Containment Project I – Dies sind die Worte von Publius Septimus Tertio
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Hier die chronische Auflistung aller Pastas, die zu dieser Reihe gehören.
DN-AGE Erinnerungen (2270)
DN-AGE Erinnerungen I – Beauftragt
DN-AGE Erinnerungen II – Missbraucht
DN-AGE Erinnerungen III – Gebrochen
DN-AGE Erinnerungen IV – Gerettet
DN-AGE Erinnerungen V – Gefunden
DN-AGE Erinnerungen VI – Psychopaten Lachen Nicht
Containment Project 1 (2270)
Containment Project I – Dies sind die Worte von Publius Septimus Tertio
Containment Project II – The Greasemonkey Diaries
Containment Project III – EXIT
Containment Project IV – Gedanken
Containment Project 2 (2290)
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 1: Nora
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 2: Alexis
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 3: Caelia
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 4: Bromios
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 5: Lavender
CONTAINMENT PROJECT
AUSWERTUNG
DATENLOG 1
Name: Qar’Ek
Da’qu
Verwaltungsbereich:
Leiter Historische Auswertungen der Containment Project-Anlagen auf SOL-00I
Datum: 5. Tag
des vierten Monats, Jahr 372 nach Gründung der Republik
Berechtigung: ERTEILT
Die folgenden und ausgewählten Einträge stammen aus
einem Haus aus D.R. -44. Während unserer Untersuchungen des Ortes stießen wir
auf zahlreiche Schriftrollen, geschrieben von einem Jungen Namens Publius Septimus
Tertio. Wir sind der Ansicht, dass diese Schriftstücke in Verbindung zu
Tagebüchern aus D.E.1920 stehen.
Sieh dazu Einträge zu: D.E.1920 –> McGavin Auto –> Tagebucheinträge.
ROLLE 1
Iden des September
762 a. u. c.
Salve. Mein Name ist
Publius Septimus Tertio. Mein Vater gab mir diese, wie auch die anderen
Schriftrollen als vorzeitiges Geschenk. Ich bin sechzehn und in drei Monaten
werde ich ein Mann sein. Die Bulla um meinem Hals zeugt noch von meiner
kindlichen Unschuld.
Wie man an meinem Namen
unschwer erkennen kann, bin ich das dritte Kind in meiner Familie. Diese
besteht aus meinem Vater Lucius Septimus, meiner Mutter Rhea Terrentia, meiner
älteren Schwester Lucia Septima, sechzehn Jahre, meinem älteren Bruder
Terrentius Silvius, siebzehn Jahre und benannt nach meinem Großvater, Silvius
Varo, und mir.
Mons Petrae. So
heißt die Stadt, in der ich lebe. In der ich geboren wurde und wahrscheinlich
auch sterben werde. An die 2000 Menschen leben hier in dieser Stadt, die
irgendwo zwischen Eboracum, Lindum und Mamucium liegt. Ganz genau weiß das
niemand. Hier gibt es auch nicht wirklich irgendwelche großen Hügel, Täler oder
Schluchten. Dafür zahlreiche Felder, Wälder und Auen, bevölkert von Rehen,
Elchen und Wölfen.
Natürlich sind wir
nicht allein. Gen Norden gibt es einen Bacchus-Tempel, gen Westen ein Dorf der
Bretonen. Und dazwischen…Steine. Mons Petrae – Hügel der Steine, so heißt
die Stadt, in der ich lebe*. Der Name bezieht sich auf einen Kreis uralter
Steine auf einem Hügel, laut den Bretonen so alt, dass selbst sie nicht wissen,
was die mysteriösen Gravierungen auf ihnen zu bedeuten haben.
Nun ja, wie auch
immer. Die erste Rolle ist schon wieder fast voll. Werde die Rollen durchnummerieren,
damit ich sie ordentlich sortieren kann.
* Memo an mich:
Vielleicht erst das Geschriebene durchlesen, bevor ich mich in jedem Absatz
wiederhole.
ROLLE 4
5. Nonen des Oktober
762 a. u. c.
Ich weiß nicht, was
ich über den heutigen Tag sagen soll, denn laut meinem Vater soll ich heute zum
ersten Mal in ein Lupanar. Und das, obwohl ich die Toga Virilis erst in zwei
Monaten tragen werde! Aber wie dem auch sei, ich werde dem Ganzen stoisch
gegenübertreten. Jupiter geb‘ mir dennoch Kraft!
