Es ist schon interessant, was sich im Polizeiarchiv so findet, wenn man mal alte Akten aussortieren muss. Da findet sich so manch gute Geschichte.
Oh, tut mir leid, ich sollte mich erst einmal vorstellen: James Schmidt, Polizist seit einigen Monaten.
Ich sollte einige alte Akten aussortieren. Doch ich lese mir immer alle durch. Diese Fälle interessieren mich sehr, und ich würde sie am liebsten alle lösen…
Ich war also dabei einige auszusortieren, obwohl ich mir einige in meine Tasche steckte, da ich sie zu spannend fand, um sie wegzuwerfen…
Also, wo war ich? Achja, ich sortierte also einige aus, und dann sah ich sie:
“’Akte X (1)“‘
Ich nahm sie in die Hand und irgendetwas sagte mir … Diese Geschichte … Sie würde … Einfach die pure Spannung sein…
Also setzte ich mich auf ein paar verstaubte Akten und begann zu lesen:
Auszug einer Tageszeitung: ‚Seltsamer Fund noch immer nicht aufgeklärt! Bitte Hinweise abgeben!‘
Darunter war ein Bild zu sehen …
Es zeigte ein Tagebuch, aufgeschlagen und vergilbt. Vermutlich die erste …
Ganz oben stand, etwas größer als der untere Text:
„Caro Diario,“
Das hieß so viel wie ‚Liebes Tagebuch‘, ich wusste das, da ich in der Schule italienisch gelernt habe, aber ich schweife ab.
Ich las das, und wunderte mich über die rote Tinte … Bis ich erkannte, es war keine Tinte. Es war Blut!
Aber man konnte es noch lesen, im Gegensatz zum Rest … Verschnörkelte, verwischte und zittrige Handschrift … Wenigstens mit normaler schwarzer Tinte …
Wie auch immer, unter dem Bild stand: „Mysteriöses Tagebuch gefunden. Unsere Mitarbeiter werden versuchen es zu entziffern und zu übersetzen, Werden nach Hinweisen suchen.“
Darunter waren, wie in vielen Akten, Bilder von Fundort, Zustand und Daten des Buches zu sehen…
Es wurde im Haus eines alten Ehepaars gefunden, doch beide beteuerten, in Deutschland geboren und aufgewachsen zu sein, und nie mit etwas italienischem (außer Pasta) in Berührung gekommen zu sein…
Beide wohnten in einem alten Haus, welches mit anderen sehr alten und teilweise sogar Ruinen eine kleine Siedlung bildeten…
Ein par Seiten später sah ich sie, die Entschlüsselung und Übersetzung des ersten Eintrags.
„13.08.1998
Liebes Tagebuch,
Heute sind wir an unserem neuen Zuhause angekommen, es sieht richtig schön neu aus, Mama und Papa sagen wir werden hier glücklich. Aber ich vermisse Moritz und Tanja, meine besten Freunde an meiner alten Schule … Mit neun Jahren die Schule zu wechseln ist nicht schön… Vor allem, wenn man weiß, dass man seine Freunde nie mehr wieder sieht … Ich schreibe diese Zeilen in meiner Muttersprache Italienisch, da ich nicht möchte, dass jemand anderes außer mir sie liest. Ich wurde mit fünf Jahren adoptiert, da meine richtige Mama starb und mein richtiger Papa unauffindbar ist. Meine jetzigen Eltern sind wirklich toll, sie bringen mir auch manchmal ein kleines Buch von der Arbeit mit, da ich so gern lese. Ich bekomme ab jetzt Privatunterricht, da es hier zu wenig Kinder für eine Schule gibt und die nächste Stadt sehr weit weg ist … Wir leben in einer kleinen Siedlung, doch schon beim Einzug kam mir das hier seltsam vor … Alle starrten uns so an … Und alle hatten seltsamerweise keine guten Zähne. Genauso hatten alle blutunterlaufene Augen, einen krummen Rücken und knochige Hände, mehr sah ich nicht. Achja, die Gesichter hatten keine Farbe und die Haut war allgemein sehr blass … Außerdem wirkt hier alles … Wie soll ich sagen … Gruselig … Wir können kein Fernsehen empfangen … Radio geht, jedoch nur mit vielem und starkem Rauschen … Hier gibt es keinen Laden, keinen Friseur, keinen Markt, kein einziges Geschäft oder etwas in der Art! Immer wenn ich irgendwo hingehe, werde ich angestarrt … Ich habe Angst …“
Schon als ich diese Zeilen las, lief es mir kalt den Rücken hinunter … Doch als ich fertig war, hatte ich selber Angst…
Ich fühlte mich beobachtet.
Ich steckte die Akte in meine Tasche und ging zum Empfangsschalter des Reviers. Dort sagte ich, es ginge mir nicht gut und ich würde früher gehen als eigentlich, ich werde morgen weitermachen.
Die Empfangsdame, Katy, sah mich nur schief an und sagte, ich habe einige Stunden zuviel gearbeitet.
Ich war nun komplett verwirrt…
Ich ging einfach und sah, es war mitten in der Nacht, ich wunderte mich sehr, da ich dachte, ich hätte die Akte nur ca. eine halbe Stunde durchforstet…
Ich redete mir ein, dass ich die Zeit vergessen habe und ging heim, doch sah ich mich immer mal wieder um, da ich mich noch immer beobachtet fühlte…
Auf den Straßen war nichts los … Doch ich wusste … Irgendwo steht er … Und beobachtet mich…
Irgendwann lag ich dann bei mir daheim im Bett, las die Akte noch einmal, legte sie auf den Nachttisch, machte das Licht aus und schlief ein…
Der Traum war grauenvoll…
Es war zwar nur ein Bild zu sehen…
Ein kleiner Junge … Aufgespießt, voller Blut und blass…
Eine Stimme sagte: „Du kennst ihn, oder? Du weißt, was er erlebt hat, nur weißt du noch nicht, dass du es weißt … Du wirst die reine Wahrheit erfahren …“
Die Stimme klang abnormal, nicht wie ein Mensch, aber auch nicht ganz unmenschlich…
Sie wiederholte den letzten Satz immer wieder: „Du wirst die reine Wahrheit erfahren … Du wirst die reine Wahrheit erfahren … Du wirst die reine Wahrheit erfahren …“
Als ich morgens aufwachte, wollte ich mir die Akte noch einmal durchlesen…
Doch sie war verschwunden!
Das Schlafzimmerfenster von außen eingeschlagen, die Glassplitter in einer riesigen Blutlache…
Und im Bad, auf dem großen Spiegel, den ich von meinem Bett aus sehen konnte, stand:
„TU LA PURA VERITÀ SAPERE“
Es waren nur einzelne Wortgruppen, doch die Bedeutung war klar:
„DU DIE REINE WAHRHEIT ERFAHREN“
Ich werde die reine Wahrheit erfahren …