
Die Prüfung
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Schweiß läuft meine Stirn hinunter. Um mich herum knistern
Blätter, klappern Stifte und immer wieder seufzt ein anderer Praktikant traurig
auf. Es ist ein unglaublich schwerer Test, bestehend aus nur einer Frage. Was ist
der Sinn des Lebens? Was ist das für eine Frage?
Was daran schwer ist? Jeder hatte eine andere Interpretation
zum Sinn des Lebens, da gibt es kein richtig oder falsch. Doch gibt es. Es muss
ein richtig geben- Um den Job zu bekommen, muss ich den festgelegten Sinn des
Lebens herausfinden. Eine simple Frage. Eine simple Antwort. Mehr nicht. Oder
doch? Eine Stunde sitzen die anderen Praktikanten und ich schon in diesem
einseitigen, vollkommen sterilen Raum an ebenso sterilen, weißen Tischen.
Nur zwanzig von über zehntausend Bewerbern bestehen die
Aufnahmeprüfung. Ich bin einer von denen. Nach zwei Jahren Einweisung in
modernste Wissenschaften, Psychologie und Medizin, muss man den Abschlusstest
bestehen. Nur einer von den zwanzig Praktikanten besteht den Test. Sollten
mehrere Leute den Test schaffen, so wird der Praktikant genommen, welcher als
erstes sein Blatt abgibt. Einfache Regeln, einfache Frage, einfache Antwort.
Zumindest dachte ich das. Doch je mehr ich über diese Frage und ihre Antwort
nachdenke, desto mehr verzweifle ich daran.
Eine Stunde ist vergangen und erst einer hat sein Blatt
abgegeben. Es war leer.
Der ganze Raum wird Kameraüberwacht, um bei den Praktikanten
jede Reaktion, jeden Wimpernschlag und jedes trippeln mit dem Fuß zu
analysieren und auszuwerten. Man sieht die Kameras zwar nicht, doch wir wissen
es.
Komm schon, denk nach. Was könnte die richtige Antwort sein?
Wissen? Das würde die Organisation, bei der ich Praktikant
bin, vermutlich am ehesten als Antwort erwarten und genau das ist der Grund,
weswegen es nicht als Antwort in Frage kommen sollte.
Ruhm und Ehre? Viel zu Klischeehaft für solch ein seriöses
und wissenschaftliches Unternehmen.
Liebe? Niemals. Da würde “Ruhm und Ehre“ schon eher die
Antwort sein.
Erfolg? Das schon eher. Zumindest würde ich der Verwaltung
das schon eher als richtige Antwort eingestehen, da Erfolg die einzige
Möglichkeit zum Aufstieg in der Gesellschaft ist. Doch auch das scheint mir
viel zu einfach.
Leben? Allein für diesen Gedanken sollte ich mich
erschießen. Für eine weltweit agierende Organisation der Wissenschaft ist
“Leben“, die wohl beschissenste Antwort überhaupt.
Glück? Bitte was? Denk nach Gehirn, Glück ist doch einfach
nur ein Geisteszustand und Geisteszustände können nicht der Sinn des Lebens
sein.
Zum hundertsten Mal erscheinen diese Gedanken in meinem
Kopf. Zum hundertsten Mal verdränge ich sie wieder. Eine Antwort! Ich brauche
eine Antwort…
Nur noch zehn Minuten, dann ist die Zeit abgelaufen. Drei
andere Praktikanten sind schon nach vorne gegangen und haben ihre Blätter
abgegeben. Vielleicht ist jetzt schon alles verloren. Zwei Jahre Arbeit
umsonst.
Was ist der Sinn des Lebens?
Das kann doch nicht so schwer sein. Ich bestehe mittlerweile
nur noch aus Schweiß. Konzentrieren muss ich mich. Ich habe schließlich noch Zeit.
Wissen! Wissen, etwas anderes gibt es doch gar nicht. Alles
andere ist doch völliger Irrsinn. Völlig sicher, dass dies die Antwort ist,
schreibe ich meine Antwort über die dafür vorgesehene Linie. Dann stehe ich
enthusiastisch auf, drängele mich an einem anderen Praktikanten vorbei und lege
den Test auf die anderen Blätter. Währenddessen erhasche ich einen kurzen Blick
auf die anderen Antworten.
Freiheit. Wissen. Wissen.
Ich schlucke. Da hatte tatsächlich jemand vor mir seinen
Zettel mit der richtigen Antwort abgegeben. Doch ich bin zu spät. Jetzt gibt es
kein Zurück mehr. Ich hab´s verkackt. Das Lächeln, das sich auf dem Weg zum
Abgabepunkt gebildet hat, verschwindet. Mit Leerer Miene verlasse ich den Raum,
gehe den weißen Flur entlang, auf den Ausgang zu und laufe ohne Umwege zu
meinem Auto.
Was hat das Leben jetzt noch für einen Sinn? Ich habe die
Prüfung nicht bestanden. Worin liegt der Sinn des Lebens jetzt noch?
Ich lasse die Autotür zufallen und gehe in den Vorhof meines
kleinen Grundstückes. Die Nacht ist während der Fahrt hereingebrochen. Das
Gelände für die Praktikanten ist eine ganze Weile von meinem kleinen Bungalow
entfernt, weswegen die Autofahrt sehr lange dauert. Doch das ist mir jetzt
egal. Oft habe ich mich darüber geärgert, doch heute nicht. Mit Tränen in den
Augen und völlig erschöpft gehe ich zur dunklen Tür um sie aufzuschließen.
Während ich den Schlüssel herauskrame, fällt mir ein einzelnes, weißes Blatt
auf der fröhlich grünen Fußmatte auf. Auf alles gefasst, nehme ich es in die Hand.
Wahrscheinlich ist es der Ablehnungsbrief für mich. Ich habe es sowieso nicht
geschafft.
Doch wider aller Erwartungen stand dort nur ein einziges
Wort.
TOD
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Bedauerlicherweise müssen wir ihnen mitteilen, dass sich
Elias Schiermann im Alter von 25 Jahren, noch am selben Abend des 21.03.2014 durch
Strangulierung das Leben nahm. Nicht, dass wir nicht damit gerechnet hätten,
doch es ist durchaus bedauerlich, einen jungen Mann mit so viel Talent zu
verlieren. Dank seinem zweijährigen Praktikum respektieren wir seine Totenehre
und unterziehen seinen Leichnam keiner Mülltrennung. Sehr Schade um die gut
erhaltene Leber, doch so sagen es die Vorschriften.
Wir hoffen, dass sie die Prüfung bestehen und keinen so
unsittlichen Abgang vom Leben machen.
Mit wärmsten Grüßen, Frank Gierjung, Abgeordneter des
administrativen Teils des deutschen Council of Science.