CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 3: Caelia
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Hier die chronische Auflistung aller Pastas, die zu dieser Reihe gehören.
DN-AGE Erinnerungen (2270)
DN-AGE Erinnerungen I – Beauftragt
DN-AGE Erinnerungen II – Missbraucht
DN-AGE Erinnerungen III – Gebrochen
DN-AGE Erinnerungen IV – Gerettet
DN-AGE Erinnerungen V – Gefunden
DN-AGE Erinnerungen VI – Psychopaten Lachen Nicht
Containment Project 1 (2270)
Containment Project I – Dies sind die Worte von Publius Septimus Tertio
Containment Project II – The Greasemonkey Diaries
Containment Project III – EXIT
Containment Project IV – Gedanken
Containment Project 2 (2290)
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 1: Nora
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 2: Alexis
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 3: Caelia
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 4: Bromios
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 5: Lavender
CONTAINMENT PROJECT
AUSWERTUNG
DATENLOG 32
Name: Qar’Ek Da’qu
Verwaltungsbereich: Leiter Historische Auswertungen der Containment
Project-Anlagen auf SOL-00I
Datum: 34. Tag des siebten Monats, Jahr 372 nach Gründung der Republik
Berechtigung:
ERTEILT
|:| “In diesem Datenlog werde ich
die Geschichte von Miss Nora Cayden und Mr. Carlisle McAvin fortführen. Hierbei
ist zu bemerken, dass wir keine weiteren Aufzeichnungen der Ersteren mehr gefunden
haben. All unsere Aufzeichnungen beruhen daher auf Berichte, welche von
Carlisle verfasst und in einem Ort außerhalb der Kuppeln gefunden wurden. Da es
sich hierbei um seine Erlebnisse in D.R. -44 handelt, finde ich es angebracht
über den Zustand dieser Kuppel zum Zeitpunkt der Vorfindung zu sprechen. “
“Mons Petrae, wie der Ort
sich nennt, weist sehr viele Ähnlichkeiten mit anderen, römischen Städten und
Ruinen auf, welche wir in der, wie ich es nennen will, „realen Welt“, gefunden
haben. Insbesondere die Ähnlichkeiten zu einem Ort namens Pompeji sind bemerkenswert.
Wir sind daher der Ansicht, dass letzterer als Vorlage für Mons Petrae gedient
haben musste.“
Siehe dazu: D’elko H’ense > antike Geschichte von SOL 001 > Ausgrabungen > Pompeji
“Wir fanden Kleidung,
Schriftstücke, Gebrauchsutensilien und allerlei andere Dinge, wie sie auch
außerhalb der Kuppeln gefunden wurden. Allerdings…wies Mons Petrae zum
Zeitpunkt seiner Entdeckung einige Auffälligkeiten auf. Zum einem mehrere,
gekreuzigte Personen, welche in Reih und Glied entlang der Straße zwischen M.P.
und einem kleineren, primitiveren Ort aufgerichtet worden waren. Dabei ist zu
bemerken, dass nur zwei der Hingerichteten römische Kleidung trugen. Die
anderen trugen Kleidung, wie wir sie in D.E. 1920 fanden.“
“Desweiteren entdeckten wir
Statuen, Schreine und Figuren von Göttern, welche hier offensichtlich nicht
hergehörten und eher zu einer, ebenfalls bereits vor unserer Ankunft
untergegangen, Kultur stammten, welche in einem Gebiet lag, dass die noch
verbliebenen Ureinwohner als „Amerika“ bezeichnen. Doch als wir die Einträge
von Carlisle McAvin genauer studierten, fanden wir heraus, weshalb dies der
Fall ist.“
|:|
EINTRAG 1
20. Juli 1980
Zwanzig Jahre. Zwanzig Jahre ist es nun her, seitdem ich mein letztes
Tagebuch über die Ereignisse aus meiner Jugend geschrieben habe. Publius
Septimus Tertio – so heißt, bzw. hieß der Junge, der vor zwanzig Jahren aus dem
Gully auf der Straße zwischen Muntun und Mennith hervorgekrochen kam, und den
ich beinahe überfahren hatte. Und jetzt? Jetzt sitze ich in seinem Haus, neben
mir einige Kerzen, um mir Licht zu spenden, und sinniere über den heutigen Tag.
* *
Nora und ich stiegen also aus dem Ausgang innerhalb des Grabes, durch
den auch Publius zu uns gelangt war. Ich hatte mein altes Tagebuch mitgenommen,
um mich besser orientieren zu können. Doch als wir das Grab verließen und den
Steinkreis betraten, stoppte ich abrupt und sah mich um. Ich weiß nicht wieso,
aber schon beim ersten Betrachten der Landschaft hinter dem dichten Wald, in
dem wir uns befanden, hatte ich das Gefühl, dass hier irgendetwas wirklich
nicht stimme.
Dieses Gefühl sollte sich bald als wahr herausstellen, als wir aus dem
Wald und in Richtung der Stadt liefen. Rechts und links von uns befanden sich
Felder, auf denen mittlerweile schon zarte Pflänzchen aus der Erde gruben. Doch
als ich diese genauer studierte, riss ich meine Augen weit auf. Nora fragte,
was los war, woraufhin ich eine der Pflanzen aus der Erde riss und ihr sie vor
das Gesicht hielt: „Weißt du was das ist?!“
„Keine Ahnung. ‘Ne Pflanze, nehm ich mal an“, gab sie in ihrer
gewohnten, sarkastischen Manier zurück. „Das ist MAIS! Warum zum Teufel wächst
hier MAIS?!“ rief ich lauthals.
