel direkt in den Bauch. Auf dem Bildschirm sah ich, wie der Mann auf den Boden fiel und wie ein Fisch um sich schlug. Blutiger Schaum quoll aus seinem Mund und seine Augen quollen wie bei einer Zeichentrickfigur aus ihren Höhlen. Erst nach ein paar Minuten war er endlich regungslos. Es war eine grausame Art zu sterben.
Währenddessen stieß Skinny seinen Stachel immer wieder gegen das Fenster. Er war klug genug, sich darauf zu konzentrieren, wo die Kugel gelandet war. Mit jedem Stoß bildeten sich mehr Risse, bis das Fenster schließlich zerbrach. Skinny kletterte über die Tür und verschwand auf der anderen Seite.
Nach einer Minute Wartezeit nahm ich gerade genug Mut zusammen, um die Tür des Sicherheitsbüros zu öffnen und zum toten Wachmann um die Ecke zu kriechen, der im Flur lag. Ich hatte nicht vor, seinen Puls zu überprüfen. Nein, ich wollte seine Waffe. Ich riss sie ihm aus den Fingern und zog mich erneut in das Sicherheitsbüro zurück. Ich hatte Angst. So verdammt viel Angst, aber durch die Waffe fühlte ich mich ein bisschen sicherer. Ich zog meine Beine an und verbarg mein Gesicht zwischen den Knien.
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Phase Fünf
Als ich dort saß und Angst hatte, hörte ich Hunde wie wild bellen. Wir hatten mehrere an der Absperrung postiert, um Menschen fernzuhalten, aber ich hätte nie gedacht, dass sie jemals gebraucht würden, um etwas zu verhindern. Ich hoffte, dass sie es schaffen würden, Skinny aufzuhalten, aber ich hatte keine Ahnung, was da draußen vor sich ging. Unruhe und Anspannung bahnten sich ihren Weg durch jede Faser meiner Muskeln. Die Hunde mussten den Kampf gewinnen. Wer wusste schon, was passieren würde, wenn Skinny es schaffte, einen zu fressen? Von den Forschern hatte Skinny keinen gefressen, und ich hatte die Vermutung, dass das daran lag, dass sie zu groß für ihn waren. Hunde hingegen waren ein gutes Sprungbrett.
Das Bellen verwandelte sich in ein Winseln. Die Hunde waren am Verlieren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Skinny einen fressen und sich verändern würde. Ich fragte mich, wie er sich verändern würde und was er tun würde, wenn es soweit war. Würde er über den Elektrozaun klettern? Sich unter ihm durchgraben? Würde er in der Stadt Verwüstung anrichten?
Er tat nichts von alledem. Stattdessen kehrte er zurück.
Ich bin mir nicht sicher, warum er das tat; ich weiß nicht, was er wollte. Vielleicht konnte er keinen Ausweg finden und wollte die Anlage erforschen, möglicherweise wollte er in seinem Kabuff ein Nickerchen machen, keine Ahnung. Ich erinnere mich nur, dass ich aufblickte und sah, wie er mit Leichtigkeit durch die Türen brach. Er war größer. Viel größer, und sein Maul hatte sich zu einer Schnauze verlängert. Ein paar Fellbüschel lugten zwischen seiner gepanzerten Haut hervor. Er war grotesk.
Als er sich dem Wachmann näherte, leckte er ihm mit seiner gespaltenen Zunge über die Wange und verschlang ihn anschließend im Ganzen. Ich erinnerte mich, dass er ein lebendes Opfer brauchte, damit es funktionierte. Und wer könnte besser als seine nächste Mahlzeit dienen als ich? Skinny wanderte um die Ecke und begann an meiner Tür zu kratzen. Er konnte mich riechen. Mit seiner neuen Nase konnte er wittern, dass ich hinter der Metalltür zitterte. Ich hielt die Waffe fest in der Hand und überlegte, ob ich sie auf ihn oder auf mich selbst richten sollte.
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Phase Sechs
Skinny stoppte. Als ich die Augen öffnete, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die Überwachungsmonitore. Catherine stand am Ende des Ganges. Warum zum Teufel war sie nicht dort geblieben, wo sie sich versteckt hatte? Warum jagte sie der Gefahr hinterher?
Skinny schreckte hoch und wich langsam zurück, ohne den Blickkontakt mit ihr abzubrechen. Sein Schwanz wölbte sich über seinen Kopf, als er seinen Stachel auf sie richtete.
„Rogue, Schätzchen“, brachte sie mit möglichst sanfter Stimme hervor.
Als sie am Sicherheitsbüro vorbeikam, war ich gezwungen, die Tür zu öffnen und sie hereinzuholen, um sie zu schützen. Vielleicht konnte ich ein Held sein. Ihr Held.
Aber ich tat es nicht. Ich schloss nicht einmal die Tür auf. Ich konnte das Risiko nicht eingehen. Skinny war einfach zu schnell.
Ich sah einfach zu.
Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Rogue, lass uns wieder nach unten gehen. Ich gebe dir ein paar schöne Leckereien.“
In ihrer Stimme hörte ich die Anspannung. Das war das erste Mal, dass ich ihr Selbstvertrauen schwanken sah.
