
Der morgendliche Kampf
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich wohne in einem Wohnkomplex am Stadtrand von Dortmund. Einer dieser Wohnkomplexe mit siffiger Fassade, an dem vor Ort die zerspringenden Flaschen flüstern. In einem der vielen Appartements, die wabenartig angelegt sind und deren Fensterscheiben die Müllsäcke im Eingangsbereich reflektieren, habe ich bis eben in mein Kissen geschnarcht. Ich sage deshalb habe, weil mich der Wecker seit zehn Minuten ununterbrochen terrorisiert.
Ich hasse es aufzustehen. Gleiches gilt für das Weckerklingeln. Er schellt und schellt und schellt. Das schläfrige Gesicht verziehend und während ich mir das halbe Kissen ans Ohr presse, fasse ich den Entschluss: Heute werde ich es tun. Mir reicht es. Ich habe ihn extra bereits am Vortag neben mir platziert. Ich greife zu einem Hammer, den ich im nächsten Moment auf den Wecker niedersausen lasse, was diesen auf der Stelle zerschellen lässt.
„Hast du davon… blöder Wecker.“ Ich wälze mich herum, um noch ein wenig zu dösen. Und nach fünfzehn Minuten komme ich zu mir.
Mechanisch und schläfrig umher tastend, erhebe ich mich aus der Matratze, um mich der edelmütigen Aufgabe zu widmen, mir die Beißer zu putzen. Und spätestens als ich mir den Zeh angestoßen habe, der so rot anschwillt wie der Schädel eines fanatischen Fußballfans, bin ich nun bei vollständigem Bewusstsein.
„Der Tag zeigt mir so früh den Mittelfinger?“, murmele ich zu mir.
Ich esse was, ziehe mich an und stelle mich auf meinen Kollegen ein, der jeden Augenblick vor der Tür stehen muss. Und da klingelt es auch schon. Punkt 7:00 Uhr.
Ich husche herüber. Wir begrüßen uns wie immer zuerst, bevor es losgeht. Dann durchzieht mich bereits ein heftiger Schmerz, als Faustknöchel auf mein Gesicht treffen. Ich strauchle, falle auf den Gang zurück. Ich fasse mir an die blutende Backe, die wegen seines Fingerrings wohl mit Nadel und Faden geflickt werden müsste. Zugegeben, das war ein ordentlicher Schlag.
Inzwischen ist der Besucher über die Türschwelle getreten, um mir hinterher vollen Anlaufs sein Knie ins Gesicht zu rammen. Meine Lippe platzt auf, ich verliere ein paar Zähne. Auch kann ich wie immer feststellen, dass der Schmerz immer erst nach dem Taubheitsgefühl eintritt, was ich doch jedes Mal sehr faszinierend finde.
Als Nächstes lässt er sich auf meine Brust nieder. Nur um wie ein Wahnsinniger auf mich einzuschlagen, solange bis mein Nasenknochen zu krachen und sich wie Knete zu verformen beginnt und mir die Wangen in allerlei Farben anschwellen. Als die Schläge irgendwann ablassen, versucht er mich stattdessen zu erwürgen, mit nur einem Ziel vor Augen: mich töten zu wollen.
Mit einer Hebelwirkung (die mir aus dem Judokurs vor Jahren eingefallen ist) kann ich kontern und werfe ihn mit dem Rücken voraus über mich hinweg, wodurch er direkt durch den Ablagetisch aus Glas kracht und einen Schmerzensschrei von sich gibt. Da sein Rücken jetzt an eine Akupunkturbehandlung nur mit Glasscherben erinnert, windet er sich wie eine Made am Boden. Ich greife mir einen Schal in der Nähe (eine Hinterlassenschaft meiner ausgezogenen Exfreundin) und beginne damit meinerseits ihn zu würgen. Während ich dies tue, hacke ich mit einer Gabel auf seinen Kopf ein, wobei sich rinnendes Blut um seine Augen sammelt. Ich lasse eine Bierflasche (von meinem Suff gestern vor der Glotze) auf seinem Schädel zerbersten. Zwei Bierflaschen, drei Bierflaschen und noch ein paar Porzellanteller obendrauf.
