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Der Kampf der toten Männer

Die Schlacht um die Festung Osowiec

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

(Die nachfolgende Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten)

Osowiec, 6. August 1915

Es ist bereits fast ein Jahr vergangen, seit dieser Krieg begonnen hatte, in welchem bereits hunderttausende ihr Leben gelassen hatten. Ich erinnere mich noch wie die anderen sagten: „Keine Sorge, zu Weihnachten sind wir wieder zu Hause„, als ob es wie 1867 im Deutsch-Dänischen Krieg verlaufen wäre – ein paar Tage, vielleicht ein paar Wochen des Kampfes und schon wäre der Krieg vorbei. Andere, wenn sie auch nicht in diesem letzten Krieg gekämpft hatten, wussten bereits, dass dieser Krieg keinem der vorigen gleichen würde und ich denke, sie werden recht behalten. Die einstigen grünen Wiesen und goldenen Felder, auf denen Rinder, Ziegen und Schafe grasten oder der Bauer seine Ernte einfahren konnte, damit er das Feld neu bestellen konnte, waren binnen weniger Wochen zu einem trostlosen und tödlichen Ort des Krieges geworden. Zuerst hatten wir die Bäume geschlagen, um ihr Holz für die Gräben zu benutzen, die wir in die Erde gruben. Dann kamen die Granaten der Artillerie, die binnen weniger Stunden die Erde aufrissen und Krater verschiedenster Größe und Tiefe formten, die im Gefecht sowohl Schutz, als auch Unheil bedeuten konnten. Und schließlich kam der Regen, der diese von Kratern und Furchen durchzogene Landschaft tränkte, sich überall sammelte und die Erde matschig machte, da es keine Möglichkeit gab abzusickern.

Die einst klare, frische Luft riecht modrig, der Gestank der Toten, seien sie nun in einem Stück oder in mehreren Einzelteilen von Fetzen gerissen auf oder knapp unterhalb der Erde geht einem jeden von uns durch Mark und Bein, frisst sich förmlich durch die Nase und setzte sich im Gedächtnis fest, sodass jeder, sollte er den Krieg überleben wird, diesen Geruch niemals vergessen würde.

Dies sind die Bilder, von denen sich viele sicher sind, dass sie diesen Krieg prägen werden und auch wenn ich es eigentlich gar nicht wissen möchte, was dieser Krieg noch alles mit sich bringen wird als das, dessen Zeuge ich, als auch die anderen Männer heute gewesen sind, habe ich das beängstigende Gefühl, dass es lediglich der Anfang einer noch größeren Hölle sein wird, die uns im Laufe dieses Krieges begegnet.

Ich gehörte zu einer der letzten Einheiten, die nach Osowiec geschickt worden sind, um die dortige 8. Armee zu verstärken, um das Fort endlich einzunehmen, dessen Belagerung schon im Frühjahr begonnen und trotz schwerer Artillerie und Bombenangriffen von den Russen mit allen Mitteln gehalten wird als ginge es hier nicht um irgendeine Befestigung längst vergangener Zeiten, sondern um ein Land, gezeichnet durch Gräben, Granatenkratern und übersät mit den Leichen der Angreifer als auch deren Verteidigern mit der Festung als Hauptstadt.

Als ich das Fort zum ersten Mal gesehen hatte, fragte ich mich, wie es möglich sein konnte, dass es noch immer gehalten werden konnte, nachdem es ein solches Bombardement ausgesetzt gewesen ist und es noch immer Überlebende gab, die es erbittert verteidigten.

Egal was man von seinem Gegner halten mag, aber musste man diesen Männern Respekt zollen als ging es hier mehr als um eine Festung, um ein paar hundert Meter Geländegewinn, sondern um etwas weitaus wichtigeres.

Und dennoch war man sich sicher, dass die Festung heute, dem 6. August 1915, bei diesem groß angelegten und wochenlang vorbereiteten Großangriff endlich fallen und die russischen Linien vollständig vernichtet werden würden.

Ich wusste nicht, wie spät es war, als man uns in den frühen Morgenstunden weckte.
Da wir in unseren Uniformen samt Koppel schlafen um jederzeit einem möglichen Angriff zu trotzen mussten wir lediglich den Helm aufsetzen und nach dem Gewehr auf den Tischen oder neben den Betten greifen, schon sind wir einsatzbereit. Hintereinander eilten wir nach draußen und verteilten uns in den Schützengräben, in denen bereits ein reges Treiben herrschte, was nur bedeuten konnte, dass der Angriff unmittelbar bevorstand.