* *
Entgegen meiner
Befürchtung, war es nicht so schlimm, wie angenommen. Ich erhielt etwas Geld
von meinem Vater und wurde von einem Freund dessen dorthin begleitet. Dieser lieferte
mich gewissermaßen einfach ab, da er noch einige Geschäfte zu erledigen hatte.
Ich gig hinein und sah mich um,
schaute auf die Fresken an den vier Wänden, die mich umgaben.
Menaden; Nymphen; gut gebaute, junge Männer; die Spezialitäten der Damen – das
alles sollte die Lust in mir wecken. was jedoch geweckt wurde, war meine
Aufmerksamkeit, denn auf dem Tisch der domina lupanaris sah ich etwas
Merkwürdiges. Es waren definitiv Münzen, doch sahen sie nicht wie jene aus, die
uns Römern bekannt sind. Falls ihr – aus irgendeinem Grund – kein Römer seid, dann lasst mich euch erklären, dass jede unsere Münzen aus nur einer Art Metall
besteht. Es gibt Kupfer, Silber, Gold etc. Diese vier, die ich dort auf dem
Tisch allerdings sah, waren gänzlich anders. Sie waren komplett rund, silbern
mit einem goldenen Ring. Ich verstand nicht, was darauf stand, doch kann ich es
aufschreiben, da ich es mir gut eingeprägt hatte: T-W-O P-O-U-N-D-S. Keine Ahnung,
was das heißt. Ich weiß nur eins: römisch ist es definitiv nicht!
Jedenfalls hatte ich
scheinbar so lange auf das Geld gestarrt, dass ich zusammenfuhr, als mich die
domina lupanaris ansprach. „Hey, was machst du
da?!“ rief sie und ich starrte sie an, als ob sie Medusa selbst sei. Mein
erster Reflex war es, davonzurennen, jedoch besann ich mich auf meine stoische
Erziehung, stand meinen Mann und erklärte ihr mein Anliegen. Sie nickte,
verschwand und kam dann mit drei jungen Frauen und zwei jungen Männern wieder.
Aus Zugzwang entschied ich mich für eine junge Nubierin und ging mit ihr aufs
Zimmer.
Ihr wollt wissen,
wie es war? Nun, als Stoiker werde ich nur sagen, dass ich das tat, was man von
mir verlangte.
Ach ja, ich habe die
Hausherrin nicht auf die merkwürdigen Münzen angesprochen. Auch nicht den Mann,
der vor mir das Lupanar verließ.
ROLLE 9
Pridie des November
762 a. u. c.
Seit dem Eintrag in
Rolle vier sind einige Wochen vergangen. Kaum zu glauben, neun Rollen habe ich
schon beschrieben – beidseitig, versteht sich! Habe Vater sogar gebeten, mir
noch zehn weitere Rollen zu kaufen, damit ich alles Wichtige festhalten kann.
Seit dem Tag im
Lupinar habe ich mich gefragt, ob ich wirklich das gesehen hatte, was ich
gesehen hatte. Ich redete mir ein, dass es wohl meine Nervosität bezüglich des Ganzen war und die Götter mir einen Streich spielten. Dass ich Dinge sah, die
nicht dort waren. Doch, nein, ich bin nicht verrückt. Es ist wieder passiert.
Heute ist das Fest
von Samhain, ein Fest zu Ehren einer der Gottheiten des nahegelegenen, bretonischen
Dorfes. Laut ihrer Mythologie ist heute die Nacht, in der sich die Welt der
Menschen und die Welt der Ahnen und Geister am nächsten sind und man mit Letzteren
in Kontakt treten kann.
Ob das auch bei uns
Römern funktioniert?
Wie dem auch sei, gen Abend formiert sich dann ein wilder Zug aus Musikern, Tänzern und
Priestern. Er zieht vom Dorf mitten durch Mons Petrae, ehe der Zug sich dann
auf den Weg zu den alten Steinen macht, wo die Dorfbewohner ihren Göttern Opfer
für das kommende Jahr darbieten.
Das Beste daran?
Fässer voller Alkohol!
Neben Süßigkeiten
und einigen kleinen Geschenken gibt es natürlich fässerweise Alkohol zu genießen!
