
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Der Mann
betrat das Verhörzimmer und ließ die Tür, wesentlich lauter als
notwendig, ins Schloss fallen. Seine Jacke glattstreichend und diesen
beinahe gelangweilten Gesichtsausdruck aufsetzend, nahm er an dem
Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches Platz.
Währenddessen legte er etwas Flaches
aus Glas, Metall und Plastik,
dazu eine Akte neben sich auf den Tisch. „Frau Jakobs, da Sie sich
bisher geweigert haben, auszusagen, was Ihnen passiert ist, können
wir Sie nicht einfach wieder gehen lassen. Sie sind alleine und
vollkommen hysterisch in Schutzhaft genommen worden. Sie sind sich
hoffentlich der Konsequenzen bewusst. Wir brauchen Informationen!“
Er faltete die Hände nun auf dem Tisch und erwartete offensichtlich
eine Antwort von mir. Mehrere Male setzte ich tatsächlich zum
Sprechen an. Jedes Mal blockierte etwas in meinem Inneren den
Versuch. Der Mann seufzte. „Gute Frau, ich kann Ihnen nicht helfen
wenn Sie mir nichts sagen.“ Natürlich begriff ich, dass ich hier
in ernsthaften Schwierigkeiten steckte, aber nach dem, was mir
passiert war, hatte ich sowieso keine Möglichkeit mehr, klar zu
denken. Ich merkte, wie brüchig meine Stimme war, als ich dann doch
zu einer Antwort ansetzte: „Sie würden mir nicht glauben.“ Mein
Verhörer schürzte die Lippen. „Das habe ich schon oft gehört.
Ihre Geschichte wäre sicher nicht das Verrückteste, was hier auf
den Tisch gelegt wurde. Bitte, versuchen Sie es.“ Ich lachte
krächzend. „Sicher? Habe ich Ihr Wort, dass Sie mich ausreden
lassen und nicht gleich eine Horde Männer in weißen Kitteln mich in
eine Zwangsjacke stecken?“ Er stutzte. „Ja Frau Jakobs, das haben
Sie. Ich werde Ihre Seite der Geschichte bis zum Ende anhören und
dann sehen wir, was wir daraus machen. Einverstanden?“ Ein schiefes
Grinsen schlich sich auf mein Gesicht. Ich kam hier sowie so nicht
raus. „Danke.“, sagte ich, „aber versuchen Sie nicht, mich zu
unterbrechen.“ Er nickte, verschränkte die Arme vor der Brust und
lehnte sich zurück. So begann ich zu erzählen. Mit jedem Wort wurde
meine Stimme kräftiger und fasste mehr Mut. Es gibt Dinge, die
müssen erzählt werden. Ganz gleich, wie unglaubwürdig sie auch
sind.
Die Tritte in meinem Rücken wurden
immer stärker. Wie ich dieses Kind verachtete. Warum habe ich meiner
Schwester nur erlaubt, dieses Teufelsbalg mitzunehmen? „Jessica, du
weißt, ich kann den Kleinen nicht über das Wochenende bei Markus
lassen. Der ist bei seiner Mutter. Außerdem kannst du so eine
Beziehung zu deinem Neffen aufbauen.“ Genau das hatte Miriam zu mir
gesagt. Anscheinend bestanden die Grundpfeiler dieser Beziehung, aus
nicht enden wollenden Nörgeleien, lauten Schreien und dem Einbrennen
seiner Fußsohlen in die Rückenlehne meines Autos. Ich wusste, warum
ich Kinder nicht leiden konnte, auch wenn mein Freund immer wieder
verspielt drauf drängelte, dass wir endlich mal daran denken
sollten, wie unsere Zukunft aussehen sollte. Worauf ich stets mit dem
Satz: „Kinderlos, erfolgreich und in Ruhe das Leben genießen“
antwortete. Das passte ihm nicht, aber ich bin keine Frau, die sich
das Leben mit einem Kind verderben und sich für mindestens 18 Jahre
an eine Minivariante von mir und Erik binden wollte. Der Beweis
dafür, dass ein Kind der denkbar beste Karrierekiller war, saß
neben mir. Meine Schwester hatte großartige Aussichten gehabt.
Perfekter Notenschnitt und ein vielversprechendes Jurastudium, bis
sie sich von einem jungen, schwanzgesteuerten Medizinstudenten hatte
schwängern lassen. Die Ehe hatte kaum drei Jahre gehalten und der
nun sechsjährige Teufel auf der Rückbank, schien sich perfekt in
Richtung seines Arschlochs von Vater zu entwickeln. „Was macht dein
Ex-Mann jetzt noch gleich?“, fragte ich zwischen zwei besonders
heftigen Tritten des Rücksitzmonsters. „Sortiert Ware in einem
Lagerhaus?“ Mein bissiger Unterton verärgerte Miriam und so
antwortete sie besonders schnippisch. „ Tja, wenigstens bezahlt er
davon den Unterhalt für Lukas und kümmert sich um sein Kind. Was
macht dein Erik denn? Immer noch an seinem Roman basteln? Bekommt der
doch seit Monaten nicht hin.“ Das hatte gesessen. „Gute Literatur
braucht Zeit, außerdem sind wir ja abgesichert.“ erwiderte ich
bestimmt und ließ meinen beruflichen Erfolg unausgesprochen zwischen
uns stehen. Mein Job im Vorstand eines mittelständischen
Textilimporteurs war eine gute, sichere Einnahmequelle und das
Geschäft brummte, jetzt wo die Wiedervereinigung von Deutschland
endlich geschafft war, brachte das einen sehr guten neuen Markt im
Osten. Wir konnten eine Durststrecke ohne Probleme überstehen.