Ich dachte indessen würde es wie immer ablaufen, wenn die Pfeife erklingen würde – Aus dem Graben klettern und über das Niemandsland in Richtung des Feindes stürmen, in der Hoffnung ihn lebend zu erreichen um sich dann in den weitaus gefährlicheren und von Adrenalin und Hass getriebenen Nahkampf zu stürzen oder doch den Rückzug anzutreten, wenn das Maschinengewehrfeuer Reihe um Reihe niedermähte wie die Sichel des Bauern, wenn er das reife Getreide erntete und kurzerhand seinen Gegenangriff abwehren, sobald wir in unseren Gräben die Stellungen bemannt hatten.

Aber … was ich heute mit angesehen habe, konnten und wollten wir uns nicht einmal in unseren Albträumen vorstellen und noch immer weiß ich nicht, ob ich das, was ich gesehen habe, auch wirklich glauben soll.

In Reih und Glied aufgereiht standen wir in den Gräben, vor uns die mit Holz bekleideten Erdwände, an denen Dutzende von Leitern lehnten, die man überall nur als der „Aufstieg zu Hölle“ nannte. Zwischen diesen Leitern bemerkten wir jedoch alle vermehrt eine große Anzahl von Gasflaschen, deren Schläuche weit in das Niemandsland vor uns führten.

Wer auch immer diese innerhalb so kurzer Zeit aufgestellt hatte, er hatte sich beeilen und die vergangene Nacht dafür nutzen müssen, denn als ich gestern durch dieselben Abschnitte ging, zeigten sich keinerlei Spuren dieser Behältnisse, deren Anblick in mir ein ungutes Gefühl ausbreiteten. Ich hatte bereits davon gehört, seit diese neue Eigenschaft dieses Krieges von einem Mann namens Fritz Haber im April diesen Jahres zum ersten Mal in Ypern angewendet worden ist und tausende tötete, ohne das auch nur ein einziger Soldat einen Schuss abgeben musste. Und wenn ich Recht behalten würde, würden wir nun selbst Zeugen dieser neuen Art des Krieges werden.

Einige Soldaten gingen mit Kisten von Mann zu Mann und gaben jedem von uns eine aus Gummi gefertigte Gasmaske, die wir uns überstülpten sollten. Sie war eng, das Atmen fiel mir ein wenig schwer und ich kam mir so vor, als ob diese Maske nicht nur mein Gesicht und meine Atemwege schützen, sondern uns weniger menschlich aussehen ließ.

Eine unerwartete, beklemmende Stille lag über dem vor uns liegenden Schlachtfeld.
Ich beobachtete den Offizier, der unaufhörlich auf seine Uhr starrte, als er schließlich einen Windmesser in die Hand nahm und ihn in die Luft streckte. Er nickte einem anderen Offizier zu, der eine kleine Flagge schwenkte, worauf sich der Graben vermehrt mit Zischgeräuschen füllte, während wir über dem Rand des Grabens eine dichte, schwere grüne Wolke beobachteten, die in den Himmel wuchs und schließlich in Richtung des Feindes strömte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schaute ich auf meine Uhr.
Dreißig Minuten waren bereits vergangen, als ich schließlich den hohen Ton der Pfeife hören konnte, der durch die Stille schrillte. Als einer der ersten kletterte ich mit schneller schlagendem Herz die Leitern nach oben, darauf gefasst, jederzeit von einer Kugel zurück in den Graben gerissen zu werden, aber blieb es weiterhin ruhig und still, während wir uns formierten

Mit aufgepflanzten Bajonett marschierten wir einer Phalanx gleichend vorsichtig in Richtung der Festung und den davor liegenden Gräben, während sich in mir ein Gefühl ausbreitete, welches mir sagte, dass hier etwas nicht stimmte. Ich keuchte, die Maske erschwerte mir zunehmend das Atmen und mit jedem neuen Schritt, den ich tat, verstärkte sich dieses unangenehme Gefühl.

