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CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 2: Alexis

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Hier die chronische Auflistung aller Pastas, die zu dieser Reihe gehören.

DN-AGE Erinnerungen (2270)

DN-AGE Erinnerungen I – Beauftragt
DN-AGE Erinnerungen II – Missbraucht
DN-AGE Erinnerungen III – Gebrochen
DN-AGE Erinnerungen IV – Gerettet
DN-AGE Erinnerungen V – Gefunden
DN-AGE Erinnerungen VI – Psychopaten Lachen Nicht

Containment Project 1 (2270)

Containment Project I – Dies sind die Worte von Publius Septimus Tertio
Containment Project II – The Greasemonkey Diaries
Containment Project III – EXIT
Containment Project IV – Gedanken

Containment Project 2 (2290)

CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 1: Nora
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 2: Alexis
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 3: Caelia
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 4: Bromios
CONTAINMENT PROJECT 2 Teil 5: Lavender

 

CONTAINMENT PROJECT
AUSWERTUNG

DATENLOG 28

Name: Qar’Ek Da’qu

Verwaltungsbereich: Leiter Historische Auswertungen der Containment
Project-Anlagen auf SOL-00I

Datum: 28. Tag des sechsten Monats, Jahr 372 nach Gründung der Republik

Berechtigung:
ERTEILT

|:| “Wie bereits am Ende von
Datenlog 26 angemerkt, haben wir keine weiteren Einträge von Miss Nora Cayden,
noch von irgendwem sonst auf dem Zentralcomputer gefunden. Allerdings machten
wir bei unserer Erforschung des Ortes Muntun Upon Stynn eine sonderbare
Entdeckung. In einem hohlen Bereich unterhalb der Holzdielen des Wohnbereichs
von Miss Nora Caydens Haus, fanden wir ein Gerät, dass die Bewohner dieses
Planeten als „Laptop“ bezeichneten. “

“ Es war eine ziemliche
Arbeit, alle Daten nach so langer Zeit wiederherzustellen, aber schließlich
gelang es uns, mehrere Dateien zu sichern. Neben zahlreichen Daten von einer
Person, die wir als die ursprüngliche Besitzerin des Geräts halten, fanden wir
auch einige Dokumente, geschrieben von Miss Nora Cayden. Wir gehen davon aus,
dass sie das Gerät gefunden und weiterbenutzt hat und nicht die eben erwähnte,
ursprüngliche Besitzerin ist.“

“ Es folgt – in
chronologischer Reihenfolge – eine Zusammenstellung alle Einträge von Miss Nora
Cayden auf diesem Gerät. Falls ihr Datenlog 26 noch nicht gelesen habt, so
verweise ich auf Einträge zu: D.E.1920 > Cayden Chemistries > Tagebucheinträge. “|:|

Eintrag 14

19. Juni 1980

Wisst ihr, wie komisch das ist? Die Eintragsnummer auf etwas
fortzuführen, dass so komplett anders ist, als alles, was ihr kennt? Egal,
nehme schon wieder einiges vorweg. Kurzum, ich hab’s getan. Ich habe mir eine
Taschenlampe, einen Mantel, eine kleine Pistole und etwas zum Rauchen und Essen
geschnappt und habe mich um circa zehn Uhr nachts zum Gully mitten auf der
Straße begeben. Zum Glück hat mich keiner gesehen! Ich machte die Taschenlampe
an, öffnete den Gully und kletterte also nach unten.

Nun, zugegeben, Carlisle hatte mir bereits gesagt, dass er sich daran
erinnerte, dass es tief hinunterging. Doch scheinbar hatte er vergessen, WIE
tief es war! Ich verarsche euch nicht, wenn ich sage, dass ich gute fünf
Minuten lang nach unten geklettert bin! Aber als ich unten ankam, konnte ich
sehen, was Carlisle gemeint hatte. Ich drehte mich um und sah die gelbe Schrift
neben der Leiter: D. E. 1920 – RD. Es war kaum noch lesbar. Die 9 war komplett
abgeblättert, das R sah mehr nach einem P aus und das E schien auch schon auf
halbem Wege zum F zu werden. Und der Rest des Gangs sah nicht besser aus.
Langsam lief ich diesen entlang und starrte auf kaputte oder flackernde
Lichter, tropfende Rohre, rostige Ventile und dergleichen.