Miriam war abhängig von der Gnade des Kindsvaters und schlug sich
mit Teilzeitjobs durch. Das geheuchelte Glück der Elternschaft, mit
der sie ihr Leben rechtfertigte, wurde über die Jahre immer weniger
und man merkte ihr die Verbitterung über ein verpfuschtes Leben
deutlich an. Auch wenn sie es stets zu kaschieren versuchte.
„Können wir hier raus? Der Kleine
muss anscheinend mal“ sagte meine Schwester nach einer kurzen
Gesprächspause, in der die Spannung zwischen uns ein wenig abgeebbt
war.
Ich sah auf das Schild, das sie meinte.
Raststätte/Tankstelle/Motel 750m. Es war kein offizielles
Straßenschild. Ein semiprofessionelles Hinweisschild, das
anscheinend von den Betreibern aufgestellt worden war. „Sieht ein
bisschen seltsam aus, findest du nicht?“, sagte ich an Miriam
gewandt. „Ach, wir sind mitten in der Pampa. Ist wahrscheinlich
normal hier.“ Nach einem guten halben Kilometer sah ich ein
weiteres Schild das auf eine Nebenstraße führt.
Raststätte/Tankstelle/Motel
250m hier rechts abbiegen. „Da rein Jessica.“, sagte
sie unnötigerweise. Also setzte ich den Blinker. Es dämmerte schon
und so sah ich an der rechten Seite das orangene Licht der
Richtungsanzeiger das ungemähte Gras beleuchten. Die ersten paar
Meter waren noch asphaltiert, aber danach wurde die Seitenstraße zu
einem Schotterweg. Das machte mich ein wenig nervös. Wer würde die
Zufahrt einer Tankstelle nicht anständig ausbauen? Sowieso wirkte
alles hier irgendwie fehl am Platz. Langsam fuhr ich weiter. Die
Straße war unbeleuchtet und die Sonne schien sich jeden Augenblick
hinter dem Horizont bis morgen verabschieden zu wollen. So schälten
sich die Konturen der seltsamsten Tankstelle, die ich jemals gesehen
hatte, aus dem
Abendnebel. An der überdachten Fläche, wo die
Zapfsäulen wie gehorsame Soldaten zum Appell auf ihren Einsatz
warteten, waren die Geschäftsräume der Tankstelle und anscheinend
die Lobby des Motels angeschlossen. Ein merkwürdiges Konzept hatten
sich die Betreiber da ausgedacht. Die Leuchtbuchstaben zeigten ein
rot leuchtendes M TEL an… Das O schien nicht mehr zu funktionieren.
Ich sah keine Preisliste für die Kraftstoffe, ein klarer Verstoß
gegen die Preisangabenverordnung.
Nur ein großes Schild das verkündete: 24 Stunden 7 Tage geöffnet
Willkommen! Kurz vor der Auffahrt war die Straße wieder in gutem
Zustand. Ziemlich gutem sogar. Als wäre sie gerade frisch gemacht
worden. Wieder setzte ich den Blinker. Diesmal nach links. Diese
Straße führte nur und ausschließlich auf diese Raststätte zu. Es
gab anscheinend nur einen Weg hin zur Hauptstraße, nur diesen einen
zurück. Ich bog ein, hielt neben der Zapfsäule und löste den Gurt.
„Ihr könnt ja eine Toilette suchen. Ich werde mal versuchen, ein
wenig nachzutanken.“, sagte ich, während mein Blick auf die
Anzeige des Füllstandes fiel. 300 km würde ich noch schaffen, mehr
als genug, um zu unseren Eltern zu fahren. Sie lebten an der
dänischen Grenze. Aber sicher war sicher. „Okay,“ erwiderte
Miriam „ich besorge noch ein paar Snacks für uns.“ Im Geiste
betete ich um etwas Zuckerfreies für den Quälgeist, damit der nicht
noch mehr aufdreht, aber der kleine speckige Satansbraten würde
seiner Mutter so lange auf den Keks gehen, bis diese ihm mit einem
Lächeln das zuckerreichste Stück Süßigkeit in den Rachen schob,
das diese Tankstelle führte. Vergeblich suchte ich den Zapfhahn für
Dieselkraftstoff und wollte es gerade bleiben lassen, als ein junger
Mann in blauem Arbeitsoverall vergnügt pfeifend um die Ecke bog.