Plötzlich fiel etwas lautstark neben mir zu Boden und ich blieb stehen. Die Männer um mich herum taten dasselbe. Ich schaute runter, betrachtete das seltsam geformte Objekt und erkannte, dass es sich um eine Krähe handelte, die dort regungslos und in der Pose des Flügelschlags verharrend lag.

Mein Blick glitt über den Boden, welcher eine leicht grünliche Färbung angenommen hatte, als ich wie der Rest meiner Kameraden die gegnerischen Stellungen sah, über die noch vor wenigen Minuten die schwere Wolke des grünen Gases hinweggezogen war.

Ich hatte in den vergangenen Monaten dieses Krieges schon vieles gesehen – sei es wie dutzende von Männer gleichzeitig von den Wellen der Maschinengewehrkugeln zu Boden gingen, den mit von Bajonett, Schaufel, Axt, Granaten oder bloßen Händen geführten Nahkämpfen Mann gegen Mann, dem Einschlag von Granaten, deren Trümmer Männer durchsiebten, ihnen sogar ganze Gliedmaßen abrissen bis zu umherfliegenden Teilen menschlicher Körper, dem Regen an Blut oder dem Stunden andauernden Schreien der Verletzten inmitten des Niemandslands, bis man sie von ihrem Leid erlöste, aber was ich hier sah … ist kaum wirklich zu beschreiben, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Diese Bilder würden einen jeden von uns, die wir hier gewesen sind, immerzu verfolgen und heimsuchen noch lange nachdem der Krieg vorbei sein würde.

Dutzende, hunderte von Soldaten lagen wie nach einem vergeblichen Vorstoß dort verstreut, vor, hinter und in den Gräben selbst, ohne jedwede Spuren äußerlicher Gewalt aufzuweisen und regten sich nicht. Und doch wirkte es, als ob sie vor wenigen Minuten noch um ihr Leben gekämpft hätten, dass sie sogar dazu trieb die schützenden Gräben zu verlassen und sogar auf das Feld gelaufen waren, ohne darauf zu achten ob eine Kugel sie niederstrecken würde, wo sie nach einigen wenigen Schritten schließlich zusammengebrochen sind. Ihre Haut und Uniformen waren genauso grün wie die Erde um sie herum und ein jeder trug ein dünnes Laken um Mund und Nase, in der verzweifelten und vergeblichen Hoffnung es würde sie vor der tödlichen Wolke des ätzenden Gases schützen.

Auch wenn andere dies anders sehen, aber dieser Anblick war kein Sieg, kein Triumph, keine heldenhaften Worte der Hoffnung auf ein baldiges Ende dieses Krieges. Nein – Er war eine Barbarei, ein heimtückisches, feiges Massaker ohne jedwede Ehre, dem die Männer nichts entgegenzubringen hatten und elendig an dem eingeatmeten Gas zugrunde gegangen sind, für … was?
Für eine Festung?
Für ein paar hundert Meter Gelände, dass am nächsten Tag wieder zurück an die Verteidiger fallen würde?

Die Beklemmung zwang mich dazu die Maske abzunehmen und durchzuatmen, auch wenn ich es riskierte selbst noch einige Spuren des Gases einzuatmen, aber war die Luft seltsamerweise frisch und so klar, als sei sie gereinigt worden.

Ich seufzte, als ich im selben Moment erstarrte, so wie jeder andere neben mir, als ich eine plötzliche Bewegung ausmachen konnte. Zuerst dachte ich, ich hätte sie mir nur eingebildet, aber dann sah ich eine weitere, und noch eine. Mit aufkeimender Angst und Panik beobachteten wir, wie sich vereinzelte, dann dutzende der leblos geglaubten Körper der Männer hustend bewegten, sich wanden und sich mühsam auf die Beine zogen, während andere von ihnen reglos auf dem Boden liegen blieben.

Wie kann das sein, ging es mir durch den Kopf, als ich die Toten sah, die sich aufrafften, die Laken, die kaum mehr nützten als ein trockenes Tuch bei einem Feuer und getränkt waren mit dem Blut aus ihren vom Gas verätzten Lungen bis es zu Boden tropfte und doch standen diese Männer vor uns – wenn auch mehr tot als lebendig.

Ich ging einen Schritt zurück, unfähig meinen Blick abzuwenden, während sich blanke Angst und Panik in mir ausbreitete. Mein Herz schlug so schnell und laut wie bei einem Trommelfeuer der Artillerie in der Nacht, kurz davor aufgrund des Schreckens seinen Dienst zu versagen.

