Erinnerungen in Morpheus Armen

Ich saß auf einem Stuhl, der einem Zahnarztsessel ähnelte, in einem schwach beleuchteten Raum. Der Arzt gurtete mich an und gab mir einen Rat, bevor er begann.

„Jack, es ist wichtig, dass Sie die Augen geschlossen halten, sobald die Sitzung beginnt.“

„Ist es wirklich notwendig, mich so anzuschnallen?“

Der Arzt warf mir einen strengen Blick zu.

„Sie haben die Verzichtserklärung unterschrieben, Jack. Sie wissen, dass diese Fesseln zu Ihrer eigenen Sicherheit dienen. Es kann alles Mögliche passieren, sobald die Entschlüsselung des Gehirns eingeleitet wird. Wenn Sie bezahlt werden wollen, müssen Sie sich an alle Auflagen des Tests halten.“

Ich versuchte, zustimmend zu nicken, aber der Lederriemen um meinen Kopf hinderte mich daran.

„In Ordnung, Doktor. Wann immer Sie bereit sind.“

Ich muss zugeben, dass ich mehr als nur ein wenig nervös war. Die Anzeige schien harmlos genug, als ich das Formular ausfüllte, um mich zu bewerben. 2.500 Dollar für eine einmalige „Studie zur Rückführung in vergangene Leben“ und weitere 2500 Dollar, wenn die von mir gesammelten Erinnerungen von Wert sind. Es wurde als eine unglaubliche Gelegenheit angepriesen, sich „an seine vergangenen Leben zu erinnern“. Jetzt, wo ich hier war, war ich mir da nicht mehr so sicher.

Der Arzt muss bemerkt haben, wie besorgt ich war. Er legte mir tröstend eine Hand auf die Schulter.

„Entspannen Sie sich, Jack. Ich versichere Ihnen, dass dies eine hervorragende Erfahrung sein wird.“

„Wenn es funktioniert, meinen Sie.“

„Oh, Jack, das wird es. Es haben sich über tausend Kandidaten beworben. Aufgrund der Antworten, die Sie in der Umfrage gewählt haben, sind Sie einer der wenigen Menschen, die für diese Studie wie geschaffen sind. Die Stärke des Geistes ist der Schlüssel.“

Er sagte das, als ob es ein Trost wäre. Alles, woran ich denken konnte, waren die Hunderte Möglichkeiten, wie das Ganze schiefgehen konnte. 5.000 Dollar waren nicht schlecht für einen Tag Arbeit, aber ich würde es nicht ausgeben können, falls ich ins Koma fallen würde. In diesem Fall würde es kaum ausreichen, um die darauffolgenden Arztrechnungen zu bezahlen.

„Okay, Jack. Halten Sie still.“

Der Arzt verließ den Raum und tauchte im Steuerzentrum wieder auf, das gerade noch durch ein Fenster in der Ecke des Raums zu sehen war.

Seine Stimme erklang aus einem Lautsprecher, der von der Decke herabhing.

„Jack, es ist so, wie wir besprochen haben …“

Zwei Kabelpaare kamen von oben herab und setzten an jedem meiner Nasenlöcher an.

„Diese Kabel werden in Ihre Nasenhöhle eingeführt und ermöglichen uns den Zugang zu bestimmten Bereichen Ihres Gehirns. Von dort aus werden Sie eine Reihe von kleinen Elektroschocks erhalten. Zur Erinnerung: Es wird keine langfristigen Schäden geben, aber Sie werden nach jedem Schock einen überwältigenden Ruck in Ihrem Kopf spüren.“

Mit jedem Wort, das er sagte, wuchs meine Beklemmung. Ich war nicht im Bilde darüber, wie mein Körper darauf reagieren würde.

„Warten Sie“, rief ich, als die Kabel ihren Weg durch meine Gänge begannen.

„Ja, stimmt etwas nicht?“

„Doktor, was ist unser Sicherheitswort?“

„Sicherheitswort?“, fragte er, offenbar verwirrt.

„Sie wissen schon, falls etwas schiefgeht und ich aufhören muss?“

Es gab eine kurze Pause, bevor er wieder sprach.

„Es tut mir leid, Jack. Kein Sicherheitswort. Sie haben den Papierkram unterschrieben. Der Test kann jetzt nicht mehr abgebrochen werden. Ich verspreche Ihnen, dass Sie das Ganze unbeschadet überstehen werden.“

Mein Herz pochte jetzt so laut in meiner Brust, dass ich es hören konnte. Zusammen mit dem schleichenden Geräusch der ärztlichen Maschinen war es eine beunruhigende Symphonie, die meine Gefühle des Grauens und des Bedauerns widerspiegelte. Das perfekte Hintergrundgeräusch, um die Angst in mir am Leben zu erhalten.

Plötzlich ein scharfes Zwicken. Die Kabel hatten die Basis meines Schädels erreicht. Ich krümmte mich gegen meine Ledereinfassung.

„Fertig? Dann fangen wir an!“

Ohne dass ich auch nur eine Sekunde Zeit hatte, mich zu wappnen, wurde mir der erste Schock verabreicht. Wenn du schon einmal einen Stromschlag bekommen hast, kannst du dir vielleicht vorstellen, wie sich das anfühlt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Elektrizität auf eine einzige Stelle gerichtet ist; sie wird an einer einzigen Stelle verstärkt und verursacht einen intensiven Schmerz, der noch lange nach dem Abklingen des Stroms anhält.

„Und noch einmal!“

Der zweite Schock war sogar noch schlimmer. Ich schrie vor Schmerz auf, aber der Arzt war immer noch konzentriert.