„Da bin ich überfragt“, gab sie zurück, bevor sie auf eine riesige
Statue aus Holz zeigte, welche in mitten eines der Felder aufgestellt worden
war. Hastig rannten wir zu ihr hinüber und ich traute meinen Augen nicht. Vor
uns stand die Statue einer Gottheit, welche ich noch nie in meinem Leben
gesehen hatte – ich wusste nur eins: römisch war sie definitiv nicht! Auch
nicht die kleinen Votivgaben am Fuße der Statue, welche aus Figuren bestand,
die ebenfalls nichtrömische Götter zeigten. Und wenn ich sage nichtrömisch,
dann meine ich auch nicht eine importiere Gottheit aus einem anderen
Mittelmeerraum. Diese Götter waren etwas vollkommen Anderes!
„Hey, was macht ihr da?!“ kam es plötzlich hinter uns und wir drehten
uns um, nur um einen Mann mittleren Alters in einer Tunika und einem Teller voll
Votivgaben zu sehen. Ich entschuldigte mich und fragte ihn, was das denn für
Gottheiten waren. Daraufhin entgegnete der Mann, dass dies neue Götter aus der
Welt westlich von Hispania seien, welche jüngst entdeckt worden waren. „Das ist
nicht richtig!“ rief ich zu Nora: „Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht!“
„Frag ihn, ob er Publius kennt“, meinte sie schlicht, woraufhin der Mann
hellhörig wurde und mich fragte: „Meint sie Publius Septimus Tertio? Den
Magistraten? Was für Geschäfte habt ihr mit ihm?“
Magistrat? Was? Soweit ich wusste, war ein Magistrat das römische Äquivalent
zu einem Bürgermeister oder Ortsvorsteher. Ich drängte den Mann, uns nach Mons
Petrae zu begleiten, doch er meinte nur, wir sollten einfach der Hauptstraße
nach links folgen, dann würden wir sie schon sehen.
EINTRAG 2
20. Juli 1980
Es wurde immer verrückter, je weiter wir in Richtung der Stadt kamen.
Mehr merkwürdige Gottheiten, Grabsteine mit seltsamen Schriftzeichen…sowie
etwas, auf das wir beide nicht gefasst waren.
Als wir uns dem eigentlichen Ortseingang näherten, stießen wir auf zwei
gekreuzigte Straftäter, aufgestellt entlang der Straße. Einer war ein etwas
korpulenter, römischer Mann mittleren Alters. Der Andere jedoch…ein MÖNCH?! Ja,
kein Scheiß! Über uns hing, tot und mit gesenktem Kopf, ein (scheinbar
mittelalterlicher) Mönch mit der typischen Kopfrasur, die man eben mit Mönchen
verbindet! Was zum Geier war hier los?!
Natürlich wollte ich dem sofort auf den Grund gehen, doch Nora drängte
mich dazu, endlich die Stadt zu betreten und nach „Magistrat Tertio“ zu fragen.
Ich muss zugeben, wir hatten ein mulmiges Gefühl dabei. Jeder schaute uns mit
argwöhnischen Blicken an, als ob sie uns dafür bestrafen wollten, ihren
Ortsfrieden gestört zu haben. Wie sie wohl geschaut hätten, wenn wir in unserer
modernen Kleidung gekommen wären? Oder wenn Nora dieses türkise Kleid angehabt
hätte?
Desweiteren muss ich zugeben, dass es besonders für mich, der Latein
eben beherrscht, relativ eigenartig war. Warum? Nun, wenn ihr etwas über
römische Städte wisst, dann wisst ihr auch, dass man praktisch an jeder
Hauswand irgendwelche Graffiti fand. Bekanntmachungen, Beleidigungen,
Liebesbekundungen oder gar Anschuldigungen – alles war vertreten. Und hier war
es praktisch nicht anders. Mein Punkt ist: wisst ihr, was für ein eigenartiges
Gefühl es ist, in eine fremde Stadt zu gehen, in der eine ausgestorbene Sprache
gesprochen wird und man trotzdem jedes Wort an jeder Wand lesen und vor allem
VERSTEHEN kann?! Da bekommt der alte Spruch „Nicht für die Schule, sondern für
das Leben lernen“ eine ganz reale, wortwörtliche Bedeutung!
Wie dem auch sei, nachdem wir einige Minuten wie bestellt und nicht
abgeholt an einer Ecke des Forums standen und zusahen, wie die Leute über uns
tuschelten, kam ein glatzköpfiger Mann zusammen mit zwei Wachen aus einem
großen Gebäude auf uns zu. Natürlich war es Publius, doch das wusste ich zu
diesem Zeitpunkt noch nicht. Er kam mit schnellen Schritten in unsere Richtung
und beäugte uns skeptisch als er vor uns stand. Doch auf seine Reaktion war ich
eben so wenig gefasst wie auf die merkwürdigen Götter oder der gekreuzigte,
mittelalterliche Mönch. Kurz sah er zu einem seiner Wachleute, welcher offenbar
zu den hiesigen Bretonen gehörte, und sagte nur einen Satz: „Prehendere,
protinus!“, was in etwa „Sofort verhaften!“ bedeutet.
Und so geschah es auch. Man ergriff uns und schleppte uns in das große
Gebäude aus dem Publius gekommen war. Dort ging es dann die Treppen hinab und
nach rechts in eine Art Kerker mit schmiedeeisernen Zellen, in welche wir
prompt gesperrt wurden. Ich versuchte noch zu erklären, wer wir waren und woher
wir kamen in der Hoffnung, er würde sich erinnern und uns freilassen. Doch er
hörte nicht, meinte nur, er hätte mich noch nie gesehen und ließ uns dort unten
sitzen.