Skinnys nagelneuer, hundeähnlicher Kiefer klappte aus den Angeln und weitete sich, als die beiden um die Ecke bogen. Er würde sie fressen, da war ich mir sicher. Das konnte ich nicht zulassen. Ich konnte nicht zulassen, dass er Catherine mitnahm. Jeden, nur nicht Catherine. Zögernd hielt ich den Türgriff fest, aber schließlich stürzte ich aus dem Sicherheitsbüro, die Pistole fest zwischen den Fingern haltend.
Aber ich war zu spät.
Als ich um die Ecke bog, sah ich gerade noch rechtzeitig, wie Skinny auf Catherine zustürzte.
Sie schrie: „Rogue, nein!“
Der Schrei wurde jedoch so plötzlich und abrupt unterdrückt, dass es schien, als hätte jemand den Fernseher stumm geschaltet. Skinny setzte sich auf seine Hinterbeine und verschlang sie. Ihr Körper glitt an seinem langen Rumpf hinunter und ließ sich in der Nähe des Bodens nieder.
Ich wartete geschockt. Ich kam zu spät. Zu verdammt spät.
Skinny’s Gestalt schien sich nicht zu verändern. Obwohl er Catherine lebendig verspeist hatte, passierte nichts. Die Beule in seinem Bauch verschwand langsam, als würde sich Catherine auflösen. Vielleicht konnte sich Skinny nicht mehr weiterentwickeln?
Dann wandte er sich mir zu. Seine kleinen blauen Schlangenaugen musterten mich von Kopf bis Fuß. Sein Mund war weit aufgerissen und seine spitzen Reißzähne glitzerten wie Messer. Alles verschwamm, und mir stiegen die Tränen in die Augen. Das war es also. So würde ich sterben. Er würde mich fressen.
Plötzlich stieß Skinny einen Schrei aus. Nicht vor Wut, sondern vor Angst.
„Warum…?“, brüllte er mit einer Stimme, die weder eindeutig männlich noch weiblich war.
Er betrachtete sich selbst, mit einem deutlichen Schrecken in seinen kleinen Kulleraugen.
„Warum?“
Ich habe nicht geantwortet. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich wohl keinen Ton herausgebracht. Meine Kehle hatte sich auf den Durchmesser eines Strohhalms zusammengezogen und mein Mund war trocken.
Als Skinny wieder kreischte, gaben seine längeren Beine nach. Seine kürzeren, tapsigen Gliedmaßen brachten ihn langsam auf mich zu, während ich so still wie eine Statue dastand. Ich dachte, er käme auf mich zu, konnte mich aber nicht dazu bringen, mich zu rühren oder auf etwas anderes als auf meine eigenen zwei Füße zu schauen. Und dann spürte ich seinen Schatten auf mir. Ich kniff die Augen fest zusammen, aus Angst, dass meine letzten Momente auf der Rutsche in die Hölle verbracht werden würden. Aber ich irrte mich. Skinny war nicht hinter mir her. Der Stachel von Skinny stieß die Waffe in seine Richtung. Er nahm sie in seine Schimpansenhand.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich sie fallen gelassen hatte.
„N-nein…nein…nein…“, stöhnte er.
Langsam blickte ich auf und beobachtete, wie Skinny seinen Kopf näher zu seinen Händen sinken ließ. Er führte den Lauf der Waffe an seine Schläfe und feuerte.
Ich hörte ein Platschen und einen Aufprall, als er tot umfiel.
Es war vorbei. Ich war in Sicherheit.
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Ich weiß nicht, was genau Skinny von Catherine genommen hat: Vielleicht war es ihre Seele, vielleicht war es ihr Gehirn oder möglicherweise etwas ganz anderes. Ich werde es wahrscheinlich nie mit Sicherheit wissen. Was auch immer es war, ich glaube, es ist der einzige Grund, warum ich jetzt noch lebe, also bin ich Catherine dankbar.
Am Ende habe ich meine Arbeit getan: Ich habe aufgeräumt. Dafür wurde ich ja schließlich bezahlt, oder? Das Labor war ein einziges Chaos und ich nur ein unbedeutender Hausmeister. Wie ich schon sagte, bin ich darin geschult, mit gefährlichen biologischen Substanzen umzugehen und medizinische Abfälle zu entsorgen. Ich bin gebildet, aber das sieht man mir bei meinem mageren Gehalt nicht an. Ich war nicht sehr erfreut, als ich kürzlich feststellte, dass manche Hausmeister an einer Highschool ungefähr so viel verdienen wie ich, obwohl sie nur mit Graffiti und Kaugummi zu tun haben. Als der Vertreter eines Labors, mit dem wir oft um Zuschüsse konkurrieren, vor einigen Tagen an mich herantrat und mir für eine einzige kleine Flachkopfschraube – die Schraube am Deckel von Skinnys Behälter – 200 000 Dollar anbot, akzeptierte ich dieses Angebot.
Und ich habe es nicht bereut.
Autor: manen_lyset
Original
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