ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Meine Frau hatte schon immer einen gesunden Schlaf. Sie schnarchte nicht, redete nicht im Schlaf und war niemals besonders unruhig. Oft wachte sie in der gleichen Position auf, in der sie eingeschlafen war, ohne dass die Laken um sie herum eine Falte aufwiesen. Als das Singen mitten in der Nacht begann, war ich, gelinde gesagt, perplex.
Nicht nur, dass diese Karaoke-Nummer am späten Abend und frühen Morgen völlig verstimmt und geradezu schmerzhaft anzuhören war, obwohl ich wusste, dass sie eigentlich eine wunderbare Stimme besaß, nein, es schien auch eine Art Gospelmusik zu sein. Ich will die Liebhaber dieses Genres nicht beleidigen, aber ich wusste ganz genau, dass dies nicht Jenns Geschmacksrichtung war.
Sie war nie ein besonders religiöser Typ gewesen, aber sie neigte eher dazu, bei Pop oder Rhythm and Blues mitzusingen, wenn sie den Drang dazu hatte. Ihr Vater war Pastor in einer Kirche in ihrer alten Heimatstadt, und er war in ihrer Jugend ziemlich ausfallend und überheblich. Es war sein Einfluss, der sie dazu brachte, sich von einer Religion abzuwenden, die er selbst nicht verstand, aber das hielt sie nicht davon ab, der liebevollste und fürsorglichste Mensch zu sein, den ich je getroffen habe.
Da ihre Stimme gedämpft und erstickt war, während sie den kaum verständlichen Text vor sich hin trällerte, konnte ich nur gelegentlich ein Wort ausmachen. „Lobe sie“ und „verehre sie“ waren einige der wenigen, die ich verstehen konnte, aber andere wie „verfluche seine Schar“ oder „reinige den Makel“ jagten mir einen Schauer über den Rücken.
Mit einem leichten Rütteln an ihrem Arm gelang es mir, sie zu wecken, aber sie wusste nicht, weshalb ich sie aus dem Schlaf riss.
„Hm? Was?“, sagte sie, immer noch benommen, „was ist los, Liebling?“
„Du, ähm, du hast wie verrückt im Schlaf gesungen.“
Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte. Ich hatte wohl nicht so weit vorausgedacht, als ich die halbbewusste Entscheidung traf, sie zu wecken.
„Habe ich das? Tut mir leid, Schatz. Muss ein komischer Traum gewesen sein oder so …“
Sie nickte nach der Hälfte ihrer Worte wieder ein, aber als sie wiederholt in ihren regulären, störungsfreien Schlummer zurückkehrte, schlief auch ich erneut ein. Der Rest der Nacht verlief so ereignislos wie immer, sodass ich es am nächsten Tag nicht einmal erwähnte, aber als sie in der darauffolgenden Nacht ein zweites Mal ihr kehliges Lied anstimmte, machte ich mir etwas mehr Sorgen.
Wieder riss ich sie nach der Hälfte ihres verstimmten Stöhnens vorzeitig aus dem Schlaf, und wieder hatte sie nichts zu bieten.
„Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll, Liebling“, meinte sie am nächsten Morgen, als ich sie auf ihre neue nächtliche Gewohnheit ansprach.
„Hattest du irgendwelche seltsamen Träume oder so?“, fragte ich und wusste nicht, was ich noch hinzufügen sollte.
„Vielleicht, ich meine, es könnte sein, aber ich kann mich an nichts erinnern.“
„Hast du das Lied irgendwo gehört und es geht dir nicht mehr aus dem Kopf oder so?“
„Babe, ich weiß nicht einmal, von welchem Lied du sprichst“, antwortete sie und hörte sich an, als würde sie die Geduld mit meiner Befragung verlieren, „ich habe keinen Song im Kopf, der mir bekannt ist. Ich kann dir leider keine Erklärungen geben! Es tut mir leid, okay!?“
„Nein, es tut mir leid. Ich weiß nicht, es ist nur … seltsam, das ist alles. Du bist doch sonst so ein ruhiger -“
„LASS ES EINFACH SEIN! UM HIMMELS WILLEN, ES IST JA NICHT SO, ALS WÜRDE ICH ES ABSICHTLICH TUN!“
Sie wurde innerhalb eines Wimpernschlags von leicht genervt zu stinksauer. Einen Moment lang stand ich fassungslos da und hatte das Gefühl, von meinen Eltern angeschrien worden zu sein und nicht von der Frau, die ich liebte. Ich spürte, wie mein Gesicht vor Verlegenheit warm wurde, während sie mich mit den Händen in den Hüften anstarrte. Ich konnte sehen, wie die Muskeln in ihrem Gesicht zuckten, während sie ihren Kiefer zusammenbiss, also hob ich einfach meine Hände, als würde ich in den Lauf einer Waffe starren, wich zurück und verließ den Raum.
