
„Bringst du das Teeservice mit?“
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Minutenlang sitze ich da, starre auf den kleinen Bildschirm in meiner Hand, warte. Warte und lese die Zeilen, die ich erst kurz zuvor selbst verfasst habe, wieder und wieder.
Meinst du, du schaffst es zum Kienberg durchzukommen?
Eine einfache Frage, die an jedem anderen Tag lächerlich gewesen wäre. Nicht jedoch heute. Heute ist sie todernst, denn die Lage hat sich von alltäglich zu dramatisch katastrophal gewandelt.
Ich warte weiter. Lese. Zum wievielten Mal weiß ich nicht. Denke verbittert, dass ich zuvor hoffen sollte, dass meine Anfrage den Adressaten überhaupt erreicht, bevor ich auch nur darüber sinnieren sollte, ob er es im Anschluss zu dem angegeben Ort schafft. Nervös wippe ich mit dem Fuß, tripple mit den Fingern. Es macht mich selbst verrückt, aber ich kann nicht damit aufhören, muss mich beschäftigt halten, um nicht den Verstand zu verlieren.
Im Hintergrund höre ich das rhythmische Sauggeräusch einer Trinkflasche, mit der meine fünf Monate alte Tochter soeben versorgt wird. Anders als sonst, ist sie sehr ruhig dabei, scheint zu spüren, dass etwas im Argen liegt.
Meine Frau schaut kurz von unserem kleinen Schatz auf, ihre Miene ist ausdruckslos, sie zwingt sich zu einem Lächeln, ich lächle zurück, versuche wenigstens, es meine Augen erreichen zu lassen. Irgendwie klappt es. Da ist Wärme, Liebe, Glückseligkeit. Wir baden in dem Moment, ehe er spurenlos vorbeizieht.
In meiner Hand regt sich etwas. Jemand tippt die ersehnte Antwort. Wenige Sekunden später, prangt sie vor mir.
Wenn ich noch einen Kaffee organisiert bekomme, stehen die Chancen fifty-fifty. ^^“
Er ergänzt seine Antwort um ein knappes: Wir sehen uns dort.
Statt großer Worte schreibe ich: Bringst du das Teeservice mit?
Ich warte noch einen Augenblick. Keine Reaktion. Entweder er hat es nicht mehr gelesen oder keine Zeit, um noch zu antworten. Egal, war ohnehin ein dummer Scherz. Ein dummer Scherz, in einer dummen, um nicht zu sagen aberwitzigen Situation.
Ich schalte das Mobiltelefon aus, schaue zu meiner Frau auf, nicke. Sie lächelt, was ihr nur halb gelingt, da ihre Fassade zu brechen droht. Mir geht es nicht anders. Einmal mehr verliere ich den Boden unter den Füßen, das Dutzendste Mal an diesem Tag. Ich schließe die Augen, atme langsam und beständig, versuche Ruhe zu bewahren. Wir können es uns jetzt nicht erlauben durchzudrehen.
Nach ein paar Sekunden, die sich wie Minuten dehnen, während der Tag sich bereits zu Jahrzehnten erstreckt hat, geht es wieder. Die Fassung kehrt zurück. Die Angst bleibt.
Nackt ist sie. Kalt und rein. Destilliert möchte ich sagen. Konzentriert auf ihr blankes Element. Wie eine gründlich polierte Messerscheide. Genauso sticht sie auch zu. Wieder und wieder, mit jedem Herzschlag in meine Brust, während alle Hoffnung und Zuversicht aus den hinterlassenen Wunden trieft, sich stattdessen Panik und Verzweiflung wie ein Bakterium einschleichen und -nisten.
Mit jeder verstreichenden Minute wird es schwerer standzuhalten, nicht aufzugeben. Sich fallen lassen, klingt so verlockend einfach. Aber das darf ich nicht. Nicht hier, nicht jetzt, nicht in diesem entscheidenden Augenblick.
Die Fütterung ist vorbei, unsere kleine Motte liegt verschlafen im Arm ihrer Mutter. Futterkoma. Ich lache über den Gedanken, stehe auf, nehme sie in Empfang. Schlagartig ist sie wieder wach, gluckst vergnügt über die plötzliche, scheinbare Aufhebung der Gravitation. Ich gönne ihr den Spaß und hieve sie noch drei weitere Male schnell hoch, am tiefsten Punkt des Herunterlassens wird stets innegehalten, um die Spannung zu steigern, was dem Engel kreischendes Gelächter entlockt.
