Der Todesengel von Auschwitz
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
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Jetzt anmelden oder registrierenDer Zweite Weltkrieg war eine Zeit der Grausamkeit, der Angst und der
Hoffnungslosigkeit. 1939 überfielen die Nazis im Blitzkrieg Polen, eroberten
Frankreich bis zur Küste und kamen in Russland bis nach Stalingrad. Doch der
Krieg war nicht das Grausamste. Die Verfolgungen und Deportationen in die
Konzentrationslager, wo die Insassen von Wärtern verprügelt und gedemütigt
wurden und bis zum Tod arbeiten mussten oder sogar, im schlimmsten Fall,
grausam in den Gaskammern getötet wurden, waren weitaus abscheulicher, als der
Krieg selbst.
Ich wurde im August 1942 in den Kriegsdienst eingezogen. Ich war damals ein
junger Anwalt und hatte die Universität gerade beendet, als ich in die rote
Armee eintrat, um mein Land gegen den Faschismus zu verteidigen. Ich musste
eine schnelle Ausbildung absolvieren, denn die Nazis waren bereits bis nach
Stalingrad vorgedrungen und die große Befreiungsoffensive stand bevor. Diese
sollte die entscheidende Wende in diesem Krieg herbeiführen und die Deutschen
zurückdrängen. Der Terror sollte ein Ende haben.
Doch ich hatte keine Ahnung wie krank die Nazis waren, wie sehr und vor allem
mit welchen Mitteln sie ihr Ziel, die Ausrottung der Menschen, die sie für
unwürdig hielten zu leben, erreichen wollten.
Doch die volle Grausamkeit der Taten der Nazis sollte sich mir erst nach dem
Ende des Krieges offenbaren.
Im Dezember war es dann soweit: Die Schlacht um Stalingrad war im vollen Gange.
Die Kälte des Winters setze den deutschen Soldaten sehr zu und wir nutzen
diesen Vorteil. Über Tage, Wochen und Monate hinweg belagerten wir Stalingrad.
Viele Soldaten des deutschen Reiches starben durch die eisige Kälte. Nach und
nach gelang es uns vorzurücken und die Stadt immer weiter einzunehmen. Im
Februar 1943 war es letztendlich so weit: Stalingrad war wieder unter
russischer Kontrolle. Doch wir waren noch lange nicht am Ziel angekommen, denn
die eigentliche Offensive gegen Deutschland hatte gerade erst begonnen.
Die russische Armee rückte immer weiter in Richtung Westen und in Richtung
Deutschland vor. Die Zeit vom Januar 1943 bis zum Ende des Jahres 1944 war
geprägt von vielen Schlachten. Viele meiner Genossen fielen im Kampf. Oft
dauerten die Gefechte wochenlang, aber wir schafften es vorzurücken und eine
Stadt nach der anderen zu befreien.
Ende des Jahres 1943 waren wir bis an die Bug, ein Fluss in der Nähe eines
kleinen Dorfes mit Namen „Treblinka“, vorgerückt.
Das Vernichtungslagers Treblinka II:
Einige Tage nachdem
wir den Fluss erreicht hatten, fingen wir einen Funkspruch der Deutschen ab,
indem es um einen Aufstand in einem Lager
nahe dem Ort, ging. Nach dieser Meldung befahl die Generalität den
Aufständischen zur Hilfe zu kommen und das Lager zu befreien. Zu diesem
Zeitpunkt hatten wir nicht die geringste Ahnung, um was für eine Art Lager es
sich handelte. Doch wir würden es bald herausfinden. Der Weg zum Lager, der
einen Tag lang dauerte, verlief ohne jeglichen Widerstand, was mich sehr
verwunderte. Normalerweise waren solche Gebiete schwer befestigt. Häufig traf
man auf Hindernisse wie Wachtürme und Stacheldrahtzäune. Hier jedoch war das
Land grade zu kahl, wenn man die Bäume und Sträucher außer Acht lässt. Wir
näherten uns immer weiter dem vermeintlichen Aufstand in besagtem Lager, doch
blieben die üblichen Gefechtsgeräusche, wie Schüsse und Schmerzensschreie,
gänzlich aus. Als wir das Lager erreichten, sahen wir sofort, warum wir
keinerlei Geräusche gehört hatten. Das Lager war komplett verlassen, keine
Menschenseele war mehr hier und es herrschte Totenstille. Doch trotzdem war
Vorsicht geboten. Oft hatten wir in den Schlachten solche Hinterhalte erlebt
und in verlassenen Ortschaften Fallen der Nazis gefunden. Wir näherten uns den
großen Stahltoren des Lagers. Sowie unsere Stellung gesichert war, ließen wir
einige Hunde in das Lager hinein, um zu überprüfen, ob noch Gefahr bestand. Wir
warteten mehrere Stunden, da das Lager relativ groß war. Die Minuten vergingen
sehr langsam und die Anspannung war fast schon greifbar, da wir jeden Moment
mit einem Angriff rechneten. Ein Hund nach dem anderen kam zurück und als auch
der letzte Hund nach mehreren Stunden das Tor erreichte, betraten wir endlich
das, was wir bis zu diesem Zeitpunkt für ein Gefängnis oder ein Arbeitslager
gehalten hatten.
Der Anblick der sich uns bot war abscheulich: Überall lagen Leichen, zu Bergen
gestapelt, Blut klebte an den Betonwänden, die Baracken, die als Unterschlupf
für die Gefangenen dienten, hatten Einschusslöcher, zerbrochene Fenster und
zerbrochene Wände. An dem Stacheldraht hingen Stofffetzen, Haut von Flüchtlingen
oder sogar Stücke menschlichen Fleisches, welche beim Versuch zu flüchten wohl
am Draht hängengeblieben und abgerissen waren. Ich verzog das Gesicht. Dieses
abscheuliche Bild war selbst für einen Soldaten zu viel. Ein Mann meiner
Einheit, der neben mir stand, würgte und übergab sich. Es war sowohl der Ekel,
als auch die Anspannung und die Unsicherheit, die uns den Magen umdrehte. Trotz
alledem rückten wir weiter in das Lager vor und erkundeten es. Unsere Einheit
teilte sich auf, sodass je 5 Mann einen kleinen Stoßtrupp bildeten. Jeder Trupp
durchsuchte einen anderen Teil des Lagers: einer die Baracken und die Räume, die
innerhalb der Mauern lagen, einer die oberen Mauern und Wachtürme, einer die
undefinierbaren Anbauten auf der linken Seite, ein weiterer das Gelände und
schließlich durchsuchten wir ein Gebäude am hinteren Ende der Festung.