EINTRAG 3
20. Juli 1980
Ich glaube, den heutigen Tag werde ich nie wieder vergessen. Aber…Eins
nach dem Anderen.
Nach mehreren Stunden, die sich für uns wie eine Ewigkeit anfühlten,
wurden wir gen Nachmittag von zwei Wachen ergriffen und aus den Zellen
geschleppt. Man brachte uns dann einige Treppenstufen hinauf zu einem Raum, der
wohl das Büro des Bürgermeisters war und ließ uns mit dem selbigen allein. Und
wieder passierte etwas, auf dass ich nicht gefasst war.
Publius stand von seinem Stuhl auf, lief zu uns herüber und fing an zu
lächeln. Allerdings kein hämisches oder verächtliches Lächeln, nein. Es war ein
freundliches, willkommenes Lächeln, ehe er sagte: „Willkommen in Mons Petrae,
alter Freund!“
Und nein – er hat es nicht auf Lateinisch gesagt und ich übersetze hier
nur. Mit einem ekstatischem Lächeln und zur Begrüßung ausgebreiteten Armen
sagte er wortwörtlich diesen Satz – auf Englisch! „Woher kannst du unsere
Sprache?!“ rief ich verwirrt und zugleich erstaunt. Publius wies uns dann an,
sich an seinen Tisch zu setzen, während er einen Krug voll Wein und drei Becher
holte und sprach: „Sagen wir mal so: als Magistrat hat man eben so seine
Geheimnisse. Und das ist eines davon.“
„Magistrat? Du regierst die Stadt also?“ fragte Nora, woraufhin Publius
meinte: „Nein, das tue ich nicht. Ich wurde für vier Jahre gewählt, wobei
hiervon bereits drei Jahre verstrichen sind. Und wenn das Jahr vorbei ist,
übernimmt ein Anderer“
„Warum hast du uns verhaften lassen?“ fragte ich ihn, nachdem wir
anstießen und er gab zu verstehen: „Komm schon. Wir müssen hier nicht um den
heißen Brei herumreden. Wir wissen, was hier los it. Die Kuppeln, die Gänge, dass
nichts von all dem echt ist. Aber die Leute da unten, in den Straßen – für sie
ist das alles echt. Und es würde doch komisch aussehen, wenn ich auf der Stelle
jemanden willkommen heißen würde, der hier vollkommen fremd ist, oder?“ Ich
musste dem zustimmen, fragte ihn jedoch sofort nach den neuen, fremden
Gottheiten und dem gekreuzigten Mönch. Doch Nora und ich erhielten wieder nur „Das
ist eines meiner Geheimnisse“ als Antwort. Er erkundigte sich nach unseren
Namen (mir bezüglich meiner selbst komisch vorkam) und fragte weiterhin, ob wir
verheiratet wären. Und obgleich ich Nora vor den Vorfällen in Muntun gefragt
und sie gemeint hatte, sie wolle noch einmal darüber nachdenken…sagte ich
einfach nur: „Ja, sind wir.“
Daraufhin nahm Publius uns mit auf den Balkon vor seinem Büro, wo er die
Bürger seiner Stadt ansprach: „Gute Leute von Mons Petrae.“ Erst hörte ihn
niemand, weswegen er etwas lauter wurde und schließlich fortfuhr: „Gute Leute
von Mons Petrae! Ich möchte euch zwei meiner neuen Freunde vorstellen! Ich habe
vor Jahren als junger Mann ihre Bekanntschaft gemacht und sie zunächst nicht
wiedererkannt! Begrüßt mit mir also Cassius Avinius und seine Frau Naya! Er
spricht unsere Sprache, sie jedoch nicht! Ihr werdet ihnen von nun an mit
Respekt und Achtung entgegentreten – oder ihr leistet Caelius bald
Gesellschaft!“ Dabei zeigte Publius in Richtung der gekreuzigten vor der
Stadtgrenze, was mich etwas zusammenzucken ließ. Was die Namen angeht, unter
denen wir hier verweilen müssen, verstehe ich ihn allerdings vollkommen, da
„Carlisle“ oder „Cayden“ für diese Leute unaussprechlich wären.
EINTRAG 4
21. Juli 1980
Es ist jetzt kurz nach Mitternacht und sagen wir es mal so: ich und Nora
haben in den vergangen Stunden mehr erfahren, als uns mitunter lieb ist! Aber,
wie gewohnt, Eins nach dem Anderen.
An diesem Abend waren wir natürlich bei Publius und seiner Familie zum
Essen eingeladen. Diese bestand aus seiner Frau Darya, einer Frau aus dem
nahegelegenen, Bretonischen Dorf. Dazu kamen sein ältester Sohn Darius Silvius
(16), sowie seine drei Töchter. Das waren zum einen das Nesthäkchen Terrentia
Silvia (10), sowie die Zwillinge Secunda und Tertia, beide vierzehn. Es stellte
sich als große Überraschung heraus, dass sowohl seine Frau, wie auch seine
Kinder unsere Sprache beherrschten!
„Entschuldigung“, meinte Publius zu Beginn: „dass wir euch nicht so viel
anbieten können. Habt euch ja nicht wirklich angekündigt.“ Ich grinste etwas
und gab zurück: „Nein, nicht wirklich. Aber jetzt, da wir alle hier sind…was
ist hier eigentlich passiert?“ Und dann erzählte er uns was hier wirklich los
war.
