ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Kapitel 1: Insanity is just an invisible illness
Perplex starrte ich immer und immer wieder auf die Videoüberwachungsaufnahme, die einer der Systemkontrolleure nun schon zum 15. Mal für mich abspielte. Selbst als er es Frame für Frame in Zeitlupe laufen ließ, konnte ich nicht anders, als fassungslos den Kopf zu schütteln, während ich in regelmäßigen Abständen einen Blick vom Bildschirm zur gegenüberliegenden Zelle warf. „Wie zur Hölle ist das möglich…?“, flüsterte ich leise. Doch galt die Frage zunächst eher mir selbst als meinem Gegenüber. „Wie.Zur.Hölle.Ist.Das.Möglich?!“, schrie ich nun meine anfangs leise gestellte Frage dem Systemkontrolleur entgegen (sein Namensschild gab zu erkennen, dass er Ezekiel hieß. Ein sonderbarer Name für einen Mann, wie ich fand. Dennoch passend für jemanden, der aus seinem Leben womöglich nicht viel gemacht hatte, außer auf Biegen und Brechen unser Systemkontrolleur zu werden. Seine Eltern mussten stolz a
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Jetzt anmelden oder registrierenKapitel 1: Insanity is just an invisible illness
Perplex starrte ich immer und immer wieder auf die Videoüberwachungsaufnahme, die einer der Systemkontrolleure nun schon zum 15. Mal für mich abspielte. Selbst als er es Frame für Frame in Zeitlupe laufen ließ, konnte ich nicht anders, als fassungslos den Kopf zu schütteln, während ich in regelmäßigen Abständen einen Blick vom Bildschirm zur gegenüberliegenden Zelle warf. „Wie zur Hölle ist das möglich…?“, flüsterte ich leise. Doch galt die Frage zunächst eher mir selbst als meinem Gegenüber. „Wie.Zur.Hölle.Ist.Das.Möglich?!“, schrie ich nun meine anfangs leise gestellte Frage dem Systemkontrolleur entgegen (sein Namensschild gab zu erkennen, dass er Ezekiel hieß. Ein sonderbarer Name für einen Mann, wie ich fand. Dennoch passend für jemanden, der aus seinem Leben womöglich nicht viel gemacht hatte, außer auf Biegen und Brechen unser Systemkontrolleur zu werden. Seine Eltern mussten stolz auf ihn sein), derweil ich ihn mit beiden Händen an den Schultern packte und versuchte wachzurütteln. So, als ob ich mit ihm zusammen immer noch in einem Traum feststeckte und daran glaubte, sobald ich ihn hier wachrüttelte, dass er mich kurzerhand ebenso aus diesem Traum erwachen lassen würde.
„Woher soll ich das wissen?! Sehe ich aus, als wäre ich ein Kriminalpolizist, der plötzlich verschwundene Patienten sucht? Ich bin nur für das System der Überwachungskameras zuständig, Ma‘m!“, keifte er mir entgegen. Enttäuscht ließ ich von ihm ab. Er hatte Recht. Weder er noch ich konnten uns erklären, wie diese… mysteriöse Bestie (ja, unser kürzlich verschollener Patient mit der Nummer 1305 war eine wahrlich unbezwingliche Bestie gewesen) einfach so abhauen konnte. Aus Gründen der besseren Übersicht über alle, die nach ihrem Aufenthalt gegangen als auch zu uns neu hinzugekommen waren, gaben wir unseren Patienten Nummern, die sich aus dem Tag und Monat ihres Geburtsdatums zusammensetzen. Somit hatte unser verschwundene Patient kurzerhand die Nummer 1305 bekommen.
Noch ein letztes Mal widmete ich mich der Aufnahme und bat meinen Partner, diesmal jene wieder in normale Geschwindigkeit abzuspulen: Zu sehen war ein Mann mit schulterlangen, braunen Haaren, welche ihm glatt vor das Gesicht fielen, und einem grünen und einem blauen Auge. Heterochromie kann schon ein richtiges Arschloch sein. Doch waren es weniger die Augen, die mich über das ursprüngliche Krankheitsbild dieses Mannes grübeln ließen, als vielmehr der Fakt, dass er eine sonderbare Ruhe gegenüber der Kamera ausstrahlte, als er sie erblickte. Für jemanden, der an einer multiplen Persönlichkeitsstörung litt, hatte ich eher erwartet, dass er jeden Moment zu seiner zweiten Persönlichkeit wechseln würde, denn seine Augen wirkten müde und auch die Art, wie er an der Wand gegenüber der Kamera lehnte, waren alles Anzeichen dafür, dass er bald in Schlaf fallen würde, doch Nummer 1305 blieb zu meinem Erstaunen weiter standhaft. Ich erinnerte mich zurück, dass er seine Persönlichkeit nur dann wechselte, sobald er schlief. Die zweite Persönlichkeit jedoch schien einen weniger bedrohlicheren Charakter aufzuweisen als unser Patient aktuell, was die Vorbereitungen für unsere morgige Therapieeinheit, welche zudem die letzte war, die wir für ihn zur Verfügung hatten, erheblich erleichtern würde.
Anhand seines (trotz der erkennbaren Müdigkeit) ausgesprochen ruhigen Gesichtsausdrucks konnte ich aus seinen Augen herauslesen, dass all dies für ihn so etwas wie eine Routine war. Für ihn war es nichts neues mehr, in solch einer Zelle eingesperrt zu sein. Zunächst verstand ich nicht mal, warum er sich nicht sonderlich viel wehrte, als wir ihn in diesen Trakt und dann in diesen Raum brachten. Er ließ es über sich ergehen, selbst nebst dem Fakt, dass er beinahe einen pädophilen Patienten (Patient 2207) auf dem Gewissen hatte, nachdem er mit angehört hatte, wie Patient 2207 sich zusammen mit seinem Zimmergenossen darüber kaputtlachte, wie toll es doch sei, andere Kinder zu schänden.
Jedoch fing ich erst an, die Sichtweise über seine „Gefangenschaft“ zu verstehen, als ich nun mit ansah, wie er einen Pfleger an seinen kurzen, blonden Haaren zu sich zog und ihm völlig hemmungslos die Kehle aufschlitzte und in der Fleischwunde senkrecht hin- und herschnitt, bis er den Kopf erfolgreich abgetrennt hatte. Da diese Zelle (wie wir sie gerne nannten) speziell für sehr schwerwiegende Fälle eingerichtet und aus diesem Grund mit einer massiven Tür versehen worden war, waren jegliche Schreie, wenn sie von den Patienten kamen, vollkommen unhörbar. Die Tür war zusätzlich mit fünf Schlössern ausgestattet, sodass ein Entkommen absolut undenkbar war. Jedes Mal, wann immer wir jemanden in diese Zelle brachten, sorgten wir dafür (im Zuge dessen, dass mehrfache Kontrollen erfolgten), dass all die fünf Schlösser mit hundertprozentiger Sicherheit abgeschlossen waren und die Schlüssel sich in einem versteckten Ort des Personalaufenthaltsraums befanden. Keiner unserer Angestellten war dumm genug, sich selbst oder andere in Gefahr zu bringen, indem er diese Zelle aus Mitleid für unsere Patienten öffnete. Jeder wusste, dass er dann (sobald die Tür aufging) mit seinem Leben oder mit dem sofortigen Verlust seines Jobs spielte. Es war unnötig zu erwähnen, dass beide Optionen keine gute Wahl waren, und das alles nur, weil man sich als Mitarbeiter hatte von seinen Gefühlen leiten lassen, nicht wahr?
Mit dieser Zelle, welche dank der massiven Tür und der dicken Wände (wie eingangs erwähnt) vollends geräuschlos für alle Außenstehende war, wollten wir anderen Patienten, die diesen Trakt passieren würden, die Angst und die mögliche Chance auf eine Verschlechterung ihres Krankheitsbilds nehmen.
Doch entgegen aller Bemühungen der Sicherheit wegen hatten wir erstmals dafür gesorgt, dass einer aus unserem Personal eiskalt von einem der schlimmsten Patienten (in dieser Klinik) ermordet wurde, ohne dass dieser auch nur mit der Wimper zuckte. Alles, was Patient 1305 in dem Moment des Mordes sah, war Blut. Er leckte es langsam von der Klinge seines (Taschenmessers? Skalpells? Leider war die Videoaufnahme selbst beim näheren Heranzoomen nicht scharf genug, als dass ich hätte erkennen können, was im Hals dieses armen Menschen steckte) Werkzeugs ab, während er im Anschluss daran den abgetrennten Schädel immer und immer wieder gegen die Wand schmetterte, als wolle er versuchen, ihn wie eine Walnuss aufzuknacken.
Zu seinem Erstaunen gelang es ihm auch und das Letzte, was man sah, ehe eine Bildstörung mich und Ezekiel mit einem abermals verwirrten und fragenden Blick ratlos zurückließ, war, wie er den Schädel vorsichtig entzweibrach, aber nur so weit, dass das Hirn herausguckte und er sein Mordwerkzeug hineinsteckte. Ein Mittelfinger erstreckte sich zusätzlich in Richtung der Kamera und mit den lesbaren Worten „Fickt euch!“, die seine Lippen formten, verabschiedete sich die Aufnahme vollends mit einem anhaltenden Rauschen und schwarz-weißen Punkten, die den gesamten Bildschirm erfüllten. So wie man es von alten Röhrenfernsehen aus vergangenen Zeiten kennt.