Gerne hätte ich dieses Spiel noch stundenlang weitergetrieben, doch dazu fehlt uns die wertvollste Ressource, die jedem Menschen eigen ist: Zeit.
Also trage ich sie herüber zum Bett, wo ich sie ablege, was sie mit Verdruss quittiert. Ihr kleines Gesichtchen verzieht sich vor Unmut, doch mit ein wenig gutem Zureden, kann ich sie davon überzeugen, dass nichts Schlimmes passiert.
Nichts Schlimmes. Wenn ich es nur selbst glauben könnte…
Routiniert ziehe ich sie an. Erst die Strumpfhose, dann das Jäckchen, zuletzt das Mützchen. Mit jedem weiteren Kleidungsstück wächst die Unzufriedenheit in dem Kind. Das An- und Ausziehen ist ihr seit jeher eine Qual, in diesem Fall ganz besonders, da es bedeutet, dass sie nach draußen, in die große weite Welt entführt wird, der sie in ihrem derzeitigen Zustand noch nicht viel abgewinnen kann. Ich sehe sie schon vor mir, wie sie mit zugekniffenen Augen, grimmig zur Sonne schielt, die gelbe Scheibe am Himmel dafür verfluchend, dass sie sie jedes Mal aufs Neue blendet.
Unbewusst stielt sich eine Träne aus meinem linken Augenwinkel. Im Traumland hängenblieben, habe ich gar nicht registriert, wie sich ein schwerer Kloß in meiner Kehle gebildet hat, der, als ich ihn nun runterschlucke, wie ein Geröllbrocken meine Eingeweide hinunterkegelt.
Alles in mir verkrampft sich. Da ist sie wieder, die Verzweiflung, welche mit strahlenden Bildern der Zukunft, die niemals sein wird, die Schwere der Gegenwart vor Augen führt.
Ich blicke auf den Wurm vor mir herab, der sich gerade müde die kleinen Äuglein reibt. Ein gutes hat das Rausgehen ja: Durch das Schuckeln und Rumpeln des Kinderwagens, ließ es sich wunderbar schlafen.
Ein Beben geht durch mich hindurch, während ich mich unfähig sehe, mich zu bewegen. Bilder ziehen an mir vorbei. Vorstellungen, Wünsche, Träume… die sich nie erfüllen würden.
Nie sollte ich sehen, wie sie ihre ersten Schritte macht, nie hören, wie sie ihr erstes Wort plappert, nie erleben, wie sie lernt, aufwächst, Siege erringt und Niederlagen einsteckt. In die Welt hinauszieht. Sich zum ersten Mal verliebt. Am Leben zerbricht, die Scherben einsammelt und einfach weitermacht. Ein Ziel für sich entdeckt. Einen Sinn, der diesen ganzen Trubel um das Menschsein in etwas kleidet, was zumindest für sie persönlich einen Gewinn daraus macht, während es doch in seiner Gesamtheit scheinbar willkürlich und bar jeder logischen Erklärung ist.
Es zerreißt mich innerlich. Ich möchte schreien, möchte toben, möchte wüten, möchte alles und jeden, möchte die Welt, die Menschheit, Gott, wenn es sein muss, verfluchen, solange es nur die Zeit anhält, solange es mir nur ein paar Sekunden schenkt, solange es mir Hoffnung gibt, dass am Ende doch noch alles gut wird.
Aber das wird es nicht. Nichts, nichts und niemand kann das, was da kommt, aufhalten. Es ist vorbei. Das Geschehen geht ungeachtet, ignorant gegenüber unseren Empfindungen voran. Der Uhrzeiger tickt beständig weiter.
Ich spüre brennend heiße Tränen meine Augen emporsteigen. Ich fühle mich kraft- und hilflos. Meine kleine Maus vor mir, verzieht erneut das Gesicht, ich rechne schon damit, dass sie gleich zu weinen beginnt, weil sie spürt, dass mit ihrem Papa was nicht stimmt.