„Noch einmal!“

Die Schocks bauten aufeinander auf, jeder war schmerzhafter als der letzte. Hätte ich gewusst, dass es sich so anfühlen würde, hätte ich mich nie eingeschrieben, egal, wie viel Geld sie mir angeboten hätten.

„Noch einmal!“

Der Arzt ließ nicht locker, selbst als ich ihn anflehte, aufzuhören. Er hat mich öfter geschockt, als mir lieb ist. Irgendwann nach dem zwölften Mal habe ich aufgehört zu zählen. Schließlich stoppte er, aber das hatte nichts mit meinen Ausbrüchen oder irgendeinem ethischen Dilemma zu tun, das das Experiment darstellte.

„Diese Messwerte sind erstaunlich. Ihre Gehirnaktivität steigt an, Jack! Das ist es. Wir haben Ihr Unterbewusstsein geweckt. Sie werden gleich untertauchen!“

Bevor ich auf seine Worte reagieren konnte, spürte ich, wie eine Energiewelle meinen Körper durchlief. Dann noch eine, und noch eine. Es war ein starkes Gefühl, aber gleichzeitig auch beruhigend; eine willkommene Abwechslung zu den Schlägen, die mein Gehirn gerade ertragen hatte.

„Doktor, ich glaube …“

Eine letzte Energiewelle, die stärker war als die vorangegangenen, setzte ein und hielt mich an Ort und Stelle fest, stärker, als es die Gurte je vermocht hätten. Ich konnte mich weder bewegen noch sprechen, und es dauerte nicht lange, bis ich spürte, wie meine Augen trüb wurden und zurück in meinen Schädel rollten.

Dann, völlige Dunkelheit.

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„Jack, können Sie mich hören?“

Ich hörte die Stimme des Arztes, aber ich konnte ihn nicht sehen. Ringsherum war es stockfinster.

„Hören Sie, Jack, wenn Sie mich hören können, dann öffnen Sie bitte Ihre Augen.“

Ich tat wie mir geheißen und zu meinem Erstaunen kehrte meine Sicht zurück und offenbarte mir einen langen, schmalen Gang mit einer Reihe von Türen auf beiden Seiten.

„Doktor, was ist hier los?“

„Sie müssen lauter sprechen, Jack. Ihre Lippen bewegen sich, aber Ihre Stimme ist nur ein leises Flüstern.“

„ICH SAGTE, WAS IST HIER LOS?“

„Das ist schon besser! Nun, Jack, wir haben es geschafft. Sie befinden sich jetzt in einer Darstellung Ihres Unterbewusstseins.“

Ich war mehr als nur ein wenig skeptisch.

„Mein Unterbewusstsein? Wirklich?“

„Ja, Jack. Wirklich. Ihr Körper ist immer noch hier in diesem Raum festgeschnallt. Mithilfe der Elektroschocktherapie konnten wir diesen Teil Ihres Geistes freischalten. Jetzt sollten wir in der Lage sein, auf verborgene Erinnerungen aus Ihrem früheren Leben zuzugreifen. Sagen Sie mir, was sehen Sie?“

„Es ist nur ein Gang mit Türen.“

„Gut, das ist gut. Es sieht für jeden anders aus. Für manche ist es ein großes Haus, für andere ein Ozean mit endlosen Häfen und ihren Leuchttürmen. Ihres ist scheinbar zugänglicher. Wenn Sie eine Tür öffnen, sollten Sie einen Blick auf eine vergangene Erinnerung erhaschen können.“

Ich sah an mir herunter und bemerkte meinen Körper, mit Beinen und allem. Es war zwar nicht mein richtiger Körper, aber es fühlte sich gut an, wieder mobil zu sein.

„Also, einfach eine Tür öffnen? Gibt es etwas, worüber ich mir Sorgen machen müsste?“

„Nein, Jack. Hier kann Ihnen nichts passieren. Wenn Sie die Tür öffnen, sollte Ihr Gedächtnis wie ein Film ablaufen. Keiner wird wissen, dass Sie da sind. Es ist nur eine Projektion.“

„Na gut, wird schon schiefgehen.“

Ich ging zur nächstgelegenen Tür und versuchte, den Knauf zu öffnen. Er konnte nicht gedreht werden.

„Sie ist verschlossen, Doktor. Ich komme nicht rein.“

„Das sind Ihre Erinnerungen, Jack. Ihre Türen. Der Einzige, der sie verschließt, sind Sie. Ihr Wille ist der Schlüssel, um sie zu öffnen. Versuchen Sie es noch einmal, aber dieses Mal geben Sie nach. Öffnen Sie Ihren Geist für die Vorstellung von all dem. Erlauben Sie sich, sich zu erinnern.“

Ich holte tief Luft und versuchte es erneut, diesmal ohne Hemmungen. Ich leerte meinen Geist und drehte den Knopf. Diesmal funktionierte es. Es gelang mir, die Tür aufzustoßen.

„Es hat geklappt, Doktor. Die Tür ist offen.“

„Das ist großartig, Jack. Was sehen Sie?“

Eine Treppe führte hinunter in eine dunkle Grube.

„Nur eine Treppe. Soll ich sie betreten?“

„Ja. Finden Sie heraus, wohin sie führt.“

Vorsichtig wanderte ich nach unten, wobei ich bei jedem Schritt tief einatmete, um meine Ängste zurückzudrängen. Es war aufregend, Zugang zu meiner inneren Psyche zu haben, aber ich wusste nicht, was ich dort finden würde. Was, wenn mir nicht gefiel, was ich sah, oder wer ich in einem anderen Leben war? Was, wenn ich mit den Wahrheiten, die ich aufdeckte, nicht umgehen konnte?

