GeisteskrankheitLange

Kind of Madness – Dan

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Das Erste, was Dan hörte, als er wieder zur Besinnung kam, war ein
stetiges Piepen. Er fühlte die mindestens tausend Schläuche an
seinem Körper. Erschrocken versuchte er, sich aufzurichten, doch er
wurde sofort von einem lähmenden Schmerz gepackt, sodass er nicht in
der Lage war, sich zu bewegen.

Dan wusste nicht mal, was passiert war. Er hatte keine Erinnerung an das,
was geschehen war. Er wusste nicht mal mehr, was er jemals erlebt
hatte. Alles schien ihm wie ein dichter Nebel, der sich über sein
Gedächtnis ausgebreitet hatte. Das Einzige, was er noch wusste, war
sein Name. Dan.

Er öffnete seine Augen. Er befand sich auf einer Krankenstation in
einem Einzelzimmer. Er wollte jemanden rufen, er wollte von diesen
Schläuchen gelöst werden, jedoch war sein Hals so rau, dass er
keinen Ton herausbringen konnte.

Während er so dort lag, starrte er die Decke an und versuchte, irgendwie den
Schleier des Vergessens zu durchdringen. Leider ohne Erfolg.

Plötzlich hörte er Schritte, die sich seinem Zimmer näherten. Vorsichtig
versuchte er, seinen Kopf zur Tür zu drehen und sah, wie eine
Krankenschwester den Raum betrat. Ihr Gesichtsausdruck wirkte sehr
überrascht, als sie ihn bemerkte. Dann schaute sie auf ihr
Klemmbrett. „Wie ist das möglich? Der Arzt sagte, du wärst erst
in frühestens zwei Monaten so weit!“, fragte sie mit einer
zittrigen Stimme. Dan versuchte erneut, zu sprechen, bekam aber immer
noch nur ein trockenes Husten heraus. Dann versuchte er es noch
einmal. „Ich… weiß nicht, was passiert… ist…“, brachte er
heraus. Jedes einzelne Wort verursachte ihm brennende Schmerzen, die
seine Kehle in Feuer steckten. Die Schwester schien sich beruhigt zu
haben und setzte sich zu ihm ans Bett. „Schon gut“, sagte sie,
„Ich werde den Doktor bitten, sich um dich zu kümmern. Bis dahin
solltest du besser schlafen und dich gründlich erholen.“ Dann
stand sie auf und verließ den Raum. Dan schloss seine Augen. Kurz
bevor er einschlief, hörte er noch, wie sich die Tür schloss.

Als er wieder aufwachte, waren die Schläuche weg. Und auch das
Krankenhaus war weg. Er lag in einem warmen Bett mit dunkelblauer
Bettwäsche mit grünem Karo-Muster darauf. Irgendetwas kam ihm daran
bekannt vor. War er etwa zu Hause? Er gähnte und streckte sich kurz
und richtete sich dann auf. Er sah sich im Raum um. Ein hölzerner
Schreibtisch mit einem Computer, ein hölzerner Kleiderschrank, ein
blaues Sofa mit einem alten Fernseher und dieses Bett stellten die
Einrichtung dar. Der Boden bestand aus einem blauen Teppich und die
Wand war weiß, mit der Ausnahme von mehreren Fußball-Postern. Er
wusste nicht mehr die Namen der einzelnen Spieler, aber es beruhigte
ihn, sie zu sehen. Spielte auch er Fußball? Spontan konnte er keinen
Ball in seinem Zimmer erkennen. Wenn er einen hatte, dann musste
dieser woanders sein.

Trotzdem. Diesen Raum zu sehen erfüllte Dan von tiefster Wärme und
Geborgenheit. Er war zu Hause. Er wusste es einfach. Die Schmerzen,
die er zuvor verspürt hatte, schienen sich sanft von ihm gelöst zu
haben. Wie lange hatte er wohl geschlafen?

Dan schlug die Decke zurück und bemerkte einen Verband, der sich um
seinen Bauch schlang. Er hatte offenbar eine Verletzung, nur wusste
er nicht, woher.