Ich lief und lief, bis ich zu einer weiteren Leiter kam, neben der D. E.
1920 – SQR stand. Auch hier war das Schriftbild beinahe verblasst und die einst
so gelbe Wandfarbe am Abblättern. Mein erster Instinkt war natürlich,
hinaufzuklettern um su sehen, was sich über diesem Gully verbarg. Doch die
Abenteurerin in mir wollte sehen, was ich denn in diesem – nun verlassenen –
Gängesystem wohl noch alle finden würde. Vielleicht einige Hinterlassenschaften
der Leute, die uns in diese Kuppel gesperrt hatten? Nun ja, wie ich Eingangs ja
schon impliziert habe, habe ich durchaus etwas gefunden. Aber…alles der Reihe
nach.

Ich ging also weiter die Gänge entlang, bis ich letztendlich an einer
Tür ankam, daneben ebenfalls eine markierung in dieser fetten, gelben
Aufschrift. Wie auch an den Leitern war sie ziemlich abgeblättert, doch konnte
ich sie gerade noch entziffern: D. R. -44 UTILITY & STAFF. Was bedeutete
das? D. R. -44? Ganz gleich was es bedeutete, die Bezeichnungen „Utility“ und
„Staff“ reichten mir aus, um den Türgriff zu versuchen. Und wie schon bei der
Tür an der Kuppelwand löste sich das Schloss und ich trat ein.

Eintrag 15

19. Juni 1980

Wie ihr euch vorstellen könnt, gab es augenscheinlich nicht viel zu
sehen. Ein Tisch in der Mitte, an den Wänden zahlreiche, futuristische
Gerätschaften, von denen ich keine Ahnung habe. Doch an der Wand links neben
der Tür befanden sich eine Reihe Spinde, jeder einzelne mit einem
futuristischen Tastenfeld versehen. Ich vermutete, dass man hier eine Art
Kombination eingeben musste und suchte den Raum daher gründlich ab. Leider fand
ich außer einigen wertlosen Papierfetzen nichts, was mir irgendwie weiterhalf.
Ich brauchte also etwas…Handfesteres.

Ich suchte also die verlassenen Gänge rund um den Raum ab um etwas zu
finden, mit dem sich die Spinde aufbrechen ließen. Und nach einer Weile fand
ich es. Dort, auf dem Boden des Gängesystems, im flackernden Schein einer der
zahlreichen Lampen: ein verwestes Skelett, in dessen Schädel jemand eine
Brechstange geschlagen hatte. Was für ein Glücksfund! Und obgleich mich der
Anblick etwas anwiderte, zwang ich mich einen Fuß auf den Schädel zu legen und
die Stange herauszureißen, ehe ich wieder zurückging.

Dort fiel mir auch jetzt erst auf, dass sich auf den Spinden einige
Namensschilder befanden. Ich nahm die Brechstange fest in die Hand und öffnete
zuerst den Spind einer gewissen A. Pembridge. Was ich darin fand war…nun
ja…seltsam. Merkwürdige, futuristische Kleidung, das Gerät, auf dem ich das
hier schreibe, sowie ein kleines, schwarzes Rechteck, welches anging, als ich
einen Knopf an der Seite drückte. Sofort blitze ein Bildschirmauf auf, auf dem
stand, dass heute der 21. April 2290 sei. Wir waren also in Wirklichkeit so
weit in der Zukunft? Diese Erkenntnis weckte die Lust in mir, die anderen
Spinde zu durchsuchen. Ich verlor also keine Zeit, ergriff die Brechstange
erneut und riss den Spind von D. Pembridge auf.

Auch hier fand ich eine Reihe futuristischer Kleidung, jedoch auch noch
etwas Anderes. Fast die Hälfte des Stauraums des Spinds wurde von zwei großen
Plattenhüllen, sowie einem Magazin eingenommen. Ich nahm eine Hülle heraus und
las:

“Hallo an alle Ödländer,
Vault-Bewohner, Minutemen, Railroad‑Agenten und solche, die es werden wollen!
Vielen Dank, dass Sie sich die Rods & Brods Fallout-Sonderausgabe noch vor
Erscheinungsdatum bestellt haben! Als Dankeschön erhalten Sie diese zwei
limitierten Vinylplatten voll mit all Ihren Lieblingshits zum
Jahrestags-jubiläum dieser legendären Spiele-Reihe. Perfekt zum Chillen, Partys
feiern – oder um einer Siedlung zu helfen.“