Lächelnd erblickte er mich, zog seine Schirmmütze vom Kopf und
sagte in dem klassischem Bauernslang Norddeutschlands, den ich über
die Jahre in der Großstadt nicht wirklich vermisst hatte, aber nun
eine ganze Menge Erinnerungen wachrief: „Nabend gute Frau, was kann
ich denn für Sie gutes tun? Bisschen Diesel auftanken?“ Ich lächelte, nickte und sagte: „Ja
das wäre toll. Ein bisschen ungewohnt, diese Art von Zapfsäule.“. „Jo, ist was Einzigartiges.“
Erwiderte der Junge, er konnte kaum älter als zwanzig gewesen sein.
„Das hat der Chef vor ein paar Jahren installiert. Moment.“ Er
zog einen Schlüssel aus seiner Tasche, an dem ein ölfleckiger
Stoffeisbär hing und machte sich an einer kleinen Öffnung an der
Säule zu schaffen. Mit einem Klacken, sprang eine Tür auf, hinter
der ein blitzblanker Zapfhahn mit der Aufschrift „Diesel“ zum
Vorschein kam. „Bitte sehr, schöne Frau. Machen Sie mal voll.“
Grinste der Junge und wandte sich zum Gehen. „Entschuldigen Sie,
junger Mann, ich kann gar nicht sehen, was der Liter kostet oder wie
viel ich tanke!“ Immer noch gehend rief der Tankwart: „Macht
nichts, ist mindestens vier Pfennige unter dem Schnitt. Kann Ihnen
nur raten, dass Sie voll machen.“ Auch wenn ich das sehr, sehr
merkwürdig fand und es obendrein illegal war, hörte ich auf den
Jungen und ließ den Motorlebenssaft in den Tank fließen. Die Sonne
war nun endgültig verschwunden und das Licht der Tankstelle
erleuchtete einen kleinen Bereich des Umlands. Nur Felder, sehr
idyllisch. Ab und zu sah ich die Lichter von Autos an der
Hauptstraße, die dieser Tankstelle keine Beachtung zu schenken
schienen. Das Einschnappen des Hahns sagte mir, dass der Tank voll
war und ich war gespannt auf die Rechnung des Kassierers. Meistens
waren freie Tankstellen ja günstiger, das hatte mir der Junge auch
versichert, aber man konnte ja nie wissen. Ich sah zu dem
Geschäftsbereich, der trotz der großen Fensterscheiben einen
gemütlichen Anblick bot. Miriam saß mit Lukas in einer Sitzecke,
die anscheinend dem Eingang zum Motel angeschlossen war. Lukas schien
mit einem großen Lutscher und Miriam mit einem Coffee to Go
beschäftigt. Das Klingeln der Tür war ein bisschen zu laut und
erschreckte mich ein wenig. Die Geruchsmischung aus Druckerschwärze
der Zeitung, Kaffee, Kraftstoff und aufgebackenen Brötchen, so
einzigartig wie sie nur an einer Tankstelle zu finden war,
schwängerte die Luft. Aber da war noch etwas anderes, ein wenig
muffig. Etwas das ich nicht klar definieren konnte. Hinter der Kasse
stand eine junge Frau, ebenfalls höchstens 20 Jahre alt, die mich
nun lächelnd ansah. Als ich mich ihr näherte, rief sie mir bereits
entgegen: „Einmal Tanken, einen Kaffee und einen Dauerlutscher?“
Toll, das durfte ich also auch noch bezahlen. „Scheint so, ja.
Danke“ „Sind Sie auf dem Weg nach Norden?“ fragte die Frau mit
einem ehrlich, neugierigen Unterton. „Ja, Verwandtschaft an der
Grenze. Wir kommen von hier oben.“ Die Frau lächelte breit. „Ahhh,
schön. Heimaturlaub. Haben Sie Interesse an einem Angebot? Die
Tankfüllung gibt es gratis, wenn Sie uns einen kleinen Gefallen
tun. Sonst wären das insgesamt 55,78 Mark“ Im Geldsparen war ich
immer gut und ich war neugierig, was das für ein Gefallen sein
sollte. „Was für ein Angebot?“. Die Kassiererin lachte kurz auf.
„Nichts Besonderes. Fahren sie nur einen kleinen Umweg und liefern
etwas ab. Hinter der Tankstelle gibt es einen Schotterweg, der durch
ein kleines Wäldchen führt. Etwa 400 Meter von hier. Da gibt es
einen Parkplatz mit einer Wildfutterstation. Nehmen Sie diesen
Beutel, legen Sie ihn auf den vorgesehen Platz und fahren Sie dann
einfach weiter den Weg. Sie kommen automatisch wieder auf die
Hauptstraße. Das ist alles. Eigentlich sollte Tobias, der Bagalut da
draußen, das machen, aber der scheint das wieder verpennt zu haben
und es ist schon spät. Wenn Sie das für uns erledigen, erlasse ich
Ihnen die Rechnung.“ Ein bisschen verwirrt hakte ich nach. „Sie
wollen mir knapp 56 Mark erlassen, damit ich einen Beutel abliefere?