Ich selber trinke nicht sehr viel (Stoiker, ihr versteht), doch es ist
interessant zu beobachten, wie selbst ein strikter Verfechter der Lehren Catos
wie Gaius Cornelius sich alljährlich hemmungslos dem Wein und dem Bier hingibt.
Doch dieses Jahr ist
es anders. Nicht nur, da ich in zehn Tagen endlich ein Mann werde, sondern
auch, weil ich nun weiß, dass ich nicht verrückt bin. Es fiel mir auf, als ich
zusammen mit meiner Schwester und meiner Mutter in der Nähe des Forums stand
und der Parade bestehend aus maskierten und verkleideten Anhängern dieser
fremden Mythologie zusah. Meine Blicke wandten sich ab und zu vom eigentlichen
Geschehen ab und ich ertappte mich, wie ich einige Augenblicke lang einfach
irgendwelche fremden Menschen anstarrte.
Bis ich sie sie – die Frau mit dem blauen Gewand und den langen, schwarzen, gelockten Haaren.
Nein, das war nicht das Komische an ihr. Was mir auffiel, war ein Schmuckstück
an ihrer rechten Hand. Was sage ich da, Hand! Sie hatte es eng um ihr rechts
Handgelenk gebunden. Ich lief einige
Schritte in ihre Richtung, versuchte, so unauffällig wie möglich zu wirken. Scheinbar
hatte sie mich wirklich nicht bemerkt und daher konnte ich weitere Blicke auf ihr
sonderbares Schmuckstück riskieren. Es hatte ein goldenes Band und zwischen
diesem befand sich etwas, welches ich nur als eine Art großes Auge bezeichnen
kann, jedoch mit drei verschieden große und breite Nadeln darauf, welche sich
beim näheren Hinsehen sogar bewegten!
Juno Inferna,
verflucht noch mal, ja! Es war dämmerig und ja, ich hatte ein klitzekleines
bisschen Wein getrunken, um in Feierlaune zu kommen! Aber Hades soll mir meinen
Obolus rauben, wenn ich lüge! Ich weiß, was ich gesehen habe!
Selbst, wenn wir
annehmen, dass eine derartige Apparatur von einem römischen Ingenieur
entwickelt worden war – was macht sie? Was ist ihr Sinn? Leider konnte ich die
Frau nicht darauf ansprechen, da sie vor mir weglief, als sie sah, worauf ich
starrte. Ich versuchte ihr zu folgen, doch verlor ich sie im Gewirr der Gassen
abseits des Forums, weswegen ich wieder zurück in Richtung Trubel lief.
* *
Die Feierlichkeiten
sind vorbei und so langsam merke ich den Alkohol, wie er mir zu Kopf steigt.
Allerdings möchte ich die letzten freien Stellen der Rolle nutzen, um über meine
Entdeckung zu sinnieren. Vater sagt mir ständig, dass ich eine gute
Auffassungs- und Beobachtungsgabe besitze. Aber habe ich die Gabe, Dinge zu sehen,
die entweder nicht existieren oder die ich mir selbst zusammenträume?
Vielleicht wird mein
männliches, erwachsene Ich in wenigen Tagen mehr Antworten haben…
ROLLE 12
5. Ide des Novembers
762 a. u. c.
Heute war der große
Tag. Am Morgen wurde ich von meinem Bruder geweckt, welcher es ungemein lustig
fand, mir, als ich schlief, einen Holzpenis vor das Gesicht zu legen.
Wie auch immer. Ich
zog mich an und gesellte mich zu meinen Eltern, sowie Septima und ihrem
zukünftigen Mann Marius Decimus. Wir aßen Frühstück, während mir Marius und
mein Vater von den Pflichten eines römischen Bürgers erzählten.
Danach gingen wir zu
dem einzigen großen Tempel, den diese Stadt hat, wo mein Vater einen weißen
Stier zu Ehren des Jupiters opferte, welcher gen Mittag verzehrt wurde. Dreimal
dürft ihr raten, welche zwei…männlichen Teile ich essen durfte. Auf das Essen
folgte das Gelage. Und was für ein Gelage es war! Es ist ein Wunder, dass ich
mich überhaupt noch an irgendetwas erinnern kann!
Übrigens: ich habe
den ganzen Tag über keine Merkwürdigkeiten bemerkt. Vielleicht ist es doch nur
meine Einbildung gewesen.