Die Tür öffnete sich. Herein kam eine etwas ältere Frau mit braunen,
lockigen Haaren und grauen Augen. Sie kam Dan bekannt vor. „Mum?“,
fragte er vorsichtig. Die Frau hatte einen schrecklich traurigen
Ausdruck auf dem Gesicht. „Nein. Ich bin deine Tante. Deine Mutter
ist…“, antwortete sie, doch ihr fiel es sichtlich schwer, zu
sprechen. „Meine Mum ist tot?“, fragte Dan. Aus irgendeinem Grund
fühlte er nichts. Er spürte nicht einmal einen Stich von Trauer,
nur gefühllose Leere. Er erinnerte sich ja auch nicht mal mehr an
sie, also warum sollte er sie dann vermissen?

Seine Tante setzte sich an die Bettkante und nahm ihn in den Arm, „Hör
zu, Dan. Es wird alles wieder gut. Das verspreche ich dir! Ich werde
nun diese Wohnung beziehen, sodass du hier bleiben kannst. Ich habe
dich nämlich adoptiert, als feststand, dass deine Mutter gestorben
ist. Ich weiß, es ist erst noch ungewohnt, aber du wirst dich sehr
schnell daran gewöhnen. Bleib einfach stark!“

„Tante?“, fragte Dan. „Du schaffst das, da bin ich mir sicher!“, antwortete
sie.

„Ich erinnere mich nicht mehr an Mutter. Ich weiß nicht, was passiert
ist. Ich erinnere mich noch an dieses Zimmer und ich weiß meinen
Namen, aber ich erinnere mich an nichts, das passiert ist!“

Stille.

Die Tante schaute Dan an und stand dann auf. „Du erinnerst dich an
nichts?“, fragte sie. Dan nickte. Auf dem Gesicht seiner Tante
bemerkte er einen entsetzten Ausdruck. „Aber das ist doch nicht
möglich!“, sagte sie mit einem hysterischen Tonfall. „So etwas
hätte doch früher auffallen sollen, oder etwa nicht? Aber wie
kannst du dich nicht mehr erinnern? Es war doch nur ein kleiner
Autounfall. Es hätte doch nichts Schlimmeres passieren dürfen. Wie
ist das nur möglich?“

Dan war sich nicht sicher, ob seine Tante mit ihm oder mit sich selbst
sprach. Also sagte er besser nichts. Ein Autounfall also. Seine
Mutter war also bei einem Autounfall ums Leben gekommen, während er
knapp überlebt hatte. Aber was war mit seinem Vater? „Tante? Was
ist mit Dad?“, fragte er sie. Völlig perplex starrte seine Tante
ihn an. „Was meinst du?“, fragte sie. „Ich möchte wissen, wo
Dad ist!“, antwortete Dan. „Du… hast keinen Vater. Und du
hattest auch nie einen. Ich möchte nichts mehr von dem Thema wissen!
Ich koche dir jetzt einen Tee!“, sagte seine Tante und verließ das
Zimmer.

Dan musste das alles erst einmal verarbeiten. Seine Mutter war bei einem
Autounfall ums Leben gekommen, er war schwer verletzt ins Krankenhaus
gekommen. Seine Tante hatte ihn jetzt adoptiert und von seinem Vater
wusste sie nichts. Und selbst wenn sie etwas wusste, dann wollte sie
es ihm nicht verraten. Aber wieso sollte sie das tun?

Sein Gedankenkreis wurde unterbrochen, als seine Tante mit einer
dampfenden Tasse wieder das Zimmer betrat. „Darjeeling, mein
Kleiner. Verschütte ihn nicht!“, sagte sie und stellte die Tasse
auf einem kleinen Nachttisch neben seinem Bett ab. Dann wuschelte sie
ihm durch die Haare und sagte: „Wenn du etwas brauchst, musst du
nur rufen. Ich bin die ganze Zeit da. Und das mit deinen Erinnerungen
werden wir irgendwie schon hinbekommen. Notfalls lasse ich einen
Psychologen mit dir sprechen, der dir helfen kann.“ Dann verließ
sie das Zimmer wieder. Dan trank die Tasse aus, kuschelte sich wieder
in seine Decke und schlief ein.