Ich hatte keine Ahnung, was irgendetwas von dem bedeutete. Ich wusste
nur eines: in den Umschlägen befanden sich Platten – und ich habe ja ein
Grammophon. Ich hatte anfangs nicht mit dem Gedanken gespielt, von hier
irgendetwas mitzunehmen – scheiße, ich habe nicht einmal angenommen, hier unten
auf etwas wie DAS hier zu stoßen. Aber als ich mir die futuristische Kleidung
und die Platten so ansah, beschloss ich, beides einfach mitzunehmen. Immerhin waren
die eigentlichen Eigentümer entweder lange tot, oder sie interessierten sich
einfach nicht mehr für ihre Hinterlassenschaften.

Natürlich war mir bewusst, dass Carlisle mich wahrscheinlich
diesbezüglich ermahnen würde. Aber erstens ist er nicht mein Vater und zweitens
hat das bei ihm auch nie wirklich geklappt!

Eintrag 16

20. Juni 1980

Ich bin wieder zuhause. Zum Glück hatte niemand meine Abwesenheit
bemerkt, aber ich habe noch immer eine Gänsehaut. Nicht von dem Nervenkitzel,
erwischt werden zu können, sondern von etwas vollkommen anderem.

Ich habe ja im letzten Eintrag gesagt, dass ich die Kleidung, die
Platten und das Magazin mitgenommen hatte. Nun ja. Nachdem ich mein Grammophon
(aus Furcht, dass mich jemand hören könnte) in den Keller getragen hatte, legte
ich eine der beiden Platten auf – und was ich hörte, kann ich immer noch nicht
in Worte fassen.

Diese Musik! Sie war so anders, als alles, was wir hier in Muntun
kennen! Sie ist aufrüttelnd, ekstatisch, euphorisch – aber zuweilen auch wehmütig,
schwer und nachdenklich. Was mir allerdings sofort ins Auge sprang, als ich mir
das Magazin durchblätterte, waren die verschiedenen, zuweilen aufreizenden
Kleider und eigenartigen Frisuren, die zahlreiche weibliche Modelle auf
farbigen Fotos trugen. Ja, ich verarsche euch nicht! Wir reden hier von
Seitengroßen, farbigen, gestochen scharfen Fotos! Die Kamera, die so etwas
vollbringen kann, würde ich gerne mal in den Händen halten!

Und als ich mir die Fotos so ansah, reifte in mir eine Idee. Ich könnte
dafür richtig Ärger bekommen und wie Carlisle ebenfalls meine Erinnerung
gelöscht bekommen, aber ich würde es riskieren! Wie ich in meinem allerersten
Eintrag geschrieben habe, habe ich eine Vorliebe für das Zeichnen. Kurz gesagt:
ich nahm das Magazin nach oben und zeichnete einige der Kleider und Frisuren
minutiös ab. Vor allem ein türkisfarbenes Kleid, bei dem die Ärmel nur bis zur
Hälfte des Oberarms reichen, hatte es mir angetan. So auch eine Frisur, die,
wie ich fand, gut zu meiner aufsässigen Persönlichkeit passte.

EINTRAG 17

21. Juni 1980

Ich war heute nach der Arbeit bei Mr. Dillard, unserem Schneider. Hatte
mich für diesen Anlass Ausnahmsweise mal fein zurechtgemacht um zu zeigen, dass
ich ein wirkliches Anliegen hatte. Als er fragte, was ich denn hier wolle,
grinste ich und zeigte ihm meine Zeichnung des türkisenen Kleides. Er starrte
es eine Weile an, bis er zu mir aufsah. Für mich fühlte es sich allerdings wie
eine halbe Ewigkeit an, hatte ich doch immer insgeheim die Angst, dass Mr. Dillard
einer der Personen war, welche dafür sorgten, dass Menschen spurlos
verschwanden, nur um einige Zeit später wiederzukommen.

„Glauben Sie, Sie kriegen das hin?“ fragte ich, um die Stille zu
beenden. Er strich sich durch seinen vollen, grauen Bart, starrte wieder auf
meine Zeichnung und meinte: „Sieht kompliziert aus, Ms. Cayden. Dafür habe ich
auch gar keinen Schnitt!“ Ich bat ihn, es dennoch zu versuchen und er lächelte
nur: „Aber Ihre Herausforderung nehme ich gerne an!“ Er nahm daraufhin Maß an
mir, ehe er meinte, ich solle in zwei Wochen wiederkommen.