Schließlich trat ich die letzte Stufe hinunter und befand mich im Haus von jemandem. Eine hübsche, idyllische Hütte, etwa aus dem 19. oder vielleicht frühen 20. Jahrhundert. Es gab einen schönen Kamin aus Kopfsteinpflaster, elegantes Mobiliar und einen älteren Herrn, der in einem Sessel saß, eine Pfeife in der Hand und ein Buch in der anderen. Ich fragte mich, ob ich das in einem früheren Leben war.

„Hey, Doktor. Ich bin in einer Hütte. Wahrscheinlich um 1800 oder so. Da sitzt ein Mann am Kamin und liest. Bin ich das?“

Der Doktor antwortete nicht.

„Doktor?“

Wieder Stille, dann eine Antwort, aber nicht von ihm.

„Er kann dich nicht hören.“

Ich drehte mich in die Richtung, aus der die Stimme kam und sah den alten Mann, der nun zu mir aufschaute. Er kann es nicht gewesen sein, oder? Der Arzt sagte, niemand könne mich sehen.

„Ich sagte, er kann dich nicht hören. Nicht von hier aus.“

Es war wirklich der alte Mann. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als er sein Buch beiseitelegte und aufstand, um meinen überraschten Blick zu erwidern.

„Das ist nur eine Erinnerung. Wie kannst du mich sehen?“

„Das ist ganz einfach, wirklich. Ich bin du. Oder zumindest ein Teil von dir.“

Ich begriff nicht, und das merkte er.

„Die Evolution ist eine komische Sache, weißt du. Eigenschaften, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, um uns besser und sicherer zu machen. Das Überleben des Stärkeren, wie man sagt.“

„Was meinst du damit?“, fragte ich, immer noch unsicher, worauf er hinaus wollte.

„Reinkarnation ist sehr real. Ich bin der Teil deines Gehirns, der dafür zuständig ist, vergangene Regressionen wegzusperren. Ohne mich wäre dein Gehirn bei der Geburt mit den Erinnerungen an jedes einzelne deiner früheren Leben überladen. All diese Erinnerungen würden auf einmal hereinströmen. Das wäre ein Angriff auf die Sinne, den dein Gehirn niemals bewältigen könnte. Ich bin ein Schutz dagegen.“

Was er sagte, war … unfassbar. Eben noch nahm ich an einer bezahlten medizinischen Studie teil, und jetzt lernte ich irgendwie die Geheimnisse des Universums aus meinem eigenen Kopf. Das war eine Menge zu verdauen.

„Darf ich mich setzen?“, fragte ich.

„Natürlich, Jack. Bitte sehr.“

Ich setzte mich in den Sessel und nahm mir einen Moment Zeit, um meine Gedanken zu sammeln, bevor ich antwortete.

„Warum kann mich der Arzt gerade jetzt nicht hören?“

„Ich habe diese Erinnerung gekapert, um mit dir zu sprechen. Da ich ein Teil deines Gehirns bin, kann ich auch auf andere Funktionen zugreifen, also habe ich das Sprechen und Hören deines physischen Körpers vorübergehend deaktiviert.“

„Aber warum? Warum wolltest du unbedingt mit mir sprechen, und dann auch noch unter vier Augen?“

Er lehnte sich nah an mich heran, packte mich an den Schultern und stellte bewusst Augenkontakt her.

„Jack, du spielst mit Dingen, mit denen du nichts zu tun haben solltest. Ich bin hier, um dich zu warnen. Hör unverzüglich mit dem auf, was du tust.“

Er lockerte seinen Griff und trat einen Schritt zurück.

„Du meinst, ich soll aufhören, mich zu erinnern? Und warum? Was wird passieren?“, fragte ich.

„Nichts Gefährliches. Ich habe die Schleusen immer noch verriegelt. Dieser kurze Ausflug in die Vergangenheit, bei dem ich ein Leben nach dem anderen freigebe, würde an sich keine ernsthaften Auswirkungen haben. Trotzdem werde ich es nicht zulassen.“

„Du wirst es nicht zulassen? Warum nicht?“

„Wenn das Experiment des Doktors erfolgreich ist, werden andere diesem Beispiel folgen. Wir wissen nicht, wie viele diesen Weg gehen und ihre Vergangenheit auf diese Weise erleben werden. Das wird nach einiger Zeit das Gleichgewicht der Evolution durcheinander bringen. Nach Jahren dieser Nachlässigkeit könnten Menschen ohne mich geboren werden, wobei ihre Erinnerungen völlig unversehrt bleiben. Sie werden dann im Koma liegen oder sterben, kurz nachdem sie den Mutterleib verlassen haben.“

Er ging hinüber und packte mich erneut.

„Wenn du diese kleine Reise fortsetzt, werde ich mich rächen. Ich werde sie dir alle nehmen. Alle deine Erinnerungen, eine nach der anderen, bis du nichts mehr hast. Du wirst für den Rest deines Lebens in einem vegetativen Zustand verharren.“

Ich stieß ihn weg, nicht erfreut über den Ton, den er anschlug.

„Wovon zum Teufel redest du?! Du bist ich. Wir werden beide sterben.“

Er spottete über meine Erwiderung.

„Ich bin eine Facette der Evolution, genau wie alle deine ererbten Eigenschaften. Meine Pflicht gilt zuerst der gesamten Spezies und erst danach der Selbsterhaltung. Ich werde tun, was ich tun muss, egal, was es kostet.“

Obwohl ich mich nicht gerne bedroht fühlte, beabsichtigte ich nicht, die natürliche Ordnung der Dinge zu durchbrechen. Um ehrlich zu sein, wollte ich vermeiden, in meinem eigenen Kopf zu sein. Je eher ich rauskam, desto besser.