Erst heute Morgen war der Systemkontrolleur vollkommen aufgelöst und fassungslos in unser Pausenzimmer hereingestürmt. Atemlos und von aufkommender Röte bedeckt (vermutlich weil er sich beeilt hatte) sagte er zu mir: „Das musst du dir ansehen.“
Und hier stand ich nun. In dem Systemraum, wo wir Überblick über ALLE unsere Patienten hatten. Ein Entkommen war einfach unmöglich. Selbst all jene, die als „einfache Fälle“ galten (Menschen mit Depressionen, den ersten Stadien einer Angststörung oder eine bipolare Störung), wurden von uns ausnahmslos überwacht. Den einfachen Fällen war es gestattet, in einem Zwei-Bett-Zimmer zu verbleiben, während all jene, die von etwas Schwerem betroffen waren oder sich in einem Zwei-Bett-Zimmer unwohl fühlten, in ein Einzelzimmer gebracht wurden und dort (in der Regel) bis zum Ende ihrer Therapiezeit verblieben, oder zumindest so lang, bis wir und sie selbst der Ansicht waren, wieder mit einem Mitbewohner klarkommen zu können.
Es gab seltene Fälle, in denen wir gezwungen waren, zwei Patienten (selbst wenn sie es mit täuschend echtem Überzeugungswillen versuchten) in jeweils einem Zimmer zu lassen und nicht mehr zusammenzubringen. Einer dieser sonderbaren und seltenen Fälle ereignete sich in einem Zwei-Bett-Zimmer, bei welchem wir einen jungen Mann mit bipolarer Störung sowie eine etwa dreißigjährige Frau mit einer paranoiden Schizophrenie hatten zusammenleben lassen. Tagsüber schienen beide (besonders die Frau) bester Laune zu sein, so gut man es mit besagter Erkrankung eben konnte. Doch eines Nachts, als ich gerade aus einem Zimmer kam, in welchem ich noch ein junges, kleines Mädchen (etwa im Alter von 6-8 Jahren) versucht hatte zu beruhigen, da sie unter einer extremen Form der Angststörung litt, hörte ich im anliegenden Flur, wie jener Patient mit der Nummer 2802 unüberhörbar um Hilfe schrie. Panisch stürmte ich ins Zimmer und sah mit an, wie die Patientin ihrem Zimmergenossen ein Kissen gegen das Gesicht presste und dabei keinerlei Regung zeigte.
Noch nicht mal dann, als ich sie von ihm wegzerrte und ihr das Kissen aus der Hand schlug. „Was zur Hölle ist in Sie gefahren?!“, hatte ich sie angebrüllt, doch mein Gegenüber behielt ihre ausdruckslose Miene, welche ich unschwer (aufgrund der Nachttischlampe unweit von uns) erkennen konnte, bei. Sie sah mich weiter regungslos an, während sie mit einem Finger auf Patient 2802 deutete und mir in einer emotionslosen und vollkommen gleichgültigen Stimme erklärte: „Er hatte versucht, mich umzubringen. Das hat mir Satan prophezeit. Wenn ich ihn nicht bald töte, meinte Satan, dann wird dieser Mann mich töten, und ich muss tun, was Satan mir befielt. Er ist mein Gott, verstehen Sie?“
Alles, was diese Frau von mir als Antwort zu sehen bekam, war ein vollkommen verständnisloser Blick, in welchem ich mich einmal mehr fragte, warum ich hier überhaupt war und warum ich das alles überhaupt tat. Von dem Tag an lebten beide in Einzelzimmern und es kam erstaunlicherweise zu keinen weiteren Zwischenfällen dieser Art.
Jedoch waren der urplötzlich verschollene Patient Nr. 1305 und die paranoide Schizophrenie-Patientin nur zwei der abermals 20, 30 oder 40 weiteren Beispiele, die jeder Patient an den Tag legte. Wir waren grundsätzlich dafür bekannt, unseren Patienten die bestmögliche Therapie mit einer (relativ) hohen Heilungschance zu bieten, jedoch gab es einige wenige Fälle, die wir als hoffnungslos bezeichneten. Doch diese „Bezeichnung“ erfolgte für gewöhnlich erst dann, wenn alle anderen Therapiemaßnahmen und Behandlungen als restlos erfolglos galten.
So wie im Fall eines depressiven Patienten. Patient 0607. Er hatte der Krankenakte nach eine chronische Depression, die sich einerseits aus dem genetischen Fakt erschließen ließ, dass seine Mutter an der gleichen Krankheit litt, sowie die Tatsache, dass er gerade mal im Alter von sechs Jahren mit angesehen hatte, wie seine Mutter sich mit einer Schrotflinte in den Kopf schoss. Der Grund, warum sie sich das Leben nahm, war kein wenig verbreiteter: Sie hasste ihren Sohn dafür, dass er existierte. Hasste ihn dafür, dass er überhaupt gezeugt worden war und sie dadurch die Liebe ihres Lebens verloren hatte. Ihren Mann, den sie bis in alle Unendlichkeit regelrecht vergötterte, nachdem sie so verdammt viel Pech in der Liebe gehabt hatte. Doch sie erzählte ihm nicht gleich, dass sie schwanger war. Sie war „schlau“ genug, es für 8 Monate zu verstecken. Sie zog breite Klamotten an, und wann immer ihr Geliebter sie darauf ansprach, ob sie denn möglicherweise schwanger sein könnte, log sie ihn an und erzählte, dass sie aufgrund von Stress auf der Arbeit nur etwas zugenommen hatte.
Als ich diese Geschichte aus dem Mund des (zum Zeitpunkt unserer Therapie) 16 Jahre alten Patienten hörte, fragte ich mich insgeheim, welcher Mensch dumm genug war, auf etwas so Offensichtliches hereinzufallen? Dennoch schlug ich mir diesen Gedanken aus dem Kopf, einerseits, weil ich nicht von der eigentlichen Aufgabe, die mir zugeteilt worden war (stelle eine Diagnose), ablenken wollte, und andererseits, weil ich mir sicher sein konnte, dass mein Gegenüber genauso ahnungslos über die Dummheit und Leichtsinnigkeit seines Vaters lachen würde wie ich. Doch er selbst war anders. Wenngleich seine Augen die trostloseste Leere wiedergaben, die ich je in meinem Leben gesehen hatte, und seine Narben schamlos im hellweißen, künstlichen Licht der Deckenlampe leicht schimmerten, besaß er eine überaus starke Gabe, in die Gefühlslage der anderen zu schauen. Denn die Worte, die er mir entgegenbrachte, nachdem unsere Unterhaltung in einer Weile des Schweigens verblieb, ließen mich unmerklich zusammenzucken:
„Sie scheinen eine noch größere Bürde in ihrem Herzen und ein noch viel schlimmeres Leid in Ihrer Seele zu tragen als ich selbst, Miss Willston.“ Ungläubig schaute ich mein Gegenüber an. „Wie bitte?“, fragte ich nach, so als ob ich nicht richtig verstanden hätte, was er mir da gerade zu sagen versuchte. Jedoch sah er mir an, dass ich seinen Worten voll und ganz gefolgt war. „Sie wissen, was ich meine“, deutete er weiter auf mein angebliches inneres Leiden hin, während er sich langsam zu mir vorgebeugt hatte und ich gezwungen war, ihm in seine ausdruckslosen und leeren Augen zu starren.
„Es muss grausam gewesen sein, wie er Sie angefasst hat, nicht wahr? Es muss furchtbar gewesen sein, wie er Sie behandelt hat, richtig? Er hat Sie immer und immer wieder verprügelt, wenn er nicht das bekam, was er wollte, hab ich nicht Recht, Miss?“, seine Stimme klang erstaunlich ruhig und erschaudernd zugleich, während sein Ausdruck sich nicht mal um einen Mundwinkel verändert hatte.
Wer zur Hölle bildete er sich ein zu sein?, dachte ich mir, während ich zeitgleich darum bemüht war, mir das anschleichende Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. Tief in meinem Unterbewusstsein wusste ich, dass er Recht hatte. Natürlich hatte er das. Ein geisteskranker Junge, der noch inmitten seiner Pubertät steckte, hatte mich (eine 22 jährige Frau, die diesen Beruf gerade mal seit zwei Jahren, nach der Lehre, ausübte) das allererste Mal erfolgreich durchschaut. Abwechselnd schaute ich nochmals in seine Akte, während ich kurzzeitig Blickkontakt mit seinen glasigen, toten Augen hielt. Leicht schüttelte ich dabei den Kopf, während die restlichen Minuten unseres letzten Gesprächs vor Ende unserer gemeinsamen Zeit (und somit dem Ende seines Aufenthalts) stehengeblieben zu sein schien.
Seine Arme vor die Brust verschränkt, bewegte er nicht einen weiteren Muskel. Seine kurzen, schwarzen Haare hingen ihm als kleinem Seitenscheitel knapp über das rechte Auge, während sein leicht blasses Gesicht so wie seine dunklen Klamotten das Klischee eines jeden Emo-Teenagers erfüllten, wie sie in Filmen zu sehen und in Büchern zu lesen waren. Etwas in mir schrie danach, dass ich hier verschwinden sollte. Dass ich hier nicht mehr länger sein und diesen Jungen seinem Schicksal überlassen sollte, doch andererseits konnte ich und wollte ich nicht anders, als endlich zu verstehen, was in ihm vorging. Jedoch würde es Dekaden in Anspruch nehmen, seine Eiseskälte mir gegenüber zu brechen. So kühl und verloren und zugleich tot (wie eine lebendige Leiche. Dieser Junge war nichts mehr als eine leblose Hülle) habe ich noch nie jemanden gesehen, und ich konnte mit absoluter Sicherheit sagen, dass er nicht mein erster und auch nicht mein letzter Fall von depressiven Patienten seien würde. „Wieso bist du der Meinung, dass…“, noch ehe ich meinen Satz vollenden konnte, öffnete sich die Tür und zwei Mitarbeiter kamen in Begleitung des Abteilungsarztes für depressive Patienten herein.