*          *

Sitze nun wieder in meinem Keller und höre mir diese Musik an, die für
mich wie eine Art Offenbarung klingt. Sollte Mr. Dillard dennoch einer dieser
Menschen sein, so werde ich vorsichtshalber dieses Gerät, zusammen mit dem
Magazin und den Platten sorgfältig verstecken.

Wer auch immer dies nach Auffindung liest: ich hoffe, ihr seid dieser
Kuppel entflohen oder habt die Hintermänner enttarnt.

Gezeichnet

Nora Cayden

ANMERKUNG:

“Als Leiter der historischen
Auswertungen der CP-Anlagen, habe ich mir ab diesem Punk die Freiheit genommen,
alles, was Miss Nora Cayden in den nächsten zwei Wochen notiert hatte,
außenvorzulassen. Bei diesen Einträgen handelt es sich mehr oder minder um eine
Chronik der (Liebes-) Beziehung zwischen Miss Nora Cayden und Mr. Carlisle
McAvin, welche für den weiteren Verlauf von Miss Nora Caydens Geschichte
irrelevant ist. Das Einzige, was hierbei von Belangen ist, (betrachtet man
andere Aufzeichnungen, welche wir in den C.P.-Anlagen gefunden haben), ist,
dass Miss N.C. erfährt, dass Letzterer fließenden Lateinkenntnisse beherrscht.“

EINTRAG 26

4. Juli 1980

Heute war es also soweit. Es war fertig. Mein Kleid war endlich fertig!

Heute Morgen erhielt ich einen Anruf von Mr. Dillard und machte mich
sofort auf den Weg. Ich habe Carlisle absichtlich nichts von all dem erzählt,
wusste ich doch, dass er Mr. Dillard davon abhalten würde, das Kleid
fertigzustellen. Das klingt zwar gemein, ich weiß. Aber immerhin bin ich weder
seine Verlobte, noch seine Ehefrau…zumindest NOCH nicht! Und außerdem kenne ich
ihn gerade erst seit zwei Wochen – etwas zu früh, sich gegenseitig all seine
Geheimnisse zu verraten, finde ich.

Ich ging also zu Mr. Dillard und handelte mit ihm einen Preis aus. 50
Pfund – ziemlich überteuert, wenn man bedenkt, dass die meisten Kleider maximal
zwanzig Pfund kosteten. Egal, das war es mir Wert! Ich zog es nach Bezahlung sofort
an und es passte wie angegossen! Ich verschwendete keine Zeit, mich sofort zu
Mr. Hayes, unserem Friseur zu begeben. Auch hier geschah etwas Ähnliches, wie
zwei Wochen zuvor in der Schneiderei. Zuerst wusste er nicht so recht, was er
mit meiner Zeichnung einer der merkwürdigen Frisuren anfangen sollte, doch
nachdem er sie lange genug studiert hatte, ging er ans Werk.

Das Ergebnis? Nun ja, sagen wir es mal so: es sieht nicht komplett
scheiße aus! Aber so ganz wie auf den Fotos war es nicht. Das war zu erwarten,
aber ich war dennoch mit dem zufrieden, was Mr. Hayes aus meiner Zeichnung
gemacht hatte. Danach kam das, auf das ich mich den ganzen Tag (und in gewisser
Weise, seit zwei Wochen) wartete: flanieren!

Nun gut, zugegeben, ich bin nicht die Art von Mädchen, die ihren
Schmuck, ihren Rouge und ihre Kleider vor aller Welt zur Schau stellt – aber in
diesem Fall war ich gewillt, eine Außnahme zu machen. Scheiße man! Wenn man mir
dafür schon mein Gedächtnis ausradierte, dann wollte ich zumindest davor etwas
Spaß haben! Und was für ein Spaß ich hatte! Natürlich schauten alle Kerle mir
nach, Sheller und seine braven Schäfchen schüttelten nur fassungslos ihre Köpfe
und ich machte mir einen Spaß zuzusehen, wie selbst die oberflächlichsten
Frauen giftgrün vor Neid wurden!

