Verhasste Kälte
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Verhasste Kälte
„Ich bin fürwahr kein Freund der Kälte. Nein, vielmehr verachte ich sie. Den ewig wehenden, eisigen Wind, welcher sich wie ein scharfes Rasiermesser durch die entblößte Haut schneidet. Das Gefühl von glitschiger Feuchtigkeit an den Füßen, wandert man durch den stechend kalten Schnee. Und jene nahezu unendlich dicht fallenden Schneeflocken, welche selbst des besten Adlers Sicht zu erblinden vermögen:
Alles. Alles, was in mir ist. Was in mir war und noch sein wird. Alles und darüber hinaus verachtet diese Kälte und was im geringeren Bezug zu ihr steht und jemals stand. Der Schnee, der Wind und auch das Wasser verabscheue ich, wegen jener Quelle des Hasses, aus meinem tiefsten Herzen heraus.
Doch war dies nicht immer so. Auch ich war einst einer von jenen, welche den Winter liebten. Einer derer, welcher jene Jahreszeit nutzten, um sich im Schutz der Kälte von all der mühsamen Arbeit der vergangenen Monate zurückzuziehen. Gleichzeitig genoss ich jene Romantik des allumfassenden Schnees, welches jede Landfläche in sein königliches Reich des Weiß zu verwandelt vermochte.
Aber jenes Gefühl der Liebe zum Winter ist nicht mehr. Sie wird nicht mehr
sein. Denn eine solche Liebe ist trügerisch, wie die Liebe eines armseligen Mannes zu einer schwarzen Witwe. Wünschte ich denn nicht, dass es anders wäre? Gewiss. Keine Seele würde sich dies nicht wünschen. Nicht in meiner Lage. Doch
dieser Wunsch ist wie auch der Wunsch der Unsterblichkeit lediglich ein Auswuchs des Fantastischen und des Unmöglichen. Sie haben keine Berechtigung neben der Realität des einfachen Seins. Sie sind vielmehr der Grund für diesen Fluch. Jenem Fluch, welcher die betäubende Kälte über uns zu bringen vermochte.
Alles, was ich je hatte, nahm sie mir. Jene einst geliebte Kälte. Alles was ich liebte und was ich so schmerzlich vermisse. Alles ist fort, in dünnstem weiß bemalt durch das Eis. Entrissen durch die kalte und scharfschneidige Böe und zerschmettert durch das Spitze und erbarmungslose Eis. Nun habe ich nichts mehr. Keinen Sinn mehr zu leben. Keinen Mut mehr zu gehen und keine Kraft mehr zu stehen. Ich bin leer. Leer wie das dunkle und verlassene Nichts. Verlassen von Leben, wie dieser, von Gott verdammte, Ort und tot, wie der von Frostbeulen übersäte arme Greis neben mir. Alles ist Tod. Es lebt nichts mehr. So frage ich: Lebe ich noch? Existiere ich denn noch? Gibt es Wärme? Gab es sie denn jemals? Ich weiß es nicht. Nicht mehr. Jede Erinnerung daran erblasst. Das einzige was ich noch an Wärme zu spüren vermag, ist die mir letzte verbliebenen Träne auf meiner von Kälte gepeinigten Wange.
Es hätte alles anders kommen sollen. Es hätte achtsam sein müssen, ach, es hätte nur aufgewacht werden müssen. Wir waren blinde Träumer und lebten im Glauben jener Traum sei real, gar ewig. Doch nichts ist ewig. Auch das Leben nicht und doch hätte keiner dieses frühen Todes sein müssen. Wir hätten noch leben können. Zumindest noch die Möglichkeit haben können. Doch zu meinem Bedauern haben wir von unserer Gier gepeinigt unseren Tod gewählt, als wäre wir alle des Lebens überdrüssig. Jedermann ahnte den Trugschluss. Nur vermochte keiner jene Vorahnung auszusprechen. Und als es dann zu jenem Fluch kam, da war
unser Tod bereits besiegelt.
Es kam aus dem Nichts. Traf uns wie ein tobender Blitz im schillernden Gewitter und entbrannte über jedem Mitglied unserer Gemeinschaft seinen gewaltigen Fluch. Und all das unserer Sünde wegen: Gier. Alle, gewiss wir alle, waren gierig. Gierig nach dem Reichtum den wir glaubten entdeckt zu haben. Gierig, wie der gerissene Rabe nach herrlich, funkelndem Silber. Und wir gingen, wie herrlich wir gingen. Einer nach dem anderen, marschierten wir, unserer Vorahnung zum Trotz, unserem Tode entgegen, während wir uns
gleichzeitig in der Sicherheit der Gemeinschaft wiegten. Und all dies, obwohl wir wussten, dass sie lauerten und dass sie warteten. Warteten, um uns des Todes zu richten.