Seine blonden, schulterlangen Haare sorgfältig nach hinten gekämmt, lächelte dieser sein Gegenüber freundlich an, während er für einen kurzen Händedruck zur Begrüßung seinem Patienten die Hand entgegenstreckte. „Mr. Jason Langford, nehme ich an?“ Als der Arzt nach dem vollen Namen unseres Patienten fragte, aber keine Antwort bekam, räusperte er sich kurz, ehe er unbeirrt fortfuhr. Die wenigsten Ärzte unserer Klinik hielten es für höflich, in den letzten Momenten, in welchen sie ihre ehemaligen Patienten so sehen würden, wie sie sie jetzt sahen, diese mit ihren Nummern anzusprechen. Aus diesem Grund nannten unsere Ärzte ihre Patienten immer mit vollem Vor- und Nachnamen, wann immer sie mit ihnen das letzte Mal sprachen. Dennoch musste man sagen, dass der Abteilungsarzt für die Abteilung depressiver Patienten überaus inkompetent in seinem Auftritt und seinem Tun wirkte. Wie ein frischer Gerade-erst-das Studium-abgeschlossen-Psychologe. Dabei war er bereits 30 Jahre alt.
„Jedenfalls: Mein Name ist Dr. Carter. Und ich bin darüber informiert worden, dass bei Ihnen jegliche Art der Therapie zu unser aller Bedauern fehlschlug, nicht wahr?“ Jason blieb weiterhin stumm und würdigte den Arzt eines kühlen, ignoranten Blickes. Ich war mir sicher, dass er denselben Eindruck von diesem Arzt gewonnen hatte wie ich. Seine Mundwinkel zuckten, zum allerersten Mal, seit ich ihn in meine regelmäßige therapeutische Behandlung aufgenommen hatte, für den Bruchteil einer Sekunde zu einem minimalen Schmunzeln. In seinen Augen konnte ich sehen, dass er so verdammt gerne die Gefühlslage dieses Doktors preisgeben wollte, und malte mir insgeheim aus, wie es um diesen Anfänger stehen würde, was Jason ihm an den Kopf werfen würde, und konnte mir ein Lachen bei all meiner Vorstellung nur sehr, sehr schwer verkneifen.
Doch anstelle den Arzt mit der Kenntnis von dessen Gefühle zu überraschen, nickte Jason nur stumm, während sein Gegenüber auf eine Antwort seinerseits wartete. „Wenn dem so ist“, setzte Dr. Carter erneut an, „dann haben Sie doch nichts dagegen, wenn ich und meine beiden Begleiter hier Ihnen in Ihrer letzte Phase der therapeutischen Behandlung beistehen, oder? Frau Willston ist für den Eingriff selbst beordert worden, deshalb wird sie Sie auch durch diese Phase begleiten.“ Ohne eine weitere Reaktion oder eine Antwort des Jugendlichen abzuwarten, packten die beiden Pfleger Jason jeweils an einem Arm und zogen in gewaltsam aus dem Besprechungszimmer.
Selbst als uns nur noch wenige Meter von dem letzten Zimmer trennten, welches Jason je zu Gesicht bekommen würde, schaute er mich mit denselben ausdruckslosen, toten Augen an wie auch zuvor. Doch es war vielmehr jener Satz, der eine lang verdrängte Erinnerung so plötzlich an die Oberfläche hinaufzerrte, als wenn jemand mit selbigen, urplötzlichen Ruck von seinem Retter aus den Tiefen des Meeres und dem sich nähernden Ertrinken gerettet wurde. Nur dass jene Phrase mir den Wunsch des Sterbens so viel näherbrachte, als ich es mir überhaupt gewünscht hätte:
„Ich wette, er steht bereits im Raum und wird Sie beobachten. Sie Schritt für Schritt in seiner geistigen Vorstellung durch die gesamte Behandlung führen, wie die Jahre zuvor, in denen er Sie auf das ALLES hier trainierte, nicht wahr? Oh, und was wohl passierte, wenn Sie nur einen Fehler machten? Was wohl passierte, wenn Sie seine Perfektion nicht erfüllen konnten? Na los! Erzählen Sie es uns doch! Erzählen Sie uns, wie er-“ „SEI STILL! SEI STILL, SEI STILL, SEI STILL UND HALTE ENDLICH DEINE KLAPPE!“, fiel ich diesem widerlich-sadistischem Balg ins Wort.
Doch erst, als sämtliche Patienten, welche sich im selben Gang wie wir befanden, in mein Gebrüll aus blankem Zorn in Form von Angst und Panik mit einstimmten, drohte mir der Schädel endgültig zu platzen. Die Erinnerungen wurden immer stärker, immer intensiver. So sehr, dass ich all den Schmerz regelrecht spüren konnte, als würde er jetzt und hier passieren. Wieder, wieder und wieder und wieder… Selbst die besorgte Stimme des Abteilungsarztes konnte meine Denkinhalte nicht zum Stoppen bringen. Alle Wörter, Phrasen und Emotionen formten ein Bild. Seit langem. Seit langem formten sie wieder jene Memoire, die ich für immer „unter Kontrolle“ gehalten zu haben schien.
Kapitel 2: Something is in my head. It‘s crawling up my brain. Eating me alive!
Achtlos warf er mich zu Boden. So wie jedes Mal, wenn er mit mir den Raum betrat. Ich war für ihn wie Müll. Wie eine Puppe. Nicht lebendig, nicht am Leben. Wer weiß, ob ich für ihn überhaupt Gefühle hatte? Möglicherweise war ich tatsächlich nichts weiter als eine menschenähnliche Puppe. Und das merkte er. Schon seit er mich das erste Mal gesehen hatte. Ich war sein eigenes, besonderes Spielzeug gewesen. Sein eigenes, besonders Püppchen, dem er so gerne die Haare kämmte; das er so gerne auf seinen Schoß setzte. Und das er so gerne bestrafte, wenn es nicht auf ihn hörte.
Jedoch machte er sich solche Sorgen um seine Puppe, dass er sie nicht gleich zerstörte. Nicht sofort. Nicht direkt. Aber dafür Stück für Stück. Er konnte nicht ansatzweise erahnen, was er ihr damit antat. Oder vielleicht wusste er es, wollte es aber nie vollständig zugeben, weil er Angst hatte, seine Puppe vollständig zu verlieren? Was auch immer seine Intention dazu war, er sorgte dafür, vorsichtig mit ihr umzugehen, um sie (und damit seinen einzigen Lebenswillen) nicht zu verlieren.
Was hätte er gemacht, hätte er sie verloren? Wie hätte er gelebt, wäre sie ihm brutal entrissen worden oder hätte er sie durch einen dummen Fehler sterben lassen? Manch einer mag wohl denken, er wäre ihr (seinem herzallerliebsten Spielzeug) einfach gefolgt, doch so leicht würde er es sich selbst nie machen. Er wusste, dass er sich für jeden Fehler selbst bestrafen hätte MÜSSEN, so war die größte Bestrafung, welche er sich selbst hätte geben können, mit dem Verlust (vollkommen gleich in welcher Form auch immer dieser geschehen wäre) zu leben.
Und er wusste genauso gut wie ich, dass wir voneinander abhängig waren. So sehr, dass es schon einer Droge glich. Nein. Noch besser: Er war meine Droge und ich war seine. Er brauchte mich genauso sehr, wie ich ihn brauchte. Doch möglicherweise begehrte ich ihn weitaus inniger als er mich, denn ich konnte nicht eine Sekunde ohne ihn auskommen. Ich wusste nicht, was zur gottverdammten Hölle mit mir los war, doch die Angst um meinen rationalen Verstand war weniger erwähnenswert als die beißende Panik, die immer dann auftauchte, wann immer er ging. Und sei es nur, wenn er sich um meine Nahrungsaufnahme kümmerte und aus diesem Grund Lebensmittel für mich einkaufte. Ich flehte ihn an, nicht zu gehen. Ich flehte und bettelte, dass er bei mir bleiben solle.
„Du hast gesagt, dass du nicht weggehst! Du hast mir gesagt, dass du für immer und ewig bei mir bleibst!“, schrie ich ihn an und zerrte an seinem schneeweißen T-Shirt, während es ein Stück seiner durchtrainierten Bauchmuskeln entblößte. Er hielt in seiner Bewegung, gerade kehrtzumachen, inne und seufzte süßlich verzweifelt. So als wäre er der Vater eines Kleinkindes, welches sich widerlich klammerhaft an ihm festklettete. „Süße“, begann er mit seiner honigsüßen Stimme, „wenn du nicht in den nächsten drei Sekunden loslässt, breche ich dir deinen Arm“, ergänzte er, während er breitgrinsend seinen Oberkörper ein Stück in meine Richtung drehte. Etwas in der Art, wie er mit mir sprach und wie er immer noch dieses süße, freundliche Lächeln auftrug, erinnerte ich mich an einige japanische Animationsserien, in welchen die Charaktere genau so ein Lächeln auftrugen, wann immer sie insgeheim ihre Opfer leiden sehen wollten.