Kommt mir reichlich viel vor.“ Die junge Frau zuckte mit den
Schultern. „Erspart uns eine Tour und wir haben hier keine großen
Geldsorgen. Wenn nicht, ist das auch okay, aber ich muss dann doch
auf das Geld bestehen.“, lachte sie. Geld ist Geld, also willigte
ich ein. „Ja okay, was für ein Umweg ist das genau?“ Sie winkte
ab. „Zwei Kilometer insgesamt, höchstens. Freut mich riesig, danke
dafür! Einfach den Beutel ablegen und dem Weg folgen. Sie sind in
fünf Minuten wieder auf der Straße.“ Ich nahm also den
Stoffbeutel entgegen, erstaunlich schwer, dankte und bedeutete meiner
Schwester, dass wir uns auf den Weg machen würden. Der Kleine
quengelte und schien sich hier ziemlich wohl zu fühlen. Der Lutscher
schien seine unerschöpflichen Energiereserven wieder auf ein neues
Höchstmaß gehievt zu haben. Das würde also eine sehr unangenehme
Schlussetappe werden. Als wir wieder alle im Auto saßen, ich meinen
Neffen diesmal hinter meine Schwester platziert hatte, mein Rücken
würde mir das danken, und wir alle angeschnallt waren, ließ ich
meinen Wagen langsam in Richtung des besagten Schotterwegs rollen.
Dieser war ein bisschen versteckt und von der Zufahrt aus nicht zu
sehen gewesen. Gesäumt von kleinen Bäumen und Büschen, führte der
Weg schnurgerade auf das besagte Waldstück zu. Da es schon
stockdunkel war und ich mich auf die Scheinwerfer meines Autos
verlassen musste, um etwas zu sehen, fuhr ich nur im Schritttempo.
Von wegen nur fünf Minuten. So würden wir eine ganze Weile
brauchen, bis wir das Wäldchen erreichten, das sich dunkel und
unheimlich vom Horizont abhob. Zu dem Zeitpunkt bereute ich schon
meine Sparfuchsmanier und hätte am liebsten umgedreht, den Diesel
bezahlt und den normalen Weg zurück genommen. Natürlich wollte ich
nicht wie ein Feigling dastehen. Ich war eine erfolgreiche
Geschäftsfrau, in einer chauvinistischen Gesellschaft habe ich über
die Jahre viel schlimmeres erlebt als einen dunklen Feldweg. Männer,
die nicht mit einer Frau über das Geschäft verhandeln wollten,
waren auch in den heutigen Zeiten keine Seltenheit. Auch diese
Situationen habe ich immer hervorragend gemeistert. Ein
Lieferauftrag, zugegeben ein merkwürdiger, der Beutel stank
irgendwie sehr seltsam, würde mich nicht aus der Ruhe bringen. Mein
Wagen rumpelte immer weiter. Lukas wurde immer aufgedrehter, aber
diesmal bekam seine Mutter die Tritte in den Rücken. Eine böswillige
Befriedigung ergriff mich, als sie den Bengel wütend anfauchte. Da
begriff sie anscheinend, was ich die letzten Fahrtstunden erduldet
hatte und ließ mich von da an mit ihren Beschwichtigungsversuchen in
Ruhe. Aus der Nähe erschien das Wäldchen doch größer als erwartet
und
als mein Auto die Baumgrenze erreichte, überfiel mich ein sehr
unangenehmes Gefühl. Die Straße, wenn es diese Bezeichnung
verdiente war noch ein Stück schmaler geworden und zu beiden Seiten
wuchsen die Nadelbäume dicht an dicht. Miriam, fragte warum wir
diesen Weg nahmen und ich umriss kurz das Angebot der Angestellten an
der Tankstelle, was meine Schwester mit einem Grunzen quittierte.
„Aber dann wieder schnell auf die Straße, bitte. Es ist hier
verflucht unheimlich.“ Ich stimmte ihr schweigend zu und hoffte den
Parkplatz und die Futterstation gleich zu erreichen. Nach einer engen
Kurve sah ich dann einen freien Platz inmitten der Bäume. Ein großes
Schild mit einer Karte und anscheinend einigen Informationen zur
Gegend, ein Podest, auf dem anscheinend der Beutel gelegt werden
sollte und eine Bank, mit Tisch waren dort aufgestellt. Alles
beleuchtet mit einer schwachen Lampe die ein rötliches Licht auf die
Szenerie warf. Immerhin etwas Licht, dachte ich. Ich hielt neben dem
Schild, zog die Handbremse an, aber ließ den Motor laufen. „Ich
liefere das nur kurz ab. Bleibt sitzen.“ So öffnete ich die Tür
und ging auf das Podest zu. Es war aus Holz. Anscheinend mit roter
Farbe bemalt, aber unbeschriftet. Sollte ich den Beutel ausleeren?
