
Ich und mein Bunkerwahn
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Sachte lehne ich mich an der kühlen Betonwand. Ich schnappe nach Luft, während mein Körper sich an das frostige Material gewöhnt. Diese Kälte dringt durch meine Jacke wie Maden, die sich ins Brot fressen. Langsam kriecht sie sich voran und nagt an mein Fleisch. Doch spüren tue ich sie nicht. Die stechende Sensation bleibt inexistent.
Ob man sich daran gewöhnen kann, frage ich mich. Vielleicht nimmt mein Körper Kälte nicht mehr als solche wahr, wenn ich ihr lange genug ausgesetzt bin.
Mit einem Seufzen stoße ich mich von der öden Wand ab und schreite den kahlen Gang entlang. Meine Schritte hallen durch die zahlreichen Korridore des Komplexes. Ich greife gedankenlos nach einem metallenen Knauf. Dabei begutachte die dazugehörige Tür. Farbe schält sich von der hölzernen Oberfläche ab, der Glaseinsatz ist vom ganzen Staub schon trüb. Mit einem sanften Ruck schwingt sie auf. Sie quietscht so erbärmlich wie ein sterbendes Tier.
Ein einziges kaltes Licht illuminiert das Zimmer in der Mitte, scheint fast höhnisch, die schwarzen Ecken zu vermeiden. Ein einziger Tisch mit einem dazugehörigen Klappstuhl füllt den sonst nutzlosen Raum. Mein Tagebuch liegt offen da.
Ich kann mich noch erinnern, wie ich hier täglich einen sinnlosen Bericht eintrug. Jedenfalls wäre es mir nicht zielführend vorgekommen, wenn ich etwas anderes zu tun gehabt hätte. Doch wenn man jeden Tag nur darauf wartet, bis die Uhr zwölf schlägt, kommt einem jede Tätigkeit von äußerster Bedeutung vor. Nicht das es jetzt eine Rolle spielen würde. Seitdem mein Stift keine Tinte mehr besitzt, blättere ich die repetitiven Seiten mit ihren repetitiven Sätzen nur gelegentlich durch.
Jeder Bericht gleicht dem vorherigen, sodass jeder Tag wie derselbe wirkt. Leider kann ich nicht eintragen, dass meinem Stift die Tinte ausging. Die einzige Seite, die ansatzweise anders aussieht, ist rein zufällig auch die Erste. Das war der Tag, an dem ich in diesem Purgatorium aufwachte, meinen Erinnerungen beraubt.
Ich verziehe meinem Mund vor lauter Missfallen und wende mich von diesem Raum ab.
Ich wandere weitere Korridore entlang, die sich scheinbar endlos vor mich hinstrecken, bis ich vor einer eisernen Bunkertür stehen bleibe. Ich öffne sie. Meine Schritte knirschen unter dem Schnee, als ich den klaustrophobischen Schutzbau verlasse. Es ist etwas ironisch, jederzeit sein Gefängnis verlassen zu können, aber trotzdem gefangen zu sein. Eine eisige Landschaft breitet sich vor mich wie ein Teppich aus. Stellenweise tauchen Gruppen von Nadelbäumen auf. Berge, die den Horizont zieren, kommen einem so nahe vor, aber wirken dennoch so unerreichbar.
Brutalistische Türme und Mauern umzingeln die Tür wie eine Festung, dafür gebaut, jede Gefahr, die von außen kommen könnte, abzuwehren.
Ich mache wieder kehrt. Dabei springe ich über den Torso eines Soldaten, sein Gesicht zu einem ewigen Schlaf festgefroren. Ich summe eine Melodie, während ich mit einem behaglich militärischen Gang tiefer in den Berg vorstoße.
Die Zahlen dieser leblosen Hüllen scheinen mit jedem begangenen Meter zuzunehmen. Ihre grünen Uniformen sind mit roten Sternen auf ihren Schultern verziert. Ihre Blicke sind leer, ihre Körper bereits ihrem Blut entzogen. Ihr Fleisch von der Kälte perfekt konserviert.
Schnaufend zehre ich die nächstgelegene Leiche einen versteckten Flur hinunter. Die Lichter flackern, als ich immer tiefer und tiefer dringe. Erst jetzt bemerke ich, wie laut ich überhaupt bin. Perfekt isoliert von jeglichen Geräuschen, kann ich sogar hören, wie meine Muskeln sich dehnen. Der Leichnam schleift über den Boden. Er hinterlässt eine Spur im Staub. Es wird immer dunkler, die Lampen werden spärlicher. Es fühlt sich wie Stunden an, bis ich endlich die letzte Tür erreiche. Ich keuche, als ich sie gewaltvoll aufreiße. Das Klirren, das sie dabei verursacht, hallt wie ein ohrenbetäubender Donner wider.