Er wurde am späten Nachmittag von seiner Tante geweckt. „Dan“,
sagte sie und streichelte seine Haare. „Du hast Besuch. Einige
deiner Freunde aus der Nachbarschaft wollen dich besuchen. Ich lasse
euch hier alleine, in Ordnung?“, fragte sie. Dan rieb sich die
Augen und nickte. Er erinnerte sich zwar nicht mehr an sie, aber
vielleicht tat es ja ganz gut, wenn er seine alten Freunde sah.
Vielleicht half ihm das ja auch bei seinen Erinnerungen. Er richtete
sich auf und richtete seine Augen gespannt auf die Tür, die sich
öffnete und drei kleine Jungs herein ließ. „Dan!“, sagte einer
von ihnen. „Es ist schön, dich wiederzusehen! Wir haben dich ewig
nicht mehr gesehen! In unserer Klasse machte man sich schon große
Sorgen um dich! Aber du bist ja wohl auf!“ Der Junge hatte braune
Haare und grüne Augen. Dan schätzte ihn auf etwa acht oder neun
Jahre. Wenn dieser Junge mit ihm in einer Klasse war, musste er also
auch entweder acht oder neun Jahre alt sein. „Entschuldigung,“,
sagte Dan, „Aber ich erinnere mich nicht mehr an eure Namen. Tut
mir echt leid. Es ist aber nett von euch, dass ihr euch Sorgen um
mich macht.“ Dan war etwas enttäuscht. Er hatte gehofft, sich an
sie erinnern zu können, aber er konnte es nicht. Die anderen beiden
Jungs hatten jeweils orangene und nochmal braune Haare. Sie schienen
nicht viel älter als der Erste zu sein. Der orange-haarige Junge
setzte sich aufs Sofa und sagte: „Ist schon okay. Deine Tante hat
uns schon erzählt, dass du dich nicht erinnern kannst. Das ist nicht
so schlimm. Jedenfalls, ich bin Flo. Du kennst mich schon seit dem
Kindergarten. Das ist Henry und das ist Paul. Vielleicht erinnerst du
dich ja bald wieder an uns.“ Er zeigte erst auf den ersten Jungen,
der gesprochen hat, dann auf den Anderen, der noch nichts gesagt hat.
„Ich weiß nicht, ob ich mich wieder erinnern werde, aber ich hoffe
es.“, sagte Dan. „Wenn du wieder auf den Beinen bist, spielst du
dann wieder mit uns Fußball?“, fragte Henry. Dan nickte. „Auf
jeden Fall!“, sagte er. Die Jungs grinsten sich an. Dan spürte
sofort, wie gut er mit ihnen befreundet war und fühlte sich wohl.
„Wir haben unsere Karten mitgebracht. Hast du Lust, mit uns zu
spielen?“, fragte Paul und hielt eine Packung hoch. „Klar, aber
ich weiß die Regeln nicht mehr!“, sagte er. „Keine Sorge, wir
erklären sie dir!“, sagte Flo. „Deine Karten müssten wie immer
im Schreibtisch sein.“ Er ging zu seinem Schreibtisch und öffnete
eine Schublade. Plötzlich erstarrte er. Die Jungs starrten ihn
überrascht an. „Was ist los?“, fragte Dan. Flo fing an zu
lachen. „Das hätte ich wirklich nicht von dir gedacht!“, sagte
er. „Was meinst du?“, fragte Dan. Flo grinste und zog eine Puppe
aus der Schublade. Sie hatte schwarze Haare, eine graue Haut und
grüne Knopfaugen. Dan erkannte sie nicht. Aber warum sollte er sie
denn auch überhaupt besitzen? „Ich weiß nicht, wem diese Puppe
gehört.“, sagte er ehrlich. „Ist doch wohl völlig klar!“,
sagte Henry und grinste jetzt auch. „Du spielst mit Puppen, genau
wie ein Mädchen!“ Dan wurde etwas sauer. „Das ist nicht wahr!“,
sagte er. Flo warf Dan die Puppe zu und verließ dann lachend mit den
anderen Beiden sein Zimmer. Auf dem Flur konnte er seine Tante hören,
wie sie freundlich die Jungs verabschiedete. Dann betrat sie das
Zimmer. „Und?“, fragte sie. „War es ganz nett?“