Meine Genossen und ich lauschten in das Gebäude, als wir vor der verschlossenen
Tür standen. Zwei Männer sicherten uns, bevor wir die Tür eintraten. In dem
Gebäude war es dunkel, doch das elektrische Licht funktionierte noch immer. Wir
befanden uns in einem Verwaltungstrakt, an den viele Büros angrenzten. Wir
durchkämmten jeden Raum, doch wir fanden nichts als Telefone, Telegraphen,
Morsegeräte und unwichtige Notizen. Eine Treppe, am Ende des Flures, führte in
den zweiten Stock, wo offenbar die Räume der Lagerführung waren. Hier wurden
wir fündig. In einigen Räumen stapelten sich Akten und Schränke voller
Dokumente reihten sich aneinander. Wir öffneten die Schränke und studierten die
Akten. Glücklicherweise konnten einige von uns Deutsch, da sie es über die
Jahre im Krieg gelernt hatten oder sogar ausgebildete Übersetzer waren. Mir
hatte es ein Scharfschütze meines Regiments beigebracht und mit einem
Wörterbuch konnte ich mir einen großen Teil auch selbst beibringen. Doch was in
den Dokumenten stand war grade zu ungeheuerlich. Es waren Akten über Morde. Es
war immer wieder die Rede von „Vergasungen“ und vom „Vernichtungslager
Treblinka“. Immer wieder überprüften wir das, was wir da grade gelesen hatten.
Es klang zu abstrus und grausam, um wahr zu sein. Selbst als wir Listen fanden,
in denen festgehalten wurde, wie viele Insassen hier schon gestorben waren,
wollten wir es nicht glauben. Doch selbst diese Dokumente gaben mir noch nicht
so zu denken, wie das was ich als nächstes finden sollte. Hinter einer
verschlossenen Tür fand ich einen Tresor, der aufgebrochen schien. Darin lagen
einige Wertgegenstände und ein paar Briefe. Ich inspizierte die Briefe und fand
heraus, dass sie von einem gewissen J. Mengele waren und an die Führung des
Lagers gerichtet waren. Darin stand, dass dieser J. Mengele sich im
Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befand und dass er weitere Insassen
benötige. Natürlich verstand ich nicht worum es ging, noch nicht, doch allein
die Tatsache, dass es noch mehr von solchen Vernichtungslagern geben sollte,
ließ mich schier verzweifeln. Wir packten die wichtigsten Akten ein und
verließen das Gebäude wieder, um uns mit den anderen Stoßtrupps wieder zu
vereinigen. Beim Hinausgehen fiel ein Brief aus meiner Hand auf den Boden vor
dem Tresor. Ich hob ihn auf und bemerkte, dass dort schwarzes Pulver lag. Es war
Asche. Jemand hatte also den Tresor aufgebrochen und einige Dokumente daraus
verbrannt. Alles was ich in dem Aschehäufchen finden konnte, war ein kleiner
Schnipsel mit dem Wort „Katakomben“.
Als wir alle wieder am Tor waren,
brachten sich unsere Stoßtrupps auf den neusten Stand der Dinge. Der erste
Trupp berichtete, dass sie in den Baracken und den umliegenden Räumen keine
Auffälligkeiten gefunden hatten. Ebenso hatte der zweite Trupp nichts gefunden.
Doch der dritte und vierte Stoßtrupp hatte ein paar Informationen, die unsere
Informationen bestätigten. Der dritte berichtete, dass sie in den Anbauten
Räume mit Scheiben und Panzertüren gefunden hatten. Hinter diesen lagen weitere
Räume mit Duschköpfen an der Decke. Der vierte Stoßtruppe hatte eine weitere
grausame Entdeckung gemacht: Auf dem Gelände des Lagers befanden sich überall
Massengräber. Wir teilten unsere Erkenntnisse dem Rest mit und nach und nach
verstanden wir, was die Nazis hier gemacht hatten: Hier wurden Menschen
systematisch getötet, durch Gas, dann zu Bergen von Leichen aufgetürmt und auf
dem Gelände vergraben.
Wir kehrten zu unserem Stützpunkt zurück und berichteten unserem General von
unseren Entdeckungen. Unser weiteres Vorgehen wurden von unseren Anführern noch
in derselben Nacht besprochen und unserem General mitgeteilt. Am Morgen stand
es fest: Wir würden weiter ziehen, in Richtung des Vernichtungslagers
Auschwitz-Birkenau und es, wenn möglich, befreien.
Wir mussten uns mehrere Monate in südwestliche Richtung vorkämpfen. Dies war sehr
schwer, da die Front manchmal weiter im Osten lag und wir deshalb immer wieder
Dörfer erobern mussten oder uns durch feindliches Gebiet schlichen. In den
Gefechten verloren wir Genossen, was uns nur noch mehr anspannte, jedoch nicht
wegen der Angst zu sterben, viel mehr war es die Angst, vor den Toren von
Auschwitz zu stehen und unterlegen zu sein. Hin und wieder bekamen wir
Nachrichten, von der Eroberung anderer Städte und von Siegen und Niederlagen. Im Juni 1944 bekamen wir die Nachricht, dass
die Alliierten in der Normandie gelandet waren und seitdem die Deutschen immer
weiter zurückdrängten. Und wir eroberten den Osten zurück. Deutschland schien
es schlecht zu gehen. Sie verloren immer mehr Schlachten und damit Gebiete.
Immer weiter kämpften wir uns vor. Je näher wir Auschwitz kamen, je mehr Dörfer
wir befreiten, je mehr Kriegsopfer wir retten, desto grausamer, brutaler und
abscheulicher wurden die Geschichten, die wir über diesen Ort hörten.
Im Januar 1945 war es dann endlich soweit. Wir hatten das Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau erreicht.
Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau:
Wir waren endlich angekommen. Tage bevor die
eigentliche Befreiung überhaupt stattfinden sollte waren wir bereits nervös.
Was wäre, wenn dort ein riesiges Bataillon auf uns warten würde? Was wäre, wenn
unsere Taktik versagen würde? Auf der Fahrt zu unserem Absatzpunkt war die
Spannung so groß, dass niemand auch nur ein Wort sagte. Je näher wir kamen,
desto bedrückender und unheilvoller wurde die Atmosphäre. Am Morgen des 27.
Januar war der Himmel grau und dunkel. Wir griffen blitzschnell an, um die
Wärter zu überrumpeln, doch auch hier waren keine Wärter mehr. Aber wir fanden
einen Haufen abgemagerter und armer Menschen, die in den kleinen Baracken
zusammengepfercht hausten. Sie wurden so schnell es ging versorgt.
Ein Mann, der so etwas wie das Oberhaupt der Insassen war, erzählte mir, was
hier passiert war. Er trug einen einfachen Insassen Overall mit der Nummer 7449.