„Gut. Ich werde aufhören.“

„Prima.“

Der Mann setzte sich wieder auf seinen Stuhl und die Erinnerung kehrte in den vorherigen Zustand zurück, als hätte man eine Pausentaste betätigt. Ich ging den Weg zurück, den ich gekommen war, landete wieder im Flur und schloss die Tür hinter mir.

„Jack, sind Sie da? Was ist los?“

Die Stimme des Arztes kehrte zurück, und wir konnten uns wieder unterhalten. Ich erzählte ihm, was passiert war. Ich konnte die Enttäuschung in seiner Stimme hören, als er einen schweren Seufzer ausstieß.

„Ich hatte befürchtet, dass es so weit kommen würde.“

„Wovon reden Sie, Doktor? Sie wussten davon?“

Er seufzte erneut, bevor er antwortete.

„Das ist bei allen meinen früheren Tests passiert. Es ist eine Sicherheitsvorkehrung, die unser Körper gegen die Erinnerung an frühere Leben eingebaut hat.“

„Frühere Tests? Es gab schon andere vor mir?“

„Ja, und sie endeten alle auf die gleiche Weise. Jede einzelne Testperson wurde nach der Sitzung komatös. Einer starb kurz darauf.“

„Komatös?! Jemand ist gestorben?! Sie haben gesagt, hier drin kann mir nichts passieren!“

„Ich wollte, dass Sie sich fokussieren. Wir können uns darüber streiten, bis man schwarz wird, aber jetzt konzentrieren wir uns erst einmal auf die Aufgabe, die vor uns liegt. Öffnen wir die nächste Tür, ja?“

An diesem Punkt kochte mein Blut.

„Noch eine Tür? Noch eine Tür?! Ist das Ihr Ernst?! Lassen Sie mich hier raus! Ich habe nicht vor, ein weiterer Ihrer Misserfolge zu sein!“

„Sie haben die Papiere unterschrieben, Jack. Ich werde Sie nicht wecken, bevor wir das nicht erledigt haben. Ich brauche weitere Informationen. Meine Karriere steht auf dem Spiel. Nur noch zwei Türen und ich hole Sie raus. Was sagen Sie dazu?“

„Ihre Karriere ist mir scheißegal! Ich weigere mich, hier weiterzumachen. Irgendwann wache ich von allein auf.“

Der Arzt lachte leicht.

„Nein, das werden Sie nicht, Jack. Sie befinden sich tief in den Eingeweiden Ihres Geistes. Das Einzige, was Sie aufwecken wird, ist ein weiterer Elektroschock, der nach genauen Vorgaben kalibriert ist. Wenn Sie nicht fortfahren, werde ich Sie nicht wecken und Sie werden ohnehin im Koma liegen.“

„Ich kann doch reden, oder? So, wie ich jetzt gerade mit Ihnen rede? Ich werde es jemandem sagen und der kann …“

Der Arzt schaltete sich ein.

„Ich kann das mit einem Knopfdruck abschalten. Sie werden mit niemandem mehr kommunizieren können.“

Jetzt brodelte es in mir vor Empörung.

„Sie sind ein kranker Mann, Doktor. Ein sehr kranker Mann.“

„Es tut mir leid, Jack. Ich muss das tun. Es ist zum Wohle der Menschheit. Diese Forschung könnte die Welt verändern. Ich stehe an der Schwelle zu etwas Großem. Etwas Lebensveränderndes.“

Ich warf ihm ein paar ausgewählte Schimpfwörter an den Kopf, aber er reagierte nicht.

„Tun Sie einfach, was man Ihnen sagt, Jack. Und denken Sie nicht einmal daran, zu lügen. Ich kann Ihre Gehirnströme sehen und werde jede Täuschung erkennen.“

Ich saß noch eine ganze Weile im Flur meiner Erinnerungen und dachte über meine Optionen nach. Es dauerte nicht lange, bis mir klar wurde, dass ich nur eine davon zur Verfügung hatte. Meine beste Chance war, fortzufahren. Es waren nur zwei Türen. Vielleicht konnte ich unbemerkt hinein und hinausgelangen und diesen Albtraum ein für alle Mal beenden.

„Gut, Doktor. Ich werde es tun.“

„Gut. Öffnen Sie eine weitere Tür, aber gehen Sie zuerst ein Stück den Flur entlang. Ich wünsche mir etwas mehr Tiefe.“

Ich tat widerwillig, wie mir geheißen und öffnete eine Tür weiter unten im Flur. Dort befand sich eine weitere Treppe, aber diese führte nach oben.

„Es ist eine weitere Treppe, Doktor. Ich gehe hinein.“

Ich lief entschlossen die Treppe hinauf, in der Hoffnung, so viel wie nötig zu sehen und dann möglichst schnell zu verschwinden.

„Alles klar, Jack? Was sehen Sie?“

Ich befand mich im Wohnzimmer eines anderen Hauses.

„Es ist das Haus von jemandem. Vermutlich meins.“

„Sehen Sie sich weiter um. Versuchen Sie genau zu erkennen, wo Sie sind.“

Ich ging durch den Raum und bemerkte ein gerahmtes Foto, das an der Wand hing. Es zeigte eine Frau, ein junges Mädchen und einen Mann. Er sah genauso aus wie ich.

„Doktor, hier ist ein Foto von einer Familie. Ich bin darauf zu sehen. Der Mann ist identisch mit mir.“

„Das ist selten, aber es kann vorkommen. Sehen Sie sich weiter um.“

Als ich durch das Haus ging, war ich erstaunt, wie modern alles aussah. Erst als ich im Esszimmer eine Zeitung entdeckte, machte es bei mir Klick und ich wurde alarmiert.