ROLLE 16
8. Kalende des Dezember
762 a. u. c.
Endlich! Endlich
habe ich den Beweis, dass ich nicht
verrückt bin und mir das alles nicht
einbilde. Aber, beginnen wir doch einfach am Anfang dieses ereignisreichen Tages, oder?
Ich bin nun ein
Mann und als solcher, brauche ich eine Frau. Und für mich gibt es nur eine:
Darya, aus dem bereits beschriebenen Dorf. Sie ist die Tochter von Tela, einem
der Krieger und wir kennen uns schon seit Kindertagen. Damals war es nur eine
reine Freundschaft, aber jetzt, nun, nun ja, ist es mehr – für mich, jedenfalls. Seit zwei Jahren kriege ich
sie nicht mehr aus meinem Kopf. Ihre langen, roten Haare, ihre süßen Sommersprossen,
ihr wunderschöner, wohlgeformter Körper…
Aber, ich schweife
ja nur ab. Ich zog an diesem Tag also meine Toga Virilis unter einer dicken
Decke an, nahm das Pferd meines Vaters und ritt in der winterlichen Kälte die
Straße entlang, meinen Atem sehend, wie er meinem Mund entwich.
Es dauerte nicht
lange, bis ich das Dorf erreichte und
von Tela empfangen wurde. Ich kam auch gleich zur Sache und legte meine
Intentionen offen dar. Ich glaube, es ist keine Übertreibung, wenn ich sage,
dass sie alle recht erstaunt waren. Vor allem Darya, doch ich glaube, sie
fühlte ebenfalls so, wie ich für sie. Jedenfalls hielt Tela mir dann eine lange
Predigt darüber, dass, sollte es wirklich zu einer Heirat kommen, ich nicht nur
Darya, sondern auch das gesamte Dorf heiraten würde. Allerdings schien er der
Idee an sich nicht abgeneigt zu sein und schickte mich wieder mit den Worten
nach Hause, dass er sich so schnell wie möglich mit meinem Vater in Verbindung
setzen würde.
Auf halbem Wege zur
Stadt machte ich jedoch eine Pause. Ich hatte seit dem Morgen nichts gegessen und
setzte mich daher neben einem der Grabsteine entlang der Straße. Wenn ihr Rolle
zwölf gelesen habt, dann wisst ihr, dass ich mir nicht mehr sicher war, ob ich
mir die merkwürdigen Dinge nur eingebildet hatte.
Nun, jetzt weiß ich,
dass es wahr ist! Woher? Ich habe beim Essen etwas gefunden. Zunächst dachte
ich, es sei ein alter Zweig gewesen, doch beim näheren Hinsehen entpuppte es
sich als etwas völlig Anderes!
Ich griff danach,
hob es auf und betrachtete es. Das Ding sah aus wie ein handelsüblicher
Griffel, hatte zunächst jedoch keine Spitze. Erst als ich versehentlich am
oberen Ende des Geräts drehte, kam die Spitze am anderen Ende heraus. Mein
Instinkt riet mir, das Teil auseinanderzubauen, um zu sehen, wie es
funktionierte. Doch der Realist in mir war der Ansicht, ich sollte es lieber so
lassen, wie es war, ehe ich es kaputt machte.
Zunächst dachte ich
auch, es sei aus einer Art sehr fein geschliffenes Holz oder Stein gemacht.
Doch als ich versehentlich und ohne Mühe den Griff am oberen Ende abbrach,
merkte ich, dass das dieses merkwürdige Gerät aus etwas gefertigt war, das uns
Römern vollkommen unbekannt ist.
Noch erstaunlicher
war es, als sich die Spitze aus Neugier gegen meine Haut drückte und eine blaue…Flüssigkeit
herauskam und den Bewegungen der Spitze folgte.
Ich weiß nicht,
woher das Ding kommt. Wichtig ist nur, dass ich nun den Beweis dafür habe, dass
ich nicht verrückt bin! Die Münzen und der Schmuck konnte ich noch der
Aufregung und dem Wein zuschreiben, aber dieser Fund…er bedeutet, dass hier
etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.
ROLLE 20
4. Ide des Dezember
762 a. u. c.