Jenn schlief nicht nur normalerweise friedlich, sondern war auch sonst ein sehr ausgeglichener und gefasster Mensch. Auch wenn ich manchmal die Geduld mit einer Situation verlor, meisterte sie sie wie ein Champion. Ich will nicht sagen, dass wir uns nie gestritten haben, wie jedes gesunde Paar, aber es brauchte oft viel mehr als ein paar besorgte Fragen, damit sie die Fassung verlor.
Im Laufe des Tages unterhielten wir uns eher zwanglos und ich erwähnte ihre seltsamen Schlafgewohnheiten der letzten Zeit nicht mehr. Bevor wir uns schlafen legten, versöhnten wir uns auf die traditionelle Art und Weise – ein Akt, der uns beide ziemlich erschöpft zurückließ. Wir schliefen in den Armen des anderen ein, was wir nicht mehr so oft getan haben, als wir jünger waren. Diese Dinge werden nach einem guten Jahrzehnt Ehe oft vernachlässigt, aber meine Liebe zu ihr ist nie erkaltet.
Als mich der schreckliche Gesang die dritte Nacht in Folge aus dem Schlaf riss, lag Jenn nicht mehr in meinen Armen, sondern mit dem Rücken flach auf den Laken. Ich wollte sie wieder wecken, aber ich hielt es für das Beste, der Sache diesmal einfach ihren Lauf zu lassen, auch wenn es immer lauter wurde. Ihr Rücken wölbte sich, als das Trällern immer lauter wurde; ihre Schultern und Beine drückten gegen die Matratze, während sich ihr Körper zu einer Art auf dem Kopf stehendem „U“ verformte.
„Lobt sie, oooh, hegt sie … reinigt den Makel auf ihrem Pfad … gebt ihr alles, was ihr zu geben habt, lasst uns ihr Leid ertragen …“
Ihre Stimme hatte sich zu einem heulenden Klang des Wahnsinns gesteigert, während das gurgelnde Stöhnen meinen Magen aufgewühlt hat. Als ich mich über ihren Körper beugte und beschloss, sie aus der Situation zu reißen, bevor sie sich selbst verletzt, schrie ich vor Schreck auf, bevor ich es überhaupt merkte. Ihre Augen waren weit aufgerissen, während sie ihre Worte ausrief, aber sie waren nicht mehr das tiefe Haselnussbraun, in das ich den größten Teil der dreizehn Jahre geblickt hatte, sondern ein schimmerndes, fast glühendes Smaragdgrün.
Als ich meinen Schrei endlich zur Ruhe gebracht hatte, packte ich meine Frau an den Schultern und schüttelte sie fast heftig, um sie aus diesem Zustand zu reißen, doch sie ließ nicht nach. Meine Ohren klingelten, weil ihr Wehklagen so laut geworden war, und ich konnte meine eigene brüllende Stimme kaum noch wahrnehmen, als ich versuchte, sie zu wecken.
„Lobt sie … heilt sie … schließt sie in eure Seele ein … füttert sie, nährt sie … helft ihr, wieder ganz zu werden …“
Es war fast ohrenbetäubend, aber egal, was ich tat, sie wollte nicht aufhören. Als der Lärm immer unerträglicher wurde, schlug ich ihr schließlich meine Hand ins Gesicht. In dem Moment, in dem sich ihr Gesang in einen entsetzlichen und gequälten Schrei verwandelte, schlug sie mir ihre Handflächen auf die Brust und schleuderte mich quer durch den Raum gegen die Wand. Bevor mein wirbelnder Kopf mich bewusstlos unterhalb des großen Risses, den mein Körper in die Trockenbauwand gedrückt hatte, liegen ließ, sah ich auf und erblickte Jenn, die aufrecht im Bett saß und ihren Kopf hin und her schwenkte, als hätte sie sich verlaufen.