„Dies hier ist kein Arbeitslager“, begann er, „es ist ein Konzentrations- oder
Vernichtungslager, wie sie es nannten.“
„Ich weiß. Wir haben vor einigen Monaten ein anderes Vernichtungslager in
Treblinka gefunden und erkundet.“ Erzählte ich dem Mann. Er nickte. „Sie haben
die Leute in diese Kammern gebracht. Dort wurde Gas hereingeleitet. Es war ein
grauenhafter Anblick. Manchmal mussten wir zusehen, wie unsere Familien,
Freunde und Mitgefangenen elendig erstickt sind.“ Sagte der Mann mit bebender
Stimme. „Also auch hier.“ Murmelte ich. Dann fragte ich: „Kennen Sie einen J.
Mengele? Er muss hier ein sehr hohes Tier gewesen sein. Er…“ „Joseph Mengele, “
unterbrach mich der Mann, „Ja. Er war hier der Arzt. Doch er hat uns weniger
geheilt, als dass er Experimente gemacht hat. Wir wissen nur wenig, die meisten
Leute sind nie von seinen Experimenten zurückgekehrt.“ Der Mann sah mich
verschwörerisch an, senkte den Blick und sagte dann sehr leise und unheilvoll:
„Viele nannten ihn nur: Den Todesengel.“ Ich erschrak, als im selben Moment
eine alte Frau, die auf dem Boden saß, aufschrie. Sie sah mich panisch an und
schrie: „Der Todesengel!“ Dann hielten ihre Augen inne. Ich lief zu ihr
hinüber, fragte sie, ob alles in Ordnung sei und fühlte ihren Puls. Sie war
tot. Die arme Frau war bestimmt an Altersschwäche und an den Folgen der
Unterernährung gestorben. Aber wieso hatte sie ausgerechnet das wiederholt? Ich
war in heller Aufregung. Hier waren Dinge geschehen. Dinge, die grausamer waren,
als alles was wir uns bis dahin vorgestellt hatten. Dinge, die so ungeheuerlich
waren, dass sie wie schaurige Märchen klangen. Dinge, die über unser
Verständnis von Natürlichkeit weit hinausgehen würden. Dinge, die selbst die
üblichen, abscheulichen Vergehen der Nazis übertrafen.
Ich wendete mich an den Mann, mit dem ich vorher geredet hatte, und eine Gruppe
Insassen, die sich um ihn versammelt hatte: „Wären Sie alle bereit mir zu
erzählen, was hier in den letzten Jahren passiert ist und was Sie hier erlebt
haben?“ Der Mann nickte. Die anderen zögerten, einige nickten dann, andere
schauten sich verstört um und ein paar wenige schüttelten den Kopf, als hätten
sie Angst, dass sie getötet würden, wenn sie über die Geschehnisse in diesem
Vernichtungslager berichteten. Während wir auf den Rest unseres Trupps
warteten, versorgten wir die Befreiten und redeten mit ihnen.
Erzählung des Insassen 7449:
„Wissen Sie,“ fing der Mann an, „dies ist kein „normales“ Vernichtungslager.
Jeden Tag wurden hier Hunderte Menschen vergast. Wahrscheinlich waren es über
die Jahre hin Millionen von Insassen die hier ihr Leben verloren. Die Wärter
waren unglaublich brutal und haben zusätzlich jeden Tag Menschen erschossen
oder so lange gequält, bis sie unter den Schmerzen der Tortur kraftlos zusammenbrachen
und starben. Doch das meine ich nicht.
Ich kam 1942 hier nach Auschwitz, als die Nazis mein Dorf eroberten und alle
jüdischen Bürger deportierten. Sie pferchten uns auf einem Platz in der Mitte
unseres kleinen Ortes zusammen und fingen an uns zu zählen, manche prügelten
uns, andere erschossen wahllos Leute auf dem Platz. Dann trieben uns die
SS-Truppen in LKWs und Züge, mit denen sie uns nach Auschwitz brachten. Nach
stundenlangen Fahrten durch die Kälte, eingesperrt und zusammengedrängt in
kleinen Güterwagons, erreichten wir unser Ziel. Hier wurden wir sortiert. Alte,
Junge, Schwangere…alle die nicht arbeiten konnten wurden umgehend vergast.
Ältere Kinder, junge Erwachsene und die Älteren wurden in die Barracken
gesperrt. Wir mussten arbeiten oder sterben.“ Er hielt kurz inne und
schmunzelte traurig und erschüttert: „Naja ersteres hatte letzteres oft zur
Folge. Eigentlich würden wir alle hier früher oder später sterben. Zumindest dachten
wir dies.
Vor zwei Jahren im Mai kam dann dieser Mann. Es war ein kalter, düsterer
Morgen, genauso eisig und finster wie der Blick dieses Mannes. Er redete mit
den Wärtern und betrat dann ein Gebäude. In derselben Nacht wurden wir aus
unseren Betten gescheucht und in Reihen draußen aufgestellt. Es regnete und wir
hatten nur unsere Unterwäsche an, als der Mann hinter zwei Wachen hervortrat. Unheilvoll
begann er zu sprechen: „Guten Abend meine Damen und Herren. Gestatten sie, dass
ich mich vorstelle: Mein Name ist Joseph Mengele. Ich werde ab heute der Arzt
dieses Konzentrationslagers sein. Einige von Ihnen werde ich wohl kaum näher
kennen lernen, andere werden dieses Privileg bekommen.“ Er nickte einem
bewaffneten Wärter zu und sofort fielen mehrere Schüsse und dann drei oder vier
Gefangene aus der ersten Reihe. Natürlich erschraken wir, doch das willkürliche
Töten dieser unmenschlichen…Kreaturen, war für uns leider schon zur Gewohnheit
geworden. Es kam hier immer wieder mal vor, dass Gefangene hinterrücks, aus
reinem Hass von den Wärtern erschossen wurden. Dann fuhr er fort: ‚So wie
diese…“Individuen“. „Wissen Sie, ich bin ein Mann der Wissenschaft, ein Mann der
Medizin. Ich forsche sehr viel, nicht nur für den Dienst am Deutschen Reich,
sondern auch aus eigenem Interesse. Sie werden feststellen, dass meine
Forschungsmethoden nicht…“, an dieser Stelle huschte ein bösartiges Lächeln
über sein in den finsteren Schatten liegendes Gesicht, „den üblichen und
normalen Forschungsmethoden entsprechen.“
Dann wurden wir wieder in unsere Baracken gescheucht und durften ein paar
weitere Stunden schlafen. Doch viele waren besorgt oder besser gesagt
besorgter. Wir wussten zwar, dass die Chancen hier lebend herauszukommen sehr
gering waren, doch was dieser Dr. Mengele über seine Forschung gesagt hatte,
ließ uns das Blut in den Adern gefrieren. Einige Kinder wachten nachts immer
wieder schreiend auf und behaupteten das fürchterliche Lächeln dieses Mannes in
ihren Träumen gesehen zu haben. Er schien einen unglaublichen Einfluss auf die
