CreepypastaMittel

Wenn Mutter kocht

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Die Sonne scheint matt durch die schmutzigen Fensterscheiben. Obwohl es kurz nach halb zwölf ist, ist das Licht in dem kleinen Zimmer schummrig.
Der Junge weiß immer wie spät es ist. Die große Wanduhr mit ihren rostigen Zeigern und dem unbarmherzig lauten Ticken ist neben dem Fenster das Einzige, mit dem man sich in dem kargen Raum beschäftigen kann. Sein Bett steht direkt unter ihr, seins und das von dem Anderen, gegenüber steht das Bett von der Anderen und noch eins, das jetzt leer ist. Die Andere sieht aus dem Fenster oder versucht zumindest, durch den Schmutz etwas zu erkennen. Der Andere liegt still auf seinem Bett und summt ein Lied und der Junge sitzt auf seinem und beobachtet die Uhr.
Ihre Betten stehen so dicht zusammen, dass sie kaum die Arme ausstrecken müssten um sich zu berühren, aber sie tun es nicht. Sie reden auch nicht miteinander, sehen sich meist nicht einmal an. Ehrlich gesagt weiß der Junge gar nicht, ob die Anderen überhaupt sprechen können. Manchmal macht einer von ihnen ein Geräusch, aber immer nur für sich und selbst wenn nicht, reagiert keiner der anderen auf ihn. Sie liegen und sitzen da und warten, bis die Uhr dreiviertel zwölf zeigt und ein dumpfes Klopfen durch die fensterlose Tür ertönt.

Ein Schlüssel klickt im Schloss, dann schwingt die Tür auf und die hagere Gestalt von Vater betritt den Raum. Eigentlich ist er groß, viel größer als sie, doch geht er so gebückt, dass sich sein Kopf immer auf der selben Höhe wie ihre befindet.
Seine Arme sind wie immer hinter seinem Rücken. Seine Stirn ist gerötet, wo er sie gegen die Tür geschlagen hat, während er sich vorbeugt und ein müdes Murmeln von sich gibt; das Signal, dass die Kinder ihm folgen sollen.
Der Junge und der Andere springen sofort auf, während die Andere sich nur träge von ihrem Bett erhebt. Sie wirkt erschöpft als sie zu ihnen trippelt, als könnte sie im Stehen einschlafen.

Vaters schwerer Kopf bleibt unbewegt, seine kleinen, müden Augen starren scheinbar ins Leere, bis sie alle sich vor der Tür positioniert haben. Erst dann geht er schlurfend beiseite und lässt sie nach draußen treten.
Auf dem Gang stehen die anderen Kinder, ältere und jüngere, einige kennt der Junge noch nicht, doch alle sind gekleidet wie er und die Anderen aus seinem Zimmer. Ihr Zimmer ist das letzte auf dem Gang, so müssen sie sich direkt hinter Vater einreihen, während er sie weiterführt. Sein fleckiges Hemd hängt lose über seinem abgemagerten Körper, seine Arme füllen kaum die Hälfte der hinter seinem Rücken zusammengenähten Ärmel. Der Junge fragt sich, ob sich darin tatsächlich noch Hände befinden.

Vor der großen Flügeltür am Ende des Ganges bleibt Vater stehen und dreht sich zu ihnen. Seine Augen huschen über die Menge, während sein Kopf für jedes gezählte Kind nickt. Schließlich gibt er ein zufriedenes Grunzen von sich und schlägt seine Stirn dreimal gegen die Tür. Mit einem Zischen und einem mechanischen Surren schwingen die Flügel auf und geben den Weg zum Esszimmer frei.

Der Raum ist groß, fast riesig, mit einer Decke die zu hoch ist, um sie im schwachen Licht erkennen zu können. Trotzdem fühlt sich der Junge eingeengt in ihm. Es gibt keine Fenster und nur zwei Türen, die, durch die sie hereinkommen und eine andere, die dieser gegenüberliegt. Das einzige Licht kommt von den Kerzen, die auf der langen Tafel stehen, die fast den ganzen Raum füllt. Bei jedem Schritt darauf zu sinken seine Füße tief in den dicken Teppich ein, der den gesamten Boden bedeckt. Endlich erreicht er den viel zu hohen Stuhl und zieht sich mühsam nach oben. Als er endlich sitzt reicht ihm der Tisch immer noch bis zur Brust. Der Andere sitzt bereits links neben ihm, rechts von ihm hat die Andere länger zu kämpfen bis sie es endlich auf ihren Platz schafft, kurz bevor die große Uhr über der Tür am Ende des Raumes schlägt. Es ist zwölf Uhr. Mittagszeit.