Wahrscheinlich, sonst würden die Tiere ja nicht an ihr Futter
kommen. Ein Haken an der Seite des Pfostens verriet mir, das ich den
Beutel daran aufhängen konnte. Also, dachte ich, würde ich den
Inhalt auf die Platte legen, den Beutel aufhängen und weiterfahren.
Job wäre erledigt. Auf halben Weg, hörte ich wie eine Autotür
geöffnet wurde. „Jessica! Komm schon es ist….“ Der Motor
stotterte. Der Wagen ging aus. Das Licht der Scheinwerfer flackerte
und erlosch ebenfalls. Miriam schrie kurz auf, Lukas begann zu
weinen. Eine furchtbare Kakofonie, die mir wirklich den letzten Nerv
raubte. „Verdammte Scheiße!“ rief ich, ließ den kleinen Sack
fallen und hechtete das kurze Stück zu meinem Auto. Eine weitere
Autotür wurde geöffnet. Lukas hatte sich abgeschnallt und war
ausgestiegen, lief auf das Hinweisschild zu. Immer noch weinend. Wie
die Motten auf das Licht. „BLEIB SITZEN!“ Riefen Miriam und ich
gleichzeitig, aber der Junge hörte nicht. Panik hatte ihn ergriffen
und er suchte Schutz in dem roten Lichtkegel. Miriam stieg nun
ebenfalls aus und lief auf Lukas zu, während ich mich auf den
Fahrersitz schwang und versuchte den Wagen zu starten. Das Orgeln der
Zündung wirkte wie ein kläglicher Versuch des Autos, um Hilfe zu
schreien, aber es nützte nichts. Der Wagen war mausetot. „Kacke!“
entfuhr es mir, ignorierend, dass Lukas eindeutig solche Worte nicht
hören sollte. Der Junge weinte, auch das Trösten seiner Mutter
nütze nichts. Die Panik in Miriams Stimme trug nicht gerade zu der
Beruhigung meiner Stimmung und der ihres Sohnes bei. Mit wild
klopfendem Herzen fasste ich mir an den Kopf, fuhr mir durch die
Haare und versuchte angestrengt, eine Lösung zu finden. „Miriam,
wir können hier nichts machen. Lass uns zur Tankstelle gehen. Das
sollten wir ohne Probleme schaffen. Die können uns sicher helfen.“
Meine Schwester nickte stumm und ließ Lukas jetzt los, hielt aber
immer noch seine zitternde Hand. Ich sah die langen Rotzfäden von
seiner Nase laufen und die verquollenen Augen. Unwillkürlich dachte
ich, das wäre ein weiterer großartiger Grund keine Kinder zu haben.
Ekelhaft. Da keine von uns eine bessere Idee hatte, schloss ich mein
Auto ab und wir machten uns auf den Weg, den wir einige Minuten zuvor
noch gemütlich sitzend auf meiner Lederausstattung hinter uns
gebracht hatten. Kaum 400 Meter würden wir schaffen, trotz der
Dunkelheit. Die Augen würden sich schnell daran gewöhnen. Wir waren
also gerade um die Kurve herum, als mich eine kleine Hand an dem
Ärmel zupfte. Schniefend deutete Lukas auf etwas am Wegesrand „Tante
Jessica, guck mal. Da ist Stein.“ Ich stutzte. Er hatte Recht.
Neben uns wurde der Wald abgelöst von höher werdenden, mit Moos und
Flechten bewachsenen Steinhängen und der Weg schien sich wie in eine
Art Tal tiefer in den Stein hinein zu fressen. „Miriam, wir sind
diesen Weg hier nicht gefahren. Was ist hier los?“ Meine Schwester
zitterte bei diesen Worten. „Ich weiß, ist mir auch schon
aufgefallen. Sieh mal, der Weg wird auch enger. Unmöglich das wir
hier durch gefahren sind. Außerdem… wann hast du zuletzt so
massiven Stein hier, in der Nähe der Nordsee gesehen?“ Das war
alles nicht möglich. Ich wurde immer nervöser. „Wir sollten
einfach weiter gehen. Wahrscheinlich nur eine Täuschung. Das macht
das Gehirn in einer Paniksituation.“ Also gingen wir weiter, bis
der Weg so eng wurde, dass die Steinwände so nah beieinander
Standen, dass wir nur im Gänsemarsch laufen konnten. Miriam vorne,
hinter ihr Lukas. Dann folgte ich. Die Zeit konnten wir nicht richtig
einschätzen, ich trug keine Uhr, aber es mussten doch einige Minuten
gewesen sein, bis sich der Stein öffnete. Miriam schrie auf, keuchte
und brach beinahe zusammen, als sie wieder einen Blick in die nähere
Umgebung werfen konnte. Ich eilte hinterher und zuckte zusammen. Die
Tränen stiegen mir in die Augen. Unmöglich. Das war einfach zu