Es stellte sich heraus, dass er seine Aufzeichnungen ebenfalls gefunden
hatte, damit jedoch ganz anders umgegangen war, als ich. Er hatte erkannte,
dass irgendjemand dafür sorgte, dass gewisse Dinge und Gegenstände verboten
waren und dass man die Geschichte wohl absichtlich verfälscht hatte – und
natürlich auch, was mit denjenigen passierte, die dies herausfanden. „Ich
musste also das System von innen heraus bekämpfen“, meinte er: „und ich tat es
folgendermaßen: als ich alt genug war, ließ ich mich von den Leuten zum
Magistraten wählen. Daraufhin ging ich daran, alle bereits vergebenen
Positionen mit Leuten aus der Stadt und dem nahen Dorf zu besetzen, um den
Verantwortlichen die komplette Kontrolle zu entziehen. “
Das Ergab absolut Sinn. Allerdings wollte ich wissen, was es denn mit
der Einführung dieser neuen Religion zu tun hatte, woraufhin Publius erklärte:
„Nachdem ich mein Amt als Magistrat angetreten hatte, gedachte ich, die
Klassiker wieder zu lesen. Hatte gehofft, sie würden mich ein wenig…weiser
machen.“ Er erzählte mir, dass er während seiner Suche dann auf einige
Schriftrollen gestoßen war. Diese erzählten eine (zumindest aus meiner und
Noras Sicht) abstruse Geschichte davon, wie der römische Senat eine Expedition
über den Atlantik geschickt hatte und dabei auf die Kultur der sogenannten Maya
traf. Da man diese jedoch nicht besiegen konnte (Publius meinte, dazu stand
auch in der Rolle nichts Näheres darüber), entschied man sich, von dieser
Kultur zu lernen. Die Götter, wie auch die Schrift und einige Nutzpflanzen zu
importieren – und Publius sorgte eben dafür, dass sich dies auch bis nach Mons
Petrae ausdehnte. „Zunächst wusste ich
nicht, was ich damit anfangen sollte“, sprach er: „Es las sich alles so…so…echt!
Und eine ganze Zeit lang dachte ich auch, es wäre echt!“ Ich fragte ihn, wie er
letztendlich darauf gekommen war, dass es eine Fälschung war. Und wieder
antwortete er mit „Das ist Teil meines Geheimnisses“.
„Aber dieser eine Typ mit der komischen Frisur am Kreuz, der ist wohl
kein Geheimnis, was?“ fragte Nora, während sie sich ein Stück Brot abriss.
„Nein. Den habe ich selbst verurteilt“, meinte Publius mit einem Grinsen, ehe
er uns diese Geschichte erzählte.
Vor einiger Zeit hatte es scheinbar ein Mönch aus der mittelalterlichen
Kuppel nach Mons Petrae geschafft. Und da er eben mit seinem Denken tief im
Mittelalter steckte, fing dieser sofort an, gegen die (aus seiner Sicht)
heidnischen Kulte und Götzen zu hetzen, Statuetten umzustürzen, Fresken zu
zerstören, all das eben. „Ich habe ihm gesagt“, erzählte Publius: „dass es mir
egal sei, welchen Gott oder welche Götter er verehrte, solange er sich nicht aufführte wie ein Arschloch und die
Leute belästigte. Allerdings musste ich ihn dennoch bestrafen. Erregung
öffentlichen Ärgernisses, ihr versteht.“ Nora und ich nickten und sie fragte,
was er denn mit dem Mönch getan hatte. „Zwanzig Peitschenhiebe und Abbitte bei
Jupiter. Mehr hielt ich nicht für angemessen. Und mehr bedurfte es auch nicht.“
Allerdings wusste Publius, WOHER dieser merkwürdige Fremde gekommen war und
ließ in wissen, dass Publius ihn hinrichten lassen würde, wenn er sein Gesicht
erneut in Mons Petrae zeigte. „Naja, und das Ergebnis habt ihr ja vor der Stadt
gesehen.“
„Nun gut“, merkte ich an: „aber was ist mit dem Anderen? Diesem gut
beleibten Römer gleich daneben. Caelius, oder wie er hieß?“
„Ah, ja! Quintus Caelius!“ rief Darius lauthals auf und sah seine Vater
fragend an: „Hat der nicht versucht, dich zu beklauen?“
„Nicht nur mich. Die ganze Stadt“, gab Publius an, bevor er sich zu uns
wandte und fortfuhr: „Ich war vor ein paar Wochen in den Kammern unterhalb des Jupitertempels,
um nachzusehen, ob wir genügend Geld für unsere jährlichen Ausgaben haben. Und
dann auf einmal kreuzt sich mein Weg mit diesem Wichser, der einen riesigen
Sack mit sich schleppt!“
„Einen Sack?“ fragte Nora: „Was
hat er denn mitgenommen?“ Ein weiteres Grinsen breitete sich auf Publius‘
Gesicht aus und er fragte: „Wollt ihr’s sehen? Komm, ich zeig‘ es euch!“
Daraufhin stand er auf und wies uns an, ihm in einen nahen Raum zu folgen.
Dieser schien offensichtlich das Schlafzimmer des Hauses zu sein. Was
mir vor allem auffiel, war die spartanische Ausstattung – nicht gerade das, was
ich von einem hochrangigen, römischen Politiker erwartet hatte. Naja, egal.