Heute war der große
Tag. Naja, allerdings für Septima, nicht für mich. Sie wurde heute endlich mir
Marius Decimus, einem Bäcker, verheiratet. Kostenloses Brot für die Familie
also? Egal. Jedenfalls wurde die Feier von einem skandalösen Vorfall
überschattet. Einer unserer Sklaven hatte versucht, durch die Cloaca aus der
Stadt zu fliehen. Mons Petrae hat eine Cloaca? Seit wann das denn? Spaß
beiseite, natürlich hat es das.
Wie man den Kerl
geschnappt hatte? Dieses nutzlose Tier hatte sich verlaufen und war anstatt aus
einem Gulli in Eboracum, aus einem Gulli in Mitten des Forums gekommen.
Ich war dabei und
sah zu, als mein Vater den Kerl nach den Festlichkeiten bis aufs Blut
ausgepeitscht. Der Hund schrie und jaulte und stammelte immer wieder von den
gleichen Sachen. Von unterirdischen Gängen aus Eisen, von Fackeln so hell wie
die Sonne. Von langen, sinnfreien Zahlen und merkwürdigen Markierungen auf und
neben Türen und Leitern aus Eisen.
Ich habe schon
einige Dinge in dieser Stadt gesehen. Die Münzen…der Schmuck…der merkwürdige
Griffel, mit dem ich diese Zeilen schreibe. Ich fasste daraufhin einen Entschluss
und überredete meinen Vater, mir die Peitsche zu überlassen. Danach lief ich um
den Todgeweihten herum, sah in sein blutverschmiertes Gesicht und stellte ihm
eine Frage: „Wo kamst du hinein?“
„Centrum“, gab er
nach kurzem Zögern von sich.
‚Centrum‘? Meinte er
damit das Forum? Das konnte nicht stimmen. Von dort hatte man ihn ja gebracht
und sicherlich wäre dem Einen oder Anderen aufgefallen, wie ein Sklave in die
Kanalisation abtauchte. Wütend und enttäuscht darüber, dass all dies keinen
Sinn ergab, ging ich wieder hinter ihm und schlug dreimal so fest ich nur
konnte mit der Peitsche zu. Sein Blut klebt teilweise immer noch auf meinem
Gesicht und in meinen Haaren.
ROLLE 21
18. Kalende des Januar
762 a. u. c.
‚Centrum – was bei
Vulcanus‘ Schwanz soll das bedeuten? Diese Frage beschäftigt mich schon die
ganzen vergangenen, fünf verschissenen Tage!
Das Forum hatte er
nicht gemeint haben können. Lest diesbezüglich Rolle zwanzig für mehr
Information. Meinte er damit das ‚Centrum‘ des bretonischen Dorfes? Das stimmt
auch nicht, da in dessen ‚Centrum‘ ein riesiger Menhir steht – kein Gulli.
Hoffentlich schickt Minerva mir bald ein Zeichen. Denn ich habe keine,
verschissene Ahnung!
PS: Ertappe mich
immer öfter, wie ich, in Gedanken versunken, den Kopf des Griffels apathisch
hin und her drehe. Ich hoffe, das wird nicht zur Angewohnheit.
* *
Ich habe eine Idee
was dieses…Tier mit ‚Centrum‘ gemeint haben könnte. Ich habe in der ersten
Rolle, die ich geschrieben habe, erwähnt, dass es neben dem Dorf noch zwei
andere Orte gibt: den Bacchus-Tempel und den uralten Steinkreis. Vom Forum
gehen zwei vollkommen gerade Straßen aus – eine in Richtung Tempel, eine in
Richtung des Dorfes. Ergo reden wir von einem rechtwinkligen Dreieck, wenn man
Dorf und Forum, Tempel und Forum und Dorf und Tempel verbindet.
Verbindet man nun
die drei inneren Ecken mit der Mitte der gegenüberliegenden Seite, erhält man
das ‚Centrum‘ des Dreiecks – der uralte Steinkreis. Ihr denkt, ich höre mich
vollkommen geisteskrank an? Nun, ich kann euch versichern, dass man für den Weg
vom Forum zum Steinkreis in etwa die gleiche Zeit braucht, wie vom Menhir zum
Steinkreis.
ROLLE 23
13. Kalende des Januar
762 a. u. c.
