Bizarro FictionGeisterKurzObjekteTod

Snow White Island

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Eine dichte Nebelwand steigt vor uns aus dem See empor und verwehrt uns einen Blick auf die kleine Insel in dessen Mitte, von der ich jedoch bereits lange weiß, dass sie da ist. Snow White Island haben sie die Menschen hier getauft. Es soll ein märchenhafter Ort sein, der angeblich sogar im Hochsommer von einer zarten Schneeschicht bedeckt ist. Ob dies der Wahrheit entspricht, werde ich innerhalb der nächsten Stunde herausfinden. Ein kalter Schauer überkommt mich plötzlich und als sich der Nebel lichtet, fällt mein Blick auf das weiße Gebilde, das aus dem Wasser hervorragt, als wäre an der besagten Stelle ein riesiger Schneeball versunken, von dem lediglich die obere Schicht zu sehen ist.

Das Eiland ist kaum größer als ein Tennisplatz, weist nicht mehr auf als einen einsamen Baum in der Mitte der Insel, doch die flache Schneeschicht, die tatsächlich zu existieren scheint, löst in mir ein Gefühl der Begeisterung aus. Ich bin 17 Jahre alt, habe meine Heimat noch nie verlassen, habe noch nie die Welt gesehen und meine erste große Reise führt mich an einen Ort, an dem Wunder wahr werden.
Das Beeindruckenste ist, dass mir nicht kalt ist. Es ist sogar höchst angenehm und kein einziger Luftzug des lauen Lüftchen, welches die Silhouette der Insel umschmeichelt, verursacht eine Gänsehaut. Auch als meine Füße tief in den weißen Untergrund einsinken, verspüre ich keine Kälte, sondern fühle mich leicht und von einer angenehmen Wärme umgeben.

Umso mehr wundert es mich, dass alle meine Begleiter in dicken Wollpullover und Winterjacken stecken. Alle bis auf das junge Mädchen, ich glaube, ihr Name ist Claire, die im Rollstuhl sitzt und im Gegensatz zu all den anderen Teilnehmern der Insel-Tour eine höchst beunruhigte Miene aufgesetzt hat.
Sie fühlt sich unwohl, das spüre ich und ich meine mich auch selbst in mir wiederzuerkennen. Nach meinem Unfall, der mir meine beiden Arme nahm, war ich auch verunsichert und hilflos. Mir war, als sei ich nutzlos für mein Umfeld geworden, nicht mehr in der Lage dazu, meinen Teil zur Gesellschaft beizutragen.

Plötzlich packt der großgewachsene Mann ihren Rollstuhl, schiebt sie mit einem ungewöhnlich hohen Tempo vorwärts und stößt sie mit voller Kraft nach vorne, sodass ihr vor Entsetzen starrer Körper in den Schnee stürzt wie ein nasser Sack.
Ich eile ihr zur Hilfe, als ich im selben Moment eine Stimme hinter mir vernehme.

,,Möge die Insel euch oder unsere Welt von euch reinigen.“

Noch während die Person ihren Satz beendet hat, fährt das Boot schnurstracks davon; lässt mich und Claire auf Snow White Island zurück. Noch während ich damit beschäftigt bin herauszufinden, was das alles soll, schreit Claire hinter mir auf. Nun sehe ich ihn auch; den stattlichen Prinzen der nun hinter dem Baum hervortritt. Es ist merkwürdig, dass ich in solch einem aussichtslosen und furchtbaren Szenario daran denke, doch diese Person verkörpert alles, was für mich den perfekten Mann ausmacht. Kurze braune Haare, strahlend blaue Augen und dieses kantige Kinn. Die starken Oberarme und diese großen Hände, mit denen er schweigsam einen der am Baum hängenden Früchte pflückt und auf mich zu kommt.

Während sich der Abstand zwischen uns immer weiter verringert, wird das verführerische Lächeln auf seinen Lippen immer breiter, doch gerade, als ich den knallrot gefärbten Apfel mit meinen Lippen entgegennehmen und genussvoll hineinbeißen will, erklingt keine drei Meter von mir das hysterische und angsterfüllte Kreischen von Claire. Als ich meinen Kopf zu ihr drehe, erkenne ich niemanden, doch ihre weit geöffneten Augen scheinen starr vor Schreck auf etwas gerichtet zu sein, was meinen Augen verborgen bleibt.

,,Bleib weg! Hinweg mit dir du garstige Kreatur! Schaffe diese sündhafte Frucht des Todes aus meinem Angesicht! Weiche von mir Weib des Teufels! Hinfort Hexe! Hinfort!!!“

Noch immer spüre ich eine angenehme Wärme, die meinen Körper durchströmt, doch meine Emotionen scheinen wie tiefgefroren seit ich einen Fuß auf dieses verschneite Eiland gesetzt habe, denn ich empfinde nichts, als ich Claire so leiden sehe. Ich richte meine Augen wieder auf den Mann vor mir, dessen blaue Augen mir direkt in die meinen schauen, während er mir den Apfel entgegenhält und ich endlich einen Bissen aus diesem nehme. Als wären wir in einem tiefen Canyon, in dem jedes Geräusch ein Echo erzeugt, hallt das Knacken (ausgelöst durch meinen Biss durch die Schale der blutroten Köstlichkeit) von allen Seiten der Insel wieder.

Kurz darauf ertönt ein weiteres Echo, diesmal jedoch ausgelöst durch den Bissen Claires, doch während mein Echo das Einzige bleibt, folgt dem Ihren ein verzweifeltes Röcheln und Keuchen.
Sie stirbt.
Mein Blick wandert hinunter zu den Stümpfen, an denen einst meine Arme saßen, doch nun beginnen diese Stümpfe zu wachsen, formen Ellenbogen, Hände und Finger. Ich erhalte zurück, was mir einst genommen wurde und als die Wärme mich plötzlich verlässt, blicke ich hinab auf Claires leblosen Körper. Mit der schneeweißen Hautteint, dem schwarzen Haar und den Lippen, die von dem aus ihrem Mund laufenden Blut, einen knallroten Ton angenommen haben, rundet sie das Bild des vergifteten Schneewittchens wunderbar ab. Einzig und alleine die wie vom Wahnsinn getriebenen, weit aufgerissenen Augen der Schönheit, deren Fingernägel sich noch im Todeskampf in die Frucht des Unheils gekrallt haben, verunglimpfen dieses beinahe künstlerische Meisterwerk.

Die Haut des jungen Mädchens beginnt zu vereisen und lässt ihren Leichnam somit beinahe gläsern aussehen. Der Mann und die alte Frau, deren Konturen sich nun aus dem scheinbaren Nichts geschält haben, gehen an mir vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen und folgen scheinbar einem vorgegebenen Weg, der sie tief in die eisigen Fluten des Sees führt, wo ihr Schicksal auf ewig besiegelt ist. Gerade als ich mein Haupt erhebe und das Angesicht gen Himmel richte, erzittert ein ruckartiger Stoß das gesamte Eiland und lässt mich straucheln.
Als ich meinen Blick wieder senke, sehe ich die Insel in direkter Verbindung zum Festland. Sie sind eins geworden, die Insel schwimmt, die Insel lebt…

Meine Füße tragen meinen geheilten Leib hinüber auf die andere Seite und während ich auf die Knie falle und voller Entsetzen zu schreien beginne, gleitet das Eiland wie ein stiller Geist wieder hinüber auf den See, wo es schweigsam wie der Wind selbst im dichten Nebel verschwindet.

Bewertung: 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Überprüfen Sie auch
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"