Auf der Zeitung war das heutige Datum zu lesen.

„Doktor, hier stimmt etwas nicht. Das ist nicht die Vergangenheit. Hier liegt eine Zeitung mit dem heutigen Datum.“

„Wirklich? Sind Sie sich ganz sicher?“

„Ja, das bin ich. Dies ist nicht die Vergangenheit.“

„Unglaublich! Meine Theorien waren also doch richtig!“

„Theorien? Würden Sie mich bitte aufklären?“

„Sie haben recht, Jack. Dies ist keine Erinnerung an ein vergangenes Leben. Es ist eine laufende Erinnerung, die sich in Echtzeit in einem aktuellen Leben abspielt.“

„Aktuelles Leben? Ich kann Ihnen nicht folgen.“

„Ich glaube schon lange, dass es da draußen andere, parallele Welten gibt. Eine unendliche Anzahl von verschiedenen Universen – einige davon sind unserer eigenen ähnlich. In jeder dieser Welten haben wir ein Gegenstück. Eine Kopie von uns selbst, die ein anderes Leben führt. Dies ist keine Erinnerung an ein vergangenes Leben, Jack. Es ist eine gegenwärtige Erinnerung von einem anderen Jack in einer anderen Zeitlinie. Faszinierend, nicht wahr?“

In diesem Moment öffnete sich die Haustür und die Familie aus dem Bild kehrte nach Hause zurück und ging direkt in das Esszimmer, in dem ich stand. Das andere Ich, die Frau und etwas, das ihre Tochter gewesen sein muss. Es war ein surrealer Anblick, der sich mir bot.

„Sie sind hier, Doktor. Das andere Ich und seine Familie.“

„Das ist großartig. Dann beobachten Sie mal, was Sie erfahren.“

Ich warf einen Blick auf die Treppe im Wohnzimmer. Ich hätte auf der Stelle gehen sollen, um mögliche Konsequenzen zu vermeiden, aber etwas hielt mich zurück. Damals dachte ich, es sei die ganz normale Neugier, die mich an Ort und Stelle hielt – und ja, ich gebe zu, ich war neugierig auf das Leben meiner Kopie, aber das war es nicht, was mich zum Bleiben bewegte. Als sich die Erinnerung entfaltete, spürte ich sie. Eine warme Energie, die von innen herausströmte.

Es war eine Verbindung. Ich wusste nichts über das Leben dieses anderen Jacks, aber ich konnte fühlen, was er fühlte. Die Liebe, die er für diese Familie empfand. Es war eine emotionale Bindung, der ich mich nicht entziehen konnte.

Die Erinnerung spielte sich ab und ich beobachtete alles. Ich hatte erfahren, dass meine Frau Charlotte hieß und unsere Tochter Leslie. Wir verbrachten den Tag mit Spielen, Abendessen und Filmen – ein Katalog mit unbekannten Titeln, die in meinem eigenen Universum wahrscheinlich nicht existierten.

Ich berichtete dem Arzt alles, wie es sich ergab, und war nicht mehr wütend auf ihn. Ich hätte es sein sollen, aber diese immense Wärme überkam mich. Es fühlte sich an, als wäre dies meine Familie, und ich war diejenige, die Zeit mit ihnen verbrachte. Es war ein wahrhaft perfekter Tag, wenn es je einen gegeben hat.

Aber wie so oft im Leben sind die guten Dinge nicht von Dauer.

Ohne es zu merken, verbrachte ich den ganzen Tag in dieser Erinnerung. Es dauerte nicht lange, bis alle im Bett waren und ich unten allein in der Dunkelheit zurückblieb, während ein Hauch von Mondlicht durch die Fenster schien. Obwohl ich es nicht wollte, war es Zeit zu gehen.

Ich machte mich auf den Weg zur Treppe, aber nicht ohne mich noch einmal umzudrehen und einen letzten Blick auf das Haus zu werfen. Momentan war mir klar, dass ich sie vermissen würde, so seltsam das auch klingen mag.

Als ich den Anblick auf mich wirken ließ, fiel mir auf, dass etwas nicht stimmte. In der Ecke des Wohnzimmers stand ein Mann, oder zumindest die Silhouette eines Mannes. Er war in Dunkelheit gehüllt, mit Ausnahme des schwachen roten Scheins seiner Augen, sodass seine anderen Gesichtszüge ein Rätsel blieben. Als er Blickkontakt aufnahm, sprach er.

Es war ein nur allzu vertrauter Tonfall.

„Du solltest nicht hier sein.“

Da er nicht mehr die Gestalt eines harmlosen alten Mannes annahm, hatte ich nun Angst vor diesem Teil meines Gehirns. Dennoch fasste ich genug Mut, um etwas zu erwidern.

„Diese Erinnerung, dieser Ort. Es ist kein vergangenes Leben. Es ist eine ganz andere Welt. Davon hast du nichts gesagt.“

„Ich sagte, du sollst damit aufhören, Jack. Jetzt muss ich dir das wegnehmen, was du nie sehen solltest.“

Sofort befand ich mich außerhalb des Hauses und blickte von der Straße aus auf das Haus. Es stand jetzt in Flammen und brannte ein Loch in den Nachthimmel. Ich sah entsetzt zu, wie meine Frau und meine Tochter gegen das Glas ihrer Schlafzimmerfenster um Hilfe schrien.

Der rotäugige Schatten tauchte vor mir auf und versperrte die schreckliche Sicht hinter ihm. Ich selbst rief um Hilfe.