Schmerzerfüllt komme ich nochmal auf die Beine; nur um den Mistkerl anschließend direkt durch das TV-Gerät zu befördern, welches zu knallen beginnt, Rauch ausströmt und Funken versprüht. Erschöpft lehne ich mich zur Wand, während ich einmal an der Zigarette ziehe, die ich eigentlich vorher noch rauchen wollte. Ein Stück seines Gesäß freilegend, drücke ich die Kippe auf der blanken Haut aus, was ihn dort, weiterhin im Monitor verharrend, zum Brüllen verleitet. In einem Moment, den ich nicht habe kommen sehen, erwischt mich allerdings ein unscheinbarer Schlag seinerseits mit einer abgefallenen Gardinenstange am Schädel. Abermals gehe ich zu Boden, mich an besagte Kopfwunde fassend, worauf ich das Fehlen meines halben Ohres feststellen kann.
Mein Kontrahent steht jetzt wankend über mir. Er prügelt weiter und weiter mit der Gardinenstange auf mich ein. Zwar rolle ich mich zu einem schützenden Fötus zusammen, doch bemerke ich, dass meine Rippenknochen mehr und mehr wie trockenes Laub dahin knirschen, was einer Folter gleichkommt und sollte ich sein nächstes Vorhaben korrekt deuten, schwant mir Böses…
Lächelnd nimmt er sich den Löffel vom Tisch, mit dem ich vorhin noch seelenruhig meine Cornflakes gelöffelt habe. Mit aller Kraft versuche ich mich zu wehren. Vergebens. Ich schreie, schreie und schreie, als er mir mit dem Löffel tief in die Augenhöhle fährt und ich kaltes Metall in meinem Schädel spüren kann.
Mit einem Grinsen bis über beide Ohren reißt er mir schließlich den Augapfel aus der Augenhöhle, was einen schmatzenden Laut erzeugt. Die Schmerzen sind nicht von dieser Welt. Wie ein Tsunami brechen sie über mich herein.
Ich weiß nicht, ob ich das Blatt noch einmal wenden kann.
Aber ich muss überleben. Ich will noch nicht draufgehen. Ich darf hier noch nicht draufgehen.
In einem Moment seiner Unachtsamkeit versuche ich, irgendwas Naheliegendes zu ertasten.
Mit letzter Kraft erreiche ich den Hammer.
Der Hammer, der vorhin noch das Schicksal des Weckers besiegelte. Mein Schicksal anscheinend aber bewahren würde. Denn mit geschwungenem Hieb lande ich einen letzten Treffer auf sein Knie, welches sich knackend in die andere Richtung verdreht und er beginnt nun, wie ein schmerzverzerrter Zombie bis vor das Balkonfenster zu hinken.
Und hierbei wittere ich sofort die Chance.
Mit vollem Anlauf stoße ich ihn durch die Fensterscheibe über den Balkon, von wo er übers Geländer und letzten Endes in die Tiefe stürzt. Aus der Höhe des siebten Stocks, um genau zu sein.
Erleichtert blicke ich auf ihn herunter, wie er regungslos auf dem Asphalt liegt, die Glieder zu allen Richtungen verdreht. Das macht er allerdings nicht sonderlich lange: Gleichauf erhebt er sich von neuem, als ob nichts gewesen wäre. Sich seiner Niederlage dennoch bewusst, blickt er von dort unten zum Balkon, von wo aus sich unsere Blicke noch einmal kreuzen, ehe er sich den Schmutz abklopft und schlussendlich davon spaziert.
Heute hat mich Glück gesegnet, doch wird mein Gegner ganz sicher wiederkehren. Mein Gegner wird wieder und wieder vor mir stehen. Der Gegner, der genauso wie ich aussieht.
Es ist der schlimmste Gegner von allen… Mein Spiegelbild.