Heute kam Tela
zusammen mit Darya zu uns und gab seine Zustimmung zu einer Heirat. Daraufhin
wurden gleich einige Verträge unterzeichnet – die Zeremonie würde folgen. Ich
gedachte, meiner neuen Frau den merkwürdigen Griffel, den ich gefunden hatte,
zu zeigen. Allerdings verwarf ich die Idee, da ich mich daran erinnerte, dass
Drogo heute in die Stadt kommt.
Drogo ist ein
Fernhändler, der jeden Monat zwischen Eboracum und Mamucium pendelt und der
Geschäfte wegen immer einen Abstecher nach Mons Petrae macht. Von ihm erfahren
wir auch, was draußen in der Welt passiert.
So erfuhr ich, oder
besser gesagt, meine Eltern, von dem versuchten Attentat auf Caesar. Dieser wäre
während einer Senatssitzung beinahe getötet worden, hätte Marcus Iunius Brutus sich
nicht auf Caesar geworfen und so die Republik gerettet.
Desweiteren erfuhren
wir von der Entdeckung eines kleinen Eilands einige Tage westlich von Hibernia
und von ihm erfuhren wir auch, dass vor einigen Monaten ein germanischer
Aufstand blutig niedergeschlagen worden war.
Ob Drogo etwas mit
dem merkwürdigen Griffel anfangen kann? Ich werde ihn fragen.
* *
Habe Drogo heute den
merkwürdigen Griffel gezeigt und gefragt, ob er wisse, was es denn sei. Doch
auf seine Reaktion war ich nicht gefasst; er sah mich streng an und bat mich,
ihm den Griffel auszuhändigen. Und da ich von ihm etwas eingeschüchtert war und
auf dem Forum keine Szene machen wollte, gab ich ihm den Griffel. Er steckte
diesen schnell in seine Kleidung und sprach: „Das ist ein gefährliches Teil,
das du gefunden hast. Es ist sehr mächtig und wenn man es falsch benutzt, zieht
man einen bösen Fluch auf sich!“
Nun, zugegeben,
selbst die gebildetsten Römer nehmen jede Art von Fluch sehr ernst. Doch zum
Einen bin ich wohl nun schon selbst verflucht, hatte ich den Griffel doch zum
Schreiben von Rolle zwanzig benutzt. Demnach brachte Drogos Warnung nicht mehr
viel. Doch zum anderen glaube ich nicht, dass es ein magisches Objekt mit
großer Zauberkraft ist, sondern wohl eher eine Gerätschaft einer uns Römern
unbekannten Kultur.
Ganz gleich, der
Schaden für Drogo ist schon entstanden. Ich halte an meiner Vermutung, die ich
in Rolle einundzwanzig geäußert hatte, fest. In fünf Tagen beginnen die
Saturnalien, eine Zeit des Frohsinns und der Zerstreuung – und auch eine Zeit
des unbändigen Alkoholkonsums, weswegen ich stark vermuten werde, dass meine
kurzweilige Abwesenheit nicht allzu sehr bemerkt werden wird.
ROLLE 25
9. Kalende des Januar
762 a. u. c.
Die Saturnalien sind
im vollen Gange. Ich habe mich auf meine Expedition gut vorbereitet und mir
eine dicke Decke gegen die Kälte und einige Fackeln zusammengesucht, sollte ich
wirklich unter Tage gehen müssen. Natürlich hatte ich auch drei Rollen
mitgenommen, um meine Erlebnisse aufschreiben zu können. Darya habe ich nicht
direkt in meinen Plan eingeweiht, Tela jedoch um Erlaubnis gebeten, den
heiligen Ort betreten zu dürfen. Er entgegnete mir, dass, da ich nun praktisch
Teil der Familie sei, ich den heiligen Ort sooft besuchen könne, wir ich
mochte.
Am frühen Morgen
dieses Tages machte ich mich daher auf. Ich ritt mit einem entbehrlichen Pferd
die Straße zum Dorf entlang und bog dann auf den Pfad in Richtung der heiligen
Steine ab. Als ich an den heiligen Rand des Gebietes kam, welcher mir durch
verzierte Tierschädel und andere barbarische Heiligtümer angezeigt wurde, stieg
ich von meinem Pferd und machte mich in der bitteren Kälte auf meinen Weg.
Es dauerte eine
Weile, ehe ich die Steine erreichte und sie waren ganz anders, als ich gedacht
hatte. Ich hatte anfangs angenommen, dass sie alle so Aussahen, wie der
rundliche Menhir unten im Dorf. Doch sie waren alle schmal, zweimal so hoch wie
ein Mann und offensichtlich in ihre jetzige Form gemeißelt worden.
