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Gottes Wort

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Schwere Regentropfen trommeln an die Fenster des großen Raumes und erzeugen gemeinsam mit dem heulenden Sturmwind einen außerweltlichen Gesang von Trauer und Zorn. In der Ferne rollt der Donner, wie das Grummeln einer fernen Entität, hoch oben über den Wolken sitzend und auf uns blickend. Auch die Menschen, die um den großen Tisch saßen, draußen große Herren – die größten der Welt, waren im Sturm nichts als kleine Puppen im Wind. Ordinäres Spielzeug eines Kolosses, der es mit seinen Pranken aus Sturm umherwirbelt, mit Regen bespuckt und mit Donner anschreit. Der Koloss ist wieder erwacht. Er ist hier, um zu spielen. Er rüttelt an den Bäumen, wirft mit Blitzen nach unten und Brüllt durch die graue Wand über uns hinab.

Die Menschen im Raum sitzen um einen großen Tisch. Manche stehen an den großen Fenstern und blicken hinaus, wo eine wütende Natur ihre Tobsucht auslässt. Andere stehen an der Wand und wärmen sich an den Flammen des großen Kamins. Die Anspannung liegt fühlbar in der Luft, fast kann man sie greifen, einen Kranz darauf flechten und ihn sich auf den Kopf setzen. Eine Dornenkrone aus Zweifel, Misstrauen und Hass. Verziert mit den Nachtschwarzen Edelsteinen auf fleischgewordener Angst.

Der Tisch aus altem Holz ist mit Gläsern – mal voll, mal leer – und mit Akten, Dokumenten und Notizzetteln bedeckt. Trotz des wärmenden Kamins herrscht eine knirschende Kälte im Raum, der alle Anwesenden beim Rocksaum packt, ihnen langsam den Rücken hochkriecht  und in ihre Haut beißt. Es ist die Kälte der Angst. Wie tausend Nadeln aus purem Eis. Die Krallen eines Wesens, das man weder sehen noch benennen kann, doch das bereits tausend tausend Jahr existiert und weitere tausend tausend Jahre leben wird. Solange es Gedanken gibt, solange wir träumen, wird es uns heimsuchen. In unseren dunkelsten Stunden an unsere Türe klopfen und um Einlass bitten. Es wird uns finden, gleich unserem Aufwand, ihm zu entrinnen. Es ist alles und ist nichts. Es ist riesig groß und winzig klein. Sein Anblick – wenn man es denn sehen könnte – spottet jeder Beschreibung, jeder Harmonie. Das uralte Böse, das der Menschheit wie ein ewiger Widersacher bereitgestellt wurde. Von wem?

Es gibt keinen Namen für den, der unser aller Leben schafft und beendet. Jedenfalls konnte man sich noch auf keinen Namen einigen. Manche nennen es Schicksal, andere Karma. Man lobt es bis zum Himmel und verbannt es in die Hölle. Es ist zu komplex, um begriffen zu werden und doch kann jeder von uns es spüren. Doch darüber reden ist schwer. Der Einfachheit halber nenne ich es deshalb Gott.

Primus

Ein heller Ton, wie von einer silbernen Glocke ertönt. Alle erheben sich und versammeln sich um den großen Tisch, an dessen Kopfende ein großer, thronähnlicher Stuhl steht. Eine Tür, groß genug, um einen ganzen Ochsenkarren mit Fuhrmann passieren zu lassen, schwingt auf und aus ihren goldenen Flügeln wird ein Mann geboren. Langsam mit der Würde einer wilden Katze schreitet er durch die sich hinter ihm schließende Tür. Sein Gang fließt wie ein klarer Bach im frühen Winter. Kalt, aber elegant. Doch eine unsichtbare Schlinge legt sich mit jedem Schritt um die Füße des Mannes, auf den alle gewartet haben und von dessen Urteil das Schicksal von Tausenden abhängt. Die Schlinge zieht sich langsam zu, hält ihn zurück, macht seinen Gang unbeholfen und unsicher. Es ist der Galgenstrick der Angst, der sich langsam zuzieht und jede Hoffnung erstickt.