Es wäre herrlich, gewiss zu herzlich, gewesen um auch nur im Geringsten hätte wahr sein zu können. Denn es kann aus Nichts keine Herrlichkeit entspringen, gleich einem Baum, welcher ohne Samen nicht zu erblühen vermag. Dies könnte lediglich ein Gott. Doch waren wir weder Götter, noch waren wir Zauberer oder Hexen. Vielmehr waren wir unbedeutende Wesen im unendlichem und allumfassendem Kosmos des Lebens. Und doch gingen wir. Mit welcher Vorfreude doch wir gingen. Und dann, als wir uns unseres Reichtums ergötzen wollten, kam es über uns.
Ich sah sie sterben. Ich sah jeden einzelnen sterben. Meine Brüder. Meine Schwestern. Sie alle starben. Grausam. Jeden einzelnen traf es grausamer als den anderen. Der eine rang um die immer dünner werdende Luft und der andere ertrank in der schier unendlichen Masse des ewigen, eisigen Wassers. Den einen Riss der tödliche Strom des Flusses dessen Antlitz vom Leib, während der andere durch schwerste Brocken aus Eis zerschmettert wurde. All das Blut. All die Innereien. All die Gliedmaßen. Und alles nur unserer Unachtsamkeit wegen. Unserer dummen Unachtsamkeit wegen. Meine Gedanken schwirren und ungeachtet ihres Sinns, wiederhole ich mich. Bedauere ich. Weine ich. Gleichzeitig spüre ich die immer größer werdende Kälte. Wie sie versucht sich meines letzten Atems eigen zu machen. Und wie meine Brüder und Schwestern, werde auch ich das Elixier des Lebens verlieren. Die letzten Momente meines kümmerlichen Lebens erleben.
Das Licht meiner Augen wird dunkler. Und dunkler. Meine Arme konnte ich seit jenem Vorfall nicht mehr spüren. Weiß ich doch noch nicht einmal, ob ich sie noch Teil meines Körpers sind. Doch interessiert es mich nicht. Vielmehr möchte ich mich der Schläfrigkeit meiner Augen hingeben. Ruhen. Hinfort von all dem Leid meines Seins. Und warten. Ich warte. Langsam. Während ich den Boten des Todes immer schneller zu mir kommen weiß. Und spüre, wie sich die eisige Kälte in meinen von Wunden übersäten Körper bohrt und mir die letzte Kraft zum Atem raubt. Mir die letzten Reste meines Lebens von mir nimmt. Langsam mir die komplette Sicht. Auf ewig. Für immer. Verdunkelt wird. Und. Mich. Zu. Meinen. Brüdern. Führt. Weg..Vom…Sein….Meines…..Leidvollen……Lebens. Hin…….Zu……..Meinem………befreiendem……….Tod.“
„Zeit fürs Mittagessen!“
Er ignorierte den Ruf seiner Mutter, während er den letzten Rest des Zuckers an die weiße Hauswand verstreute, um sie wieder zum versammeln zu bringen. Seine Schwester beobachtete ihn. Leicht angewidert nahm sie ihre Puppe und rannte ins Haus.
„Michael, jetzt komm schon endlich! Ich habe dein Lieblingsessen gemacht: Steak!“
Er nahm einen tiefen Schluck und wusste, dass seine Schwester ihn verpetzen würde.
„Mom, Mike quält sie schon wieder!“
Er verdrehte die Augen.
„Michael! Wie oft habe ich dir gesagt, dass du das gefälligst sein lassen sollst! Wenn du nicht sofort kommst, kriegst du Hausarrest!“
„Genau Mike, du grausames Monster!“, hörte er seine Schwester hinterherrufen.
Jack nahm einen letzten Schluck aus seinem mit Eiswürfeln gekühlten Glas Wasser.
„Ich bin kein grausames Monster,
Sally!“
Er stand auf. Sein Blick richtete sich auf die Unmengen an Leichen. Mit sich selbst redend flüsterte er:
„Nur ein bisschen gemein vielleicht“, während er den Rest seines Wassers auf die letzten nach Leben ringenden Ameisen schüttete…