Und meine Eltern? Sie fanden mein neues Erscheinungsbild zwar
gewöhnungsbedürftig, dennoch hatten sie generell nichts dagegen auszusetzen.
Wenn überhaupt, dann hatte ich ihnen wohl mit der Tatsache, dass ich endlich
mal ein richtiges Kleid trug, eher eine Freude bereitet.

Auf Beckys Reaktion…war ich allerdings nicht gefasst. Als ich wieder in
die Apotheke ging, um endlich meinen Laden aufzumachen (es war immer noch ein
regulärer Arbeitstag!), kam sie herein und sah gar nicht erfreut aus. Ich
fragte sie, was denn los sei und sie meinte, ich solle mich nicht so „aufbrezeln“
und dass ich „es nur tat, um Streit zu suchen“. Zugegeben, ihre Worte
verwirrten mich sehr, doch ich tat es mit Humor ab und meinte nur, ab morgen
bekäme sie wieder die normale, sarkastische, no-bullshit Nora zurück.

Das sagte ich übrigens auch zu ihr, nachdem ich die merkwürdige Musik in
der Apotheke abspielte. Ja, ihr habt richtig gelesen – nach langem Zögern hatte
ich mich dazu entschlossen, die merkwürdige, ekstatische Musik in der Apotheke
abzuspielen, während ich die Kunden bediente. Zu Letzterem kam es nach einer
kurzen Weile jedoch nicht mehr, da die Musik mehr und mehr (hauptsächlich
junge) Leute anlockte und das Ganze schließlich eine Tanz- und Rauchparty
mündete. Ich musste das Grammophon sogar nach draußen verlagern, da es drinnen
viel zu eng wurde!

Und wie ihr euch denken könnt, war Sheller mit seinem gepolter nicht
weit. Wutentbrannt, mit schäumendem Mund und wirren Phrasen kam er in meine
Straße, rief von Elend und Verdammnis. Es brachte, wie immer, jedoch nicht
viel. Seine Zurechtweisung erfolgte prompt – allerdings vernahm ich in all dem
Trubel zwei Sätze von ihm, die ich noch genau im Gedächtnis habe und nun zitieren
werde:

„Suche den Herrn, solange er nahe ist, mein Kind! Diene ihm und lasse ab
von diesem gottlosen Rock n‘ Roll!“

Zugegeben, als er es sagte, hatte ich nicht so recht zugehört; aber
jetzt treibt mich die Frage um: woher weiß Sheller, wie sich diese Musik
nennt?!

EINTRAG 27

5. Juli 1980

Es ist…etwas Schreckliches passiert! Carlisle wurde verhaftet! Verdammt,
er wurde VERHAFTET!!!

Falls ihr das lest und zu den Verantwortlichen gehört: ich weiSS, warum ihr es getan habt! Ich weiSS, was hier los ist! Und ihr werdet
NICHT damit durchkommen!

ANMERKUNG:

“Hier enden die Einträge von
Miss Nora Cayden abrupt und fangen erst am 20. Juli 1980 (in echt der 24. Mai
2290) wieder an. Und obgleich wir uns bemüht haben, Aufzeichnungen aus diesem
Zeitraum Zu finden, scheint es nach gegenwärtigem Stand unserer Forschung
tatsächlich keine zu geben. Allerdings gibt es ein Video (in zwei separate
Aufnahmen geteilt) von Miss Nora Cayden selbst, aufgenommen am „16. Juli 1980“.
Es folgt nun die Übersetzung, bzw. Transkription dieser Aufnahmen, welche sich
mit dem letzten Eintrag von Miss Nora Cayden ohne Kommentars meinerseits
fortsetzt. “

Transkription VON FUNDSTÜK NR. 41.153

“’WIEDERHERSTELLUNG
DURCHGEFÜHRT VON: Qar’Ek Da’qu“‘

Transkription DURCHGEFÜHRT VON: Qar’Ek Da’qu

Es ist jetzt…mal schau’n…elf Uhr dreiundzwanzig nachts. Ich bin immer
noch vollkommen fertig. Scheiße man, ich hätt‘ es wissen müssen! Naja scheiß
drauf, los geht’s.

Also die Sache war folgende: Ich hab‘ denen gesagt, dass ich weiß, warum
die’s getan haben. Das hieß die konnten Carlisle nicht länger als zwei Wochen
festhalten, bevor sie ihn wieder springen lassen mussten. Ich mein, was sollen
die den guten Leuten von Muntun auch sagen?