Nichts dergleichen geschieht. Stattdessen geht durch ihren ganzen, winzig zerbrechlichen Körper eine gewaltige Eruption, als sie zwei Mal hintereinander kräftig niest.
Für einen Augenblick sieht sie geschockt aus, als hätte sie nicht damit gerechnet, solche Gewalt entfesseln zu können. Dann entspannt sie sich und ein leises haaauuu kommt über ihre Lippen, wie so häufig nach einem Nieser.
Diese gänzlich unpassende Reaktion auf meine zersplitternde Gedanken- und Gefühlswelt, lässt mich unvermittelt prusten. Ich lache aus tiefster Seele, froh und heiter. Glücklich am Leben zu sein. Glücklich solch ein wunderliches Geschöpf mein eigen Fleisch und Blut nennen zu können, obgleich ich doch selbst nach all diesen Monaten noch nicht glauben kann, dass sie wahrhaft existiert, dass sie lebt, wächst und gedeiht.
Einmal mehr schieben sich dunkle Wolken über mein Gemüt, ich vertreibe sie. Genug davon. Wir wollen diesen Ausflug doch genau aus diesem Grund machen: Unser Glück in seinen letzten Zügen auskosten. Es genießen, solange es eben geht. Mit erhobenem Haupt und einem Lächeln auf dem Gesicht abtreten. Den Entscheidern über die bevorstehende Katastrophe den metaphorischen Mittelfinger zeigen, auch wenn sie es wohl nie erfahren werden. Es ist egal. Wir werden es wissen, werden nicht in Angst und Terror untergehen.
Erneut hebe ich das kleine Wesen empor, allerdings ohne es noch einmal durch die Lüfte gleiten zu lassen. Auf direktem Wege wird sie in ihren Kinderwagen bugsiert, was sie mit ausdrucksloser Miene über sich ergehen lässt. Sie wird angeschnallt, in ihre Decke gewickelt und ist damit abfahrbereit, wenn sie auch freilich anderer Meinung zu sein scheint.
In dieser Zeit hat meine Frau sich bereits so weit fertig gemacht und unsere Tasche gepackt. Wir brauchen nicht viel, reisen mit leichtem Gepäck; es wird ohnehin eine kurze Wanderschaft.
Nun kleide auch ich mich an, ziehe meine Schuhe an, schaue mich ein letztes Mal um. Das Bücherregal, mit unzähligen Werken, die nicht mehr von mir gelesen werden würden. Die Küche, in der so manches Experiment schiefgegangen ist. Der Tisch, an dem wir jeden Morgen frühstücken.
Erinnerungen strömen auf mich ein. Bilder der Vergangenheit. Schon bald werden sie brennen. Schon bald wird das alles hier im Inferno vergehen, nichts wird übrig bleiben außer Asche.
Ich nehme so viel in mich auf, wie ich kann. Schwelge darin. Und lasse los. Lasse es alles hinter mir, blicke nach vorn, blicke in eine gewisse, unausweichliche Zukunft. Wir reisen mit leichtem Gepäck. Das Glück trage ich in mir, es wird neben mir herlaufen und geschoben werden. Mehr benötige ich nicht.
Ich schließe die Augen, atme durch, öffne die Lider, betrachte meine Lebensgefährtin. Wir sind bereit.
Wir verlassen unsere Wohnung, den Schlüssel lassen wir zurück und die Tür offen, wir werden nicht wiederkommen. Unsere drei Katzen haben wir schon zuvor die Möglichkeit eingeräumt, zu verschwinden. Schweren Herzens zwar, doch wir wussten, dass wir sie nirgends hinbringen konnten, wo sie sicher wären. Allein, ohne uns langsame Zweibeiner als Ballast, hatten sie wenigstens eine Chance. Zumindest wollten wir das gerne glauben.
Sie sind nur zaghaft hinausgegangen, waren alle drei schon immer viel zu große Angsthasen gewesen. Jedoch, sie müssen es auch gespürt haben. Schlussendlich hat ihr Instinkt gesiegt. Sie sind auf und davon, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
Undankbares Getier, denke ich lächelnd bei mir. Ich vermisse sie jetzt schon.
Draußen erwartet uns ein wenig überraschendes Bild: Heilloses Chaos.