Als ich zu mir kam, lag ich immer noch auf dem Boden, mein Kopf pochte und mein Rücken schmerzte. Es kostete mich große Mühe, aufzustehen, aber als ich merkte, dass meine Frau verschwunden war, versuchte ich, mein Unbehagen beiseitezuschieben. Draußen war es noch dunkel, also betätigte ich alle Lichtschalter in allen Zimmern und konnte keine Spur darüber finden, wohin sie gegangen war, nur die Haustür stand weit offen und die kühle Nachtluft drang durch die Öffnung.
Ich spürte noch immer, wie mir das Blut in den Nacken lief, als ich auf der Suche nach Jenn durch die Nachbarschaft fuhr. Als ich sie schließlich gefunden habe, wie sie einfach auf dem Bürgersteig ein paar Meilen vom Haus entfernt ging, bin ich vor Begeisterung praktisch auf den Bordstein gehüpft, um zu ihr zu gelangen.
„Hey Liebling“, sagte sie, als ich zu ihr rannte. Sie schien noch etwas benommen zu sein.
„Jenn, was zum Teufel machst du hier!?“
„Hm? Oh, ich weiß nicht genau …“
Als ich sie schließlich an den Schultern packte und vor ihr stand, hörte sie auf zu gehen. Obwohl ich erleichtert war zu sehen, dass ihre Augen wieder ihre normale Farbe hatten, konnte ich spüren, dass sie noch nicht ganz bei Sinnen war. Sie trug nur ihre Schlafshorts und ein Tanktop, daher fühlte sich ihre Haut eiskalt an, als ich sie berührte.
„Willst du mit mir nach Hause kommen?“
„Hä? Ja … lass uns das machen … ich bin müde …“
Sie war immer noch wie in Trance, als ich sie auf dem Beifahrersitz anschnallte, und war auch während der kurzen Fahrt zurück nach Hause noch in Gedanken versunken. Als wir ankamen, half ich ihr aus dem Auto, hob sie hoch und trug sie wieder ins Haus.
„Du bist so lieb“, sagte sie mit einem leichten Lächeln und einem süßen Kichern, als ich sie auf das Bett legte und die Decke über ihre immer noch eiskalte Haut zog.
Ich fuhr mit meinen Fingern über ihre Wange und durch ihr dunkles, gewelltes Haar, während sie sich unter der Bettdecke zusammenrollte.
„Gute Nacht“, sagte sie müde und schloss die Augen, während sie sich an die Wärme des Bettes schmiegte, „schlaf gut …“
Für die nächste Stunde oder so sah ich ihr einfach beim Schlafen zu. Sie bewegte sich nicht und gab keinen Laut von sich, als sie einschlief, aber ich hatte solche Angst, dass sie wieder ihr Heullied beginnen würde. Nach einer Weile, als ich sicher war, dass sie für die Nacht schlafen würde, ging ich ins Bad, um die nässende Wunde an meinem Hinterkopf zu waschen. Sie war immer noch recht schmerzempfindlich, aber ich hoffte, dass die vier Ibuprofen, die ich eingeworfen hatte, ihre Wirkung zeigen würden.
Als ich schließlich wieder ins Bett stieg, wurde ich daran erinnert, dass mein Rücken immer noch ordentlich pulsierte, also rollte ich mich auf die Seite, um meine schöne Frau anzusehen. Als meine Augen schwerer wurden, versuchte ich, den stechenden Schmerz in meiner Brust zu verdrängen, der dringend Antworten darauf brauchte, was aus der einst gutherzigen und sorglosen Frau geworden war, die ich so sehr liebte. Ich wusste, dass ich wahrscheinlich bald professionelle Hilfe für sie würde in Anspruch nehmen müsse, aber nicht heute Nacht.