Dan schüttelte den Kopf und fragte: „Tante, woher kommt diese Puppe?“
Er nahm die Puppe hoch und hielt sie ihr hin. Ihr Gesicht erstarrte.
„Ich weiß es nicht. Gib sie mir, ich werde sie für dich
entsorgen!“ Sie riss ihm die Puppe weg und verließ sofort das
Zimmer. Dann kam sie wieder zurück, mit einem dicken Buch in der
Hand. Es war eine Bibel. Sie las ihm etwas daraus vor, bis Dan
einschlief.

„Dan Shearly?“, fragte der Doktor. Dan nickte. So weit er wusste, war
das sein Name. Der Doktor nahm sein Klemmbrett und notierte etwas.
„So, du behauptest also, dich an nichts erinnern können, was vor
dem Autounfall passiert ist, sagst du.“ „Ich erinnere mich nicht
mal mehr an den Unfall selber. Ich weiß nicht, wieso, aber ich weiß
gar nichts mehr!“, antwortete Dan. „Schon in Ordnung.“, sagte
der Doktor. „Erzähl mir doch einfach alles, an das du dich noch
erinnern kannst. So versuchen wir, Stück für Stück deine
Erinnerungen zurück zu holen. In Ordnung?“, fragte der Doktor und
beugte sich vor. „Ich weiß nicht…“, antwortete Dan unsicher.
Irgendetwas an der Aura vom Doktor machte ihn unsicher. Er war sich
nicht sicher, ob er ihm vertrauen könne. Der Doktor seufzte. „Wenn
du es mir nicht erzählen willst, dann von mir aus, aber so können
wir nicht deine alten Erinnerungen zurück holen.“, sagte er. Jetzt
beugte Dan sich vor und hörte sich sagen: „Nun, Doktor. Sie
behaupten, mir helfen zu können, aber was wissen sie überhaupt von
mir?“ Dabei grinste er. Der Doktor wich kurz zurück und lächelte
dann auch. „Nun. Dan Shearly. Acht Jahre alt, Vater unbekannt,
Mutter gestorben, lebt bei seiner Tante, ist abgeschottet von anderen
Kindern, hat keine Erinnerungen an sein bisheriges Leben und mag
Puppen.“

Dan zuckte zusammen. „Woher wissen sie davon?“, fragte er ihn. Hatte
seine Tante es dem Doktor erzählt? „Wovon redest du?“, fragte
der Doktor. Auf seinem ernsten Gesicht konnte man eine Spur der
Unsicherheit erkennen. „Na die Puppe. Woher wissen sie davon?“,
fragte Dan noch einmal. „Welche Puppe?“, fragte der Doktor und
zog seine Augenbrauen hoch. „Aber sie haben doch gerade gesagt…
ach egal. Vergessen sie es.“, antwortete Dan und senkte seinen
Kopf. Hatte er sich die Worte des Doktors nur eingebildet?