Jedenfalls führte Publius uns zu einer großen Holzkiste am Ende des Bettes und
öffnete sie. Und jetzt ratet mal, was er darin versteckt hatte! Nein,
ernsthaft, ratet mal. Ihr würdet nie im Leben darauf kommen! Die gesamte Truhe
war fast bis obenhin voll mit Geldscheinen! Kein Scheiß! In dieser Holzkiste
befanden sich nach grober Schätzung meiner und Noras etwa eine millionen Pfund
in bar! Publius fragte zunächst, ob uns dieses Geld vertraut war und als wir
nickten, fragte er, ob es denn viel wert sei. „Sind Sie irre?!“ rief Nora
voller Erstaunen: „Für das, was in der Kiste drin is‘, könnte ich locker Ihr
ganzes Haus kaufen! Und wahrscheinlich bleibt da sogar noch was über!“
„Ich sehe also“, gab Publius stoisch von sich: „wir sind gemachte Leute.
Aber das kommt eben dabei raus, wenn man uns bestiehlt UND uns hier festhalten
will.“
Bei dem letzen Punkt wurde ich hellhörig. Ich stellte Publius sofort zur
Rede und er erklärte mir, dass diese Quintus Caelius einer der sogenannten
„Vigiles“, also „Wächter“ gewesen war. Menschen, die von außerhalb der Kuppel
kamen (oder zumindest davon wussten) und so taten, als wären sie genau so
ahnungslos wie die breite Masse der Bevölkerung. Mit anderen Worten: er war
das, was wir in unserer Kuppel als „Ranger“ kennengelernt hatten.
„Und Sie haben ihn einfach hingerichtet?“ fragte Nora in einem schon
fast abfälligen Ton: „Tut mir Leid, wenn ich Ihre Ehre oder so was Ähnliches
verletz‘, aber das war ‚‘ne richtige Scheißaktion von Ihnen! Sie hätten ihn
wenigstens ausquetschen und was von ihm lernen können!“
„Machen Sie sich um meine Ehre keine Sorgen“, gab Publius fast schon
amüsiert zurück: „Und so bescheuert, wie Sie denken, bin ich nicht. Dieses merkwürdige
Geld ist ja nicht das Einzige, was ich sichergestellt habe!“
„Bitte, was?“ gab Nora ungläubig von sich und Publius wies uns an, ihm
wieder zu seiner Familie zu folgen.
EINTRAG 5
21. Juli 1980
Nora und ich waren einerseits gespannt, aber auch etwas nervös bezüglich
dessen, was Publius uns zu zeigen hatte. Zusammen mit ihm, seiner Frau und
seinem Sohn gingen wir aus dem Haus und liefen quer über das nahe Forum hinüber
zu dem Gebäude, in dem uns Publius vor einigen Stunden auf Englisch willkommen
geheißen hatte. Von dem Moment krieg ich immer noch Gänsehaut! Wie ich zu
Anfang gesagt hatte, hatte man uns in Zellen in einem rechts gelegenen Raum
gesperrt. Was ich allerdings NICHT erwähnt hatte, war, dass es am Ende des
Ganges, zu dem der Raum gehörte, eine weitere Tür gab, welche von zwei Wachen
in Bretonischer Stammeskleidung bewacht wurde. Ich hatte anfangs angenommen,
dass sich dort etwa die Stadtkasse befand. Doch Nora und ich sollten gleich
lernen, dass sich hinter dieser Tür etwas vollkommen Anderes – und etwas
weitaus Wertvolleres – verbarg!
Die Wachen ließen uns durch und wir gingen einige Stufen hinab in einen
wohlbelichteten Raum. Ja, es war kein düsterer Kerker. Es gab ein Bett, ein
Regal mit Schriftrollen zum Lesen, eine sichtbare Latrine, einen kleinen
Brunnen, eine Art Schreibtisch mit Stuhl und ein kleiner Schrank mit Geschirr
und Kleidung. Eben alle Annehmlichkeiten, die man in einem römischen Haushalt
vorfinden konnte.
Was war also das besondere? Eine Frau.
Hier eingesperrt, war eine – zugegeben bildhübsche – junge Frau, etwa in
Noras Alter. Sie trug ein schwarzes Gewand und dazu passende, schwarze Haare.
Ihre Augen strahlten saphirblau und obgleich ich es nicht sehen konnte, nahm
ich an, dass sie wohl schöne, lange Beine haben musste. Was man allerdings gut
erkennen konnte, war die große Eisenkette, welche an ihrem rechten Fuß
befestigt war. Sie schien lang genug zu sein, um sich frei im Raum bewegen zu
können, jedoch kurz genug zu sein, um nicht die Stufen erreichen zu können.
„Ah, meine kleine Löwin!“ rief Publius: „schade, dass du dich
widererwartend doch noch nicht umgebracht hast. Aber auf der anderen
Seite…gehörst du ja nicht hierher.“ Er packte die junge Frau, die nicht auf
seine Worte einging, fest am rechten Oberarm und sprach: „Darf ich vorstellen:
Caelia Fausta! Tochter von Quintus Caelius. Wächterin von DOME ROMAN –44 – und
seit mehreren Wochen mein persönlicher Rebstock, den ich nach Belieben nach
Informationen ausquetschen kann!“ Die junge Frau sah uns mit einem
selbstsicheren Blick an. Auf mich wirkte sie nicht so, als hätte sie
resigniert. Ganz im Gegenteil. Mit selbstsicheren Worten stellte sie sich vor,
bevor sie auf mich zuging und mich mit prüfendem Blick ansah. Es war mir
durchaus unangenehm und ich fragte sie sofort, was das sollte. „Wie alt sind
Sie, wenn ich fragen darf?“ fragte sie mich.