Naja, egal. Jedenfalls hab‘ ich ‘nen Weg gefunden, es den Pissern heimzuzahlen.
Hab‘ alles versteckt; die Platten, das Kleid, hab‘ meine Haare wieder „normal“
schneiden lassen. Dann ‘ne  Platte von
mir verbrannt; den Rauch hat man gesehen.

Und dann zwei Wochen lang auf arme Sünderin gemacht. Schön brav zur
Kirche gegangen, Bibelkreis, Jugendkreis, arme alte Omas besuchen und so’n
Scheiß. Warum ich so nen Dreck mitgemacht hab‘? Sheller hat’s fressen müssen.
Und er hat’s gefressen! Soweit es den angeht, bin ich reformiert.

Also, was is hier los? das kann ich euch sagen: das verfickte
Containment Project, das ist hier los! Wir sind nix anderes als scheiß
Versuchskaninchen! Scheiß Ratten in ‘nem scheiß Labyrinth in dem wir schon seit
sechzig Jahr’n rumrennen! Woher ist das weiß?

> N.C. schwenkt hinüber zu einem jungen Mann, der entweder durch
Alkohol oder Drogeneinfluss (oder beidem) vollkommen lahmgelegt wurde. < Das is‘ der Pisser, der’s mir verraten hat. > N. C. schwenkt wieder auf sich. < Ihr wisst schon, der Typ, der Charisma für’n indisches Gewürz halten würde! Hat mir alles erzählt. Hat mir von den vier Kuppeln mit den vier Zeitzonen erzählt: Jungsteinzeit, Antike, Mittelalter und Moderne. Fuck, jetzt ergibt Carlisle’s Tagebuch auch ‚nen verfickten Sinn!  Hat mir von den Rangern erzählt. Eben, wie er einer is‘. Menschen, die unter uns leben; sich so anziehen, wie wir; so reden, wie wir; so arbeiten, wie wir. Die passen auf, wisst ihr; die passen auf, dass wir keinen Scheiß bauen. Keine Sachen erfinden, die nicht in unsere Zeit passen. Keine Dinge in die Welt tragen, die hier nicht hingehören. > N. C. fängt an zu weinen. <

Hat mir gesagt, dass alle wichtigen Personen dazugehör’n. Der
Bürgermeister, Sheller natürlich, Lord MacDonald und seine Familie, ‘n paar
Andere…und Becky. Naja, nich‘ Becky direkt, mehr ihre Familie. Hab‘ ja
geschrieben, dass ihr Alter der Postbote is‘. Jetzt ergibt das auch alles einen
Sinn.

Klar, wenn das hier alles gefälscht is‘, brauchste ja auch jemanden der
die Post gewissermaßen „abfängt“. Scheiße, ich muss aufhör’n, sonst krieg‘ ich vor
lauter Flennen gar nix mehr raus!

ANMERKUNG:

“Das Folgende stammt aus
Fundstück Nr. 41.154, aber es ist offensichtlich, dass FS. 41.153 und FS. 41154
nacheinander aufgenommen wurden.“

So, hier bin ich wieder. Wie ich das angestellt hab‘? Naja, etwa ‘ne
Woche nach meiner „Besserung“ hab‘ ich’s dann endlich geschafft, den Typen zu
‘ner Verabredung bei mir zu Hause zu überreden. Scheiße, kann’s selbst nich‘
glauben, dass das so einfach war! Lange Rede, kurzer Sinn, ich hab dem
irgendwas zum Rauchen gegeben. Etwas, dass den Geist frei macht, einen ein
bisschen mehr Empfänglich macht.

Der Typ war so dermaßen geistig weggetreten, dass er gar nich‘ gemerkt
hat, dass ich alles gefilmt hab‘! Naja, jetzt is‘ die Wahrheit raus und dafür
bin ich froh. Werd‘ die Kamera verstecken und mir jetzt die Kante geben,
damit’s  eben nich‘ so aussieht, wie’s
eben gerade aussieht. Weiß nich‘, ob ich noch irgendwas danach aufnehm‘, aber
am Sonntag wird was passier’n! Was richtig Großes!

ENDE DER TRANSKRIPTION

EINTRAG 28

20. Juli 1980

Es ist vollbracht. Wir sind frei. Das Containment Project in D.E. 1920
ist gescheitert.