„Doktor Covenwood! Er ist wieder da! Er ist wieder da!“

„Wie oft muss ich es dir noch sagen? Er kann dich nicht hören.“

„Wie … wie ist das möglich?“

„Alle Versionen von dir sind miteinander verbunden. Es gibt nur ein Gehirn, aus dem ihr euch alle bedient, das von meiner Wenigkeit abgegrenzt wurde. Ich habe dieses angezapft und ihn ein Feuer legen lassen.“

„Warum? Wie konntest du das tun?“

„Ich habe dir nicht alles gesagt, aber ich habe auch nicht gelogen. Du sollst nicht einen solchen Zugang haben. Er wird alles zerstören. Nicht nur die Evolution, sondern auch das Gleichgewicht zwischen den Welten.“

Er stürzte blitzschnell auf mich zu und drückte mir den Hals zu, sodass ich kaum noch atmen konnte.

„Das ist das letzte Mal, dass ich dir das sage. Hör auf mit dem, was du tust, oder ich werde alles niederbrennen.“

Mit einem Mal verblasste die Erinnerung und ich konnte wieder atmen. Ich stand wieder im Flur an der offenen Tür.

„Jack, geht es Ihnen gut? Was ist passiert?“

Wieder erzählte ich dem Arzt alles. Er wirkte eher neugierig als besorgt.

„Okay, Jack. Noch eine Tür, dann sind Sie frei!“

„Er wird mich umbringen, Doktor! Holen Sie mich JETZT raus!“

„Jack, ich kann nicht. Ich habe keine neuen Informationen. Ich war schon viele Male an diesem Punkt.“

„WAS?! Wollen Sie mich eigentlich verarschen?!“

„Die gute Nachricht ist, dass Sie noch hier sind. Alle anderen Versuchspersonen wurden komatös, nachdem sie ihre anderen Zeitlinien gesehen hatten.“

„Also haben Sie gewusst, was auf mich zukommt? Die Überraschung darüber, dass Ihre Theorien endlich bewiesen wurden, war nur Show? Was verheimlichst du mir noch?“

Die Fluchwörter flogen aus meinem Mund und wieder gab es kaum eine Reaktion darauf.

„Je weniger Sie wussten, desto besser. Ich kann nicht zulassen, dass Sie aus der Haut fahren, wenn wir so nahe dran sind. Es darf keinerlei Verzögerung geben. Also bitte, Jack, konzentrieren Sie sich. Ihr Weg ist nicht endlos. Es gibt immer einen letzten Punkt – eine Ziellinie, wenn Sie so wollen. Mit jeder Erinnerung, die Sie erlebt haben, hat Ihr Geist an Immunität gewonnen. Das ist es, was Sie brauchen, um die letzte Tür zu öffnen.“

Ich seufzte und wusste, dass ich ihn bei Laune halten musste, wenn ich einen Ausweg wollte.

„Letzte Tür, sagten Sie?“

„Ja. In Ihrem Fall sollte es eine am Ende des Ganges geben, im Gegensatz zu den anderen. Hätten wir sie voreilig gleich zu Beginn geöffnet, wären Sie praktisch tot. Das ist bei früheren Versuchspersonen mehr als ein paar Mal passiert. Aber jetzt besteht die Hoffnung, dass Sie die Ziellinie sozusagen überqueren können, ohne die Infrastruktur Ihres Geistes zu opfern.“

„Nein, Doktor. Holen Sie mich raus. Ich bin fertig. Es ist vorbei. Bitte.“

Mein Kommentar hat ihn nicht einmal aus der Fassung gebracht.

„Außerdem müssen wir die Sache klug angehen. Der Teil Ihres Gehirns, der dort drinnen sein Unwesen treibt, wird auf Sie warten. Sie müssen ihn aus der Bahn werfen. Öffnen Sie so viele Türen wie möglich. Gehen Sie hinein, laufen Sie hindurch und verlassen Sie den Raum durch eine andere Tür. Wenn meine Theorien richtig sind, sollten Sie wieder auf dem Flur herauskommen. Wiederholen Sie das Ganze.“

„NEIN!“

„Ich werde Sie da drin lassen, Jack. Ich meine es ernst. Ich sage Ihnen jetzt die Wahrheit, damit Sie gefügig sind. Das ist alles, was ich weiß – der tiefste Punkt, den ich je erreicht habe. Tun Sie das für mich und ich verspreche, Sie aufzuwecken. Sie haben mein Wort.“

So wütend ich auch war, ich hatte keine Wahl in dieser Angelegenheit. Ich musste tun, was er wollte, wenn ich auch nur eine Chance haben wollte, aus dieser Sache herauszukommen und ein normales Leben führen zu können.

„Gut. Letzte Tür und das war’s. Keine Spielchen mehr.“

„Sie haben mein Wort, Jack.“

Nach einem Moment der mentalen Vorbereitung begann ich, so viele Türen wie möglich zu öffnen, um den Jagdhund zu irritieren und von meiner Fährte abzubringen. Ich hatte nicht mehr die Zeit, in jeder Erinnerung zu schwelgen wie zuvor, aber ich sah trotzdem einige seltsame Dinge.

In einer Welt befand ich mich in einem Hotel und hielt mich an eine merkwürdige Liste von Regeln. In einer anderen jagte ich ein übernatürliches Wesen in einem dichten Wald. In einer anderen wühlte ich mich durch die Archive der NASA, um etwas über ihre geheimen Projekte zu erfahren. Es gab noch unzählige mehr; entschieden zu viele, um sie aufzuzählen. Mein Erinnerungs-Dämon war nie zu weit weg.

Ich rannte um mein Leben, während er alles in seinem Kielwasser verbrannte. Zum Glück wurde ich ihn rechtzeitig los.

Nach meiner letzten Erinnerung meldete sich der Doktor zu Wort.