Und der Eingang zu
den merkwürdigen Eisengängen? Nicht vorhanden. Beim Blitz des Jupiters, ich
verarsche euch nicht! Ich suchte und suchte. Lief um den Kreis herum, sah mir
den zentralen Altar, auf dem die Dorfbewohner ihre Opfer darbringen, mehrere
Male genauestens an. Nichts. Absolut
rein gar nichts! Ich war drauf und dran, meine Suche zu beenden und wieder zu
meinem Pferd zu gehen, als mir etwas Interessantes auffiel. Zwei der Steine
standen weiter auseinander als die anderen und beim genaueren Hinsehen fiel mir
eine Reihe kleiner Steine auf, die parallel zu einander von den großen Steinen
in den tiefen, dichten Wald führten.
Ich dachte kein
zweites Mal darüber nach und folgte der Reihe von Steinen zu einem…Grab! Ja, es
war ein großes, hausähnliches Grab! Die Wand bestand aus grauen, unbehauenen
Steinen, die kreisrund angelegt worden waren. Darauf befand sich ein Dach,
welches bestimmt aus Holz, nun jedoch von Gras und nun von einer Schneedecke
bedeckt war. Langsam näherte ich mich dem Eingang und zückte mein Gladius aus
Furcht vor Wölfen – man kann ja nie wissen.
Doch was ich fand,
waren keine Wölfe, sondern lediglich ein Grab – verziert mit den gleichen,
uralten Dekorationen, wie sie auch die großen Steine des Kreises zieren.
Kreise, Spiralen, Darstellungen von Tieren und dergleichen – alles in einem
hellen Himmelsblau gehalten.
ROLLE 26
9. Kalende des Januar
762 a. c. u.
Entschuldigung, wenn
ich meine Erlebnisse auf zwei separaten Rollen festhalte. Wie gesagt, ich
betrat das rundliche Grab mit einer Fackel, welche ich mir draußen in mühsamer
Arbeit angezündet hatte. Das Erste, was mir auffiel, waren zahlreiche Alkoven mit
eingehüllten Leichen darin liegend – jedes Tuch ebenfalls mit dieser hellblauen
Farbe bemalt. Ich schaute mich gründlich um und betrachtete die Grabbeigaben.
Uralter Schmuck aus Tierknochen, Perlen aus poliertem Stein und zahlreiche
Urnen und Töpfe gefüllt mit allem möglichen Zeug.
Aus purer Neugier
ergriff ich einen der zahlreichen Töpfe um zu sehen, was darin war und das
Erste, das ich merkte, war, dass er sich nicht wie ein Tontopf anfühlte. Was
jedoch noch erstaunlicher war: als ich versuchte, Fackel und Topf irgendwie in
Einklang zu bringen, fiel der Topf mir aus der Hand – aber er zerbrach nicht!
Es gab nur ein dumpfer Schlag als der Topf auf dem Boden des Grabes fiel. Was
ging hier vor sich?!
Doch ich tat das
zunächst ab und fokussierte mich auf meine eigentliches Ziel: den Eingang zu
den merkwürdigen, eisernen Gängen zu finden. Zunächst schien es, wie bei den
Steinen, auch so, als würde ich maßlos enttäuscht werden. Das änderte sich
jedoch, als ich mich neben den zentralen Altar setzte, um mein Brot zu essen,
dass ich ebenfalls mit genommen hatte. Ich merkte, dass sich das Geräusch
meines Gladius deutlich von dem Geräusch der Fackel unterschied, als ich
ersteres direkt vor den Altar, letzteres etwas seitlich dessen ablegte. Es
hörte sich…hohler an. Ein unterirdischer Gang?
Ich stand sprunghaft
auf, benutze meine Decke, um den Dreck und das Laub, welches über die
Jahreszeiten hindurch hineingeweht worden war, fortzuwischen. Dann fiel mir
auch erst auf, dass es wohl absichtlich dorthin gelegt worden war – war doch
überall sonst im Grab keines vorhanden. Ich betrachtete den Boden vor dem Altar
genau, bis mir ein merkwürdiger runder Griff aus Eisen auffiel. Mein Herz
schlug höher und schneller. Wenn dieser nutzlose Sklave erst vor Kurzem hier gewesen
war, so musste der Griff noch funktionieren.