Plötzlich packte Dan etwas an der Schulter. Er schrie auf und drehte sich um.
Hinter ihm stand ein Mann. Er war ungefähr zwei Meter groß und etwa
von normaler Statur. Dan wollte sich losreißen, doch er konnte es
nicht. Der Mann hielt ihn fest und ließ ihn nicht mehr entkommen.
Dann hob sich der andere Arm des Mannes und er hielt eine Puppe hoch.
Dan wusste, was für eine Puppe das war. Er erinnerte sich genau an
sie. Sie hatte schwarze Haare, eine graue Porzellan-Haut und grüne
Knopfaugen. Jedoch schien das eine Auge halb herab zu hängen und die
Haare waren etwas ausgefranster als er es in Erinnerung hatte. Aus
irgendeinem Grund versetzte Dan dieses Bild in tiefste Panik und er
versuchte noch einmal, sich los zu reißen. Er strampelte und trat um
sich, doch es nützte nichts. „Es gibt kein Entkommen, Dan. Du bist
das Feuer.“, sagte eine feine Stimme. Sie klang zu hoch, um von dem
Mann zu kommen. Es sprach die Puppe. Dan schrie auf, als sich der
Mund der Puppe öffnete und mit dunkelblauen Flammen sein Gesicht
verbrannte. Dan fühlte sich, als würde sein Kopf an eine heiße
Herdplatte gepresst werden. Er fiel zu Boden. Der Mann ließ ihn los.
Schreiend und würgend wälzte sich Dan hin und her, versuchend, die
Flammen zu ersticken. Vergebens. Dann spürte er, wie die Flammen
seinen ganzen Körper umhüllten. Dan dachte, er würde jeden Moment
sterben und schrie noch heftiger. Sein Schreien wurde zu einem
Würgen, und schließlich erstarb es ganz. Er hatte sich mit seinem
Schicksal abgefunden. Er würde sich dem Tod hingeben, nur damit
diese quälenden Schmerzen aufhören würden. Die Flammen waren
mächtiger als er. Doch dann wurde er plötzlich wach gerissen.

„Dan! Was ist los?“, schrie seine Tante entgeistert. Dan öffnete seine
Augen und blinzelte in das Licht der Zimmerlampe. Er versuchte erst
mal, sich wieder zu fassen. „N… nichts, Tante. Ich habe nur
schlecht geträumt.“, murmelte er. Seine Tante beruhigte sich
etwas, genau wie sein Herz. „Ein Albtraum.“, sagte sie zu sich
selbst, „Nur ein Albtraum.“ „Tante? Ist alles mit dir in
Ordnung?“, fragte Dan. Sie schaute ihn an. „Ja, Dan, es ist alles
in Ordnung. Ich war wohl nur etwas nervös, da du morgen wieder in
die Schule gehst. Aber ich mache mir wohl nur unnötig Sorgen.“,
sagte sie und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich wünsche dir
noch eine gute Nacht.“, sagte sie, ging zur Tür, machte das Licht
aus und verließ sein Zimmer. Dan versuchte, wieder einzuschlafen,
doch es gelang ihm nicht. Er musste viel zu sehr an die Puppe
denken, die zu ihm gesprochen hatte. Und an die Schmerzen. Es war nur
ein Traum, aber das alles hatte sich viel zu echt angefühlt. Was
hatte seine Tante überhaupt mit der Puppe gemacht? Er wusste, er
konnte es diese Nacht nicht mehr herausfinden, da seine Tante
bestimmt wieder ins Bett gegangen war und sie war bestimmt nicht sehr
erfreut, wenn er sie jetzt wecken würde und nach der Puppe fragen
würde. Er verstand sich zwar gut mit seiner Tante, doch er wollte
dieses gute Verhältnis nicht aufs Spiel setzen. Außerdem wollte er
nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machte, wo sie ihn doch
regelmäßig jeden Sonntag mit zur Kirche schleifte und ihm
regelmäßig aus der Bibel vorlas.

Er schaffte es irgendwie doch noch, zu schlafen, bis ihn seine Tante
schließlich am nächsten Morgen weckte. Sie machte die Vorhänge auf
und lies das Sonnenlicht herein. Es war ein warmer Frühlingstag und
alles war hell erleuchtet. Dan stand auf, zog sich an und aß zu
Frühstück. Dann nahm er seinen Ranzen und hastete zum Bus.