„Eins“, seine Stimme klang nun rau und tief, so als ob er jedwede Freundlichkeit in dieser verloren hätte. „Zwei!“, mit der nächsten Zahl wurde sie lauter, schriller, beinahe bekam ich das Gefühl, als ob meine Ohren klingen würden und sein Wort in einem abscheulich verzerrten Ton widerhallen würde.
„Drei…“, die letzte Zahl war mehr ein Hauch sanften Murmelns oder Flüsterns und ich wusste genau, warum er dieses letzte Wort so bedacht leise ausgesprochen hatte. Keine Millisekunde später hörte ich ein lautes Knacken, derweil ich mich ganz und gar auf seinen Gesichtsausdruck konzentriert hatte. Er lächelte immer noch. Freundlich, liebevoll. Als würde er in das Gesicht seines geliebten Spielzeugs schauen. Schmerz. Ich schrie. Schrie mir die Lunge aus meinem verrotteten Leib. Mein Arm sackte kraftlos zu Boden. Heiße Tränen liefen entlang meiner Wange, derweil ich zu Boden fiel, und als ob es nicht schon demütigend genug gewesen wäre, trat meine unersetzbare Liebe mit voller Wucht auf meinen gebrochenen Arm drauf. Die Pein, die ich in jenem Moment empfand, war so viel schlimmer als der Gedanke daran, alleine zu sein. Es machte mich nahezu wahnsinnig. Ich schrie noch lauter auf. Dreimal an der Zahl hatte er im gleichmäßig langsamen Takt auf meinen gebrochenen Arm getreten, genauso wie er von jener Ziffer abwärts gezählt hatte.
„Lässt du mich jetzt gehen, ja?“, beugte er sich zu mir vor und strich mir durch die Haare, während seine hellblauen Augen ein warmes Glitzern ausstrahlten. „Wenn du artig bist und so lange wartest, bis ich wieder da bin, werde ich dich belohnen, meine Hübsche. Hörst du?“ Ich nickte, während ich den laufenden Rotz von meiner Nase mit meiner gesunden Hand abwischte.
„Daddy kommt gleich wieder. Also sei mein braves Kitten, verstanden?“, mit diesen Worten verließ er mein Zimmer und ließ mich in der aufkommenden Dunkelheit alleine. Mein Arm brannte immer noch höllisch. Es fühlte sich an, als stünde er in Flammen. Und die Knochen, welche zweifelsfrei wie Splitter zerbrochen waren, stachen wie einzelne, kleine Messer in meine Muskeln und Sehnen.
Stunden, Minuten, Sekunden… Es verging so viel Zeit. Zeit, deren Dasein ich schon beinahe vergessen hätte, würde nicht in der unaufhaltbaren Düsternis ein schwacher, neongrüner Schein zweier Zahlen mir offenbaren, wie spät es mittlerweile gewesen war. Draußen bewegte sich die Welt immer noch weiter. Drehte sich nach wie vor um ihre eigene Achse, und alles schien so „normal“ zu sein. So natürlich, dass es schon fast lächerlich klang, wenn ich mir vorstellte, in welcher Hölle ich in Wirklichkeit gefangen war. Ich hörte sie lachen. Ich hörte sie alle so unbeschwert lachen: Kinder auf einem nahegelegenen Spielplatz. Um diese Zeit? Mit aller größter Wahrscheinlichkeit war es ihren Eltern genauso egal, wo sich ihre Kinder aufhielten, wie es meinen Eltern egal war, dass ich im Zuge des Mobbings auf meiner Schule und der aufkommenden Depression, welche sich kurz nach meiner sich ankündigenden Pubertät erkennbar zeigte, von ihnen in eine psychiatrische Anstalt gesteckt wurde.
„Wir wissen nicht mehr weiter“, hatte meine Mutter dem Oberarzt dieser Anstalt ehrlich und überzeugend ihre „Sorgen“ kundgetan. „Selbst eine ambulante Therapie hat unserem Mädchen nichts gebracht. Egal wie viele Stunden wir in sie investierten.“ Investierten. In-ves-tierten! Was war ich für sie? Eine unnötige Geldverschwendung? Warum hast du mich dann erst zur Welt gebracht, du Bitch?! „Ihr Zustand hat sich nicht im Geringsten verbessert! Schauen Sie doch nur, Doktor Stevenson“, erklärte meine Mutter und streckte zeitgleich meinen Arm dem Arzt entgegen, womit sie meine Narben entblößte, welche noch vor wenigen Sekunden von meinem dicken Pullover verdeckt waren. „Sie hört in letzter Zeit so viel aggressive Musik mit ganz viel Geschrei und einem dämonischen Grölen zwischendurch. Denken Sie, dass es daran liegen könnte? Mein Mann und ich hatten schon versucht, ihr eine andere Musikrichtung anzueignen, aber sie hört einfach weiter diese seltsamen Bands! Und die Sänger sind bestimmt drogensüchtig!“ Bitch, what did you just say?, dachte ich mir und war bemüht darum, mir ein von Herzen kommendes, eiskaltes Lachen zu verkneifen. Motionless in White, Eskimo Callboy, Get Scared, In This Moment und all die anderen Bands, die ich hörte, waren also pures Herumgegröle und Gekreische? Seltsamerweise haben sie mir mit ihren Liedern so viel mehr weitergeholfen, als du zu dem Orgasmus deines Mannes gekommen bist!
„Und schauen Sie sich ihre unzähligen Narben an! Nichts, aber auch NICHTS hat zur Heilung ihres Geistes beigetragen! Sie sind… unsere letzte Hoffnung!“, flüsterte meine Mutter den letzten Satz eher aufdringlich, als würde sie versuchen, diese bedeutungsvollen Worte vor mir zu verstecken. Oder eher die Tatsache, dass sie mich hier in dieser Anstalt nur loswerden wollte. Damit sie endlich ihre Ruhe hatte. Damit sie sich keine „Sorgen“ um mich machen musste, dabei machte sie sich mehr Sorgen darum, ihrem Ruf als „perfekte Mutter“ nicht gerecht zu werden. Sie hatte Angst davor, ihren Status, den sie gepriesen hatte, zu verlieren.
Wenn ich nur daran dachte, wie sie sich mit ihrem runden Bauch während der Schwangerschaft vor anderen aufbäumte und mit solchem Stolz erklärte, wie froh sie sei, mich (ein erfolgreicher letzter Versuch, nachdem sie zuvor fünf andere Versuche unternommen hatte, welche alle in einer Fehlgeburt endeten) zu haben. Bei dieser Vorstellung kam mir gleich das Kotzen. Denn ich war nicht ihr Liebling trotzdessen, dass ich ihr einziges Kind war, nein. Ich war sowas wie eine Art… Pokal. Eine Triumphkarte, die sie beim Pokern ergattert hatte: Full fucking House! Mehr war ich ihr nicht wert. Und meinem Vater… erst recht nicht. Er machte nur alles, was sie wollte. Er lief ihr wie ein Dackel hinterher. Er verehrte sie um jeden Preis und sabberte ihr regelrecht hinterher. Ob es daran lag, wie attraktiv sie mit ihrem schlanken Körper und ihren Mitte 30 war, konnte ich nicht direkt sagen. Doch die Art, wie er sich ihr gegenüber benahm, sprach Bände.
Und jetzt, da ich zu dem Zeitpunkt, mit meinen 14 Jahren, mitten in der schwersten Zeit für alle Eltern steckte, meinten sie tatsächlich, dass es für mich das Beste wäre, mich hier einliefern zu lassen. Nicht mit mir über meine Ängste und Probleme zu reden, nein. Das kostete ja Zeit (ihre wertvolle Zeit, die sie mit Sex verbrachten. Mit verdammt viel Sex) und Nerven. Ja verdammt, ein Kind kostet Nerven. Aber was kann ich denn dafür? Sehe ich so aus, als hätte ich es mir freiwillig ausgesucht, ein Teil dieser Welt und damit am Leben zu sein? Richtig: Nein, tue ich nicht. Jedoch konnte ich mir damals dieses Schicksal (wie ich es mit aller Macht versuchte zu verharmlosen) nicht aussuchen. Ja. Ich konnte mir mein Schicksal nicht aussuchen. Mein verdammtes Leben, das dazu bestimmt war, so furchtbar zu verlaufen, und das seit der Sekunde, in der ich das erste Mal nach der Geburt schrie.
Sechs Jahre waren, seitdem meine Eltern mich hatten hiergelassen, vergangen. Sechs Jahre, in denen ich inständig gehofft hatte, dass sie eines Tages es sich anders überlegen würden. Dass sie eines Tages zu mir in die Klinik kommen würden. In mein Zimmer, auf mich zu rennen würden, mich in den Arm nehmen würden und sich mit heißen Tränen und schluchzenden Lauten bei mir entschuldigen würden. Doch je mehr Zeit verging und je mehr Geld sie in diese Klinik für meine „Genesung“ investierten, desto mehr und mehr sank für mich die Chance auf Einsicht von ihnen und somit die süße Freiheit.