Ein großer leerer Raum gibt sich zu erkennen, jede Lichtquelle in ihr erloschen. Ich lasse den gefallenen Soldaten vor der Schwelle liegen. Meine Augen brauchen eine Sekunde, um sich an die Finsternis zu gewöhnen. Ich bemerke zunehmend hektische Bewegungen in meinem Augenwinkel. Das Zucken wird immer frequenter, bis ich die gesamte pulsierende Masse vor mir erfassen kann. Ein Gemisch von Knochen und Fleisch spannt sich, als wäre es ein Spinnennetz, von Ecke zu Ecke. Ich spüre, wie das Pochen meines Herzens zunimmt.
Hunderte kleine Schädel drehen sich zeitgleich zu mir, ein Wesen, dass sich in menschlichen Überresten kleidet. Es ruft nach Nahrung. Gliedmaßen trennen sich vom Körper. Ihre Gelenke strecken sich endlos tief in den Leib. Mit grausigem Knacksen arbeitet sich einer der verkrüppelten Arme geduldig nach vorn. Ihre knochige Hand streckt die Finger, die sich um die Leiche legen. Sanft zieht die Hand den Körper zu sich. Mein Puls scheint stehen zu bleiben, als der Mann in dieses Konstrukt integriert wird.
Ich kann Schreie hören, kann sie jedoch nicht von der Realität oder einem Hirngespinst auseinanderhalten. Wie tausende Augen auf einmal sehe ich in diese Bestie hinein. Ich nehme etwas wahr, was nur mehrere Personen erkennen können. Die Zeit wird langsamer, doch der Raum wird schneller, seine Masse zu einem nicht endenden Fraktal wachsend. Die Wahrheiten von allem offenbaren sich vor mir. Sie kreischen vor lauter Qualen. Ihre Bitten zu einem Quieken, minderwertiger als von einem Schwein reduziert.
Die Hölle reißt sich vor mir auf und zeigt das wahre Wesen des Seins. Millionen Hände wollen nach mir greifen, die sich wie Kristalle voneinander entfalten. Ich kann das Leben jeder Person, die ich hierher verschleppt habe, sehen. Ich nenne es Bunkerwahn.
Ich lächle höflich und schließe die Tür wieder. Die Geräusche verstummen wie auf einen Schlag. Hastig blicke ich auf meine Armbanduhr. Es sind schon mehrere Stunden vergangen.
Ich schwanke zu meinem Zimmer. Der Hall meiner Schritte baut sich zu einer Symphonie des puren Chaos auf. Ich bebe unter dem Gewicht meines eigenen Körpers. Um ehrlich zu sein, ist es ohnehin egal, was morgen passiert. Es wird immer die gleiche Routine bleiben, bis der Hunger vom Bunkerwahn gestillt ist. Es spielt keine Rolle. Wie verzweifelt kann man nach dem Leben wohl langen? Wie sehr will ich einen Sinn in meinen Taten sehen? Wie kann ich mit diesem nagenden Gefühl leben?
Ich glaube, ich distanziere mich lieber davon, ohne die Konsequenzen zu sehen.
Die Tage verstreichen, die Routine bleibt unverändert. Mein Bunkerwahn will mehr. Je mehr Leichen ich in diesen Raum schleife, umso größer wird dieses Biest. Ein nie endender Zyklus, hatte es den Anschein, bis das Fleisch verdarb.
Ich kann hören, wie der Bunkerwahn nach mir ruft. Es braucht mehr, geben kann ich nichts. Ich schlendere ein letztes Mal den Gang hinunter. Die Tür zur Küche ist wie üblich verschlossen.
Ich dachte, jemand würde mich bis dahin finden. So sehr kann man sich täuschen. Ich entsperre die Tür nur, um in dieses Wesen hineinzublicken. Doch es sieht kümmerlich aus. Es hat nichts mehr von seinem früheren Sein. Es klammert sich regelrecht an das Leben. Wasser holte ich mir von einer Bergquelle. Nahrung von den essbaren Überresten, die ich fand, nur dass diese auch ausgingen. Mein eigener Wahn stirbt, weil ich auch sterbe.
Ich packe alles zusammen, was ich finden kann. Der Gestank vom Verfaulten sticht in meine Nase. Anscheinend habe ich ihn für viel zu lange ignoriert.
Zeit, aus diesem Bunker zu verschwinden.
Es ist unwahrscheinlich, dass ich überleben werde. Wenn mir wenigstens irgendetwas geblieben wäre, doch dieser Außenposten ist komplett geplündert.
Ich trete ins Freie und hole tief Luft.
Zeit, dieses Gefängnis zu verlassen.