Menschen um sich und eine bedrückende Aura zu haben. Am nächsten Tag wurden wir
dann, wie man uns ja bereits mitgeteilt hatte, in Gruppen abgeholt und in ein
steriles Untersuchungszimmer gebracht, wo wir gemustert wurden. Bis zu dem Tage
wussten wir gar nicht, dass so ein Raum überhaupt existierte. In Unterwäsche
standen wir in der Schlange, bis in das kalte Zimmer hinein. In dem
Untersuchungsraum standen Tragen, Geräte, Schränke voll Medizin und anderes
ärztliches Zubehör herum. Akribisch untersuchten sie jeden Winkel unserer
Körper, auf der Suche nach allen Details und Makeln. Es waren zwei jüngere
Männer in weißen Arztkitteln, die die Untersuchungen durchführten, während
Mengele alles mit seinem Blick, der ebenso kalt und steril war wie dieser Raum,
überwachte. Einen nach dem anderen inspizierten sie. Als wären wir Tiere oder
Ware. Danach mussten wir wieder schuften. Wir alle fragten uns, was diese
Untersuchungen wohl zu bedeuten hatten, es konnte ihnen wohl kaum um unser Wohl
und um unsere Gesundheit gehen. Doch schon am selben Tag wurden einige von uns
von den Wärtern in Gewahrsam genommen. Es waren so um die hundert Insassen:
Männer, Frauen, Kinder, Alte. Natürlich setzte sich niemand zur Wehr oder half
ihnen. Es wäre reiner Selbstmord gewesen. Am selben Tag kamen einige zur
Abendstunde wieder. Es waren grade mal zehn oder zwanzig. Manche hatten
Bandagen, andere Pflaster und wieder andere…waren komplett entstellt. Die
anderen waren vermutlich immer noch in den Untersuchungsräumen oder sogar schon tot. Als wir in den Baracken waren, berichteten sie, was sie erlebt hatten. Es
waren unaussprechliche Grausamkeiten gewesen, die man den Insassen angetan
hatten. Sie berichteten, dass man ihnen giftige Flüssigkeiten in Adern oder
Organe gespritzt hatte, andere mussten Säurebäder überstehen. Einige hatte man
in große Wannen voller trockenem Eis baden lassen, um zu sehen, wie lange sie
so eine Tortur aushalten können. Und mit all diesen Erzählungen wuchs unsere
Angst vor den Experimenten und vor diesen abscheulichen Menschen. Von dem Tag
an wurden täglich neue Menschen hier nach Auschwitz gebracht und täglich wurden
Leute zu diesen Experimenten abgeholt. Täglich gab es mehr Leichen und
Vergasungen und täglich wuchs die Furcht vor den Grausamkeiten. Jeden Tag
hörten wir von grausameren Experimenten.“ Der Mann geriet immer mehr in Rage
vor Abscheu und Trauer. „Sie führten Hitzetests durch und verbrannten die Leute
bei lebendigem Leib. Vor allem mit Zwillingen machten sie viele Experimente,
sie nannten das Zwillingsforschung: Sie fügten dem einen unvorstellbare
Schmerzen ohne Betäubung zu, um zu sehen, ob der andere auch etwas spürte. Sie
operierten sie sogar bei Bewusstsein. Andere Insassen wurden ebenfalls bei
Bewusstsein operiert, manchmal nähten sie sie sogar zusammen und verschmolzen
ihre Körper. Sie folterten die Insassen wie Versuchstiere in ihren
Experimenten.“ Dem Mann liefen ein paar Tränen über die Wange und tropften auf
den Asphalt. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte ruhig: „Es ist
vorbei.“
Mittlerweile waren weitere Soldaten meines Trupps angekommen. Wir besprachen
das weitere Vorgehen und beschlossen, dass ein Teil weiter die Befreiten
betreute und retten sollte und dass wir, die wir schon das Vernichtungslager in
Treblinka durchsucht hatten, nun auch Auschwitz erkunden sollten. Wir mussten
uns aufteilen. Ich wendete mich wieder an den Mann mit der Nummer 7449: „Kennen
Sie sich hier etwas aus? Können sie mir sagen, wo welche Gebäude stehen?“
„Natürlich.“ Er zeichnete eine Karte. Als er fertig war, teilten wir uns auf.
Doch bevor wir losziehen konnten, hielt uns der Mann an: „Sie sollten noch
etwas wissen.“, begann er erneut, „Es gab ein paar seltsame Vorkommnisse hier.
Immer wieder hörte man verzerrte Schreie aus einem Gebäude. Einmal gab es hier
sogar so etwas wie ein Erdbeben, doch es fühlte sich so an, als läge die Quelle
nur wenige Meter unter unseren Füßen. Wir haben herausgefunden, dass es in dem
Gebäude einen Zugang zu Katakomben, die unter diesem Vernichtungslager liegen,
gibt. Dort wurden auch Experimente durchgeführt. Die wenigen, die von dort
wieder gekommen sind, haben Dr. Mengele seinen Namen gegeben: Todesengel.“ „Wir
werden uns darum kümmern“ antwortete ich. Dann wendete ich mich an zwei meiner
Genossen und wir gingen los Richtung des Gebäudes, das der Eingang zu den
Katakomben sein sollte.
Das Gebäude lag etwas abgelegen, hinter anderen Gebäuden. Es war das einzige
Gebäude, dessen Tür man verbarrikadiert hatte. Wir zerbrachen die Bretter und
Holzkisten, die die Nazis vor die Tür gestellt hatten, um den Zugang zu
verdecken und zu versperren. Die Tür war mit Schlössern von innen gesichert,
sodass die einzige Möglichkeit, die uns blieb, eine Sprengung war. Mit einer
lauten Explosion zerstörten wir die Tür und ebenso die dahinter gelegenen
Tische und andere Möbel, die man davor geschafft hatte. Wir traten langsam ein.
Es war stockfinster, doch im Gegensatz zu den Gebäuden in Treblinka hatte man
hier jegliche Stromleitung gekappt. Wir mussten uns also weiter durch die
Finsternis tasten. Einer von uns musste seine Waffe gegen einen Scheinwerfer
austauschen und sich auf uns verlassen. So durchkämmten wir weiter das Gebäude.
Je tiefer wir kamen, desto mulmiger wurde uns. Es gab mehrere Untergeschosse,
welche wie Gänge mit Zellen, Untersuchungsräumen oder Operationssälen aufgebaut
waren. Diese Gänge führten in einem Viereck einmal um die Etage herum. Die
ersten Untergeschosse sahen noch normal aus. Die Untersuchungszimmer waren
steril und sauber. In einigen Laboren standen Glasapparaturen und Flaschen mit
diversen Substanzen und Medikamenten. Man konnte vom Gang aus in die Zellen
hereinblicken. In jeder standen ein Bett, ein Waschbecken und ein Klo.