Jenn schlief noch, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Ich wusste zwar, dass mein Körper mehr Ruhe gebrauchen konnte, denn mein Rücken schmerzte und war ganz steif. Nachdem ich geduscht hatte, schaute ich wieder rein und fand sie immer noch ausgeknockt vor. So besorgt ich auch darüber war, wie es ihr ergangen war, hoffte ich doch, dass ihr eine längere Ruhepause guttun würde.
Während ich unten im Internet recherchierte, um Antworten auf die seltsamen Ereignisse der letzten Zeit zu finden, hörte ich die Decke im zweiten Stock knarren, weil sich dort etwas bewegte. Für einen Moment war ich wie erstarrt, als würden meine Eltern hereinkommen und mich dabei erwischen, wie ich auf meinem Laptop Pornos anschaue, anstatt dass Jenn mich dabei erwischt, wie ich Dinge nachschlage, an die sie sich nicht erinnern kann.
In Anbetracht ihrer Reaktion, als ich sie das letzte Mal mit dem Thema konfrontiert hatte, wollte ich nicht ungewollt einen weiteren Streit entfachen, auch wenn die Versöhnungssitzung ein paar harte Worte mehr als verdient hatte. Auf jeden Fall wollte ich die Dinge nicht noch schlimmer machen, als sie ohnehin schon waren. Als das Knarren im Stockwerk über mir wieder verstummte, beschloss ich, den Rechner einfach auszuschalten und nach meiner Frau zu sehen. Ich konnte nicht wissen, ob sie sich an ihren nächtlichen Spaziergang erinnerte oder daran, dass sie mich mühelos durch das Schlafzimmer geschleudert hatte, doch ich musste herausfinden, ob sie wieder ganz sie selbst war oder nicht.
Ich schlich die Treppe hinauf wie ein Einbrecher, der hoffte, seinen Einbruch geheim zu halten, und fühlte mich fast albern, wie ich mich verhielt. Ich war mir nicht ganz sicher, warum ich mich gezwungen fühlte, so geheimnisvoll zu sein, nur um nach einer verrückten Nacht nach meiner Frau zu sehen, aber ich setzte meinen Weg trotzdem fort. Als ich die leicht geöffnete Tür zum Schlafzimmer erreichte, verhielt ich mich immer noch so leise wie möglich.
Ich drückte leise gegen die Tür und war kurz besorgt, dass die quietschenden Scharniere die einzige Bewohnerin des Zimmers auf ihren bevorstehenden Gast aufmerksam machen könnten. Als ich hereinkam, sah ich Jenn auf der Seite des Bettes sitzen, mit dem Gesicht von mir weg. Sie war vorgebeugt und bastelte mit ihren Händen an etwas herum, das ich nicht erkennen konnte. Erst als die klimpernde Musik von dem, was sie in der Hand hielt, leise zu säuseln begann, lief mir wieder ein kalter Schauer über den Rücken.
Als ich näherkam, begann sie sich von einer Seite zur anderen zu wiegen, während die Melodie aus einer Art Spieluhr ertönte. Als sie anfing, dieselbe Hymne mitzusummen, die sie in den letzten Nächten im Schlaf vor sich hingesungen hatte, spürte ich, wie meine Finger und Zehen zu zittern begannen. Auch wenn es nur die Melodie des Liedes war, das ihr tonloser Mund im Schlaf in die Nacht trällerte, hörte ich die Worte in meinem Hinterkopf herumschwirren.
„Lobt sie …“, flüsterte meine Frau leise.
„Ehrt sie …“, fuhr sie fort, während sie die eindringliche Melodie summte.
„Heilt sie …“, murmelte ich vor mich hin und war mir kaum bewusst, dass ich überhaupt gesprochen hatte.
„Nährt sie“, sprachen unsere Stimmen gemeinsam, als Jenn sich zu mir umdrehte und ihre Hand nach der meinen ausstreckte.
Wir verließen das Haus, Hand in Hand, während sie die Spieluhr in der anderen Hand umklammerte. Die hypnotisierende Melodie lief immer noch, während wir das Auto durch die Nachbarschaft und in die Welt hinaus steuerten. Ich war nicht im Bilde darüber, wohin wir fuhren, aber meine Frau kümmerte sich um die Navigation. Hier links, dort rechts, dann dreißig Meilen lang auf dieser Straße und so weiter.