Heute ist Sonntag, der 20. Juli 1980 – oder ist es das? Das hat man uns
gebracht zu glauben. Sechzig Jahre lang. In Wahrheit ist heute der 24. Mai
2290. Aber lasst mich erzählen, was passiert ist.

Es läutete 10 Uhr morgens und ich ging, wie man es von mir erwartete, in
die Kirche. Volles Haus, perfekte Bedingung also, die Falle zuschnappen zu
lassen. Der Bürgermeister war dort, ebenso Lord MacDonald mit seiner Familie.

Ich setzte mich, ganz schuldbewusst und voller Schande, am äußersten
Rand der (von der Kanzel aus gesehen) linken Bankreihe und legte meine
Handtasche auf mein züchtiges Sonntagskleid. Ich hörte Sheller zu, wie er vom
Heiland und dem Sündenbabel jenseits diesem redete. Innerlich lachte ich über
jedes seiner Worte, doch musste ich nach außen hin Fassung bewahren. Als er
fertig war, ergriff ich meine Chance, stand auf und sprach demütig: „Lieber
Reverend, liebe Gemeinde. Ich weiß, ich habe mich in der Vergangenheit nicht
immer gottesfürchtig verhalten. Daher denke ich, dass es an der Zeit ist, euch
etwas zu gestehen.“

Ich sah Sheller und die Gemeinde an. Einige hatten einen verdutzten
Gesichtsausdrück, andere nickten zustimmend und andere warteten gespannt
darauf, was ich zu beichten hätte. Sheller selber nickte nur leicht und meinte,
ich solle vor sie alle treten und bekennen, was ich auch tat. Langsam stand ich
auf, legte meine Handtasche zu Boden und ging nach vorne. Und als wir uns
gegenüberstanden, hielt ich einen Moment inne, ehe ich Sheller tief in die
Augen sah und ihm dann das hämischste und bösartigste Grinsen entgegen
schmetterte, zu dem ich imstande war.

Sein Gesicht! Ich werde es nie vergessen! Sein Gesicht! Zunächst war er
verwirrt, hatte er doch auf einen Ausdruck der Demut meinerseits gehofft. Doch
dann weiteten sich seine Augen und ich konnte deutlich seine Furcht erkennen.
Doch Furcht wovor? Dass ich doch eine Abkehr vom Glauben gemacht hatte und mich
nun vor allen nackt entblößen würde? Oder etwas viel Profunderes? Dass ich
verstanden hatte, WAS hier abging und es mit allen Teilen würde? Ganz gleich,
was er dachte, ich tat Letzteres. Ich drehte mich um und erzählte der Gemeinde
alles. Ich erzählte ihnen vom Containment Project. Von den anderen drei Kuppeln
und der zentralen Kontrollkuppel. Von den Rangern und dass der Bürgermeister,
Lord MacDonald, Sheller selbst und eine ganze Reihe Anderer Autoritätspersonen dazugehörten.

Ich sah auf die Gesichter der Offenbarten und wie erwartet, stritten die
entsprechenden Personen alles ab. Was dann jedoch passierte, hatte ich nicht
erwartet: einige Personen standen plötzlich auf und fingen an von seltsamen
Funden zu reden. Funden wie etwa den Kacheln, von denen scheinbar mehrere aus
der Kuppel gebrochen waren. Von seltsamen Geräten, die sie beim Warten auf den
Bürgermeister in dessen Büro gefunden hatten.

Aber natürlich gab es zu Recht einige Skeptiker unter ihnen die fragten,
ob ich denn neben Hörensagen und einigen Anekdoten handfeste Beweise dafür
hatte. Und hier kam meine Handtasche ins Spiel: darin hatte ich nämlich die
Kamera mit der ich das „Geständnis“ des jungen Polizisten aufgezeichnet hatte.
Natürlich wollten sich die Verantwortlichen das Beweismittel sofort aneignen, wurden
jedoch von mehreren starken Männern festgehalten, ehe die Kamera durch die
verschiedenen Hände der Gemeindemitglieder wanderte, während das „Geständnis“
abgespielt wurde. Einige reagierten schockiert, einige verwundert, Andere
nickten nur – als ob sie nun etwas bestätigt sahen, das sie schon lange geahnt
hatten.