Ich beugte mich
hinunter zu dem Griff, ließ meine Finger leicht über dessen Oberfläche gleiten.
Er fühlte sich nicht rau oder veraltet an, ganz im Gegenteil. Es schien mir
fast so, als würde dieser Griff in regelmäßigen Abständen benutzt werden. Ich
verlor also keine Zeit und zog zunächst leicht daran, jedoch bewegte sich
nichts. Ich versuchte es daraufhin noch etwas härter, woraufhin sich vor mir
eine Klappe auftat, ähnlich wie bei einem Kerker. Geistesgegenwärtig griff ich
die Fackel und warf sie in das Loch vor mir um zu sehen, wie tief es war.
Sagen wir es mal so:
es war tief, sehr tief. Jedoch nicht tief genug, dass ich die Fackel am Boden
nicht mehr sehen konnte.
Schnell zog ich mir
die Decke über, band mir mein Gladius um und kletterte das Loch mittels der,
wie vom Sklaven beschriebenen, eisernen Leiter hinunter.
ROLLE 27
9. Kalende des Januar
762 a. u. c.
Es war alle so, wie
der Sklave während seiner verdienten Züchtigung gesagt hatte! Es dauerte eine
sehr, sehr, sehr lange weile, ehe ich den Boden der Leiter erreichte und sobald
ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, wurde ich von den bereits
beschriebenen, sonnenhellen Fackeln begrüßt, die überall an den eisernen Wänden
hingen. Ich ließ daher meine Fackel liegen und ging an eines der hellen Lichter
heran, um es zu betrachten. Ich lernte allerdings, dass diese Lichter nicht nur
schlecht für die Augen, sondern auch für die Finger sind, da die Lichter mich
nicht nur kurzzeitig erblindeten, sondern auch brannten, als ich versuchte,
eines davon anzufassen.
Desweiteren sah ich
auch, was der Sklave mit sinnfreien Zahlen und merkwürdigen Markierungen
gemeint hatte, als ich auf die Leiter starrte, welche ich heruntergeklettert
war. Rechts daneben stand: D.R.-44 HLL. Fünfhundert R -44 H Fünfzig-Fünfzig –
was bei Bacchus’ Arsch hat das zu bedeuten?! Naja, egal. Ich sah mich um und,
wo ich denn schon mal hier war, gedachte, die Gänge zu erkunden.
Doch als ich weiter
und weiter lief, mein Gladius gezückt und bereit mich zu verteidigen, wurde mir
klar, dass dies keine Cloaca war! Und, vor allem: nichts Römisches! Hier und da
stieß ich auf noch mehr Leitern mit diesen merkwürdigen Zeichen daneben,
absonderliche Gerätschaften, darunter eine Art Ein-Mann-Karren mit zwei Rädern
welcher an einer Art ‚Hinterkarren‘ festgemacht war. Doch das Absonderlichste,
welches ich gesehen hatte, war eine seltsame, runde Kreatur, gleich einer Schildkröte,
welche am Boden herumlief und ein leises Brummen von sich gab. Da ich schon
immer eine Schildkröte als Haustier haben wollte, versuchte ich sie anzulocken,
doch das Tier nahm keine Notiz von mir. Deshalb zog ich es vor, dem
absonderlichen Wesen tiefer und tiefer durch die Gänge zu folgen.
Allerdings hatte
dies zur Folge, dass ich mich vollendest verlaufen hatte und nun nicht mehr zu
der Leiter fand, durch die ich gekommen war.
Ich bekam Angst, fürchterliche Angst. Ich betete zu Jupiter, Minerva,
sowie zahlreiche andere Götter während ich ziellos durch die Gänge lief, auf
der Suche nach einer anderen Leiter. Und nach einer halben Ewigkeit fand ich
endlich eine Tür. Und wie neben der, durch die ich gekommen war, stand auch
diesmal etwas an der Seite: D.E.1920 RD. Wie gesagt, ich habe keinen blassen
Dunst, was es bedeutete. Ich wusste nur, dass es ein Ausweg war. Ein Ausweg aus
diesem…Loch. Ich steckte also mein Gladius weg, ergriff die untersten Sprossen
der Leiter und kletterte hoch.