Vermutlich hatte man hier Langzeitfolgen von Experimenten überwacht. Doch je
tiefer wir kamen, desto unerträglicher wurde der Anblick, der sich uns in den Gängen
bot. Die Räume sahen immer verwahrloster, heruntergekommener und grausamer aus.
Im letzten Stockwerk bot sich uns ein Anblick, den wohl niemand von uns wieder
vergessen wird. Operationssäle an dessen Wänden, Boden und sogar an deren
Scheiben Blut klebte. Menschliche Kadaver, die in Zellen oder auf Tragen
gefesselt, verrotteten. Abstrus deformierte Körper, merkwürdige Mutationen,
verzerrte Gesichter, Blut und undefinierbare Flüssigkeiten. Einmal kamen wir an einer Scheibe vorbei, die
über und über mit Blut bedeckt war. Wir konnten uns nur ausmalen, was hinter
dem Sicherheitsglas geschehen war. Meine Fantasie zeichnete schreckliche Szenen
vor mein inneres Auge. Ein anderes Mal sahen wir in einem Raum zwei Menschen,
die man zusammen genäht hatte. Sie hatten sich offenbar gegenseitig das Fleisch
von den Körpern gekratzt und sich dann gegenseitig erwürgt. Die Gerüchte, die
wir von dem Gefangen über Mengeles Experimente erfahren hatten, waren wahr. Wir
hatten diese absurden Behauptungen für zu schrecklich und grausam befunden, um
wahr zu sein. Es war ungefähr nach der fünften oder sechsten Ebene, als wir
wieder bei der Treppe waren. Wir planten unser weiteres Vorgehen, als wir etwas
hörten. Es war ein merkwürdiges Geräusch und ich konnte es kaum einem mir
bekannten Geräusch zu ordnen. Weder klang es wie eine Stimme, noch wie ein
Kratzen oder wie ein Schlag auf einen metallischen Gegenstand, der nachklingt.
Es klang wohl am ehesten, als würde etwas zerfasern bei dem Versuch den festen
Beton zu durchdringen. Doch so sehr ich auch versuchte dieses Geräusch zu
beschreiben, einzuordnen, zu kategorisieren und zu definieren, es gelang mir
nicht. Das Geräusch war für menschliche Ohren schlicht und ergreifend zu fremdartig,
als dass jemand es beschreiben könnte.
„Was war das? Wo kam das her?“ flüsterte der Genosse neben mir, der ebenfalls
noch bewaffnet war. „Ich glaube von unten.“ antwortete ich in die Dunkelheit
hinein. Wir stiegen die Treppe noch etwas weiter hinab und kamen zu einem
großen Tor. Es bestand aus zwei Türen, auf denen mehrere Sicherheitshinweise
waren und die mittels eines großen, festgeschweißten Eisenträgers versperrt
waren. Mit ein paar kleinen Sprengsätzen, konnten wir die großen Doppeltüren aus
ihren Scharnieren sprengen. Dahinter war gähnende Schwärze. Dies mussten die
Katakomben von Auschwitz sein. Als unser Genosse mit dem Scheinwerfer in die
Finsternis leuchtete, konnten wir gerade einmal zehn bis zwanzig Meter in den
Gang hereinblicken, welcher sich hinter dem Tor befand. Es war ein sehr langer
doch schmaler Gang. Wir mussten zusammengedrängt gehen, um hindurch zu
gelangen. Die Wände waren nicht mehr als 2,5 Meter voneinander entfernt und
bestanden aus roten Ziegeln. Doch die Länge des Gangs war beachtlich. Der Weg
durch ihn hindurch dauerte fast eine halbe Stunde. Am Ende teilte sich der
dunkle Korridor auf und verlief nach rechts und links weiter. „Wo gehen wir
lang?“ fragte der Genosse und leuchtete mit dem Scheinwerfer in jede Richtung.
Wir konnten wie schon zuvor nur wenige Meter in die finstere Schwärze spähen. „Wir
werfen eine Münze.“ schlug ich vor und holte eine silberne Münze aus meiner
Tasche. „Bei Kopf gehen wir nach links, bei Zahl gehen wir nach rechts.“ sagte
der dritte Genosse. Ich schnipste die Münze in die Luft. Im selben Moment
ertönte wieder das Geräusch, das wir in der vorherigen Etage gehört hatten.
Dieses Mal jedoch lauter. Blitzschnell erhoben wir unsere Waffen und den
Scheinwerfer und blickten in alle Richtungen. Adrenalin schoss durch meinen
Kopf. Eine Mischung aus Aufregung, Angst und einem Gefühl, dem, was dort in der
Finsternis war, völlig ausgeliefert und unterlegen zu sein. Es war
unbeschreiblich bedrückend in der Dunkelheit zu stehen und nicht zu wissen, was
um einen herum passierte. Wir warteten darauf, dass wir etwas sehen oder hören
würden, doch es blieb still in dem Korridor. Erst nach mehreren Minuten lösten
wir uns wieder. Ich wollte die Münze aufheben, doch konnte sie nirgends finden,
bis ich ein metallisches Klackern hörte. Jedoch nicht auf dem Boden, wo ich
grade gesucht hatte, sondern über mir. Ich richtete mich auf und schaute nach
oben. Und als der Lichtstrahl die Decke erhellte erschraken wir: Die Münze
stieß immer wieder gegen ein Metallrohr an der Decke, umgeben von einem
Flimmern in der Luft. Im Lichtkegel konnte ich die Silhouette einer Hand
erkennen, die mit dem Taler gegen die Decke schlug. Im selben Moment fingen die
anderen beiden Soldaten an zu schreien, einer fluchte panisch: „Was ist das?! Wir
müssen hier raus!“ Sie drehten sich um,
doch ich stand nur da, stocksteif und paralysiert. Die Angst in mir, vor dem
was da grade Unbegreifliches vor sich ging, war so groß, dass ich fühlte, wie
ich langsam immer leerer wurde und diese endlose Dunkelheit, die uns umgab,
sich in mir ausbreitete. Ich hörte nur noch wie einer meiner Genossen an mir
rüttelte und mich anschrie: „Wir müssen hier raus, komm!“ und sich dann an den
anderen Soldaten wandte: „Scheiße, er reagiert nicht! Hilf mir!“ Es klang so,
als würden sie durch einen dicken Schleier sprechen.
Dann wurde ich ohnmächtig und viel in einen wahnwitzigen Fiebertraum. Absurd,
seltsam, formlos, bizarr…ich kann es kaum beschreiben, was ich in diesem Traum
sah. Es schien nicht von dieser Welt zu sein.