Als er das Klassenzimmer betrat, richteten sich alle Gesichter sofort auf
ihn. Flo kam auf ihn zu. „Na, du Puppennarr? Bist du jetzt wieder
in der Schule?“, fragte er und lachte hämisch. Wenn Dan mit dem
jemals wirklich befreundet gewesen war, musste er verrückt gewesen
sein. Der Rest der Klasse lachte mit. Das fing ja prima an. „Ruhe!“,
brüllte der Lehrer. Dann wies er Dan einen Platz alleine ganz hinten
in der Ecke zu. Dan setzte sich. Er konnte seine Mitschüler sehen,
die sich alle ab und zu zu ihm umdrehten und über ihn tuschelten.
Der Lehrer kündigte an, dass sie bald Besuch von einem Feuerwehrmann
kriegen würden, der ihnen erklären würde, wie ein Feuer entstand
und wie man es vermeiden konnte. Alle Kinder waren begeistert. „Ein
echter Feuerwehrmann?“, flüsterte Henry begeistert zu Flo. Die
Beiden saßen zwei Reihen vor Dan direkt nebeneinander. Dan
interessierte das nicht. Er wusste schließlich schon lange, wie man
ein Feuer vermeidet oder löscht oder… wie man eines legt.

Woher er dieses Wissen hatte, wusste er nicht, er hatte es einfach. Sofort
kamen Dan die Bilder aus seinem Traum der letzten Nacht zurück. Er
versuchte, sie zu verdrängen, aber sie traten wieder deutlich vor
seine Augen. Dan unterdrückte seinen Schrei. „Dan Shearly? Würdest
du bitte die Frage beantworten?“, rief der Lehrer. Dan schreckte
hoch und schaute ihn entgeistert an. „Wie bitte?“, fragte er und
wurde rot. Er hatte nicht aufgepasst und wurde sofort erwischt. Die
Klasse lachte. Der Lehrer seufzte. „Dan, ich weiß, es ist dein
erster Schultag seit Langem, aber würdest du dich bitte auf den
Unterricht konzentrieren?“ Dan senkte den Blick und antwortete:
„Ja, Herr Lehrer.“ Dann klingelte es. Die Schüler standen alle
auf und stürmten sofort auf den Schulhof. Dan schlich hinterher und
sah sich dann um. Er wusste nicht mehr, wo sich was genau befand,
aber er traute sich auch nicht, irgendjemanden danach zu fragen, da
ihn die Anderen bestimmt nur auslachen würden. Das alles war nur die
Schuld dieser Puppe. Wegen ihr wurde er ausgelacht, hatte Albträume
und konnte sich nicht konzentrieren. Wenn seine Tante sie nicht
bereits entsorgt hätte, hätte er sie am liebsten zerrissen und in
den Fluss geschmissen, der in der Nähe seines Hauses floss. Oder
aber er hätte die Fetzen verbrannt.

Ja, das wäre sogar noch besser gewesen.

Und dann hätte er die Asche in den Fluss tun können. Genau!

Als der Bus Dan wieder zu Hause abgesetzt hatte, ahnte er bereits, dass
etwas anders war, als sonst. Er wusste nicht, was es war, er hatte
einfach nur das bestimmte Gefühl. Er betätigte die Klingel, doch
niemand öffnete. Dan wartete kurz und klingelte dann nochmal. Wieder
nichts. Stöhnend setzte er seinen Ranzen ab und kramte nach dem
Schlüssel, als er plötzlich Schritte hörte, die sich der Tür
näherten. Die Klinke wurde betätigt und langsam öffnete sich die
Tür. Dan starrte entgeistert auf den Türspalt. Dort war ein fremder
Mann. Er wollte gerade wegrennen, doch bevor er sich bewegen konnte,
wurde er von ihm fest gepackt. Zum Schreien war es bereits zu spät.
Dan wusste, dass es nichts brachte. Er würde nun genau so sterben,
wie in seinem Traum.

„Bist du Dan Shearly?“, fragte der Mann. Erst jetzt erkannte Dan seine
Kleidung. Es war ein Polizist! Dan nickte langsam. Dann war er etwas
erleichtert. Er sollte sich nicht andauernd so fürchten.

Obwohl,

Warum war dieser Polizist überhaupt hier?