Menschen rennen umher, Familien schleifen ihre kreischenden, tränenüberströmte Kinder hinter sich, Autos rasen im Eiltempo, ohne Rücksicht auf Verluste über die Straßen – zumindest da, wo sie es können und sich nicht aufgrund der Panik, Massenkarambolagen und damit verbunden, unpassierbare Strecken gebildet haben. Manch einer kommt auf die irrsinnige Idee, zu plündern, an sich zu reißen, was er tragen kann, um damit seine Zukunft zu sichern. Andernorts stehen die Leute unbeweglich auf den Wegen, vor ihren Häusern, ihren Wagen, in ihren Gärten, an ihren Fenstern. Sie starren hinaus in die Welt, in den Himmel, zu Boden. Fassungslos, paralysiert.
Das blanke Entsetzen steht den meisten im Gesicht geschrieben, die wenigsten wahren den Eindruck von Gefasstheit und die allerwenigsten dieser wenigen, bewahren auch tatsächlich innerlich einen kühlen Kopf.
Und dann sind da wir. Eine dreiköpfige Familie, die lächelnd ihres Weges geht, einen Spaziergang macht, plant, ihn in einem Picknick münden zu lassen, die sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, obwohl die Angst ihnen doch genauso tief in den Knochen steckt. Niemand beachtet uns, niemand scheint uns auch nur zu registrieren, jeder ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Unsere kleine Motte ist schon wenige Minuten nach dem Losgehen eingeschlafen. Sie schlummert friedlich, lässt sich weder durch Gekreisch noch durch den Lärm kollidierender Fahrzeuge wecken. Neben ihr könnte eine Kanone abgefeuert werden, sie würde es nicht merken.
Wir nehmen Seitenstraßen, meiden die Hauptwege, welche die Flüchtigen für sich beanspruchen. Wohin sie fliehen sollen, wissen sie selbst nicht. Sie sind wie Tiere, die einzig ihrem Überlebenswillen folgen. Diesen niederzukämpfen, kostet mich immense Anstrengung, weswegen ich Verständnis für eine derartige Reaktion habe. Dennoch bin ich froh, nicht dazuzugehören.
Ich bin der Einzige, der entscheidet, wie ich meine letzten Atemzügen auf Erden verbringe. Kein maßgeblicher, evolutionärer Schritt einer fernen Vergangenheit, wird mich von diesem gewählten Kurs abbringen.
Auf unserem Weg reden wir nur wenig. Es mag Zeiten geben, in denen Worte das Geschehen kleiden müssen, um es greifbar zu machen, um das Bewusstsein darin erwachsen zu lassen, zuzulassen, dass es sich mit Gedanken und Empfindungen verknüpft. Die jetzige gehört definitiv nicht dazu. Alles ist gesagt worden. Was jetzt noch zählt, sind Taten. Solche, die den Sand im Glas mit Sinn füllen, bevor er für immer zerrinnt.
Nach einer guten halben Stunde erreichen wir unser Ziel. Der Kienberg prangt vor uns. Der Weg zu ihm, ist verwaist. Wie erwartet. Wer kommt jetzt auch noch auf die Idee, der durch Menschenhand geformten Natur seine Aufmerksamkeit zu schenken?
Die Seilbahn, welche den gesamten Berg umspannt, steht still. Der Ticketschalter ist dunkel. Wir erreichen einen Spielplatz, zudem uns manch nächtliche Wanderung geführt hat. Es ist das erste Mal, dass ich mich erinnern kann, ihn tagsüber bar jeder Menschenseele zu erblicken. Die stählerne Brücke, die direkt in den Weg mündet, welcher um und auf den Berg führt, zeigt sich gleichsam leblos.
Der Wind bläst uns warm ins Gesicht, umspielt uns, während die Mittagssonne strahlen auf uns gleißt. Es ist ein schöner Tag, wären da nur noch meine Allergien, die ihn mir ein wenig verleiden.
Doch was sind schon eine juckende Nase und tränende Augen, wenn ihnen zum Ausgleich, ein Spaziergang in trauter Dreisamkeit gereicht wird? Wir ziehen dahin, gemächlich, genießen jeden Atemzug und das Zusammensein. Betrachten die Umgebung, nehmen jedes Detail davon in uns auf. Spüren den Wind und die Sonne auf unserer Haut. Lächeln. Sind so glücklich, wie wir es in dieser Situation nur sein können.