Obwohl sie den kleinen Messingschlüssel an der Seite des einfachen Holzkastens seit unserer Abfahrt nicht ein einziges Mal umgedreht hatte, lief die Musik während unserer gesamten Fahrt weiter. Stundenlang rasten wir von einem Highway zum anderen, über Landstraßen hinauf und hinunter und hielten nur zum Tanken an. Wir hielten nicht an, um etwas zu essen, denn wir hatten keinen Hunger. An der Tankstelle haben wir auch nichts zu trinken geholt, denn wir waren nicht durstig. Wir waren auf der Suche, und das war alles, was zählte.
Erst einige Zeit, nachdem die Sonne untergegangen war, erreichten wir endlich unser Ziel. Ich erkannte weder den alten Friedhof noch den stählernen Zaun, der ihn umgab, aber Jenn schien genau zu wissen, wo wir waren. Sie murmelte immer noch gelegentlich den Text des gespenstischen Liedes, während wir aus dem Auto stiegen, obwohl ich nicht mehr den Drang verspürte, mitzusingen. Meine Frau lächelte strahlend, als wir den Gehweg hinter uns ließen und Hand in Hand zwischen einer Vielzahl von einfachen und eleganten Grabsteinen umherliefen.
Der Friedhof war riesig und beherbergte die Toten aus längst vergangenen Jahrzehnten, aber auch einige aus jüngeren Zeiten. Als wir weitergingen, bemerkte ich, dass die in die Steine eingemeißelten Jahreszahlen zunehmend älter wurden, während die Luft, die wir einatmeten, immer abgestandener und unnatürlicher schmeckte, je länger wir weiterwanderten. Ich fühlte mich immer noch fast geistig leer, als wir schließlich zu einem großen Grab am äußersten Ende des Friedhofs gelangten.
Obwohl wir zehn Minuten zuvor an der vermeintlich letzten Reihe von Grabsteinen vorbeigekommen waren, blieb dieser allein stehen, nur mit den verbogenen Eisenpflöcken des Zauns hinter ihm. Jenn lächelte mich an und ließ meine Hand aus ihrer gleiten, als sie die große Tür zu dem fast höhlenartig wirkenden Grabmal aufzog. Sobald sie über die Schwelle trat, wurden auf beiden Seiten des großen Raumes Fackeln entzündet, die den ansonsten dunklen Raum erhellten.
Ich spürte, wie mir die Knie weich wurden, als ich hinter ihr eintrat und nichts weiter sah als einen großen Betonsarg in der Mitte des Raumes. Im Inneren gab es nichts Dekoratives, nur abgeplatzte und gealterte Betonwände und -böden. Als sie die Spieldose auf die Oberseite des Sarges stellte, sank sie etwa zur Hälfte ein und verursachte dünne Rillen, die sich spiralförmig um den Sarg herum ausbreiteten und in einem kleinen, runden Loch in der Mitte endeten.
Als sich der Deckel der Spieluhr öffnete und die Musik immer noch gegen die massiven Wände hallte, fasste Jenn hinein und holte einen langen, mit Juwelen besetzten Dolch heraus. Sie hielt ihn mir hin und gab mir mit einem Nicken die Erlaubnis, ihn ihr abzunehmen, bevor sie sich mit einem begeisterten Lächeln auf den Sarg hob.
„Nährt sie“, sprach sie, während sie sich zurücklehnte und mit ihrem Kopf die Seite der Spieluhr berührte, die sich wieder geschlossen hatte.
Ich hatte kaum noch Kontrolle über meinen eigenen Körper, als ich mich ihr näherte, den Dolch mit beiden Händen über mir hielt und die schöne Frau anlächelte, die ich von ganzem Herzen liebte.
„Macht sie ganz“, sagte ich und machte mich bereit, die Klinge in ihre Brust zu stoßen, damit ihr Blut frei in den wartenden Mund der Göttin unter der Betonplatte fließen konnte.