„Ist etwas passiert?“, fragte Dan, während ihm ein Kloß im Hals
feststeckte. Der Polizist seufzte und führte den Jungen dann herein.
Überall waren Männer, die aussahen, als würden sie irgendetwas
suchen. „Die Nachbarn meinten, sie hätten einen Schrei gehört und
wollten nachschauen, ob alles in Ordnung wäre. Sie fanden die Tür
offen vor und im Wohnzimmer einen mittelgroßen Blutfleck. Von deiner
Tante allerdings fehlte jede Spur und auch jetzt haben wir immer noch
nichts herausgefunden.“, sagte der Mann. Dan war geschockt. Ein
anderer Polizist schlug den Mann. „Bist du verrückt? So etwas muss
man einem kleinen Jungen doch schonend beibringen! Der ist schon
genug traumatisiert, du erinnerst dich an die Geschichte mit seiner
Mutter.“, sagte er. „Er hätte es doch so oder so erfahren, was
macht das für einen Unterschied?“, entgegnete der andere. „Meine
Tante ist weg?“, fragte Dan. Er spürte, wie Tränen in seine Augen
stiegen, doch er presste sie weg. Im Gegensatz zu seiner Mutter hatte
Dan sehr wohl schöne Erinnerungen an seine Tante. Er hatte sie sehr
lieb!

Die beiden Männer drehten sich zu ihm um. „Ja, ist sie, aber
vielleicht kommt sie ja irgendwann wieder zurück. Du musst dir keine
Sorgen machen, wir kümmern uns darum.“, sagte der Eine und
tätschelte Dan den Kopf. Dan schlug die Hand weg und rannte in sein
Zimmer. Er wusste, dass er nicht mehr lange dort bleiben durfte.
Trotzdem schlug er die Tür hinter sich zu und überlegte, was er tun
konnte. Bestimmt war diese Puppe daran schuld.

Dan erschrak, als er diesen Gedanken hatte. Das war doch völlig
unmöglich! Seine Tante selbst hatte doch die Puppe entsorgt! „Ja
genau deswegen wollte sie sich ja auch an ihr rächen!“, flüsterte
die Stimme in seinem Kopf weiter. Dan schlug seinen Kopf gegen die
Wand. „Nein nein nein! Das ist unmöglich!“, schrie er. Er hörte,
wie sich die Polizisten rasch seinem Zimmer näherten. Sofort schloss
Dan seine Tür ab und schaute hektisch nach irgendetwas, was ihm
helfen könnte. Plötzlich fiel sein Blick auf seinen Schreibtisch.
Er war sauber und ordentlich, so wie immer, aber direkt auf der
Arbeitsplatte lag etwas.

Es war ein Streichholz.

Dan nahm es in die Hand und erinnerte sich sofort wieder an den Traum.
Aber wenn er es nur einmal probieren würde? Es wäre doch so
einfach! Eine kleine Bewegung und das ganze Haus wäre hell
erleuchtet. Alles würde verbrennen! Halt, halt, damit würde er doch
nur sein Leben zerstören! Was hätte er davon?

„Tu es!“, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Dan hatte genau diese
Worte schon einmal gehört, das wusste er. Er versuchte, dagegen
anzukämpfen, jedoch verschwamm auf einmal seine Sicht. Seine Sinne
wurden komplett gelähmt und er hörte nur noch das Pochen seines
Herzens und jene Stimme, die zu ihm flüsterte: „Tu es!“

Dann sah Dan auf einmal ein Bild in seinem Kopf. Er saß auf der Rückbank
eines großen Autos. Eine Frau fuhr den Wagen. Es war seine Mutter.
Alles war dunkel, es war tiefste Nacht. Starke Regenschauer
prasselten gegen die Scheiben, während er das stetige Geräusch der
Scheibenwischer vernahm.

Dan langweilte sich und schaute aus dem Fenster. Natürlich konnte er
nichts erkennen.

Plötzlich spürte er eine Präsenz neben sich. Er drehte ruckartig seinen Kopf.
Neben ihm saß eine kleine Puppe. Sie hatte ordentliches, braunes
Haar und eine reine Porzellanhaut.

Das Schönste an ihr jedoch waren ihre grünen Knopfaugen.

Dann war da das Streichholz.