Stattdessen wurde das Leben in dieser Klinik weitaus schlimmer als die Tatsache, dass mich meine Eltern nicht liebten. Denn… Er hatte mir die Zuversicht und Liebe versprochen, welche mein Erzeuger und die Brutmaschine mir nie gegeben hatten. Doch ich hatte nicht begriffen, was Liebe war und wie weit sie sich erstrecken konnte. Wie denn auch, wenn ich all das nie von meinen Eltern gelernt hatte? Also dachte ich, dass es irgendwie normal war. Ich dachte, es wäre normal, dass Er über mir stand. Ich dachte, es wäre richtig und natürlich, dass er mich, je erwachsener ich wurde, immer mehr anfasste und sich mir immer weiter näherte. Aus Freundschaft wurde plötzlich Liebe, und es war ok. Immerhin glaubte ich, dass sich dieser Zeitraffer zwischen Freundschaft und Liebe so plötzlich entwickeln musste, weil ich ernsthaft daran festhielt, dass es natürlich war. Dass ausnahmslos JEDER so handelte, wie ich handelte. Dass ausnahmslos JEDER so liebte, wie ich liebte, und dass ausnahmslos JEDER so besessen von seinem Partner war, wie ich es von meinem war. Er hatte mir die Welt versprochen. So dumm und naiv es auch klang, aber er hatte sie mir versprochen: „Wenn dich niemand liebt, dann werde ich dir mein Herz schenken“, hatte er mir immer und immer wieder beteuert, wann immer ich verzweifelte und mich nach Wärme sehnte. „Wenn dich jemand zum Weinen bringt, dann werde ich dein Trost sein“, erklärte er mir, wann immer mich kalte Tränen der Verletzlichkeit und Einsamkeit eingeholt hatten. „Wenn dich jemand verrät, werde ich ihn für seinen Verrat enthaupten“, plädierte er mir gegenüber, um seine Ernsthaftigkeit jener Tat mit diesen Worten zu beteuern. „Und wenn dich jemand verletzt, werde ich ihm vor deinen Augen denselben Schmerz zufügen, welcher auch dir zugefügt wurde – ganz gleich, welcher es ist“, verstärkte er seinen Satz mit einem bitteren Gesichtsausdruck, welcher an urplötzlicher Verdunkelung nicht zu überbieten war.
Jedoch blieb es nicht nur bei der Liebe, der Wärme und Zuversicht, die er mir gab. Er wollte zugleich, sobald ich mein 20. Lebensjahr erreicht hatte, dass ich ihn als Oberarzt bei seiner Arbeit unterstützte. So lehrte er mich ab meinem 16. Lebensjahr bereits alles Wissenswerte, was ich über die Psychologie wissen musste. Erklärte mir, wie ich mein Erstgespräch mit neuen Patienten zu führen hatte, worauf ich zu achten hatte, sobald einer der Patienten urplötzlich handgreiflich werden würde, und – das schien für ihn eine der wichtigsten und spannendsten Phasen meiner Lehrzeit zu sein – zeigte mir, wie ich hoffnungslose Fälle mit unserer letzten Behandlung dem langersehnten Erfolg nahebrachte. Mit anderen Worten: Ich musste durch seine Hand, später durch seine Beobachtungen, einige arme Seelen eigenhändig einer Lobotomie unterziehen lassen. Wenngleich es (besonders zu Beginn) unzählige Todesfälle oder gar lediglich missgestaltete, aber von ihrem Wahnsinn keineswegs befreite Patienten gab, so zeigte jede weitere Übung und jedes weitere „Opfer“ Wirkung auf meinem Können als angehende Psychologin. Das wiederum spiegelte sich umso mehr in Lob oder gar vertiefter Zuneigung seinerseits wider.
Seiner Zuversicht zum Trotz erkannte ich bald darauf, dass alles, was er mir sagte, immer damit einherging, dass ich für ihn PERFEKT war. Nur dann, wenn ich ein braves und gutes Mädchen war, schenkte er mir die Liebe, die ich so sehr brauchte. Nur dann schenkte er mir Aufmerksamkeit und Fürsorge. Doch wann immer ich in seinen Augen etwas Falsches tat oder ihm (seiner Meinung nach) nicht gehorchte, schenkte er mir anstelle der Liebe und Fürsorge nur noch Bestrafungen. Denn war es mit einer nie getan. Er machte so lange weiter, bis er vollends davon überzeugt war, dass ich besagten Fehler nie wieder begehen würde, UND er machte so lange weiter, bis er selbst genug von der Bestrafung hatte.
Doch irgendwann fing das Ganze an, außer Kontrolle zu geraten. Irgendwann fing er an, mich nur noch um des Spaßes Willen zu bestrafen und weniger der Fehler wegen, die ich begangen hatte. Er verlor die Kontrolle und das rationale Denk- und Entscheidungsvermögen zwischen richtig und falsch. Jedoch, genauso wie er jegliche Kontrolle über eben diese Fähigkeiten verlor, verlor ich jegliches Vermögen der Warnsignale, die mein Gehirn immer dann signalisierte, wann immer ich merkte, dass hier etwas nicht stimmte. Dass er eindeutig und ohne jegliche Zweifel viel zu weit ging. Denn: Ich war von ihm ganz und gar abhängig geworden. Ich brauchte ihn. Ich brauchte ihn so sehr, dass ich beinahe schon durchdrehte, wann immer er gegangen war. Mir war es inzwischen völlig egal gewesen, wie oft er mich schlagen würde. Wie oft er mich in allen grauenvollsten Vorstellungen misshandeln würde. Mir war das alles so egal gewesen, dass mein Körper nicht mal mehr Schmerz signalisierte. Nicht mal mehr Scham oder das widerliche Gefühl von „Ekel“ und „Dreck“, wann immer er mich angefasst hatte. All das war an der Überzahl an Strafen, die er mir täglich gab, bereits vollkommen belanglos für mich gewesen. Das Ganze ging soweit, dass ich bald darauf dieselbe Zuneigung für ihn empfand wie er für mich. Er war nicht mal mehr ein Ersatz einer Vaterrolle für mich. Er war viel mehr als das. Er war mein Geliebter. Mein Ehemann. Mein gottverdammtes Leben! Und so war es mir so sehr gleich, was alle über mich dachten. ‚Sie leidet unter dem Stockholmsyndrom!‘ , würden sie schreien. Schreit doch! ‚Sperrt sie weg! Sperrt sie FÜR IMMER weg!‘, würden sie rufen. Ruft doch! ‚Verarbeitet ihr Gehirn zu lobotomiertem Gehirngemüse!‘, würden sie brüllen. Dann brüllt doch!
Mir war das alles Recht. Mir war das alles so lange Recht, wenn mein Schatz dabei sein könnte! Wenn er mich niemals verlassen würde! Doch das würde er nicht! Das würde er ganz und gar nicht! Dafür war das Glitzern in seinen Augen zu stark, wann immer er mich sah. Dafür war die Liebe, die er mir gab, zu intensiv und zu bedeutungsvoll, als dass er mich je verlassen würde! Ich war ALLES für ihn, genauso wie er es für mich war!
Jedoch aus welchem Grund hatte Jason dann erkennen können, dass ich unter der Macht meines Partners litt? Er musste sich geirrt haben. Genau! Er musste sich ganz und gar geirrt haben. Immerhin war er noch ein Kind. Ein bedeutungsloser Teenager, der eh keine Ahnung vom Leben hatte. Er war ein wertloses Stück Scheiße, dem es nicht anders gebührte, als jeden Augenblick…
Kapitel 3: Soon, we all going to be fine.
…von mir lobotomiert zu werden. Es war einerseits unfassbar faszinierend, andererseits jedoch überaus langweilig, mit anzusehen, wie er sich von den Assistenzärzten und Pflegern widerstandslos fesseln ließ. Dr. Carter hatte sich neben mich platziert, gegenüber seinem Patienten, um mich bei meiner Arbeit beobachten zu können. Aus welchen Gründen auch immer, hatte ich es immer gehasst, wenn andere Ärzte oder Personen mir dabei zuschauten, doch heute war es mir (vermutlich das erste Mal) unendlich egal.
Ich grinste freudig, wissend, dass auch er wieder dabei sein würde. Mein Dr. Stevenson! Langsam schritt ich auf Jason zu, derweil ich ihm ins Ohr flüsterte: „Du hast Recht. Er ist hier. Und sieht mir zu. Wie alle anderen auch. Und weißt du was? Ich werde ihnen ALLEN eine Show bieten, die ihnen gefallen wird! Ganz besonders ihm! Da bin ich mir sicher!“, kommentierte ich seine eben getätigte Aussage und ließ genauso seicht von ihm ab, um mich dem nahestehenden Werkzeug zu widmen.
„Du hast noch eine letzte Chance, mir oder uns anderen hier etwas zu sagen. Oder zu Gott zu beten, falls du dieser hohen Macht Glauben schenkst. Ehrlich. Deine letzte Möglichkeit, alles noch loszuwerden, denn es wird das letzte Mal sein, dass deine Seele leiden wird, doch glaub mir… das, was jetzt kommt, wird sehr, sehr schmerzhaft“, keifte ich absichtlich provokativ und tunkte den mir bereitgelegten Eispickel für wenige Sekunden in das nahegelegene Desinfektionsmittel. Ich brauchte mich nicht umzuschauen, um zu wissen, dass der Oberarzt just in diesem Moment meiner nunmehr 30. oder 40. Lobotomie beiwohnte. Er liebte es, wenn ich vor seinen Augen die Menschen in leblose Hüllen verwandelte. Er liebte es, wenn ich den Eispickel – so wie jetzt – entlang des rechten Auges platzierte, jedoch diesen unterhalb des Augapfels ansetzte, sodass ich jene Stelle des Gehirns traf, welche für das emotionale Empfinden zuständig war. Der Anblick von Panik und Angst, den meine Patienten immer in der nahenden, letzten Sekunde aufsetzten, versetzte mich zusätzlich in eine gewisse Ekstase, welche innerlicher Vorfreude und prickelnder Aufregung gleichkam. Die dumpfen Schreie der urplötzlichen Angst, welche von Jason kamen, nachdem wir sein widerliches Maul mit Klebeband dreimal an der Zahl geklebt hatten, ließen mein Herz nahezu Freudensprüngen vollführen. Somit hatte er auch seine finale Option entgehen lassen, uns noch irgendetwas mitzuteilen.