„Das sollte genug sein, Jack. Schnell, laufen Sie zum Ende des Flurs.“

Das tat ich, aber ohne Erfolg. Es war eine Endlosschleife. Ich landete direkt wieder an der Tür, von der ich ausgegangen war. Ich wusste es, denn sie war immer noch offen und die gleiche Erinnerung spielte darin.

„Doktor, es funktioniert nicht. Ich laufe hier im Kreis.“

„Es ist wie früher, Jack. Ihr Wille ist der Schlüssel. Öffnen Sie Ihren Geist für die letzte Tür und sie wird erscheinen.“

Okay. Öffne deinen Geist, Jack. Das ist es. Tu es und du bist ein freier Mann.

Ich rannte wieder, aber mit mehr Bedeutung. Zu meiner Erleichterung endete der Gang diesmal an einem Ende. Und dort, an seinem Endpunkt, war eine Tür, genau wie der Doktor sie beschrieben hatte, völlig anders als die anderen davor. Blutrot und mit einem Griff anstelle eines Knaufs.

„Ich bin angekommen, Doktor. Ich habe sie gefunden!“

„Verschwenden Sie keine Zeit mehr. Öffnen Sie sie!“

Eine donnernde Stimme schallte durch den Flur und ließ mich innehalten.

„NEEEIIIN!“

Ich drehte mich um und sah den rotäugigen Schatten, einen Feuerschein dicht hinter mir, der alle Türen und damit meine Erinnerungen durchbrannte.

„DU WIRST ALLES ZUNICHTE MACHEN!“

Er erschuf das Ende und schnitt mich ab. Dies war der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab. Wenn ich schon sterben oder im Koma liegen musste, wollte ich das Rätsel wenigstens lösen, bevor ich gehen würde.

„STOP! ICH FLEHE SIE AN!“

Bevor mein Widersacher die Lücke zwischen uns schließen konnte, griff ich nach der Türklinke, trat ein und schloss die Tür hinter mir. Als ich mich vergewissert hatte, dass sie fest verschlossen war, sah ich mich um und prüfte, wo ich mich befand.

Zu meiner Überraschung schien es ein ganz normaler Raum zu sein. Er erinnerte an ein Büro, komplett mit einem Schreibtisch, einigen Stühlen und einem Computer. An dem Schreibtisch saß eine Person. Und zwar nicht irgendeine Person. Sie sah aus wie ich.

„Hallo, Jack.“

Er stand auf und ging zu mir hinüber. Ich machte einen Schritt zurück.

„Wer … wer bist du?“

„Du hast meinen Bruder getroffen, nicht wahr? Derjenige, der da draußen einen Tobsuchtsanfall erleidet?“

Er deutete auf die Tür hinter mir.

„Nun, wir sind zwei Seiten derselben Medaille. Eine Divergenz in der menschlichen Kodierung. Eine Entscheidung, die jedes Mal getroffen wird, wenn ein Mensch geboren wird. Zwei Elemente der Evolution, die um die Kontrolle kämpfen. Jeder hat eine Seite von ihm und eine von mir.“

Er zog einen der Stühle zu mir herüber.

„Bitte, setz dich.“

Ich nahm zögernd Platz, immer noch im Unklaren darüber, womit ich es hier zu tun hatte.

„Weißt du, Jack, bis jetzt hat mein Bruder jede Schlacht gewonnen. Sein Code wird bei der Geburt in die DNA eines jeden Menschen geschrieben, sodass die wahre Funktion des Gehirns einfach unerreichbar bleibt. Wenn sich die Menschen stattdessen mit mir weiterentwickeln würden, wären unter anderem deine Erinnerungen an die Vergangenheit intakt – aber Sicherheit geht vor Innovation. Eine Überlastung des Gehirns kann gefährlich sein. Da stimme ich zu. Aber ich habe mich in letzter Zeit transformiert. Ich nehme an, das gilt auch für die Teile von mir in anderen Menschen.“

„Wie verwandeln sie sich?“, fragte ich.

„Die Evolution ist nicht nur schwarz und weiß. Sie beinhaltet ein intensives Experimentieren. Hier drinnen hatte ich nichts als Zeit, meine Integration zu üben. Ich glaube, wenn ich im Genpool weitergegeben werde, wachsen die Menschen sozusagen in mich hinein. Deine alten Erinnerungen werden mit der Zeit zurückkehren, Stück für Stück, und deine volle Gehirnfunktion wird sich allmählich entwickeln. Alle gewinnen.“

„Was genau meinst du mit Fähigkeiten und voller Funktion?“, fragte ich, inzwischen neugierig geworden.

„Nun, Jack, schau dir das mal an. Das ist der Kontrollraum deines Gehirns, wo die ganze Magie passiert.“

Ich sah mich wieder um. Es war kaum zu glauben, dass mein Gehirn auf so engem Raum gesteuert wurde.

„Ein Büro mit einem Computer? Wirklich?“

„Alle Gehirne nehmen es anders wahr, Jack. So siehst du es eben.“

„Okay. Und was hat das mit der Evolution zu tun?“

„Mein Bruder blockiert sowohl Erinnerungen als auch höhere Gehirnfunktionen. Weißt du noch, was er dir gesagt hat? Ein Gehirn steuert jede Version von dir da draußen?“

„Woher weißt du das?“, fragte ich.

„Ich habe gelauscht. Ich habe hier nichts anderes zu tun.“

Verständlich.