Ein kleiner Mann mit Glatze und Zwickel steht neben dem Thron, auf welchem der Neuankömmling nun Platz genommen hat. Die Glatze räuspert sich wichtigtuerisch und blickt über seinen Zwickel auf die Gesichter der Anwesenden, auf welchen sich Vorfreude und ungute Vorahnung zu einem verzerrten, schiefen Gesichtsausdruck mischen. Trotz seines selbstbewussten, fast arroganten, Auftretens, ist seine Unsicherheit zu spüren. Ein leichter Tremor in seiner Stimme verrät, dass auch er bangt. „Meine Damen und Herren.“, ruft er mit lauter Stimme. „Brüder und Schwestern.“ Sein Blick wandert über die Anwesenden. Wie ein Lehrer beim Diktat, in der Hoffnung, einen Betrüger zu erwischen. Nach einer Pause fährt er unter einer ausschweifenden Gebärde fort. „Seine Heiligkeit, Papst Gabriel!“

Der Papst blickt von seinem Thron auf. Sein Gesicht ist von Sorgen gezeichnet. Eingefallen, bleich, mit dunklen Augenringen. Er macht eine Handbewegung und signalisiert den Menschen, Platz zu nehmen. Nachdem das Kratzen der Stühle auf dem Marmorboden verhallt ist und jeder gerade sitzt, hebt der Heilige Vater die Stimme. „Brüder und Schwestern, ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind. In dieser denkbar dunkelsten Stunde haben wir uns versammelt, um nicht nur die Zukunft dieser heiligen Kirche, sondern auch die Zukunft der ganzen Welt zu beratschlagen. In unseren Händen liegt das Leben von vielen. Sei Gott unser Zeuge und Richter, wenn wir nun eine Entscheidung treffen. Möge er den Weg erleuchten, den die Hölle verdunkelt hat. Möge Gott uns beistehen.“

Seine Stimme bricht ab. Man kann deutlich ein leichtes Zittern seiner rechten Hand erkennen. Er sieht erwartungsvoll in die Runde. Sorge mischt sich mit dem Versuch, die Kontrolle zu wahren. Sein Blick schweift zu einem Mann, in kirchlichem Gewand. Dieser erhebt sich langsam von seinem Stuhl neben dem Papst. Er Gang ist unsicher und er stützt sich auf einen Stock, während er langsam zu einem kleinen Pult tritt, dass in der linken Ecke des Raumes aufgebaut ist, seitlich hinter dem Papst. Die Glatze stellt ihn als Monsignore Palz vor, persönlicher Diener seiner Heiligkeit und Sprecher des Vatikans.

Secundus

Monsignore Palz ist ein alter Mann, dessen Gesicht zu einer Fratze der Besorgnis geworden ist. Seine zittrigen Hände in das Rednerpult gekrallt beugt er sich vor und spricht mit klarer Stimme zu den Anwesenden:

„Mit flammender Sorge und mit enormer Angst blicken wir in diesen Tagen auf die Welt. Wir – die wir uns mächtig und klug nennen – müssen eine Entscheidung treffen. Eine Entscheidung, deren Folgen zwar unabsehbar, aber dennoch fatal sein werden. Wir wissen nicht, wie hoch der Preis für unsere Freiheit sein wird, doch ein hoher Preis wird es in jedem Fall. Wir müssen unsere Freiheit mit Blut bezahlen und mit Tränen.“ Er macht eine Pause und blickt sich um. Der Papst nickt ihm zu.