Dennoch… gab es etwas in seinem Gesichtsausdruck, das mir einen unmittelbaren Stich in meinem Herz verpasste: Es war diese Angst, diese Furcht, die mich daran zurückerinnerte, wie selbst ich… Aufdringlich schüttelte ich den Kopf, um jene Erinnerung aus meinem Schädel zu verbannen. Nicht jetzt!, mahnte ich mich selbst an. Nicht jetzt, du hast deine Arbeit zu erledigen! Und mit diesem Gedanken brachte ich meine Aufgabe zu einem schnellen Ende. Der Schlag, welcher erfolgreich schien, nachdem ich den bis an die Spitze mit Blut beschmierten Eispickel wieder aus seinem Kopf herauszog, schien Wirkung zu zeigen, denn er lächelte, nachdem wir ihm das Klebeband wieder abgenommen hatten. Mein Patient lächelte. Müsste ich dieses Lächeln vor der gesamten Audienz beschreiben, würde ich es als… eine Art Erleichterung definieren. Eine Erleichterung, dass Jason nicht mehr unter seiner unruhigen Depression litt. Sorgsam legte ich mein Werkzeug wieder in die Schale, gefüllt mit dem Desinfektionsmittel, zurück, als ich nicht allzu weit entfernt von mir ein langsames, monotones Klatschen hörte. So, als würde jemand aus reinem Sarkasmus meinem Erfolg Beifall leisten. Jedoch brauchte ich mich nicht umzudrehen, um zu sehen, wer dort so gespielt sarkastisch meinen Erfolg beklatschte.
„Das hast du gut gemacht. Du wirst immer besser, meine Hübsche“, kommentierte er meine Arbeit. „D-Danke“, erwiderte ich mit einer schneller begleiteten Röte auf meinem Gesicht, als es mir lieb war. Seine Arme schlangen sich um meine Hüfte, während er einzelne Küsse auf meinen Nacken verteilte. „Christopher…“, mahnte ich ihn leicht kichernd an. „Nicht hier… es schauen doch alle!“ „Lass sie doch schauen!“, raunte er mir lüstern ins Ohr. „Was kümmert uns das schon?“, fügte er hinzu, während er seinen Kopf schief legte und für einen Moment den ausgelassenen, glücklichen Jason betrachtete, welcher immer noch dasaß (selbst nachdem die Pfleger und Assistenzärzte ihn wieder losgemacht hatten) und immer noch grinste wie ein Honigkuchenpferd. Es war so lächerlich. So kindisch. Aber es war eines der Symptome, die zeigten, dass unsere Arbeit Früchte trug.
„Lass uns lieber in mein Büro gehen…“, merkte Christopher just in dem Moment an, nachdem er eine Weile dieses Balg von Dauergrinsen begutachtet hatte. „Ich müsste noch etwas mit dir besprechen…“, ergänzte er in einem leicht lüsternen Tonfall, während er mich an die Hand nahm und zu sich raus aus dem Operationssaal, hinein in sein Büro zog, welches am Ende des Flures lag. Doch gerade als er die Tür des Saals passierte, hielt er kurz inne und bat alle Anwesenden im Raum, sich um Jason zu kümmern und uns beide für das Gespräch ungestört zu lassen.
Kaum war die hölzerne Tür ins Schloss gefallen (und hatte er diese vorsichtshalber abgeschlossen), drückte er mich gegen ebendiese. Sanft küsste er mich erneut entlang meines Nackens, derweil er zu sprechen begann: „Einer deiner Mitarbeiter hat mir heute Morgen eine schockierende Nachricht überbracht“, hauchte er. Doch ehe er (wie ich zunächst annahm) fortfahren würde, spürte ich einen scharfen, brennenden Schmerz entlang meiner Wange, derweil vor wenigen Sekunden seine Handfläche auf eben diese zugeschnellt war. Er hatte mich geschlagen. Verwirrt über diese Handlung, schaute ich ihn erschrocken an. Noch ehe ich mich nach dem Warum? erkundigen konnte, drückte Christopher meinen Hals zu und sein anfängliches, liebevolles Gesicht verwandelte sich schnell in makellose Wut: „Wie konntest du nur unseren neusten Patienten, Patient 1305, laufen lassen, du Schlampe?!“, brüllte er mich an und setzte gerade zum nächsten Schlag an, als ich zusammenzuckte und aus aufkommender Panik ihm entgegenschrie: „ES TUT MIR LEID! ICH HATTE ALLE SCHLÖSSER ORDNUNGSGEMÄß VERSCHLOSSEN! ICH VERSTEHE SELBST NICHT, WIE DAS PASSIEREN KONNTE!“, doch meiner überstrapazierten Stimme zum Trotz schlug Christopher meinen Kopf immer und immer wieder gegen die hölzerne Tür, während meine Sicht immer weiter verschwamm und ich das heiße Blut, (welches vor Aufregung und nackter, unermesslicher Angst, zu kochen anfing) entlang meiner von ihm erzeugten Wunde bis hin zu meinem Kinn fließen spüren konnte.
Meine Versuche, ihm zu erklären, dass er sich das Aufnahmeband doch ansehen solle, tat er mit einem belanglosen Achselzucken und dem darauffolgenden Satz, dass „ich das sicher bearbeitet hatte, um zu verschleiern, dass Patient 1305 wegen mir in die Freiheit gelangt ist“, ab, als wäre diese Art des Beweises vollkommen bedeutungslos und unwichtig für meine Unschuld. Stattdessen behaarte er immer noch auf der erstgenannten These, ich hätte unserem Neuankömmling zur Flucht verholfen. „Du und dieser… Ezekiel, oder wie auch immer dieser Amateur von Videoüberwachungskontrolleur heißen mag, steckt doch sicher unter einer Decke! Welchen Gefallen hat er dir getan, dass du mit ihm zusammen unserem gefährlichsten Patienten zur Flucht verholfen hast? War er besser im Bett als ich? Hat er dir geholfen, einige unserer Patienten unter Gewahrsam zu nehmen, damit du sie für die nächste Lobotomie vorbereiten konntest? Hat er dich buchstäblich auf Händen getragen? Sag schon! Was war es? Was war es, dass er besser gemacht hat als ich! WAS?!“, schrie Christopher so laut in mein Ohr, dass ein permanentes Klingeln einsetzte. Ehe er mich antworten ließ, packte er mich am Kragen meines Ärtzekittels und zog mich zu sich hoch, sodass wir Auge um Auge uns gegenüberstanden. „Hast du mittlerweile bereits vergessen, wer dich all die letzten Jahre aufgezogen hat? Hast du mittlerweile aus deinem lächerlichen, dummen Gedächtnis gestrichen, wer dir Liebe schenkte, weil Mommy und Daddy es nicht konnten und wollten? Wenn du das alles wirklich schon vergessen hast, dann sehe ich mich gezwungen, dir bei der Erinnerung zu helfen, Süße. Meine süße, kleine, unschuldige Hazel“, lachte er hämisch, während er mich zu Boden fallen ließ.
„Mal sehen, wie unschuldig du noch immer bist, sobald ich sie dir genommen habe“, lachte er fast schon wahnsinnig-lüstern, derweil er den Gürtel seiner Hose öffnete…
Nachdem er mit seinem Werk fertig war und das Ergebnis in mir verteilte hatte, hatte er wortlos sein Büro verlassen. Dieser Moment war der erste in meinem Leben gewesen, indem ich wie paralysiert dalag. Nicht in der Lage zu schreien, zu weinen oder gar irgendeine Art von Emotion oder Bewegung zu zeigen. Alles, was durch meinem Kopf ging, waren jene Worte gewesen, die Jason zu mir gesagt hatte, bevor ich ihn zu seiner letzten Behandlung gebracht hatte: „Es muss grausam gewesen sein, wie er Sie angefasst hat, nicht wahr? Es muss furchtbar gewesen sein, wie er Sie behandelt hat, richtig? Er hat Sie immer und immer wieder verprügelt, wenn er nicht das bekam, was er wollte, hab ich nicht Recht, Miss?“
Ja…, flüsterte ich leise vor mich hin. „Ja, ja, JA!“, schrie ich nunmehr aus voller Kehle, derweil zeitgleich die ersten Tränen nach einer gefühlten Unendlichkeit ihre Regung zeigten. „Es war grausam! Es war furchtbar! Ich will, dass es aufhört! Ich will, dass es aufhört!“, schluchzte ich, während Rotz und weitere heiße Tränen sich ihren Weg entlang meines Antlitz auf den dreckigen Parkettboden bahnten. „Ich will das es aufhört…“, murmelte ich nunmehr kraftlos und verbrachte die restliche Zeit (sofern es so etwas wie Zeit überhaupt noch existierte) damit vor mich hinzuschluchzen und mir mein inneres Leid in Form der unaufhaltsamen Tränen herauszuweinen. Ich hasste meine Existenz, hasste meine Eltern dafür, dass sie mich überhaupt auf diese Welt gebracht hatten und ich hasste mein vergangenes, naives Ich, dass so sehr nach Liebe und Fürsorge gehungert hatte, dass es sich auf ALLES hatte eingelassen: Auf die Bestrafungen, auf die Lehrjahre, an denen ich durch Christopher (mehr oder weniger) teilnehmen musste, darüber, dass ich bis zum Ende meiner Lebenszeit Schweigen darüber bewahre, dass wir die Lobotomie ausnahmslos an allen Patienten ausführten (egal wie schwer der Grad ihrer psychischen Krankheit auch war), sobald wir mit ihnen überfordert waren und nicht mal ansatzweise an eine andere Lösung DACHTEN! Ich habe das alles, still und leise, sechs Jahre meines gottverdammten Lebens ertragen, weil man an mir selbst eines Tages versucht hatte, eine Lobotomie durchzuführen.