„Ich weiß nicht, was Sie das angeht“, gab ich forsch zurück: „aber wenn
Sie’s unbedingt wissen wollen, ich bin siebenunddreißig.“
„Siebenunddreißig…“ murmelte sie während sie sich ans Kinn fasste:
„…Divinus…dann hatte ich doch recht!“
„Werden Sie vernünftig!“ rief ich verärgert, woraufhin sie uns fragte,
ob wir wüssten, dass die ersten Generationen der Kuppeln künstlich gealtert
oder verjüngt wurden. „Kann sein“, gab
Nora mit verschränkten Armen und einer erhobenen Augenbraue von sich: „Haben’s
vielleicht irgendwann mal gehört.“
„Stellt euch einfach vor“, versuchte Caelia zu erklären: „ihr habt zwei
Beete mit Rosen. Eines mit weißen, eines mit roten. Dann macht ihr die Weißen
rot und die Roten weiß. Und in einem der zwei Beete steht auf einmal eine in
rosa. Das sind sie.“
„Wie eine Mutation, also?“ schlussfolgerte ich und sie nickte: „Ja, ganz
recht. Falls Sie sich jemals gefragt haben, weshalb sie siebenunddreißig sind,
allerdings zehn Jahre jünger aussehen – das ist die Antwort.“
„Vielen Dank für diese…Lehrstunde, Caelia“, unterbrach Publius uns: „Caelia
ist ja nicht dein wirklicher Name, oder. Ich glaube außerhalb der Kuppel kennt
man dich eher unter dem Namen Alexis Pembridge!“
„Sag das nochmal!“ rief Nora: „Wie heißt du nochmal?!“
„Alexis Pembridge“, gab die junge Frau erneut in einem selbstsicheren
Ton von sich, ehe Nora ihr von dem Spind erzählte, woraufhin Caelia (ja, ich
bleibe weiterhin bei diesem Namen) ziemlich erstaunt wirkte. „Dann ist sie also
diejenige, die Euch unsere Sprache beigebracht hat, oder?“ stellte Nora
korrekterweise fest. „Ja“, erwiderte Publius: „Und es stellte sich auch heraus,
dass sie diejenige war, die diese merkwürdige Schriftrolle geschrieben hatte.
Nur leider Pech für sie. Denn was sich als dummer Jugendstreich herausstellte,
lies ich in die Tat umsetzen.“
Ich fand die ganze Situation dennoch falsch. Ich sprach mit Publius und
meinte, dass ich es bei ihrem Vater verstand, weshalb Publius so vorgegangen
war. Doch niemand sollte die Tochter für die Taten des Vaters verurteilen.
„Und genau da liegst du falsch, mein alter Freund!“ lachte Publius: „Wie
du dir sicher denken kannst, haben Caelia und ich in den vergangenen Wochen
einige Gespräche geführt. Und in einem dieser Gespräche kam heraus, dass das
Wächtersein vollkommen freiwillig ist!“ Ich riss meine Augen weit auf: sie (und
dazu noch alle anderen Ranger) machte das freiwillig?! Publius fuhr fort:
„Sobald man als Wächter zwischen achtzehn und zwanzig Jahren ist, bekommt man
gesagt, was hier tatsächlich los ist. Die Kuppeln, die unterirdischen Gänge,
warum auf einmal Menschen verschwinden und dann wieder auftauchen und plötzlich
Dinge vergessen – das alles, eben. Und dann hat man die Wahl: entweder als
Wächter anzufangen, oder die Kuppel zu verlassen. Wenn man sich für Letzeres
entscheidet, hat man dann erneut zwei Optionen: entweder man arbeitet in der
zentralen Kuppel, oder man verlässt – was auch immer das Ganze hier ist – für
immer. Und was dann passiert, soll euch meine kleine Löwin selbst erzählen.“
„Dann bekommt man einen Chip…ein Gerät eingebaut, dass jeden deiner
Schritte und jedes deiner Worte aufzeichnet. Um sicher zu gehen, dass ihr nicht
erzählt, was hier los ist. Ansonsten-“
„Ansonsten seht ihr so ziemlich aus wie dein Vater. Nämlich tot, hab ich
recht?“ beendete Publius ihren Satz, woraufhin Caelia kurz nickte.