Niemand wagt es, sich zu rühren. Selbst Vater steht vollkommen still, seinen Kopf so tief gesenkt, als wollte er den Boden küssen. Dann beginnen die Schritte. Schritte, so schwer, dass sie das Geschirr auf dem Tisch zum Beben bringen. Schwere, und doch bedächtige Schritte, rhytmisch und abgemessen wie ein Uhrwerk. So abgemessen, dass der Junge bereits genau weiß, wie viele es sein werden.
Eins. Zwei. Drei. Eine kurze Pause, kaum länger als ein Einatmen. Das Schleifen von Metall auf Metall. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Dann klickt ein Schloss. Die Tür schwingt auf und Mutter erscheint in der Öffnung.

Noch vor ihr selbst dringt ihr Gestank in den Raum, ein Gemisch aus fettigem Rauch und schwerem, widerlich süßem Parfum, so dick, dass man glaubt hineinbeißen zu können. Jedes Geräusch im Raum verstummt. Man könnte meinen, die Zeit selbst hätte angehalten, würde nicht die große Wanduhr noch immer unermüdlich ticken. Alle Köpfe sind gesenkt und doch gibt es kein Auge im Raum, das nicht auf die gewaltige Frau im Türrahmen gerichtet wäre.
Mutter ist das genaue Gegenteil von Vater. Sie geht vollkommen aufrecht und ihr geblümtes Kleid liegt so eng an, dass jede Fettwulst ihres massigen Körpers zu erkennen ist. Kein Teil ihres Körpers scheint fest, überall wippt und wackelt es während sie beginnt um die Tafel zu gehen. In einem ihrer keulengleichen Arme hält sie den Suppentopf, mit dem anderen die Kelle. Der Junge spürt wie die Andere ängstlich zittert, als Mutter hinter ihr stehen bleibt und Eintopf auf ihren Teller füllt. Er selbst ist völlig still, atmet nicht einmal, während sich Mutters heißer, feuchter Atem auf seinen Nacken legt.

Das Essen riecht gut. Der Junge hasst, wie gut das Essen riecht.

Als Mutter sich von ihm abwendet wagt der Junge einen kurzen Blick zu der Anderen neben ihm. Es scheint ihr nicht gut zu gehen. Sie ist blass, wirkt abwesend und ihre Augen sind gerötet und von dunklen Ringen umgeben. Vielleicht ist sie krank, vielleicht konnte sie nur wieder nicht schlafen.

Nachdem sie jeden Teller befüllt hat, stellt Mutter den Topf auf die Tafel und setzt sich auf den großen, gepolsterten Stuhl an der Spitze. Sie ist die Einzige für die Stuhl und Tischplatte genau die richtige Höhe haben. Vater sitzt neben ihr auf dem Boden, die langen Beine angewinkelt. Dazwischen hat er ein eigenes, winziges Tischchen geklemmt auf dem sein Teller steht.
Mutter hebt die Kelle, alle Blicke kleben daran. Für endlose Sekunden verharrt sie so, bis sie sie endlich ruckartig sinken lässt. Das Signal, dass das Essen beginnt.

Mit unendlicher Vorsicht nimmt der Junge seinen Löffel. Er ist hungrig, so hungrig, doch er muss konzentriert bleiben. Der Löffel ist schwer und ein bisschen zu groß für seine Hände, es ist so leicht ihn fallen zu lassen, so leicht ein falsches Geräusch zu machen. Doch er weiß, was dann passieren würde. Sie alle wissen es.

Mutter selbst isst nichts. Sie isst nie gemeinsam mit ihnen. Sie sitzt einfach da, aufrecht, scheinbar ruhig, starrend, beobachtend. Ihre großen Augen ragen so weit aus ihrem Kopf hervor, dass es unmöglich zu sagen ist, wohin sie guckt und wen sie ansieht. Es ist als läge ihr Blick gleichzeitig auf dem gesamten Raum, es gibt keinen Fehltritt, den sie nicht bemerken würde. An Mutters Tisch hat Ordnung zu herrschen und sie achtet darauf, dass sie eingehalten wird.