Verhöre und die Nürnberger Prozesse:
Als die seltsamen Fantasien, die ich in meinem Schlaf
sah, zu Ende gingen, schlug ich langsam meine Augen auf. Ich war wach. Doch
nicht wie ich erwartet hatte inmitten des dunklen Ganges, sondern in einem
hellen, weißen, ja sogar reinen Zimmer. Ich lag in einem Bett. Völlig perplex
richtete ich mich auf. Wo war ich? Mir war völlig bewusst was passiert war: Wir
hatten den Gang in den Katakomben von Auschwitz erkundet, als ich nach dem
Münzwurf dieses Flimmern sah und dann ohnmächtig wurde. Meine Augen brauchten
ein wenig Zeit, um sich an das Licht zu gewöhnen. Ich ging im Kopf die letzten
Ereignisse durch. Erst dann bemerkte ich, dass ich nicht alleine war. Ein Arzt,
eine Krankenschwester, ein Offizier und einer der beiden Genossen, die mit mir
in dem Tunnel waren, standen neben meinem Bett. „Guten Tag. Wie geht es ihnen?“
fragte der Arzt freundlich. Etwas unbeholfen stammelte ich: „Ja…soweit ganz
gut…ich kann mich nicht beklagen.“ „Sie lagen mehrere Monate im Koma.“ erklärte
mir der Arzt besänftigend. Dann fuhr er fort: „Wissen Sie was passiert ist?
Wissen Sie warum sie hier sind?“ Ich erzählte ihm alles, woran ich mich erinnern
konnte. Als ich fertig war, machte sich der Arzt ein paar Notizen auf seinem
Klemmbrett. Dann sagte er: „Sie scheinen keine Schäden davon getragen zu haben.
Ich denke ihr Genosse kann ihnen erzählen, was nach ihrem Zusammenbruch
passiert ist.“ Kurz darauf verließen die Krankenschwester und der Arzt das
Zimmer. Ich schaute meinen Genossen an. Er grinste zurück. Dann fing er an zu
erzählen: Nachdem ich ohnmächtig geworden war, hatten die anderen beiden mich
hochgehievt und zusammen aus den Katakomben getragen, so schnell wie nur
irgendwie möglich. Sie hatten mich in ein Krankenhaus gebracht, während die
befreiten Insassen weiter versorgt wurden. In den nächsten Monaten hatte
Deutschland immer mehr Niederlagen einstecken müssen, bis der Krieg am 8. Mai
schließlich beendet war und Deutschland kapituliert hatte. Man hatte viele
deutsche Soldaten, Generäle, SS-Truppen und sogar Politiker und andere
Unterstützer des faschistischen Regimes gefangen genommen. Noch im selben Jahr
sollte es Prozesse geben, um die Nazis für ihre schrecklichen Verbrechen
rechtmäßig zu bestrafen. Mein Genosse und ich redeten noch lange über den
Krieg, die Vergangenheit und die Zukunft. Ich beschloss noch am selben Abend,
als ich alleine in meinem Bett lag, an dem Prozess teilzunehmen, da ich als
Anwalt und Kriegsveteran viel dazu beitragen konnte. Doch ich muss zugeben: Was
mich damals noch mehr antrieb, als eine gerechte Strafe für die
Kriegsverbrecher, war meine Neugier. Ich wollte versuchen noch mehr über diesen
Arzt, Joseph Mengele, das Vernichtungslager Auschwitz, die Experimente, die dort
gemacht wurden und vor allem mehr über das, was in dem Katakomben lag,
herausfinden. Einige Tage später hatte man mich komplett getestet und ich wurde
entlassen.
Ich begab mich so schnell es ging nach Berlin, um mich dort den
Besatzungsmächten vorzustellen und an der Verurteilung mitzuwirken. Die Beamten
waren äußerst erfreut über meine Mitarbeit, da ich mich mit dem Rechtswesen
auskannte, im Krieg viel erlebt hatte und selbst Zeuge war und Beweise hatte.
Und so zog ich kurze Zeit später nach Berlin. Ich belegte einen Deutschkurs, da
wir viele Unterlagen überprüfen mussten und ich dafür bessere Deutschkenntnisse
benötigte. Im Juli 1945 war es dann soweit: Die Vorbereitung auf die Prozesse,
die noch in diesem November in Nürnberg beginnen sollten, lief an. Ich arbeitete
mit vielen anderen Leuten zusammen: Juristen, Historiker, Opfer des Terrors,
andere Soldaten und sogar Spione. Wir waren speziell zuständig für den Krieg in
der Sowjetunion und für die Befreiung
der Vernichtungslager. Im Besonderen natürlich Auschwitz.
Zunächst mussten wir Dokumente und Akten durcharbeiten. Listen mit Namen, Insassen aus den Konzentrationslagern.
Berichte über Vergasungen, Morde und Todesfälle. Wir bekamen die Information,
dass einige Wärter und SS-Mitglieder, die in dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
stationiert waren, sich hier in Berlin in einem Gefängnis befanden. Zwei Männer
unserer Gruppe und ich sollten nun diese Personen verhören.
Verhör der Wachen von Auschwitz:
Wir wurden in einen spärlich beleuchteten Raum
innerhalb des Gefängnisses geführt. In der Mitte stand ein Tisch mit Stühlen zu
beiden Seiten. Sie führten den ersten Häftling herein. Ein dürrer, junger Mann,
der wahrscheinlich zwangsweise dort gewesen war und nur Befehle ausgeführt
hatte. Wir bekamen nicht viel aus ihm heraus. Er bestätigte uns lediglich das,
was wir schon wussten: Dass viele Insassen in Auschwitz brutal ermordet,
vergast und gefoltert wurden. Von Experimenten oder gar Katakomben wusste der
junge Soldat nichts. Joseph Mengele war ihm lediglich als Arzt bekannt. So war
dieses Verhör schnell beendet.