Es war keine Woche nach meinem Aufenthaltseinlass vergangen, da erklärte Chris sich selbst bereit, diese Prozedur an mir auszuführen. An einem 14-jährigen Mädchen, dass verfickt nochmal zu Unrecht hier gefangen war und zu Unrecht mit Medikamenten vollgepumpt und zu unnötigen Therapiestunden gezerrt wurde und sich nur mit Recht gegen all das wehrte, weil es verdammt nochmal FALSCH WAR! Es war falsch, mich wie einen von denen zu behandeln. Es war falsch, so zu tun, als wäre ich wahnsinnig! Doch als er mich sah, konnte ich in seinen hellblauen Augen so viel Faszination erkennen, so viel Neugierde über mich als Person, wie ich es zuvor noch nie bei irgendeiner anderen Person gesehen hatte. Er sah mich wie seine lange Zeit verloren geglaubte Tochter an. Doch je reifer ich wurde, desto mehr wurde ich zu seiner Geliebten, zu seiner Frau als zu seiner Tochter. Und nun, da ich meine 22 Jahre erreicht hatte, war es mehr als offensichtlich, dass dieser gut 10 bis 20 Jahre älterer Wahnsinnige mich als seine Liebe ansah. Seiner Liebe, mit der er alles machen konnte, was er wollte, weil er glaubte, sie zerstört zu haben. Er hat seine Puppe zerstört. Doch diesen Gedanken würde ich ihm genauso schnell wieder austreiben, wie er ihm gekommen war. Dieser Gedanke würde sein letzter sein werden, den er je in seinem Leben gehabt haben sollte!
Sorgfältig suchte ich sein Büro nach etwas Brauchbarem ab. Etwas, das ich verwenden konnte, um ihn zu überlisten. Zu meinem Glück wurde ich fündig, als ich die in der untergehenden Sonne glitzernde Klinge eines Skalpells unweit der Tischkante auf seinem Schreibtisch liegen sah. Es war ein alter, aus Mahagoni angefertigter Schreibtisch, den er sich hatte extra liefern lassen. Aus mir bis heute unbekannten Gründen liebte unserer Chefarzt alles, was ihm den Anschein gab, etwas „Besonderes“ oder Einzigartiges zu sein. Ob es ihm zusätzlich das Gefühl gab, „höher“ zu stehen als alle anderen, blieb fraglich. Ich für meinen Teil fand es eher kitschig, sein Büro so altmodisch einzurichten und in gänzlich dunklem Holz entstehen zu lassen. Doch die Frage nach den Hintergründen der Einrichtung sei mal dahingestellt. In erster Linie zählte meine Freiheit, die ich förmlich schon schmecken konnte, kaum hatte ich mich in die Nähe des Tisches gerobbt.
Einen Arm fest auf den Boden gepresst und meine Finger in das dreckige Parkett hineingekrallt, streckte ich meinen anderen so weit nach oben, dass ich zu meinem Pech das Skalpell mit meinen Fingern nie richtig zu fassen bekam. Anscheinend war es (durch meine tastende Suche) doch etwas weiter zurück von der Kante gerutscht, als ich inständig gehofft hatte. Meine Gedanken schweiften kurzzeitig zu jenem Morgen zurück, an dem unser Patient 1305 verschwunden war. Sollte es wirklich ein Skalpell gewesen sein, womit er unseren Pfleger in der Nacht zuvor erlegt hatte, dann musste dieses kleine, unscheinbare Instrument mit der richtigen Handhabung mehr zu bieten haben, als nur ein hilfreiches Mittel für operative Eingriffe zu sein.
Mit großer Anstrengung drehte ich meinen immer noch leicht paralysierten Körper zur Seite und wartete. Wartete darauf, dass er bald zurückkommen würde. Immerhin konnte er mich hier nicht einfach mit meinen zerrissenen Klamotten liegen lassen, oder? Er würde mich doch hier nicht einfach so verrotten lassen, oder?
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich zitterte. Doch es lag weniger an der Kälte, als an der Aufregung, die mich überkam, als ich nach einer weiteren Weile des Wartens Schritte vernahm, die auf diesen Raum zugingen. Er kommt zurück und holt mich hier raus!, dachte ich hoffnungsvoll. Er kommt zurück und dann wird alles wieder gut!
Meine Anspannung stieg mit jeder endlosen Sekunde, die wie in Zeitlupe zu verstreichen schien, dieweil der Fremde hinter der Tür die goldene Klinke hinunterdrückte. Erst als ich sein ruhiges Lächeln, (Momente, nachdem er mich hatte hier wehrlos liegen lassen), realisierte ich, dass es Christopher war, der endlich wieder auftauchte. Leise ließ er die Tür ins Schloss fallen und verriegelte sie mit zweimaliger Umdrehung des Schlüssels.
Etwas in der Art, wie verletzt, kraftlos und vollkommen zerstört ich hier lag, schien ihm sogar mehr zu gefallen, als dass er (so wie ich immer dachte) darunter leiden würde. Sein Grinsen wurde bestialischer, animalischer, weniger menschlich, je näher er mir kam. Wie, als wenn der Jäger den Gejagten vor dessen Ende ein letztes Mal begutachtete. Sorgsam kniete er sich vor mich hin und strich mir die wenigen schwarzen Strähnen aus dem Gesicht, die aufgrund von Schweiß und Tränen mir im Gesicht klebten. „Du hast geweint!“, merkte er an, als ob es ihm erst jetzt aufgefallen wäre. „Warum hat meine wunderschöne, zerbrechliche Puppe denn nur geweint? Hat es dir nicht gefallen? Aber ich war doch so vorsichtig! Es ist nicht meine Schuld, wenn du dich mit Händen und Füßen wehrst. Da kann so etwas nun mal wehtun! Es ist genauso wie die letzten sechs Jahre zuvor auch: Du lernst nie, mir vollends gefügig zu sein, da ist es doch nicht meine Schuld, wenn ich es dir mit Schmerzen beibringen muss. Du kennst doch den Spruch: Wer nicht hören will, muss fühlen, und allem Anschein nach muss ich dich wieder lehren zu hören, indem du fühlst… Also… bereit für eine zweite Runde?“, das widerliche Grinsen, welches er just in diesem Augenblick entlang seiner Mundwinkel zog, gab mir den Rest. Doch ehe ich irgendetwas erwidern konnte, zog er dieses Mal sein T-Shirt aus und legte sich auf mich. Er war so schwer. So verdammt schwer…
Innerlich betete ich, dass es bald ein Ende haben möge. Dass er mich nach alledem hier endlich töten möge! Doch in der Zeit, in der ich innerlich mehrere Tode starb, erkannte ich plötzlich in der mittlerweile pechschwarzen Nacht, wie zwei schwach leuchtende Punkte in Grün und Blau in der Luft schweben zu schienen. Ungläubig blinzelte ich kurz, im Anschein, dass mir meine zerstörte Wahrnehmung einfach nur einen bösen Streich spielte. Bei allem, was ich in den letzten Lebensjahren erlebte hatte, wäre es auch gar kein Wunder gewesen. Doch als die beiden verschiedenfarbigen Punkte selbst nach mehrmaligem Blinzeln nicht aus meinem Sichtfeld verschwanden, sondern (eher im Gegenteil) näher auf mich zuzukommen schienen, wollte ich schreien. Ich wollte das letzte bisschen Kraft, welches mein Körper als Reserve verwahrt hatte, aus meinen Lungen kreischen. Jedoch… signalisierte mir dieses… Etwas, dass ich Ruhe bewahren sollte, in dem er blitzschnell einen Finger zwischen seine Lippen legte, welchen ich durch das schwache Leuchten schemenhaft erkennen konnte. Es war Patient 1305!
Christopher, der seinen Kopf leicht schief legte, um seine Verwunderung dessen mir zu zeigen, worauf ich denn die ganze Zeit meine Aufmerksamkeit richtete, wenn nicht auf ihn, schaffte es lediglich, seinen Satz mit einem „Was zur Hölle glotzt du so behindert, du Hu-“ zu beginnen, ehe die Vollendung seiner Frage mit einem Mal unterbrochen wurde, indem er wie unvermittelt zur Seite kippte und bewegungslos (gestützt auf seinem linken Arm) dalag. Nicht in der Lage, irgendeinen Muskel oder gar eine Extremität in Bewegung zu setzen. Im silbernen Mondschein konnte ich erkennen, wie eine Spritze in seinem linken Bein steckte, welche jedoch wenige Sekunden später wieder herausgezogen wurde.
Mein Blick galt weiter meinem namenlosen Retter mit den leuchtenden, verschiedenfarbigen Augen. Dieser hatte seine Sehorgane nicht für eine Sekunde von seinem Opfer gelassen, während er leise kichernd zusah, wie dieser erbärmlicher Haufen Elend nicht nur so dalag, sondern inzwischen nicht mal mehr in der Lage war, sinnvolle Sätze aus seinem Mund entstehen zu lassen. Alles, was ich zu hören bekam, war wütendes Gemurmel, das in etwa so klang, als wenn jemand den Mund seinem Gegenüber mit Superkleber zugeklebt hatte.