Ich konnte es nicht fassen! Es gab Leute, die diese ganze Scheiße
absichtlich mit machten! Uns absichtlich als Versuchskaninchen missbrauchten,
obgleich sie jahrelang unter uns gelebt hatten?! Dies führte dazu, dass ich
durchdrehte, mich auf Caelia warf und wie ein Wahnsinniger auf sie einschlug
und eintrat. Ich war so in Rage, dass es Nora, Publius und Darius bedurfte mich
von ihr wegzuzerren. „Was zum Fick sollte das denn?!“ rief Nora geschockt. Ich
sah nur hinunter zu einer blutig geschlagenen Caelia und sprach: „Meine Mutter
ist bei meiner Geburt gestorben! Wäre es wirklich 1943 gewesen, hätte ich es
irgendwo verstehen können. Aber nichts von all dem hier ist real! Und Leute,
wie sie…Ranger…Wächter…wie zum Fick die auch immer heißen, haben NICHTS dagegen
unternommen!“ Caelia stand langsam auf, spuckte etwas Blut auf den Boden und
sprach: „Wer auch immer dafür verantwortlich war, durfte nichts tun. Teil der
Abmachung ist, dass wir uns nicht in die Belange der Bewohner einmischen
dürfen.“ Ich konnte es nicht fassen! Wie konnten die damaligen Verantwortlichen
den Tod meiner Mutter in Kauf nehmen?! Menschen, die das alles hier gebaut
hatten, konnten also keine Möglichkeit finden, einer sterbenden Frau zu helfen,
die Geburt ihres Kindes zu überleben?! Das machte mich so wütend, dass ich
erneut auf Caelia zu rannte, ich jedoch von Publius erneut festgehalten und
weggestoßen wurde. „Ich verstehe deine Wut durchaus“, ließ er mich wissen:
„Auch ich musste diese traurige Wahrheit lernen. Aber sei versichert, sie wird
dafür bezahlen.“
Publius lief dann hinüber zu dem Schrank, nahm einen Lappen und gab ihm
Caelia zum Saubermachen, bevor er erneu sprach: „Doch trotz des eben geschehen
Vorfalls, gibt es dennoch Anlass zur Freude.“ Natürlich sahen alle im Raum ihn
verwirrt und ungläubig an. Publius lächelte unbeirrt, lief dann auf uns zu, sah
Caelia an und meinte: „Jetzt, da wir endlich Freunde aus eine der anderen
Welten bei uns haben, habe ich nur eine Frage an dich: was ist Aylefield?“ In
diesem Moment riss sie ihre Augen auf, ließ in Schockstarre ihren
blutbefleckten Lumpen fallen und sah uns eine Weile nur an. „Komm schon“, brach
Publius die Stille: „Ich weiß, dass du weißt, was das ist. Los sag schon!“
Caelia nahm ihren Lappen wieder in die Hand, tupfte sich etwas Blut ab und
sprach: „Aylefield ist ein Ort, circa drei Meilen östlich der CP Anlagen.“
„Aha“, meinte Nora in einem genervten Tonfall: „Und in was für einer
Relation steht dieses…Aylefield zur Welt da draußen?“ Caelia wollte sprechen,
wurde aber dann von Nora unterbrochen: „Sag nix. Wahrscheinlich steht das ganze
hier nicht mal mehr in Europa. Wahrscheinlich steht das alles in der
Mojave-Wüste oder irgendwo in Montana. Scheiße, vielleicht sind wir nicht mal
mehr auf der Erde!“
„Sie haben eine rege Phantasie“, gab Caelia zurück: „Aber nein.
Aylefield und die CP-Anlagen befinden sich in korrekter Relation zu Mons Petrae
oder die Ortschaft in der mittelalterlichen Kuppel.“
„Soll heißen?“
„Soll heißen, Aylefield und die CP-Anlagen befinden sich tatsächlich
zwischen Lincoln, Manchester und York. Etwas östlich von Doncaster, wenn ihr’s
genau wissen wollt.“
„Aber Vater!“ rief Darius erstaunt und gleichzeitig verwirrt. „Heißt
das, du warst außerhalb der Kuppeln?“
„Ja“, gab Publius zurück: „Erinnerst du dich, als ich diese
‚Visionssuche‘ gemacht habe, damit dein Onkel mir damit nicht mehr auf die
Nerven geht?“ Darius nickte. „Kurzum, die Suche bin ich nicht angetreten, sondern
habe mich zum ersten Mal bewusst außerhalb der Kuppel begeben. Ich hatte zunächst
Angst – ich habe dir ja erzählt, was mir in deinem Alter widerfahren ist. Aber
ich habe schnell gemerkt, dass es absolut ungefährlich ist. Und nach etwa einer
Stunde des Laufens habe ich es gefunden. Das große Schild mit der Aufschrift ‚Welcome to Ayelfield!‘, bei dem die
Farbe schon fast vergilbt ist – und die Ortschaft, die sich dahinter
erstreckte.“
Wir alle staunten nicht schlecht. Vor allem ich, hatte man mich vor
zwanzig Jahren ja ebenfalls erwischt und mein Gedächtnis gelöscht. Ich wollte
Publius sofort über alles Mögliche ausfragen. Wie sah der Ort aus? Lebten dort
noch Menschen? Und wenn ja: hatten sie noch etwas mit dieser ganzen Scheiße,
die hier abgeht, zu tun? Oder waren sie nur Landstreicher oder etwas Ähnliches?
Und wenn niemand mehr dort lebte – gab es eine Möglichkeit, sich dort ungestört
umzuschauen? Allerdings wurde mein Entdeckerdrang mit einem Mal gebremst, als
er seine Tunica auszog und auf seinen linken Oberarm zeigte. „Seht ihr das? Das
hab ich als Andenken mitgebracht.“ Dann zeigte er auf seinen rechten Unterarm
und meinte weiterhin: „Und das hier auch. Irgendein blöder Wichser hat mich
angeschossen, als ich mir alles in Ruhe anschauen wollte!“
Hatte ich da richtig gehört?! Woher wusste Publius, ein Römer aus der
Antike, was eine (wie ich vermutete) Schusswunde war?! Noch perplexer wurde es,
als Publius nach dieser Äußerung frech grinste und meinte: „Naja, aber wie’s
aussieht, hab ich den Bastard wohl drangekriegt. Mit einem Schuss, wohlgemerkt!