Doch der zweite Mann schien besser Bescheid zu wissen. Er war groß, muskulös,
hatte eine Tätowierung mit dem „SS“- Symbol auf dem Arm. Stolz erzählte er uns,
was er in Auschwitz alles getan hatte. Wie er Gefangene getötet hatte. Als wir
ihn über Auschwitz ausfragten, wurde er noch höhnischer und erzählte uns, dass
Auschwitz und die Vorgänge dort, in den anderen Konzentrationslagern so etwas
wie eine Legende gewesen seien. Viele Insassen hätten Angst gehabt dorthin
geschickt zu werden. Dieser Wärter war scheußlich. Zu gerne hätte ich ihm den
Schädel eingeschlagen. Doch ich konnte es nicht tun. Die Verbrechen aufzuklären
und zivilisiert mit so inhumanen Menschen umzugehen war wichtiger, als Rache
für die Ermordeten und den Spott in seiner Stimme. Zuletzt fragte ich ihn, ob er
schon mal etwas von einem gewissen Joseph Mengele gehört habe. Hier kippte das
Gespräch plötzlich um. Der Bär von einem Mann, der vorher noch so überzeugt von
den Gräueltaten geschwärmt hatte, wurde plötzlich kreidebleich. Seine Augen
wurden ganz starr und er fing an zu stottern, er sah geradezu apathisch aus. Da
er mir nicht richtig antwortete, frage ich ihn wieder, ob er etwas über Mengele
und seine Experimente wüsste. Doch ich konnte nichts aus ihm herausbekommen. Er
schien seine Lippen so fest wie möglich zusammen zu pressen, in der Angst etwas
könnte ungewollt aus ihm herausplatzen. Wir fuhren zurück zum Büro, wo wir uns
wieder unserer Aufgabe widmeten. Doch die Reaktion des Wachmannes ließ mich
nicht los. Er wusste eindeutig mehr über die Experimente, als ihm lieb war.
Wir arbeiteten jeden Tag über Stunden hinweg ohne Pause. Hier ging es um mehr,
als bloß das Verurteilen von Kriegsverbrechern. Was hier geschah war von
weltlichem Ausmaß. Erst nach mehreren Wochen waren wir bei den Dokumenten über
Auschwitz angekommen. Hauptsächlich waren es die gleichen Unterlagen, wie aus
Treblinka: Listen über Insassen und Opfer, Dokumente über Vergasungen und
Ähnliches. Doch schon bald stießen wir auf eine Kiste mit besonderen Akten. Sie
war aus Stahl und nur schwer zu öffnen. In ihr lagen ein Tagebuch, zwei
zusammengeheftete Dokumente, eine Mappe mit mehreren Seiten, ein Briefumschlag
mit Fotos und ein altes Buch. Wir begannen unverzüglich mit der Sichtung des
Materials. Zunächst nahm ich mir das Tagebuch von Dr. Mengele vor.
Tagebucheintrag:
21. August, 1944
Auschwitz – Die Forschung beginnt
Man hat mich auf meine Anfrage hin nach Auschwitz versetzt. Die Führung scheint
von meinen Ideen sehr angetan zu sein, da der Führer selbst einige Papiere
unterzeichnet hat. Die Forschungseinrichtungen im Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau sind weitaus besser, als die bisherigen Laboratorien, in
denen ich gearbeitet habe. Auschwitz verfügt über die Mittel und „Ressourcen“,
die meine Forschung benötigt. Die Gefangen sind ruhig und fügen sich den
Anweisungen. Die ersten Experimente verliefen soweit zu meiner Zufriedenheit,
doch es wird sich noch herausstellen, ob die gegebenen Bedingungen optimal
sind, um das eigentliche Hauptexperiment durchzuführen. Die unterirdische
Anlage wird derweil noch errichtet. In ein paar Wochen können die Tests zum
„Experiment des Engels“ beginnen. Es wird in der untersten Ebene stationiert
werden. Geplant ist eine einzige große Halle anzulegen, in der ausschließlich
an diesem Experiment geforscht werden soll.
gez.
J.M.
„Experiment
des Engels“ murmelte ich vor mich hin, als ich den Eintrag fertig gelesen
hatte. Einer meiner Kollegen hörte es und rief mir zu: „Was hast du gesagt?“
Ich schaute ihn nichtssagend an, schüttelte meinen Kopf und arbeitete weiter.
In der Mappe waren detailliert die Versuche skizziert, die in Auschwitz
durchgeführt worden waren. Aufbau, Durchführung, Beobachtungen, Ergebnisse und
so weiter. Jede Information war feinsäuberlich dokumentiert worden. Die ersten
Experimente klangen vergleichsweise harmlos: Medikamententest, pharmazeutische
Forschung, ärztliche Untersuchungen.
Doch je weiter ich kam, desto verstörender wurden die Daten, die da vor mir
lagen:
Ich las etwas über Injektionen giftiger, ätzender und allerlei anderer
gefährlicher Stoffe. Hitze- und Kältetest, mit brennenden Gasen oder Eisbädern.
Allein in diesen Experimenten starben hunderte von Insassen. Dann kamen
Transplantationen und Operationen. Ohne Narkose und grotesk und unnatürlich.
Zusammennähen von Körpern und Austausch von Gliedmaßen. Abschließend die
Zwillingsforschung. Solche Grausamkeit, die man selbst Kindern angetan hatte.
Joseph Mengele schien ein gnadenloser Sadist gewesen zu sein.
Als ich die Akte durchgearbeitet hatte und kurz durchatmete, stockte ich. Ich
griff noch einmal zu der Akte und blätterte sie hastig durch. Dann noch einmal
gründlicher. Ich suchte auf meinem Schreibtisch nach Dokumenten, die eventuell
rausgefallen waren. Nichts. In der Akte, die alle Experimente von Auschwitz
beschrieb, war nichts über etwas mit dem Namen „Experiment des Engels“
geschrieben. Das konnte nicht sein. Ich nahm mir noch mal das Tagebuch vor, in
dem Glauben ich hätte mir die Zeilen über besagte Forschung nur eingebildet.
Doch da standen sie mit schwarzer Tinte auf dem vergilbten Papier. Ich
blätterte weiter und fand einen weiteren Tagebucheintrag.
Tagebucheintrag:
9. November 1944
Wissenschaftlicher Fortschritt
Alles läuft nach Plan. Meine Forschung an den Häftlingen funktioniert prächtig.
Zwar sterben viele, doch das ist nur in unserem Sinn. Die Verluste kompensieren
wir durch Insassen anderer Lager, die zu uns geschickt werden. Die einzelnen
Experimente funktionieren gut. Im September wurde das letzte Untergeschoss
fertig gestellt. Im Oktober ist es uns nach vielen missglückten Anläufen und
vieler Toter gelungen. Wir haben „Ihn“ zu uns geholt. Die weiteren Forschungen
des „Experiment des Engels“ werden nun
beginnen. Allerdings gibt es Nebenwirkungen, die ich nicht bedacht habe. Im
ganzen Vernichtungslager fangen die Menschen an Alpträume höchsten Grades zu
haben und Wahnsinn zu entwickeln. Einige Soldaten, die für das „Experiment des
Engels“ im untersten Geschoss stationiert sind, und „Ihn“ gesehen haben, haben
Selbstmord begangen, sind ins Koma gefallen oder haben scheinbar ihr komplettes
Innenleben verloren. Häufig wurden sie von wiederkehrender Apathie heimgesucht.
Das nächste Ziel wird sein „Ihn“ zu kontrollieren.
gez.
J.M.
„Ihn“?
Was sollte das bedeuten? Was waren das für seltsame Einträge. Es war
mittlerweile spät in der Nacht, mein Kopf war schwer und arbeitete kaum noch.