Silbernes Metall glitzerte im schwachhellem Mondschein, derweil es binnen weniger Sekunden wie ein eiserner Blitz hinabsauste und einen von unendlicher Qual gefolgten Schmerzensschrei hinausließ, der mit allergrößter Sicherheit die gesamte Klinik in hellem Aufruhr hinterlassen hätte, wäre mein Peiniger durch diese fragwürdige Spritze nicht paralysiert worden. Mein ehemaliger Patient lachte hysterisch, während er zum erneuten Hieb ansetzte und schrie: „Im Anblick des Todes betteln sie alle um ihr Leben! Aber… Werde dafür sorgen, dass du deinen dreckigen Schwanz und deine schleimigen Säcke verlierst! Werde sie abschneiden, in Stücke schneiden und… SIE DIR WIDERWÄRTIGEM BASTARD EINER HURENMUTTER IN DEIN DRECKSMAUL STOPFEN!“ „NEIN! BITTE! BITTE, TU DAS NICHT!“, schrie ich ihm entgegen, ehe er sein Werkzeug an den entblößten Intimbereich von Chris ansetzte.
Auch er legte seinen Kopf schief, als ob er nicht vollkommen begriff, was ich da soeben gesagt hatte, bis er urplötzlich verschwand und binnen eines Wimpernschlags hinter mir stand und meinen Hals (in dem er an meinen schulterlangen, schwarzen Haare zog) schmerzhaft emporstreckte, sodass ich gezwungen war, ihm in seine sonderbaren Augen zu schauen. Augen gänzlicher Verwirrung und absolutem Unverständnis schauten matt und glanzlos auf mich drein, welche zugleich weit aufgerissen waren, als ob mein Retter es absichtlich provozieren würde, dass ich in seine durch und durch zerrissene Seele schauen sollte. „Huh?!“, war sein einziges Wort, das er von sich gab, ehe er mit (vermutlich) aus reinsten Trieben der Mordlust zitternden Händen sein Skalpell mit der noch kühlen Klinge an meine pochende Halsschlagader ansetzte. Tränen, von denen ich mittlerweile glaubte, keine mehr produzieren zu können, liefen kühl meine Wange entlang und tropften unaufhaltsam hinab. Das Drippeln war das einzige Geräusch, welches in dieser Nacht ertönte, neben der unausweichlichen Tatasche, dass mein Peiniger durch seine anfängliche Stichwunde nunmehr leise wimmerte.
„Ich kenne einen anderen Weg“, erklärte ich, Patient 1305 weiterhin konsequent in die Augen starrend. Er legte nur zögernd sein mörderisches Instrument von meinem Hals ab und ließ schlussendlich meinen Kopf los, sodass ich, durch die erhöhte Anstrengung und permanente Angespanntheit meines Nackens, kraftlos und keuchend zu Boden fiel. „Welchen?“, fragte er skeptisch, derweil er sich mit langsamen Schritten von mir entfernte und sich prüfend zwischen mich und Chris stellte. Bereit, einem von uns jeden Moment den Garaus zu machen, würden wir seine Geduld in irgendeiner Form auf die Probe stellen. Ich schluchzte kaum merklich, während ich mit meiner Erklärung fortfuhr: „Ich bitte dich, ich bitte dich inständig, Christopher nicht zu töten! Wenn du das tust…“, meine Arme zitterten furchtbar, derweil ich weiter mit meinen unüberseh- oder gar überhörbaren Emotionen kämpfte, „…werde ich niemanden mehr haben, dem ich je etwas bedeutet hatte! Er war wie ein Vater für mich! Nein. Viel mehr als das! Er ist mein einziger Geliebter!“, rief ich letztlich aus. Wenige Sekunde später brach schallendes Gelächter markerschütternd hysterisch aus ihm heraus und erfüllte den Raum mit einem widerlichen Hall, welcher betäubend in meinen Ohren klingelte.
„Vater?! Geliebter?!“, lachte er weiter. „Welcher liebende Vater würde sein Kind schänden?! Welcher Geliebter würde-“ „ER IST ALLES, WAS ICH HABE!“, schrie ich nun ungeachtet der Tatsache, dass einige, wenige Kollegen, welche die Nachtschicht übernahmen, es vermeintlich hören konnten. Doch selbst wenn: Es war mir vollkommen gleich. Alles, was ich wollte, war meine Liebe zurück! Urplötzlich klopfte es an der Tür und eine weibliche Stimme fragte, ob jemand hier in diesem Raum sei. Selbst wenn die Tür durch Chris verschlossen worden war, so konnten wir uns nicht für alle Ewigkeit hier aufhalten.
Irgendwann würde die Frau hinter der Tür diese versuchen aufzubrechen. „Das Fenster!“, flüsterte ich dem Heterochromen zu. „Mach das Fenster auf! Wir fliehen und gelangen durch den Hintereingang in den Operationssaal! Dort werden wir dann eine andere Lösung finden, als seinen Tod!“, erklärte ich ihm. Einmal mehr ein Vorteil, dass sich das Büro sowie dieses gesamte Abteil samt des Operationszimmers im Erdgeschoss befanden. Ohne weitere Widerworte nahm er meinen Peiniger über die Schulter, öffnete das Fenster und trat mit einem Bein auf den Fenstersims, während er mich kurzzeitig spürbar skeptisch anschaute. Ich nickte ihm zuversichtlich zu und folgte ihm kurzerhand ebenfalls hinaus in die kalte Dunkelheit.
Im Operationssaal ohne weitere, verhindernde Zwischenfälle angekommen, platzierte der Mann mit den heterochromen Augen Chris, (wie ich es ihm orderte) auf den Stuhl für die anstehende Lobotomie. Für eine Weile wägte ich in meinem Kopf die Entscheidung ab, ob ich ihn nicht doch lieber festbinden sollte oder ob die Lähmung noch ihre Wirkung bis zum Ende des Prozesses beibehalten würde. Patient 1305 schien mein Hadern bemerkt zu haben und beantwortete meine quälende Frage, ohne dass ich sie auch nur ausgesprochen hatte: „Die Lähmung hält für zwei bis vier Stunden. Kommt auf die Dosis an. Habe ihm aber genug davon injiziert, dass ich ihn ursprünglich erledigen kann. Schätze, hättest vier Stunden oder so“, er schaute kurzzeitig auf sein Handy, ehe er weitersprach: „Da du Schlampe allerdings enorm viel Zeit mit deinem Geheule und der Tatsache, dass ich diesen Wichser durch diesen beschissenen Hintereingang hierher schleppen musste, verbraucht hast, bleiben dir noch vielleicht gute zwei Stunden.“
Entgegen jedwedem Wimmern und den merkwürdigen Lauten, welche in einem dumpfen Wirrwarr aus purer Unverständlichkeit endeten, richtete ich den Eispickel (noch so tropfend nass und brennend das Desinfektionsmittel sein würde, sobald ich mit dem ersten Hieb sein rechtes Auge durchstochen hatte), unterhalb seines Augapfels.
Einmal, zweimal und (zu aller Sicherheit) auch noch ein drittes Mal schlug ich mit dem kleinen, handlichen Reflexhammer gegen das zu mir gerichtete stumpfe Ende des Eispickels. Blut floß entlang des länglichen, scharfen Geräts in meine Hand hinein, mit welcher ich dieses festhielt. Zu meinem Erstaunen hatte Chris während der gesamten Prozedur selbst keinen einzigen Laut von sich gegeben. Im Gegensatz zu Jason starrte er mich lediglich mit einem erschreckend neutralen Ausdruck an. Jedwede Angst, jedweder Zorn auf mich, und auch all die anderen Gefühle, die er je gehabt hatte, waren durch diese drei tiefen Einschläge einfach so verschwunden. Und alles, was zurückblieb, war ein ruhiger, beinahe schon gleichbleibend monotoner Gesichtsausdruck, den mir mein zukünftiger Mann entgegenbrachte. Nichts (aber auch WIRKLICH NICHTS) machte mich je glücklicher als diese Tatsache und das damit verbundene Ziel, das ich endlich erreichte hatte: Mein Christopher, den ich ehrte und bis zu meinem Tod unendlich liebte, war wieder bei mir! Und er würde nie wieder gehen. Nie. Wieder!
Von einer noch nie dagewesenen Euphorie förmlich überschüttet, küsste ich ihn innig. Patient 1305, welcher hörbare Würgegeräusche von sich gab, räusperte sich kurz, sodass ich mich (jedoch nur widerwillig) zu ihm umdrehte und ihn mit einem fragenden Blick musterte. Da meine unausgesprochene Frage weiterhin in meiner Kehle feststeckte und ich meine Lippen bewegen wollte, um jene in den Raum zu werfen, signalisierte mir der heterochrome Mann jedoch mit einer eindeutigen Handbewegung, dass ich nicht weiterzusprechen brauchte: „Verschwinde jetzt. Meine Arbeit scheint voll getan zu sein. Schade, dass ich weder ihn“, er deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung meines Geliebten, „noch dich zur Strecke bringen durfte. Zögere aber nicht vor einem baldigen Wiedersehen“, grinste er verführend-diabolisch.
Keine zwei Sekunden später ließ ein mir unbegreifliches Phänomen die Lichter in dem Operationssaal stroboskopartig flackern. In dem gesamten Bild, das sich vor meinen Augen erstreckte, meinte ich eine Art Hand auf der Schulter meines früheren Patienten erkannt zu haben, doch ehe ich (voll anfänglichem Unglauben) einen genaueren Blick darauf werfen konnte, war er bereits (samt dem aufdringlichem Flackern der Lichter) verschwunden.
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