Kurz denke ich an meine restliche Familie. Wir haben ein paar Nachrichten ausgetaucht – die Telefonnetze waren völlig überlastet. Mein Vater versucht zu uns zu kommen, will uns und meine Schwester abholen, einen Weg aus der Stadt finden. Er wird es nicht schaffen. Das habe ich ihm auch geschrieben, genauso, dass ich ihn lieb habe. Ebenso meiner Mutter. Die wiederum zusammen mit ihrem Kater auf dem Schoß, bei einem warmen Cappuccino ein Buch zu lesen plant. Welches, dass wusste sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Seither habe ich von beiden keine Mitteilungen mehr empfangen. Ich hoffe es geht ihnen gut und sie machen das Beste draus.
Wir erreichen den Berg. Überraschenderweise sind wir doch nicht die einzigen. Ein paar wenige weitere Seelen, haben sich hierher verirrt. Sie machen den gleichen Eindruck wie wir. Wissen den verbleibenden Sand im Glas zu schätzen. Lassen sich alle Zeit, die ihnen noch bleibt. Wir kommen nicht ins Gespräch, gehen unserer Wege, nicken uns jedoch freundlich zu. Wie alte Bekannte. Der Worte bedarf es hier wahrlich keiner mehr.
Auf dem Gipfel angekommen, stelle ich erfreut fest, dass mein bester Freund, Bruder und Patenonkel der kleinen Motte es tatsächlich geschafft hat. Wie, dass hinterfrage ich nicht. Er trägt einen leeren Kaffeebecher in der Hand, was mir Antwort genug ist.
Wir umarmen uns zur Begrüßung. Lange. Betrachten uns. Nicken. Lachen. Worüber wissen wir nicht. Es ist egal.
Meine Frau hat bereits eine Decke ausgebreitet und die Kleine aus dem Wagen geholt. Gleich bei unserer Ankunft ist sie erwacht, wirkt allerdings noch immer ein wenig verschlafen. Mein Bruder holt eine Teekanne und vier Tassen aus seiner Tasche, er hat die Nachricht also noch erhalten. Er gießt jedem von uns ein. Eine rein symbolische Geste, die uns jedoch genauso viel bedeutet, wie die Tatsache, dass wir einfach beisammen sein können.
Wir setzen uns eng zusammen, den Engel in unserer Mitte.
So aneinander gekuschelt, verbringen wir die letzten Minuten. Schweigend. Ich spüre, wie die Zeit verrinnt. Meine, wie auch unsere gemeinsame. Der Kloß ist wieder da, ein Tonnengewicht liegt auf meinem Magen, ich schluchze. Zwei paar Hände, greifen die meinen. Wir rücken enger aneinander. Ich betrachte meinen Bruder, meine Frau, meine Tochter.
Letztere ist bereits wieder eingeschlafen. Gut, sie muss es nicht miterleben. Das Sonnenlicht, welches sanft ihr Gesicht umrahmt, brennt dieses Bild in mein Gedächtnis. Sie sieht so friedlich aus. Plötzlich fühle ich mich leicht, unbeschwert, glücklich und vollkommen.
Hier, an diesem Ort, in dieser Sekunde, bündelt sich alles, was ich je gebraucht habe.
Als die Explosion wie tausend Donnerknalle erschallt, sinkt mir kurz der Mut. Ich verkrampfe, kralle mich in den Griff meiner Familie, welche es mir gleichtut. Ein gleißendes Licht breitet sich aus, verbrennt alles auf seinem Weg.
Ich betrachte es nicht, habe nur Augen für meine Liebsten, für mein Leben.
Sie werden in das Licht getaucht, baden darin, verschwimmen. Es ist zu grell, ich sehe sie nicht mehr, spüre sie nicht, spüre nichts, fühle mich haltlos leer.
Ehe Angst, Panik und Terror von mir Besitz ergreifen können, breitet sich Dunkelheit über meine Sicht, mein Bewusstsein, über alles aus.
Was bleibt, ist Asche.