Ich ging nach Hause und begab mich ins Bett. In dieser Nacht träumte ich wieder
von den wirren Dingen, die ich im Koma gesehen hatte. Und dann von jenem Tag, als
wir Auschwitz befreiten und ich ins Koma fiel.
Am nächsten Morgen war ich noch verwirrter als am Abend zuvor. Als ich im Büro
ankam, waren schon alle Mitglieder unserer Gruppe da. Wir sollten heute unsere
Ergebnisse zusammentragen und auswerten. Ich berichtete von der Akte mit den
Experimenten. Einer meiner Kollegen hatte die Fotos untersucht. Sie gehörten zu
den Akten und zeigen die einzelnen Versuche. Die zusammengehefteten Seiten
waren Dokumente und Befehle von der deutschen Regierung an Dr. Mengele. Darin
gab sie Menschenversuche frei. Als er fertig war sagte der Kollege, der die
Seiten bearbeitet hatte noch etwas, dass mich aufhorchen ließ: „Auf einer Seite
wird zum Schluss noch etwas erwähnt. Es war sehr klein geschrieben und ich
musste eine Lupe benutzen, doch ich konnte eindeutig die Worte lesen: ‚Freigabe für
das „Experiment des Engels“‘. Allerdings habe ich keine Ahnung was das ist.“
„Ich habe auch etwas über dieses Experiment gefunden!“, unterbrach ich ihn,
„Joseph Mengele erwähnt es in mehrmals in seinem Tagebuch, doch ich konnte
nichts weiter finden. In der Akte über seine Forschung steht nichts
dergleichen. Aber er spricht in seinem Tagebuch häufig von „Ihm“.“ Die anderen
starrten mich verwundert an. Dann kam der letzte Kollege dran. Er hatte das Buch
untersucht. „Nun ja, es tut mir Leid, aber viel konnte ich nicht darin
erkennen. Es besteht hauptsächlich aus Zeichnungen, Fotos, einer seltsamen
Bildschrift und Hieroglyphen. Häufig zeigen die Bilder Steintafeln,
Höhlenmalereien und Mosaike. Darauf sind Menschen und Wesen
abgebildet, doch ich konnte nichts Besonderes daran finden.“
Wir rätselten weiter, was dort unter Auschwitz geschehen war, bis ich plötzlich
einen Einfall hatte: „Ich hab die Lösung! Die Menschen in Auschwitz nannten
Joseph Mengele auch den Todesengel. Dort unten muss also ein persönliches
Experiment von ihm sein, vielleicht haben sie dort sogar an ihm selbst
geforscht.“ Die anderen Gesichter erhellten sich. Es schien die einzig
plausible Erklärung zu sein.
Nürnberger Prozesse:
Nachdem wir monatelang gearbeitet hatten, war es im Juli 1947 endlich soweit.
In Nürnberg wurde den Kriegsverbrechern der Prozess gemacht und wir sollten
unsere Ergebnisse präsentieren und die Anklage formulieren. Ich war gespannt
auf die Verhandlung, vor allem, weil ich noch etliche Fragen an Dr. Mengele
hatte. Doch als der Richter die Angeklagten nannte, wurde ich enttäuscht. Er
las vor: „Joseph Mengele – befindet sich auf der Flucht.“ Ich wurde wütend. All
die Arbeit war umsonst gewesen. Die nervenaufreibenden Monate und die
verstörenden Dokumente würden im Endeffekt nichts gebracht haben. Und nach
alledem würde ich nicht einmal die Antworten auf meine Fragen bekommen. Stumm
und gedankenverloren blieb ich in dem Saal sitzen und wartete darauf, dass der
Tag endlich vorbei ging.
Müde schleppte ich mich nach Hause, legte mich ins Bett und realisierte erst
jetzt, dass der Krieg und der Schrecken endlich vorbei waren. Enttäuscht und
doch glücklich schlief ich ein.
Viele Jahre vergingen. Ich zog zurück in die Sowjetunion, lernte meine Frau
kennen und ging meinem Beruf als Jurist nach.
Doch…vor kurzem geschah etwas Seltsames. Ich bekam ein Paket aus Südamerika,
jedoch ohne Absender. Lediglich der Stempel verriet, dass das Paket dort
herkam. Vorsichtig öffnete ich es. Darin lagen zwei Sachen. Ein unbekannter
Zeitungsartikel, aber ein sehr bekanntes Buch. Es war das Tagebuch von Joseph
Mengele. In dem Buch steckte eine schwarze Feder. Ich schlug die Seite auf und
las:
Tagebucheintrag:
3. Januar 1945
Alles geht zu Grunde
Verdammt! Verdammt! Verdammt! Die Russen werden bald hier sein. Wir sind
unterlegen mit unseren Soldaten. Außerdem sind viele gar nicht mehr zu
gebrauchen. Und das „Experiment des Engels“ funktioniert immer noch nicht.
Viele Testsubjekte sterben einfach bei Kontakt. Wir können „Ihn“ immer noch
nicht kontrollieren, im Gegenteil: „Er“ wird immer unberechenbarer. Wachmänner,
Insassen, Forscher, Techniker… „Er“ nimmt alles mit sich.
Ich habe keine andere Wahl: Ich werde die unterste Ebene absperren und
versiegeln lassen und dann flüchten. Ein U-Boot steht bereit, das mich in einen
entlegenen Teil Südamerikas bringen wird. Dort werde ich wenigstens vor der
Justiz sicher sein…und vermutlich auch vor „Ihm“.
gez.
J.M.
Da wurde mir klar, dass ich all die Jahre falsch
gelegen hatte. Mit Todesengel war keines falls Dr. Mengele gemeint gewesen,
sondern dass, was dort unten in den Katakomben von Auschwitz ruht.
Ich betrachte den Zeitungsartikel und las:
10. Februar 1979
Mann im Meer verstorben
Am 7. Februar verstarb ein Mann an der Küste.
Offenbar machte er dort
Urlaub in einem Hotel. Am besagten Tag schwamm er hinaus, als man plötzlich
einen Schrei vernahm. Zeugen berichteten, dass sie ihn ertrinken hörten und
sahen. Die Todesursache scheint laut Autopsie ein Herzanfall gewesen zu sein,
der dazu führte, dass der Mann ertrank. Die Zeugen berichten es habe so
ausgesehen, als sei er in die Tiefe gezogen worden. Einige sagen, sie hätten ein
Hitzeflimmern in seiner Nähe gesehn.
Als sein Körper kurze Zeit darauf an Land gespült wurde lag auf seinem Rücken
eine schwarze Feder.
() 16:55, 9. Jun. 2015 (UTC) & [http://de.creepypasta.wikia.com/wiki/Benutzer:666SODOMIZED666 666SODOMIZED666]
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