„Was sich zusammengetragen hat, ist uns allen bekannt. Wir fürchten uns. Daher müssen wir es sein, die die Entscheidung treffen. Weil wir die Konsequenzen am meisten fürchten. Weil wir erkennen, was passiert, wenn die Menschen die Wahrheit erfahren. Es ist unsere heilige Pflicht. Wir müssen die Menschheit schützen, müssen uns schützen. Wir haben keine andere Wahl, als das Dokument zu vernichten. Wir haben keine  andere Wahl, als den Alptraum, der sich anmaßt, die Wahrheit zu sein, zu verheimlichen.“

Wieder eine Pause. Diesmal länger. Einige der Anwesenden tuscheln leise miteinander. Andere sehen ängstlich oder herausfordern zum Papst, der die Rede mit düsterem Blick verfolgt, die Hände zu stummem Gebet verschränkt. „Der Heilige Vater hält es für das Beste, wenn wir das Dokument noch heute vernichten. Wir müssen die Welt davor schützen. Keiner kann diese Wahrheit vertragen. Wenn unser Ende schon kommt, wie ich es der Lektüre des Dokumentes entnehmen darf, dann sollen wir wenigstens singend und tanzend zugrunde gehen. Und in der Hoffnung in…“ Er schluckt. „…Gott.“

Der Papst macht Anstalten, sich zu erheben, die Hände feierlich erhoben. „Lasst uns zur Abstimmung schreiten, meine Kinder. Ich denke, es ist erkennbar, dass die Vernichtung des Dokuments die einzige Möglichkeit ist. Daher sollte die Abstimmung reine Formsache sein.“ Es lag eine gewisse Erleichterung in der Stimme des Papstes. „Nein, eure Heiligkeit!“, sagt ein Mann am Tisch, erhebt sich und blickt den Heiligen Vater streng an. Dessen Gesichtszüge erhärten sich, während flammender Zorn aus seinem Blick springt. Er macht eine wischende Geste. Der Kardinal, der ihm widersprochen hat, betritt das Pult.

Tertius

Wieder ist es die Glatze, die den Mann vorstellt. Alle Augen kleben an seinen Lippen. Er ist jünger als Papst und Monsignore, aber dennoch im fortgeschrittenen Alter. „…Kardinal Richards.“, tönt die Stimme des Dieners. „Danke. Heiliger Vater, verehrte Brüder und Schwestern. Wir befinden uns in einer Krise. Vielleicht in der größten Krise, in der diese Welt jemals steckte. Es besteht kein Zweifel, dass die Enthüllung des Dokuments einen großen Schaden an der Institution Kirche, ihrer Mitglieder und an allen anderen Menschen anrichten würde. Und doch halte ich es für die einzige Möglichkeit.“ Ein Raunen erfüllt den Raum. Der Heilige Vater schnauft hörbar.

„Sollen wir denn etwas lehren, von dessen Sinnlosigkeit wir wissen?“, fragt der Kardinal mit lauter, fester Stimme. „Die Menschen haben ein Anrecht auf die Wahrheit. Sie sollen wissen, was bevorsteht. Sie müssen es wissen. Es ist der Wille Gottes, seine Prüfung. Möge die Kirche diese schwerste aller Plage bestehen oder möge sie daran zerbrechen. Amen.“ Er verschränkt die Arme vor der Brust und sieht den Papst herausfordernd an. Dann lächelt er ein süffisantes Lächeln. „Was würde aus Euch, wenn dieses Dokument veröffentlich wird?“, fragte er so kalt, dass alle im Raum erschauderten. „Was wärt Ihr dann noch? Wenn alles, aber auch alles zusammenbricht. Wenn die Welt, wie wir sie kennen ihren Sinn verliert.“

„Ein Mensch.“, flüstert der Kardinal nach einigem Überlegen. „Ich wäre noch ein Mensch. Ein Teil der Schöpfung, ein Teil von etwas Wunderbarem.“ Tränen steigen in die Augen des Mannes und seine Stimme bricht ab. Er setzt sich ohne ein weiteres Wort hin. Der Blick des Papstes ist seltsam steif. Als beiße er die Zähne zusammen, um einem Wutanfall zu entgehen. Seine Lippen nicht mehr als ein dünner Strich, ein toter Ast im Busch, ein Schicksalsfaden kurz vor dem Zerreißen. Totenstille erfüllt den großen Raum. Selbst der Sturm draußen schien den Atem anzuhalten. „Die A b s t i m m u n g.“, sagte der Papst dann leise und zischelnd. Wie eine Kobra, die jeden Moment zustoßen kann.