Von da an ging alles sehr schnell. Mit Schlägen und Hieben trieb man die
Verantwortlichen, diese…Ranger aus der Kirche und auf die Straße, scheuchte sie
durch den Ort bis sie an der Polizeiwache ankamen. Dort sperrte die Meute diese
Ranger, wie auch die Polizisten selbst, in die Zellen ein und ich benutze die
Schlüssel des Wachtmeisters, um Carlisle rauszuholen.

Dieser war sichtlich verwirrt und es bedurfte einige Aufklärung
meinerseits, um ihn verstehen zu lassen. Allerdings nötigte er mich dazu, der
Meute einige Worte zu sagen, hatte ich sie doch erst dazu aufgebracht, gegen
die ansonsten respektablen Leute des Ortes zu rebellieren. Im Prinzip sagte ich
nicht viel, außer, dass die Leute sich nun mäßigen sollten und nicht anfangen
sollten, willkürliche Verdächtigungen anzufangen, wer denn hier nun ebenfalls
ein Ranger war und wer nicht.

Desweiteren sagte ich ihnen, dass Carlisle und ich uns nun auf den Weg
in die antike Kuppel machen würden, da dieser ja bereits Bekanntschaft mit
einer Person aus dieser Kuppel gemacht hatte. Sollten wir in drei Tagen nicht
wieder zurück sein, sollten die Leute sich einen dieser Ranger nehmen und sich
den Ausgang aus unserer Kuppel zeigen lassen.

Natürlich fand Carlisle die Idee nicht sonderlich gut, hatte sich in den
zwanzig Jahren wohl auch sehr viel in der antiken Kuppel verändert und es war
ungewiss, ob der Junge von damals Carlisle überhaupt noch erkennen würde. Doch
da Carlisle so ziemlich der Einzige in dieser Kuppel war, der Latein gut genug
sprach, musste er einsehen, dass ich Recht hatte.

Allerdings war uns beiden klar, dass wir in unserer modernen Kleidung
sofort erkannt werden würden und man, wer weiß was, mit uns anstellen würde.
Wir hielten es daher ratsam, einige römische Kostüme aus dem Kostümraum unseres
örtlichen Theaters zu nehmen und uns umzuziehen. Was Carlisle anging, so machte
er dennoch einen Abstecher zu sich nach Hause, um sich vollends umzuziehen,
hatte er denn die letzen zwei Wochen in den gleichen Sachen ausharren müssen.

Das bizarrste (jedenfalls für mich) war jedoch, dass er mit zwei Ringen
wiederkam und darauf beharrte, dass wir sie uns ansteckten. Wenn ihr meine
Videos und Tagebucheinträge gelesen oder gesehen habt, werdet ihr wissen, dass
er mir tatsächlich einen Antrag gemacht hatte, ich ihm jedoch gesagt hatte,
dass ich noch darüber nachdenken müsse. Er meinte, es hätte irgendwas mit der
römischen Kultur zu tun und dass wir daher auf Nummer sicher gehen sollten. Ein
eigenartiges Gefühl, muss ich zugeben. Aber sei’s drum.

Wir zogen uns also unsere Kostüme an und kletterten durch den Eingang im
Zentrum von Muntun. Was ich mir unter meinem Kostüm angezogen habe? Nun, sagen
wir es mal so: da ich jetzt nicht mehr auf reumütige Kirchgängerin machen muss,
habe ich mich für etwas entscheiden, bei dem sich Sheller wahrscheinlich die
Kugel geben würde!

ANMERKUNG:

“Es wird denjenigen, die
diese Arbeit lesen, aufgefallen sein, dass das Video (bzw. eine Transkription
und Übersetzung) des sogenannten „Geständnisses“, welches Miss Nora Cayden
aufgenommen hatte, in Gänze fehlt. Dies liegt ganz einfach daran, dass es uns
nicht möglich war, es fehlerfrei auf unsere Systeme zu übertragen. Es sei
jedoch hier anzumerken, dass das mit 90 % aller Video- und Audiodaten, die wir
auf dem gesamten Planeten gefunden haben, der Fall ist. Von 10 möglichen Daten
schaffen wir es meist nur, zwei oder drei davon fehlerfrei zu entschlüsseln. Dies
liegt zum Einen daran, dass wir es hier mit zweihundert Jahre altem Material zu
tun haben und zum Anderen an unseren eigenen, fremden (man mag auch sagen,
außerirdischen) Systemen, mit denen ein Großteil der Dateien einfach Probleme
hat. Ich bitte dies also zu berücksichtigen.“

 

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