Die eindringliche Melodie erklang immer noch aus der Box über dem Kopf meiner Frau und hallte von den alten Mauern um uns herum wider. Jennifer nickte mir noch einmal zu, als Zeichen, dass die Zeit gekommen war. Wir lächelten uns herzlich zu, als ich den Dolch mit aller Kraft und Leidenschaft in die Tiefe stieß.
Als ich den Wagen wieder in die Einfahrt des Hauses fuhr, das ich mit meiner Frau teilte, war ich immer noch ganz verwirrt von den Ereignissen, die uns auf die andere Seite des Landes geführt hatten. Ich saß einfach nur da und starrte auf die Vordertür, während die Morgensonne von oben auf mich herabstrahlte, und fühlte mich nicht gerade inspiriert, aus dem Auto auszusteigen, in dem ich in den vergangenen 24 Stunden schon viel zu viel Zeit verbracht hatte.
Ich konnte mich noch lebhaft an alles erinnern: an das Lied, das meine Gedanken und Sinne gefangen nahm, an die scheinbar endlose Fahrt zum alten Friedhof und sogar an die Freude, die ich empfand, als ich den Dolch abwärts stieß. Ich konnte immer noch nicht herausfinden, ob es mein eigener Wille oder etwas anderes war, das die Klinge von Jenn weglenkte und in die einfache Holzkiste stieß. Aber sobald der Aufprall die hypnotische Melodie zum Schweigen brachte, erwachten meine Frau und ich aus der Trance, die uns ergriffen hatte.
Wir waren beide erschüttert und ich kann immer noch nicht glauben, dass ich die Frau, die ich liebe, beinahe gepfählt hätte, aber ich kann nur hoffen, dass die ganze Tortur jetzt vorbei ist. Als wir endlich in unser Haus zurückkehrten, uns säuberten und etwas Essen für unsere leeren Mägen besorgten, redeten wir eine Menge.
Es stellte sich heraus, dass die Spieluhr vor etwa einer Woche ins Haus geliefert worden war, ohne dass ein Absender auf dem Paket stand. Jenn nahm einfach an, dass es sich um ein Geschenk handelte, aber sobald sie das erste Mal an der Spieldose drehte, setzte sie sich in den Kopf. Obwohl sie sich dessen nicht bewusst war, konnte sich ihr schlafender Geist dem Zauber nicht entziehen, den es auslöste; ein Zauber, der auch mich ergriff, als ich sein Lied hörte.
Selbst nachdem ich das verdammte Ding zum Schweigen gebracht hatte, dauerte es eine Minute, bis wir wirklich begriffen hatten, was fast passiert wäre. Dann schlugen und traten wir beide auf die Kiste ein, bis sie nur noch aus kleinen Zahnrädern und Holzsplittern bestand. Den Dolch haben wir in einen Fluss geworfen, an dem wir auf dem Rückweg vorbeikamen, aber ich kann beim besten Willen nicht sagen, wo er lag. Um ehrlich zu sein, auch wenn ich mich ganz genau an diese Tage erinnere, weiß ich nicht, wohin wir in jener Nacht gegangen sind.
Den Weg, den wir genommen haben, die Richtung, in die wir gefahren sind, oder sogar den Teil des Landes, in dem wir gelandet sind, habe ich nicht mehr im Kopf, aber alles andere, bis zu dem Messer, das ich über das Herz meiner geliebten Frau gehalten habe, sehe ich jedes Mal, wenn ich meine Augen schließe.
Wir haben keine Ahnung, wer uns die Spieluhr geschickt hat, aber keiner von uns wird mehr so viel Vertrauen in anonyme Post haben. Ich glaube, wenngleich wir einen nicht unterschriebenen Umschlag mit einer Summe von fünfzig Riesen erhalten würden, würden wir den Scheiß ohne zu zögern in den Kamin werfen.
Vielleicht werden wir nie erfahren, wer oder was sich hinter dem mysteriösen Paket verbarg, oder wer der Bewohner des Grabes war, das so viele Meilen entfernt war, aber ich bin so dankbar für das, was mich in dieser Nacht zum Ziel führte. Nicht nur, dass ich die Frau, die ich liebe, fast ermordet hätte, ich kann mir nicht einmal vorstellen, was wir auf die Welt losgelassen hätten, wenn ich mein Ziel getroffen hätte.