Mit aufgerissenen Augen und stockendem Atem beobachtete ich, wie die Männer nach dem Saum ihrer improvisierten Masken griffen und diese herunter zogen. Meine Beine sagten mir, ich solle laufen, während mein Kopf versuchte zu erklären, wie es möglich sein konnte, dass diese Männer noch leben konnten, wenn sie es überhaupt noch taten.

Lautstark und kaum bei Kräften keuchten und stöhnten sie schwer atmend nach Luft ringend auf, wobei es sich wie das einer seltsamen Kreatur anhörte. Der Mund eines jeden von ihnen war voller Blut, welches an den Mundwinkeln herab rann oder ausgespuckt wurde und selbst aus ihrer Nase lief, während die Schmierer des zuvor ausgetretenen und vom Stoff aufgesaugten Blutes das Bild noch furchteinflößender und bedrohlicher machten.

Dann die lautstarke, feste und von Wut getriebene Stimme eines Soldaten oder befehlshabenden Offiziers, die die angsterfüllte Stille durchbrach. „Ubey ikh!“1, schrie sie uns aus angestauter Wut, tiefstem Hass und ausspuckendem Blut laut und eingehend entgegen, als ob es die reinste Verachtung gewesen ist, die sie beherrschte und führte und den Männern davon überzeugen sollte denselben Hass, dieselbe Wut und Verachtung zu spüren und sich von ihnen antreiben zu lassen.

Schüsse fielen, die ersten Männer gingen getroffen zu Boden, aber noch immer wagte es niemand, das Feuer zu erwidern oder auch nur daran zu denken davon zu laufen. Als dann ein Großteil der erste Linie gefallen war, schaffte es jemand die panische Kraft aufzubringen und „Rückzug!“ zu schreien, bevor er mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kraft in die Pfeife pustete.

Sofort machten wir auf dem Absatz kehrt und rannten von Angst und Panik angetrieben zurück zu unseren Gräben, in der Hoffnung diesen … wie auch immer man sie bezeichnen mag, lebend zu entkommen, während sie unaufhörlich schossen, nachluden und erneut schossen.
Selbst als es mir als einer der letzten gelang lebend in den Graben zu springen versuchte jeder von uns noch immer zu verstehen, was gerade vor sich ging, während wir uns auf einen möglichen Gegenangriff gefasst machten.

Um ehrlich zu sein, bin ich mir noch immer nicht ganz sicher ob das, was ich gesehen habe, auch wirklich gesehen habe, aber konnte es niemand leugnen und es als Hirngespinst oder als durch den Krieg hervorgerufenes Traumata abtun: Diese Männer, diese Soldaten, die infolge des Gases gefallen sind, waren von den Toten auferstanden und haben das getan, was sie davor getan hatten, wenn auch noch erbitterter als zuvor, als ob man sie durch ihren Tod dazu verdammt hätte ihren Dienst weiterzuführen, nur dieses Mal … mit einem unerschütterlichen, unaufhörlich wachsendem Hass und dem Drang sich für das zu rächen, dass man ihnen angetan hatte.

Das also war das neue Kapitel, welches dieser Krieg hergebracht hatte und von nun an bestimmen würde.

Tage später, nachdem sich der Schreck langsam gelegt hatte und wir darüber aufgeklärt worden sind, dass es sich bei den Soldaten um lebende Menschen gehandelt hatte, denen es gelungen war trotz der Folgen des Gases bei Bewusstsein zu bleiben bis der Großteil von ihnen schlussendlich den Folgen nach und nach erlag, würden wir, als auch die Geschichte, diese Bilder nicht mehr vergessen können, in denen sich die totgeglaubten erhoben hatten und sich ungeachtet der Konsequenzen jenen auf offenem Feld entgegen stellten, die für ihr Schicksal verantwortlich waren.

Und es würde nicht als die Schlacht um die Festung Osowiec im Gedächtnis der Menschen oder der Geschichte bleiben, sondern als der

Kampf der toten Männer.

(Aus dem gefundenen Tagebuch des Gefreiten Albert Lanz, gefallen am 11. Oktober 1917)

1russ. = Schlachtet sie ab!

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