Und das, obwohl ich mit dem Ding nie wirklich geübt habe!“
„Wie bitte?!“ rief Caelia, welche so verwirrt war, wie wir alle: „Woher wissen
Sie, was das ist?! Woher wissen Sie, was ein Gewehr oder eine Pistole ist?!“ Daraufhin
verschränkte Publius seine Hände hinter seinem Rücken, umkreiste sie, wie ein
wildes Tier eine verkrüppelte Beute und sprach: „Oh, kleine Löwin, glaub mir,
ich weiß so einiges! Ich weiß, was ein Gewehr ist. Ich weiß, was ein Fernseher
ist. Ich weiß, was ein Computer ist. Ich weiß, was das Internet ist.“ Dann stoppte
er vor ihr, sah ihr tief in die Augen und fügte hinzu: „Und ich weiß, dass du
die Kalenden des Aprilis nicht erleben wirst!“
ANMERKUNG:
“Nach diesen Zeilen reißt
der Eintrag vom 21. Juli 1980 von Mr. Carlisle McAvin ab. Leider war es uns
nicht möglich, das Schriftbild des restlichen Eintrags fehlerfrei zu
rekonstruieren. Dies gilt im Übrigen auch für die restlichen fünf Einträge in
diesem Buch, welche ebenfalls kaum zu lesen, geschweige denn zu rekonstruieren
sind. “
“Der Rest dieses Datenlogs beschäftigt
sich somit mit den ersten paar Absätzen von Eintrag 6. Bis auf Weiteres wird
dies auch der letzte Datenlog meinerseits sein, der sich mit dem Ende des
Containment Projects und dessen Bewohner befasst. Wir sind gerade dabei, die
Stadt Aylefield ausgiebig zu erforschen und daher habe ich wenig Zeit für
derlei Einträge.“
“Solltet ihr allerdings
nicht warten können, empfehle ich euch die Datenlog-Einträge von Q’el’oc
R’is’tho. Sie hat sich eingehend mit der Geschichte des sogenannten DOME
MEDIEVAL 1340 beschäftigt, vor allem mit den Aufzeichnungen eines gewissen
‚Brother Clemens‘.“
Seht dazu: D. M. 1340 > St. Benedictus Monastery > Brother Clemens > Berichte
Eintrag 6
22. Juli 1980
Wie es scheint, hatte Publius im Keller den Mund etwas zu voll genommen,
als er Caelia’s Hinrichtung prophezeite. Denn schon am Morgen des folgenden
Tages zitierte er mich und Nora in sein Arbeitszimmer. Nicht einmal etwas zum
Frühstück gab es, so dringlich schien es ihm gewesen zu sein!
„Die Sache sieht folgendermaßen aus“, erklärte er mit schweren Worten:
„DASS Caelia Fausta, wie auch alle Wächter sterben müssen, ist klar. Das
Problem ist nur…es fehlt mir jegliche, rechtliche Grundlage dazu.“ Vielleicht
war es der leere Magen oder die Art und Weise, wie er an die Sache heranging, aber
als er es gesagt hatte, musste ich lauthals lachen. „Ich weiß“, entgegnete er:
„das ist Wahnsinn. Aber weswegen sollte ich Fausta anklagen? Dass sie und die
anderen Wächter uns über Generationen belogen und betrogen haben? Was das
angeht, gibt es keine Gesetze dafür.“
„Ich will ja nich‘ mordlüstern daherkommen“, mischte Nora sich ein:
„aber warum haben Sie sie nicht einfach unten im Keller umgebracht? Hände um
den Hals, fest zugedrückt und fertig. Kein Blut, keine Sauerei.“
Publius stand auf, lief zu einer Büste irgendeines griechischen Denkers
hinüber, betrachte sie und sprach: „Das hatte ich zu Beginn auch vor“, sprach
er: „doch dann wurde mir klar, dass für meine Familie kein gutes Beispiel wäre.
Wir sollte ich meinem Sohn die Wichtigkeit der Tafelgesetze oder der Mores
vermitteln, wenn ich hinterrücks das genaue Gegenteil tue?“ Er lief wieder zum
Tisch und setzte sich hin, bevor er uns mitteilte, dass es noch ein Problem
gäbe: Caelia Fausta war nur eine Person. Und Publius konnte den Leuten von Mons
Petrae unmöglich die Wahrheit über die CP-Anlagen als Legitimation für ihre Hinrichtung
mitteilen, ohne sich komplett geisteskrank anzuhören! „Aber“, sagte er schließlich mit einem
Grinsen: „hätte ich zwei dieser…Wächter. Oder drei…oder besser noch, fünf –
vorzugsweise aus verschiedenen Kuppeln – dann wäre das wenigstens ein Anfang.“
„Die können wir liefern, keine Sorge“, meine Nora daraufhin lässig.
Publius sah sie erstaunt an, ehe sie ihm erzählte, was in unserer Kuppel
vorgefallen war. „Es scheint, als habe Fortuna mich wirklich zu ihrem Spielzeug
gemacht!“ rief er erfreut. Doch seine anfängliche Freude wandelte sich schnell
in ein Gefühl der Angespanntheit als er sein Kinn ergriff und sprach: „Das
bedeutet allerdings, dass wir dennoch die Meinung eines zweiten Rechtsgelehrten
brauchen. Ansonsten könnten die Leute ja auf die Idee kommen, ich dächte mir
irgendwelche Gesetze aus.“ Ich fragte ihn, wem Publius da vorschwebte.
Stattdessen sagte er nichts, meinte nur, ich solle mit ihm mitkommen.
Ich wusste nicht so recht, was Publius vorhatte. Wen wollte er zu diesem
Thema befragen? Und vor allem, wie konnte er sichergehen, dass dieser
Rechtsgelehrte nicht auch
|:| “Wie bereits gesagt, endet hier
das Schriftbild des Eintrags. Wen P.S.
Tertio und Mr. Carlisle McAvin um Rat gefragt haben und wie es weiterging,
wissen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht. Sollten jedoch weitere
Schriftstücke oder Mediendateien entschlüsselt werden, werde ich die
Datenlog-Einträge fortführen“.