Der Junge versucht es zu ignorieren, es wird schlimmer, wenn man darüber nachdenkt. Er darf sich nicht der Angst hingeben. Sich der Angst hinzugeben heißt nervös zu werden, die Kontrolle zu verlieren, Fehler zu machen. Und Fehler bedeuten, dass-

Ein lautes Klirren. Etwas Heißes trifft den Jungen am Arm. Sein Herz setzt einen Moment aus, bis er bemerkt, dass nicht er der Verursacher ist. Es war die Andere. Von ihrer Müdigkeit übermannt muss ihr der Löffel aus der Hand gerutscht sein.
Alle Augen wenden sich zu ihr, während sie sinnlos versucht, die Soßenflecken auf der Tischdecke mit den Armen zu verstecken und hastig weiterisst. Sie merkt, dass es zu spät ist, als Mutters Brüllen den Raum zum Beben bringt und ihre großen Hände auf dem Tisch aufschlagen. Schnaufend zieht sie sich aus dem gepolsterten Sitz nach oben.
Die Andere gibt auf, ihr Missgeschick verbergen zu wollen. Sie schaut zitternd zu Mutter, während sie etwas vor sich hinspricht, das der Junge nicht versteht. Es muss die Sprache von dort sein, wo sie früher einmal herkam. Draußen.
Sie springt in dem Moment vom Stuhl, als Mutters Füße den Boden berühren, versucht zu flüchten, auch wenn sie selbst nicht zu wissen scheint wohin. Die Türen sind verschlossen und obwohl der Raum riesig ist gibt es doch keine Möglichkeit sich zu verstecken. Sie kommt auf dem dicken Teppich ohnehin nicht schnell genug voran. Während sie all ihre wenigen verbleibenden Kräfte aufbringt muss Mutter nicht einmal rennen um sie einzuholen.
Ihre riesigen Pranken umschließen ihren Kopf und reißen sie vom Boden nach oben. Die Andere schreit gegen die dicken Finger an, die ihr den Mund verschließen, stemmt ihre dürren Arme gegen die übermächtige Faust, während ihre Beine in der Luft strampeln.
Mutter dagegen ist wieder völlig ruhig, als hätte sie ein Stofftier in der Hand geht sie langsam zur Tafel zurück und öffnet den Deckel des großen Topfes. Minutenlang wartet sie, ignoriert das Schreien und Zappeln in ihrer Hand, dann lässt sie die Andere in den Topf fallen und schlägt den Deckel darauf.

Stille. Den Bruchteil einer Sekunde gibt es kein Geräusch. Dann der erste Schrei. Gedämpft, und trotzdem schlimmer als jedes Geräusch, das der Junge je von der Anderen gehört hat. Sie schreit und schlägt gegen die Wand des Topfes und er hört das Zischen ihrer Haut während sie es tut.
Mutter schaut auf, dann brüllt sie in den Raum. Sie sollen weiteressen. Auch seine Hand zittert jetzt, als der Junge seinen Löffel wieder ergreift. Die Essenden versuchen die Geräusche aus dem Topf zu übertönen, die Schreie der Anderen, während ihre Stimmbänder durch die Hitze immer mehr versiegen, doch nicht zu sehr, um Mutter nicht zu verärgern.

Trotz allem ist eine Erleichterung am Tisch zu spüren. Die Auswahl ist für heute getroffen, das heißt, dass sie sicher sind, zumindest für einen Tag. Es ist leichter, wenn es als Bestrafung passiert. Man kann sich einreden, dass es keinen Unschuldigen getroffen hat, dass der oder die Ausgewählte es irgendwie verdient hat. Und man kann einen Teil des Essens ohne die Angst verbringen, dass man heute derjenige sein könnte, der in Mutters Topf endet.
Die Andere ist zäh, hält länger durch als er gedacht hätte. Noch als die ersten ihre Löffel auf die geleerten Teller legen klopft sie hin und wieder schwach gegen den Topf. Ihre Stimme ist inzwischen völlig versiegt.
Als der letzte fertig ist erhebt sich Mutter wortlos. Sie nimmt den Topf und die Kelle und verlässt den Raum, die Tür am Ende des Raumes fällt zu und die schweren Schritte entfernen sich. Sie muss das Essen für den nächsten Tag vorbereiten.

Vater erhebt sich unbeholfen vom Boden und geht zur Tür. Wieder lässt er sie antreten und zählt sie, bevor er sie zurück auf ihre Zimmer bringt.

Später sitzt der Junge wieder auf seinem Bett und beobachtet die Uhr. Es ist jetzt kurz vor eins. Der Andere sitzt wieder auf seinem Bett und summt. Plötzlich verstummt er. Sie sehen sich an. Zögerlich streckt der Andere seine Hand zum Bett des Jungen aus.

Der Junge überlegt kurz, dann nimmt er sie.

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