viel. Wir waren am Rand der Lichtung mit dem Schild. Mein Auto stand
dort. Wie wir es verlassen hatten. Wir waren im Kreis gelaufen. Aber
das war nicht möglich! Wir sind den gleichen Weg zurück, wie wir da
hin gekommen sind, gegangen. Es gab nur diese eine Kurve und sonst war
es schnurgerade gewesen! Langsam bewegten wir uns wieder auf das
Schild zu. Ich setzte mich auf die Bank. Vergrub mein Gesicht in den
zitternden Händen. Eine ganze Weile saß ich da und konnte nichts
tun außer immer mehr zu verzweifeln. Ich schrak zusammen als eine
Hand mich an der Schulter berührte. „Jessica, wir sollten es
nochmal versuchen. Sonst können wir nichts machen. Lass uns diesmal
den anderen Weg gehen. Vielleicht hilft das. Dann kommen wir zur
Hauptstraße.“ Seltsam beruhigend. Der Mut in der Stimme meiner
Schwester half mir sehr. Ich fragte mich, woher sie das nahm. War sie
gerade noch so fertig wie ich gewesen. Aber sie schien sich
zusammengerissen zu haben und strahlte eine Entschlossenheit aus die
ihres Gleichen suchte. Also nickte ich und erhob mich, wischte mir die
Tränen von den Wangen und lief Miriam nach, die nun Lukas auf dem
Arm trug. Als ich an meinem Auto vorbei kam, bemerkte ich eine feine
Schicht von Tannennadeln und Dreck auf meinem Wagen. Wir waren kaum
eine Stunde hier und schon konnte ich meine Karre von Grund auf
reinigen lassen. Ich schnaubte ein bisschen amüsiert ob dieses
banalen Gedankens, verlor aber keine weitere Zeit damit. Der andere
Weg war noch dunkler als der, den wir zuerst genommen haben. Es gab
sehr viele Kurven, aber immerhin blieb der Weg breit und ohne
gruselige Felswände. Nur diese riesigen, dicht an dicht stehenden
Nadelbäume. Mehrere Male stolperte ich über Wurzeln und bin mehrere
Male beinahe gestürzt, fing mich aber immer rechtzeitig. Dass Lukas
auf dem Arm seiner Mutter mittlerweile aufgehört hatte zu weinen und an
seinem Daumen lutschte beruhigte mich. Wenn ein Kind in dieser
Umgebung ruhig sein konnte, dann ich auch. Die Geräusche dieses
Waldes unterschieden sich von dem der anderen, in denen ich
gelegentlich mit Erik spazieren ging. Es war stiller und so war jedes
Rascheln, jedes Knacken, jedes Huschen im Gebüsch, gefühlte drei
Mal so laut. Keine Eule, kein Vogel war zu hören. Es hatte etwas
Hypnotisches. Nach einem besonders lauten Geräusch fuhr ich herum,
konnte aber in der Dunkelheit nichts erkennen. Ich schüttelte den
Kopf und wollte wieder zu Miriam und Lukas aufschließen. Doch sie
waren verschwunden. Eben noch genau vor mir, keine zehn Meter, und nun
war ich allein. Meine Panik kehrte mit aller Macht zurück. Ich rief,
schrie, weinte, flehte, dass sie mir bitte antworten sollen! Schneller,
immer schneller hastete ich den Schotterweg weiter, immer weiter.
Eine Kurve, ich nahm sie ein wenig zu schnell, stolperte wieder und
diesmal stürzte ich. Mein Knie tat unglaublich weh als ich auf dem
Kies aufschlug. Einen kurzen Augenblick sammelte ich mich. Als ich
mich wieder aufrappelte, humpelnd meinen Weg wieder aufnehmen wollte,
befand ich mich wieder am Rande des Parkplatzes. NEEEINN! SCHEISSE!
VERDAMMTE KACKE! Ich blieb dort stehen. Das Licht zog mich zu sich,
aber ich widerstand dem Drang mich wieder auf die Bank zu setzen.
Obwohl. Am besten würde ich wohl hier warten, wenn Miriam und Lukas
wieder hier durch kämen und das würden sie sicher, hätten wir uns
gefunden. Ja, das war die beste Möglichkeit. Ich tat also nichts
außer dort zu sitzen bis ich es nicht mehr aushielt. Ich ging zu
meinem Wagen und als ich näher kam schrak ich nochmals unglaublich
zurück. Er war voll von Moos, Flechten und Laub, als hätte er
wochen-, monatelang dort gestanden! Die Natur eroberte innerhalb von
Stunden meinen Wagen! So nicht! Ich wischte die Scheibe frei, rieb
etwas grünes vom Schlüsselloch und versuchte die Tür zu öffnen.