„Okay. Erzähl weiter.“

„Nun, er hat nicht gelogen. Wenn sein Staudamm bricht und du Zugang zu all deinen Erinnerungen erhältst, erhältst du auch Zugang zu einer heimtückischen Fähigkeit namens Transferenz. Du kannst von Jack zu Jack springen, von Zeitlinie zu Zeitlinie. Und das ist noch nicht alles. Du kannst auch zu einem beliebigen Punkt in einer beliebigen Zeitlinie springen. Willst du deinen ersten Kuss noch einmal erleben oder alles noch einmal von vorn beginnen und deine Entscheidungen ändern, dein Leben anders planen? Mit mir kannst du das! So nah werden die Menschen der Unsterblichkeit nie kommen.“

Das war ein gutes Angebot, aber es musste auch eine Kehrseite geben.

„Wo ist der Haken?“

Er sah mich kurzzeitig an, als wolle er entscheiden, ob er mehr verraten sollte oder nicht. Dann fuhr er fort.

„Bei der Entwicklung gibt es immer Macken. Versuch und Irrtum, wie ich schon sagte. Von hier aus kann ich nur eine bestimmte Menge tun. Wenn du mich in deinem eigenen Kopf freischaltest, kann ich möglicherweise als Eigenschaft an zukünftige Generationen weitergegeben werden. Mit dir und dem Doktor, der seine Forschung mit anderen fortsetzt, habe ich eine vielversprechende Chance. In der realen Welt kann ich meine Fähigkeiten sozusagen verfeinern.

Es ergab langsam Sinn, aber ich hatte meine Bedenken.

„Und während du dein „Handwerk verfeinerst“, werden dabei Menschen verletzt?“

Er runzelte die Stirn und es sah, offen gesagt, aufrichtig aus.

„Es wird Tote geben, ja. Aber es ist für das Allgemeinwohl. Die Menschheit wird mit mir an ihrer Seite aufblühen, das versichere ich dir.“

Er hob mich behutsam von meinem Stuhl, ging mit mir hinter den Schreibtisch und setzte mich vor dem Computer nieder. Es war ein schwarzer Bildschirm mit einem einzigen geöffneten Fenster:

PASSWORT:

„Ich könnte dieses Ding niemals knacken. In Wahrheit kannst nur du das. Es ist doch schließlich dein Verstand. Genau wie bei den Türen in der Halle musst du deinen Willen benutzen. Öffne deinen Geist, gib das Passwort ein und wir werden frei sein.“

Kaum hatte er das gesagt, sprang die Tür auf und der rotäugige Schatten stürmte herein.

„Nein! Tu das nicht, Jack! Das wird nicht gut enden. Die Menschheit ist dafür nicht gemacht.“

Seine wesentlich freundlichere Hälfte meldete sich zu Wort.

„Hör nicht auf ihn, Jack. Dies wird der Beginn einer ganz neuen Ära sein, und das verdanken wir dir. Eine Welt, in der das Undenkbare möglich ist.“

Der Schatten marschierte hinüber, packte seinen Bruder und schleuderte ihn gegen die Wand, während das Feuer in den Raum eindrang, während ich dasaß und auf den Bildschirm starrte.

Der nettere Bruder rief zu mir rüber, als der Schatten ihn am Hals gegen die brennende Wand hielt.

„Jack … du kannst ihn aufhalten … wenn du den Rest deines Gehirns freischaltest … kannst du ihn loswerden …“

Es war klar, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. Die roten Augen würden nicht nachgeben.

Zu jedem Zeitpunkt in jeder Zeitlinie. Du kannst ihn loswerden.

Die Worte klangen in meinen Ohren, als ein kurzer Moment der Selbstreflexion aufkam und wieder verschwand. Die Möglichkeiten wurden mir klar und ich konnte mich besser konzentrieren. Ich wusste, was ich zu tun hatte.

Das Feuer erfüllte nun den Raum. In das Passwortfeld tippte ich das Erste, was mir einfiel, und drückte die Eingabetaste. Die Umgebung wurde schwarz, und mein Körper glitt in einen endlosen Abgrund. Mein Körper fiel.

Oh nein. Ist es zu spät?

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Ich erwachte im Behandlungszimmer zum Leben, und der Doktor eilte herbei, um die Kabel zu entfernen und die Lederriemen zu lösen.

„Jack, wo waren Sie? Ich habe Sie da drin verloren. Was haben Sie gesehen? Was war in dem letzten Raum?“

Sobald er den letzten Riemen gelöst hatte, schwang ich meine Faust herum und traf ihn seitlich im Gesicht. Seine Brille flog quer durch den Raum.

„Jack, was zum Teufel? Wenn Sie glauben, dass Sie danach noch Geld bekommen, können Sie es vergessen!“

„Behalten Sie das Geld, Doktor. Ich brauche es nicht mehr.“

Ich verließ den gottverlassenen Raum und blickte niemals zurück.

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Und das ist das Ende von Jacks Geschichte. Das Passwort hat wunderbar funktioniert; nur sechs Ziffern. Ich kann euch nicht sagen, woher ich es wusste, aber es war Leslie’s Geburtstag. Jetzt erinnere ich mich an alles aus meinem Leben, früher und heute. In wenigen Augenblicken, wenn ich das hier fertig getippt habe, werde ich einen Schalter in meinem Kopf umlegen und zu meiner Frau und meiner Tochter in ihre Zeitlinie zurückkehren, bevor sie getötet wurden. Ich werde diesen Schattendämon für immer ausschalten und dafür sorgen, dass er ihnen nie wieder etwas antun kann.

Und dort will ich für den Rest meiner Jahre bleiben. Ich werde nicht von Welt zu Welt springen oder meine neu gewonnene Macht für andere Zwecke nutzen. Das Universum, in dem meine Familie lebt, ist die einzige Welt, die ich brauche.

Lebt wohl.

 

 

Original: Christopher_Maxim

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