„Ich habe auch noch etwas zu sagen, meine Heiligkeit.“ Mit einem Blick, der in einer Welt, in der Blicke töten können, vermutlich ganze Genozide verursacht hätte, starrt der Papst den Bischof an, der sich nun ohne Aufforderung an das Pult begibt. „Heiliger Vater, ich bin enttäuscht.“, eröffnet er seine Rede und fängt sich einen weiteren bösen Blick des Papstes ein. „Wir, die heilige Kirche, sind dazu da, den Menschen Hoffnung zu geben. Wir sind dazu da, den Glauben zu stärken. Wir sind dazu da, die Finsternis zu vertreiben und Licht zu finden, selbst wenn alle Hoffnung verloren scheint. Ist das nicht, was wir predigen? Ist das nicht, was wir glauben?“ „Es gibt keine Hoffnung mehr!“, ruft der Papst wütend. „Solange wir glauben, gibt es Hoffnung!“, entgegnet der Bischof noch lauter. „Wir sind nie allein. Es ist der Wille des Herrn, dass wir nie aufgeben und bis zum bitteren Ende auf ihn vertrauen. Wollt ihr den Willen Gottes leugnen?“, fragt er in die Runde.

„Haltet Euer blasphemisches Maul!“, ruft der Papst nun sehr aufgebracht. „Der Hurendreck, den Ihr predigt, ist in den Wind gesprochen. Es gibt keine Hoffnung mehr. Es gab nie welche. Ihr seid…“

„Gott sieht zu!“, ruft der Bischof nun mit Donnerstimme. Der Papst zuckt unter diesen Worten zusammen, wie unter einem Peitschenhieb. Dann erhebt er sich von seinem Stuhl und brüllt durch den ganzen Raum, dass alle Anwesenden die Köpfe einziehen. „ICH BIN GOTT!“

Der Satz zittert eine Weile in der Luft. Der Papst steht mit hochrotem Kopf am Ende des Tisches und wischt sich einen Speichelfaden von der Lippe. Der Bischof fängt sich als erster wieder. Mit gefährlich leiser Stimme spricht er zum Heiligen Vater. „Sobald die Sonne morgen aufgeht, kennt jeder Mann, jede Frau und jedes Kind die Wahrheit. Und Ihr werdet der erste sein, den sie holen.“ Mit hocherhobenem Haupt verlässt er den Saal. Der Papst starrt ihm fassungslos hinterher. Seine Hand beginnt wieder zu zittern. Auch der Kardinal verlässt den Raum. Nach und nach gehen fast alle Mitglieder des Treffens und lassen den entthronten Papst allein zurück.

„Oh Herr steh euch bei!“, sagt dieser leise zu sich.

Quartus

Der letzte Donner rollte in der Ferne über den Nachtschwarzen Himmel. Das weiße Gewand seiner Heiligkeit wallt über den Boden der alten Gänge. Allein und in ein Gebet vertieft betritt er einen Raum, der seit Jahrzehnten – vielleicht Jahrhunderten – nicht betreten wurde. Auf einem kleinen Altar aus Stein liegen eine Kardinals Mütze, ein Bischofshut sowie diverse andere Kleidungsstücke hoher Kirchenvertreter. Einige sind von roten Flecken geziert. Daneben liegt ein altes Dokument, mit Tinte auf Pergament geschrieben.

Mit Hass in den Augen beugt sich der Papst über das Dokument, das so viel Leid über seine Kirche gebracht hat. Das Dokument, das Mensch, Bibel, den ganzen Glauben, ja sogar Gott selbst die Existenzberechtigung raubt. Das Dokument, das die ewige Vernichtung von allem Bekannten prophezeit und einläutet. Das Dokument, das größer ist, als Gott selbst.

Während sich seine Lippen zu einem Lächeln formen, umklammert er die Streichhölzer in seiner Hand fester.

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