Das erwies sich als schwerer als gedacht. Aber es klappte. Es roch
muffig im Inneren. Wie eine Mischung aus feuchtem Leder und einem
süßlichen, ekelhaften Kompostgeruch. Ich versuchte den Wagen erneut
zu starten, doch diesmal ertönte nicht einmal das Geräusch der
Zündung. Keine Lampen leuchteten auf. Die Batterie musste bis auf
den letzten Rest leer sein. Wütend schlug ich einige Male heftig auf
das Lenkrad. Dann stieg ich wieder aus. Ging zu der Bank und hoffte
nicht mehr lange warten zu müssen. Vielleicht hatten sie es ja raus
geschafft und Hilfe war unterwegs! Ja, genau! Ich würde hier
gerettet werden. Da war ich ganz sicher. So verstrichen noch einige
lange Augenblicke. Dann hörte ich ein Knacken. Ziemlich nah hinter
mir im Unterholz wo die Bäume nicht ganz so eng standen. In der Nähe
des Schildes. Seltsam. Das hatte ich mir in all der Zeit nicht
angesehen. Jetzt sah ich wie Lukas aus dem Wald gestolpert kam. Er
war völlig apathisch, dreckverkrustet, und irgendwas braunrotes
verklebte seine rotblonden Haare. Schnell eilte ich auf Ihn zu:
„Lukas! LUKAS!!! Wo ist deine Mama! Bitte, wo ist deine Mama, was
ist passiert?!?“ Er reagierte nicht, ging einfach weiter auf das
beleuchtete Schild zu. Dann murmelte er irgendwas, das ich nicht
verstehen konnte. „Lukas!! Dreh dich sofort um!“ Ich hoffte, der
harte Tonfall würde ihm zu verstehen geben, dass ich es ernst meinte
und ihn aus seiner Trance reißen. Vergeblich. Er erreichte das
Schild, kurz bevor ich bei ihm war. Beide Hände an das Holz gelegt
warf er den Kopf in den Nacken und schrie wie ein Wahnsinniger. Ich
konnte nicht näher, irgendwas in mir sträubte sich zutiefst, diesem
Schild zu nahe zu kommen und wie zur Bestätigung meines Gefühls,
schien das Schild ihn langsam in sich hinein zu saugen! Seine Beine
hoben von der Erde ab und er schien, während er schrie, immer tiefer zu versinken,
immer mehr ein Teil des Schilds zu werden! Das Licht flackerte, ein
gutturaler Schrei, der ganz sicher nicht von einem kleinen Jungen
stammte, ertönte und ließ mich zurückweichen, ich zitterte, ich
weinte, ich schrie. Das lief alles vollkommen entgegensetzt zu dem,
was ich jemals glaubte, wovon ich überzeugt war. So etwas konnte es
nicht geben! Ein lautes, ekelhaftes Knacken und Lukas‘ Knochen
brachen, als sie langsam ein Teil dieses verfluchten Ortes wurden.
Noch einmal kreischte mein Neffe, diesmal klang es menschlich, genau
wie ein Kind in Todesqualen sich anhören musste und etwas in mir
zerbrach ebenfalls. Ich lief weg, konnte kaum etwas sehen und
stolperte erneut über etwas, das ich für eine Baumwurzel hielt,
doch es war weicher als eine solche. Ich tastete weiter und fühlte
Stoff. Wischte mir das Gesicht ab und sah meine Schwester halb
begraben. Überall wuchsen ihr Pilze aus der Haut und ihr Haar schien
mit dem Stamm eines Baumes verschmolzen zu sein! Ich konnte sehen,
wie auch sie immer mehr ein Teil dieses Ortes wurde!
„Jes..s…ika…“ Hörte ich die geflüsterten
Worte meiner
Schwester. „lauf…weg… fass… nichts…an…“ Sie keuchte und
ich sah wie ein großer Fliegenpilz aus ihrem Mund wuchs, unglaublich
schnell. Sie verdrehte die Augen und gurgelte noch ein letztes Mal,
bis ihr Körper endgültig nicht mehr zu erkennen war und in der Erde
verschwand. Ich verlor keine Zeit und lief, lief immer weiter. Vorbei
an dem Felspfad, überall tauchten Gesichter auf, sie schrien mich
an, flehten um Rettung, kreischten, ich müsste mir jetzt auch einen
Platz suchen. Doch ich lief weiter. Immer und immer wieder kam ich
bei der Lichtung an. Mit jedem Mal war mein Auto mehr überwuchert,
mit jedem Mal hörte ich mehr Stimmen. Irgendwie mussten wir falsch
abgebogen sein und hatten einen direkten Pfad zur Hölle erwischt.
Wurden wir mit Absicht in diese Falle gelockt? Sollten wir diesen Ort
mit unserem Fleisch füttern? Sollte mir ewiges Leid, ewige Flucht
bevorstehen? Und dann fiel es mir ein. Ich hatte nicht getan, was mir
aufgetragen wurde! Ich hatte den Beutel nicht auf das Podest gelegt!