Dan nahm es in die Hand und starrte es eine Zeit lang an. Er schaute zu
seiner Mutter, doch die bemerkte von all dem nichts. Dan hatte auf
der Rückbank noch eine leere Streichholzpackung, die seine Mutter
einmal dort vergessen hatte. Sie war Raucherin und ging nie ohne
einer Packung Zigaretten und einer Packung Streichhölzer vor die
Tür. Dan überlegte, ob er das Streichholz anzünden sollte. Er
wusste, es war gefährlich, doch er konnte es ja sofort wieder
ausmachen. Er holte die Schachtel hervor und starrte sie genau so
lange an, wie das Streichholz, bis er sie plötzlich hörte. „Tu
es!“, flüsterte diese Stimme.

Er schaute sofort zur Puppe, die ihn immer noch mit ihren Augen
anstarrte. Dan schüttelte sich kurz. Ihm lief es kalt den Rücken
herunter. „Na los, worauf wartest du? Ein einziger Funke genügt!“,
flüsterte die Puppe wieder. Dan schaute zu, wie seine Hände,
scheinbar fremd gesteuert das Streichholz an der Packung rieben. Eine
kleine, flackernde Flamme entstand.

Dann ließ er es los. Er ließ es einfach los. Dan konnte sich nicht mehr
beherrschen. Er wollte es auffangen, bevor es das Auto noch in Brand
legte, doch er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Stattdessen
öffnete seine Hand die Tür und sein Körper sprang heraus. Er hörte
noch das Quietschen der bremsenden Reifen, dann ein Kreischen,
welches von seiner Mutter stammte, dann wurde er von der Explosion
mitgerissen. Die Flammen hatten nur in wenigen Sekunden, nachdem sie
auf das Auto übergegangen waren, den Benzintank erwischt, welcher
sofort in die Luft gegangen war.

Das letzte, was Dan sah, war eine verkokelte Puppe mit schwarzen Haaren
und grünen Knopfaugen. Dann schloss er seine Augen.

Sofort fing er an zu zittern. Jetzt erinnerte er sich an Alles. Alle
Erinnerungen kamen in dem Moment zurück, in dem er das Streichholz
in der Hand hielt.

Ein Wunder, dass er nicht gestorben war, sondern nur eine vergleichbar
kleine Verletzung am Bauch davongetragen hatte.

Dieses eine Streichholz hatte ihm all das gegeben, was er jetzt hatte.

Diese Puppe, vermutlich war sie vom Teufel persönlich besessen, hatte ihn
zu all dem geführt.

Ihr hatte er zu verdanken, dass er noch lebte.

Er hob das Streichholz mit seiner bebenden Hand hoch und starrte es
einige Zeit an, während er hörte, wie die Polizisten versuchten,
seine Tür aufzubrechen.

Dan lächelte.

Sie konnten ihn nicht kriegen.

Nein.

Er würde seine Tante suchen gehen und bis er sie fand, würde er sich
an jedem rächen, der zugelassen hatte, dass sie ihm weggenommen
wurde.

Er zündete das Streichholz und warf es auf sein Bett.

Bevor die Polizisten die Tür aufbrechen konnten, schlüpfte er aus dem
Fenster und rannte weg. Aus sicherer Entfernung genoss er die bunten
Flammen des Feuers, die sein Haus von innen heraus erhellten. Wie ein
gewaltiges, lebendiges Wesen. Die Polizisten hatten es erst in sein
Zimmer geschafft, als das Feuer bereits nicht mehr zu löschen war.

Beide haben ihre gerechte Strafe für alle ihre Untaten erhalten und bis
einer der übrigen Männer die Feuerwehr rufen konnte, war das Feuer
schon so groß, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis es auf
die nahe liegenden Häuser übergriff.

Lachend floh Dan in den Wald.

Niemand würde ihn je finden.

Keiner hatte ihn fliehen sehen.

Sie würden ihn alle für tot halten.

Er konnte jetzt nicht aufhören, nein, er durfte nicht aufhören.

Nicht eher, bis die ganze Welt in Flammen stand.

Die Puppe hatte ihn noch einmal besucht.

Sie hatte ihm die Wahrheit erzählt.

Er wusste von der Wahrheit.

Nicht mehr lange, und es wussten alle.

Und dann würden sie alle brennen!

Brennen im Feuer der Hölle!

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