Entschlossen und hoffnungsvoll, dass dies womöglich mein Ausweg war,
rannte ich weiter und erreichte den Parkplatz. Der Beutel lag noch
genau da, wo ich ihn hatte fallen lassen. Er war am Boden schon
überwuchert mit Moos, schien aber soweit intakt zu sein. Mein Auto
war nur noch eine modrige Rostlaube, die höllische Natur hatte ihn
endgültig geholt. Ich zog das Etwas aus dem Beutel. Es war ein
Klumpen Moos. Fest gepresst, aber eindeutig nur ein Klumpen Moos! Ich
hängte den Beutel an den rostigen Haken und legte, sehr drauf
bedacht, nicht das Podest zu berühren, den Klumpen auf die
Holzplatte. Praktisch sofort wurde es still. Kein Knacken im
Unterholz mehr und ich spürte einen feinen, warmen Lufthauch. Fast
unmerklich wurde es heller. Zwischen den Bäumen sah ich die Sonne
aufgehen. Ich konnte endlich das Ende des Waldes sehen! Ich rannte
auf das Licht zu und in weniger als zwei Minuten stand ich am Rand
der Bäume. Ich ging noch ein Stück, wandte mich dann um, um den
Wald noch einmal bei Tageslicht zu sehen. Er war winzig. Ich verstand
es einfach nicht! Wir sind stundenlang dort herum geirrt und diese
Baumansammlung hatte kaum dreihundert Meter Durchmesser! Ich
konnte sogar durch die Bäume hindurch zur anderen Seite sehen! Der
Parkplatz war ohne Probleme zu erkennen, sogar der rostige Rest
meines Autos. Zu diesem Zeitpunkt verstand ich sowieso nichts mehr.
Nach einem kurzen Fußmarsch habe ich dann die Hauptstraße erreicht.
„Sie wurden von einem Passanten
direkt hierher gefahren, richtig?“, fragte der Mann vor mir,
der sich die gesamte Schilderung ohne eine Zwischenfrage angehört
hatte. „Ja das ist richtig. Seitdem sitze ich in diesem Raum.“
Der Mann seufzte sehr tief. Schüttelte den Kopf. „Ihre Schwester,
Ihr Neffe und Sie wurden von Ihrer Mutter als vermisst gemeldet, als Sie
nicht wie verabredet eingetroffen sind“, sagte er betont ruhig.
„Mhh, ja kann ich mir vorstellen. Mutter war immer ein wenig
überfürsorglich, aber ich bin ihr dankbar dafür. Sie hätten uns
wahrscheinlich sowieso bald gefunden, nicht wahr?“ Der Mann
schwieg. Dann setzte er kurz zum Sprechen an, ließ es aber dann
bleiben. Schüttelte den Kopf und sagte dann doch: „Hören Sie, ich
bin gleich wieder da. Muss nur einige Sachen Ihrer Aussage
überprüfen. Dann bin ich wieder bei Ihnen.“. Mit diesen Worten
schob er den Stuhl geräuschvoll quietschend vom Tisch und verließ
den Raum. Ließ mich allein mit meinen Gedanken. Was würde jetzt
geschehen? Kommt meine Mutter gleich zur Tür rein, umarmt mich und
weint bitterlich um ihre Tochter und ihren Enkel? Wieder öffnete
sich die Tür. Der Mann von gerade und zwei uniformierte
Polizeikollegen betraten den Raum. „Frau Jakobs, wir haben
festgestellt, dass es keine Tankstelle, kein Motel und auch kein
Waldstück gibt. Nicht im Umkreis von 20 Kilometern von der Stelle,
an der Sie gefunden wurden. Es gab dort auch nie etwas Vergleichbares
und die möglichen Stellen können es laut Ihrer Beschreibung nicht
sein.“ Er zog wieder dieses diktiergerätartige Ding aus seiner
Tasche. „Frau Jakobs. Was ist das?“. Ich stutzte. Eine Fangfrage?
„Keine Ahnung. Ein Diktiergerät? Habe aber noch nie so ein Ding
gesehen. Sieht modern aus. Warum?“ Er räusperte sich. „Kommt
Ihnen hier nichts irgendwie seltsam vor?“ Ich wusste nicht, was er
meinte, aber ja, irgendwas war eindeutig anders. Ich habe nicht so
sehr auf meine Umgebung geachtet, ich wollte nur schnell Hilfe und in
Sicherheit sein, fühlte mich aber dennoch wie ein Fremdkörper. „Ja
schon ein bisschen. Aber was meinen Sie? Sie machen mir Angst…“
„Das“ ,sagte er, „ist ein Smartphone. Fast jeder hat heute
eins.
Frau Jakobs, was glauben Sie, welches Datum wir heute haben?“
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Was war hier nur los? Mit
zitternder Stimme antwortete ich „14. September 1993, warum? WAS
IST HIER LOS?“, schrie ich nun. Die Polizisten sahen sich an.
Sichtbar nervös. Der Mann vor mir schluckte schwer. „Frau Jakobs,
heute ist der 15. September 2016. Sie wurden vor exakt 23 Jahren als
vermisst gemeldet.“